Planetenroman 10: Geisterschiff CREST IV - Kurt Mahr - E-Book

Planetenroman 10: Geisterschiff CREST IV E-Book

Kurt Mahr

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Beschreibung

Eine Routine-Expedition wird zum Alptraum - zwischen den Sternen erfüllt sich ein Schicksal Im September 3437: Perry Rhodan erteilt der Besatzung eines Raumschiffes einen ganz speziellen Auftrag. Die Frauen und Männer sollen die CREST IV suchen, sein ehemaliges Flaggschiff. Dieses wurde vor über tausend Jahren im Leerraum zwischen den Galaxien zurückgelassen. Der Befehl an den Bordcomputer lautete damals, im Dilatationsflug zur Erde zurückzukehren, über die Grenzen von Zeit und Raum hinweg. Die Männer und Frauen der HAMPTON T begeben sich auf die Suche - sie entdecken rasch eine Fährte. Doch die Verhältnisse zwischen den Sterneninseln sind nicht so, wie sie sein sollten. Die Menschen stoßen auf die Spuren seltsamer Außerirdischer und eines mysteriösen Schwarzen Loches. Sie müssen erkennen, dass sich im Leerraum nicht nur das Schicksal eines alten Raumschiffes erfüllt, sondern womöglich auch ihr eigenes ...

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Planetenroman

Band 10

Geisterschiff CREST IV

Eine Routine-Expedition wird zum Albtraum – zwischen den Sternen erfüllt sich ein Schicksal

Kurt Mahr

Im September 3437: Perry Rhodan erteilt der Besatzung eines Raumschiffes einen ganz speziellen Auftrag. Die Frauen und Männer sollen die CREST IV suchen, sein ehemaliges Flaggschiff. Dieses wurde vor über tausend Jahren im Leerraum zwischen den Galaxien zurückgelassen. Der Befehl an den Bordcomputer lautete damals, im Dilatationsflug zur Erde zurückzukehren, über die Grenzen von Zeit und Raum hinweg.

Die Männer und Frauen der HAMPTON T begeben sich auf die Suche – sie entdecken rasch eine Fährte. Doch die Verhältnisse zwischen den Sterneninseln sind nicht so, wie sie sein sollten.

Die Geschichte des Solaren Imperiums ist eine Geschichte großer Raumschiffe, bedeutungsvoller Expeditionen und kühner Abenteuer: In geradezu jugendlichem Ungestüm stieß die Menschheit in den ersten Jahrhunderten nach Perry Rhodans Mondlandung in das Universum vor, erkundete fremde Galaxien und kam mit unglaublichen Mächten in Kontakt.

Zu diesen großen Expeditionen zählte auch die unfreiwillige Reise in die ferne Galaxis M 87. Im 25. Jahrhundert alter Zeitrechnung verschlug es Perry Rhodan mit seiner CREST IV und der Besatzung in diese Sterneninsel, zu der ein herkömmlicher Raumflug nicht möglich war. Ebenso wenig möglich war die Rückreise, sodass den Terranern nichts anderes übrig blieb, als das Raumschiff zurückzulassen und mithilfe der Haluter die Rückreise anzutreten.

Es sollten rund tausend Jahre vergehen, bis die »alte« CREST IV erneut ins Licht der Öffentlichkeit geriet. Die Reise der HAMPTON T sowie die anschließende Suche ihrer Besatzung bildete den vorläufigen Abschluss einer lang währenden Odyssee – diese Reise ist zugleich ein Beleg für den Wagemut vieler Menschen jener Tage.

Die dabei erstellten Berichte erweisen sich als nüchtern und wissenschaftsorientiert. Kein Wunder, bestand doch der größte Teil der Besatzung aus wissenschaftlich geschulten Raumfahrern und Raumlandesoldaten ... und das war in jenen Tagen ebenfalls typisch für die Raumschiffe des Solaren Imperiums.

(Aus: Hoschpians unautorisierte Chronik des 35. Jahrhunderts christlicher Zeitrechnung; Kapitel 4.1.02, Die Suche nach der eigenen Vergangenheit)

Prolog

20. September 2436, 6 Uhr Allgemeiner Zeit.

Die magnetischen Fesseln fielen. Die beiden Haluterschiffe lösten sich von der Wandung der CREST und nahmen Positionen dreihundert Kilometer seitwärts des Flaggschiffs der Solaren Flotte ein. Einer der beiden halutischen Raumer gehörte Icho Tolot und Fancan Teik. Der andere war das Eigentum von Pinar Alto und Hisso Rillos.

An Bord des ersteren Fahrzeugs hielt sich Perry Rhodan auf. Atlan dagegen hatte sich Alto und Rillos als Gastgeber ausgesucht.

Um 6.02 Uhr aktivierte Perry Rhodan mithilfe eines Signalgebers den Autopiloten an Bord der CREST. Das riesige Schiff setzte sich in Bewegung, und die beiden halutischen Einheiten folgten in geringem Abstand.

Die Zeit verstrich schnell. Nach knapp drei Stunden betrug die Geschwindigkeit der drei Fahrzeuge in Bezug auf die Position, von der aus sie auf Fahrt gegangen waren, ein Drittel der Lichtgeschwindigkeit.

Der Augenblick des endgültigen Abschieds kam um 9.25 Uhr.

Die Formation war beibehalten worden. Als Reflex der Taststrahlung, die von Icho Tolots Schiff ausging, bildete sich die CREST auf dem Backbordsektor des Rundschirms ab. Perry Rhodans Blick fraß sich an dem Bild fest. Die CREST IV war sein Schiff! Er selbst hatte die Spezifikationen ausgearbeitet, nach denen sie gebaut wurde. Er selbst hatte mit dem Parlament um die Bewilligung der ungeheuren Summe gekämpft, die der Bau des Schiffes verschlingen würde. Er selbst hatte eigenhändig einen Gegner des Projekts nach dem anderen davon überzeugt, dass das Schiff die Ausgaben tausendmal aufwiegen werde.

Er hatte recht gehabt. In den wenigen Jahren ihres Lebens hatte die CREST IV an entscheidender Stelle an Verteidigungsunternehmen mitgewirkt, die die Entstehung von Schäden infolge feindlicher Eingriffe in gigantischer Höhe verhinderten.

Die CREST IV war sein Schiff!

Um 9.25 Uhr riss er den Blick mit Anstrengung vom Bildschirm. Er nickte dem Giganten Icho Tolot zu, der neben ihm an den Kontrollen seines Fahrzeugs saß.

Um 9.25 Uhr wandte in Pinar Altos Schiff der Arkonide Atlan den Kopf, um den Anblick des Fahrzeugs, das nach einem der hervorragendsten Vertreter des arkonidischen Volkes benannt war, nicht länger ertragen zu müssen, und gab Pinar Alto, der ebenfalls an den Kontrollen seines Schiffes saß, einen Wink.

Wenige Sekunden später verschwanden die beiden halutischen Einheiten im Linearraum. Zurück in der endlosen Finsternis blieb die CREST IV, das Geisterschiff, auf dem Weg über einen Abgrund von siebenundzwanzig Millionen Lichtjahren.

Auf dem Rückweg aus der Galaxis M 87, der Sterneninsel der Konstrukteure des Zentrums, musste Perry Rhodan sein Flaggschiff zurücklassen, weil es aus eigener Kraft die riesige Entfernung bis zur Erde nicht überwinden konnte. Die Konstrukteure des Zentrums hatten den Großadministrator mit zwei Paratron-Konvertern ausgestattet, die zwar als Ultra-Langstreckentriebwerke verwendet werden konnten, aber nicht für ein so riesiges Fahrzeug, wie die CREST IV es war. Die Konverter wurden in den beiden halutischen Einheiten installiert, und an Bord dieser Schiffe kehrten Rhodan und seine Begleiter in die heimatliche Galaxis zurück.

Dem Abschied von der CREST IV war eine bittere Auseinandersetzung mit einem Volk fremder Intelligenzen vorausgegangen, die sich Rrhaal nannten, wie Felsstücke aussahen und die Fähigkeit besaßen, ohne Schutz im freien Weltall zu leben. Der letzte Vorstoß der kriegerischen Rrhaal hatte der CREST IV gegolten, die zu jener Zeit schon evakuiert war. Dennoch hatten sich Rhodans Männer in den Kampf gestürzt, um ihr Flaggschiff zu verteidigen. Sie hatten die Rrhaal geschlagen. Aber fünfzig Terraner waren dabei auf der Strecke geblieben.

Seit jener Zeit fuhr die CREST IV durch die unergründlichen Tiefen des Leerraums, Kurs heimatliche Milchstraße, mit einer Geschwindigkeit, die sich nur um Millimeter pro Sekunde von der Ausbreitungsgeschwindigkeit elektromagnetischer Wellen unterschied. Der Autopilot steuerte das leere Fahrzeug. Die Entfernung, die er zurückzulegen hatte, betrug 27 Millionen Lichtjahre. Aufgrund seines Programms hatte er zunächst mit zehn Kilometern pro Sekundenquadrat beschleunigt, um das Schiff am Ende dann aus dem Bereich hochrelativistischer Geschwindigkeiten wieder in den Normalflug zu bringen.

An Bord der CREST IV würden, nach der Borduhr gemessen, nur wenige Stunden vergehen, bis das Flaggschiff der Solaren Flotte am Rand der Heimatgalaxis auftauchte. Für den ruhenden Beobachter auf der Erde dagegen betrug die Wartezeit 27 Millionen Jahre.

Die Positronik der CREST war per Programm beauftragt, in kurzen Abständen hyperenergetische Peilsignale abzustrahlen. Diese Signale waren unmoduliert und von einer Dauer, die nur wenige Nanosekunden währte, aber ungeheuer energiereich. Es war Rhodans Ansicht, dass die Menschheit womöglich keine 27 Millionen Jahre lang würde warten müssen, um ihr stolzes Flaggschiff wiederzusehen.

Der Terraner rechnete damit, dass mithilfe der Paratrontechnik in aller Kürze Ultra-Langstreckentriebwerke entwickelt werden könnten, mit deren Hilfe man die Suche nach der durch den Leerraum treibenden CREST aufnehmen konnte. Deswegen legte er Wert darauf, dass das Flaggschiff Signale abstrahlte, durch die es angepeilt werden konnte.

Allerdings ging Rhodans Rechnung nicht auf. Die Paratrontechnik erwies sich als nicht verwertbar. Ein ganzes Jahrtausend ging ins Land, bis die terranische Technologie aus eigener Kraft das so bitter benötigte Langstreckentriebwerk entwickelte: das Dimesexta-Aggregat, mit dem als erstes Fahrzeug das damalige Flaggschiff der Solaren Flotte, die MARCO POLO, ausgestattet wurde.

Zu dieser Zeit, in den dreißiger Jahren des 35. Jahrhunderts, waren Terra und die Menschheit erneut in Gefahr. Die MARCO POLO wurde so rasch wie möglich in Dienst gestellt, um den Großadministrator über eine Distanz von 36 Millionen Lichtjahren in die Galaxis der Cappins zu bringen.

Vor seinem Aufbruch erließ Perry Rhodan eine Reihe von Aufträgen. Einer von ihnen besagte ausdrücklich, dass ein leistungsfähiges Raumschiff mit dem neuen Antrieb ausgestattet und auf die Suche nach der CREST IV geschickt werden solle.

Das war der Stand der Dinge am 21. September 3437 Allgemeiner Zeitrechnung.

1.

Lagebesprechung im Hauptquartier der Solaren Flotte, in einem der Außensektoren von Imperium-Alpha, der Kommandozentrale des Solaren Imperiums.

Den Vorsitz führte Oberst Kevan Duryeah, ein untersetzter, mittelgroßer Mann mit einem Anflug von Stiernacken, der die rötlichen Haare zu Borsten gestutzt trug. Er war europäischer Herkunft und hatte hellblaue Augen. Man schätzte sein Alter gewöhnlich auf um die fünfzig. Nur wer Duryeah besser kannte, erfuhr, dass er sich dem Ende des siebten Lebensjahrzehnts näherte.

Vor der Wand des verdunkelten Raumes schwebte die dreidimensionale Projektion eines fremden Raumsektors. Die Perspektive war der Anschaulichkeit halber verzerrt: Sterne des Vordergrunds waren von derselben Größe wie Galaxien im Hintergrund. Kevan Duryeah fuchtelte temperamentvoll mit einem Symbolstift umher und brachte ihn schließlich an einer Stelle, die nicht allzu weit von einer in geheimnisvollem Bau leuchtenden Milchstraße entfernt war, zur Ruhe.

»Etwa in dieser Gegend wird der derzeitige Standort des Flaggschiffs vermutet«, sagte der Oberst mit knarrender Stimme.

Er sprach von der CREST IV grundsätzlich als vom »Flaggschiff«, obwohl dieser Titel dem Fahrzeug seit einem Jahrtausend nicht mehr zustand.

»Sie als Astrogatoren«, fuhr Duryeah fort, »sind sich darüber im Klaren, dass das Auffinden eines Raumschiffs, das mit einem Alpha-Faktor von wer weiß wie viel Millionen durch die Gegend rast, kein Kinderspiel ist. Deshalb habe ich Sie hierher gebeten. Ich erwarte von Ihnen Ideen, wie wir unsere Aufgabe am geschicktesten lösen können.«

Seine Zuhörerschaft bestand aus zwei Männern und einer Frau, dem Spezialistenteam der HAMPTON T, die den Suchauftrag übernommen hatte. Major Lennox Hatt war ein hochgewachsener Mann in den mittleren Jahren, dunkelhaarig und mit einem scharf geschnittenen Gesicht, das Draufgängertum verriet.

Ihm zur Seite saß Leutnant Remo Shah, von der äußeren Erscheinung her Lennox Hatts Gegenstück. Er war klein und korpulent. Den Schädel zierte eine spiegelnde Glatze. Die Augenbrauen dagegen waren dick und buschig und von einer fast unnatürlich hellen Farbe.

Auf der anderen Seite des Tisches, als lege sie Wert auf Abstand, hatte Nadim Abouzir Platz genommen, Astrogatorin 1. Klasse im Zivildienst und somit in derselben Vergütungskategorie wie ein Oberstleutnant. Nadim war schlank und von mittlerer Größe. Dunkle Augen und ein samtbrauner Teint verliehen ihr ein Aussehen, das manche als »halbwegs exotisch« betrachteten.

»Wann wurde das letzte Peilsignal der CREST IV empfangen?«, erkundigte sich Lennox Hatt, als Duryeah eine Pause einlegte.

»Vor knapp fünfzig Jahren«, antwortete der Oberst. »Den genauen Wert können Sie vom Rechner erfragen.«

»Fünfzig Jahre!«, staunte Remo Shah. Er hatte eine ziemlich hohe Stimme, die einen unwillkürlich aufhorchen ließ. »Warum hat man den Sender nicht so eingestellt, dass das Signal öfter abgestrahlt wird?«

Nadim Abouzir warf dem kleinen Leutnant einen abfälligen Seitenblick zu. Man sah ihr an, dass sie die Frage nicht für sonderlich intelligent hielt.

»Ich habe den exakten Alpha-Faktor der CREST IV im Augenblick nicht im Kopf, Shah«, antwortete Duryeah, »aber er liegt in der Nähe der Milliardengrenze. Der Peilsender strahlt ein ultraenergiereiches Hypersignal ab. Jeweils nach der Abstrahlung des Signals muss das Sendeenergiereservoir wieder aufgeladen werden. Das nimmt Zeit in Anspruch, ein bis zwei Sekunden etwa.« Er sah Remo Shah an, als wäre damit alles erklärt.

Shah empfand offenbar anders. Er starrte ratlos vor sich hin und sagte: »So ...?«

»Wissen Sie, wie viele Sekunden ein Jahr hat?«, fragte Duryeah.

»Habe mich nie darum gekümmert, Sir«, bekannte der beleibte Leutnant bereitwillig. »Muss eine ziemlich große Zahl sein.«

»Einunddreißig Millionen und ein paar«, bemerkte der Oberst, dem allmählich die Geduld ausging, nicht ohne eine gewisse Schärfe.

»Oh!«, machte Remo Shah. »Das ist weniger, als ich dachte. Lassen Sie mich mal nachrechnen. Eine Milliarde, dahinein geht einunddreißig Millionen etwa dreißig Mal, vielleicht ein bisschen mehr.«

Er sah verblüfft auf. »Tatsächlich!«, stieß er hervor. »Bei einem Alpha-Faktor von einer Milliarde vergeht an Bord der CREST IV eine Sekunde, während hier auf der Erde dreißig bis vierzig Jahre verstreichen!«

Kevan Duryeah nickte mit Nachdruck. »Ja, so sieht das aus!«, sagte er.

Der Alpha-Faktor wurde zur Angabe von Geschwindigkeiten im hochrelativistischen Bereich verwendet. Als einzelne Faktoren benötigte man die vom ruhenden Beobachter gemessene Geschwindigkeit des bewegten Objekts, in diesem Fall der CREST IV, sowie die Lichtgeschwindigkeit. Da die CREST IV seit nunmehr 1001 Jahren mit einem konstanten Wert von zehn Kilometern pro Sekundenquadrat beschleunigte, konnte man sich leicht ausrechnen, dass ihre Geschwindigkeit sich der Lichtgeschwindigkeit weit angenähert hatte. Dadurch erhielt der Alpha-Faktor einen äußerst großen Wert.

In diesem Augenblick erkundigte sich Nadim Abouzir: »Wie viele Peilsignale wurden von der CREST insgesamt empfangen, seitdem das Schiff sich selbst überlassen ist?«

Duryeah sah in seinen Unterlagen nach. »Knapp eintausend Mal«, antwortete er. »Der Sender ist auf ein konstantes Funkintervall kalibriert. Vor eintausend Jahren, als das Flaggschiff sich auf die Reise machte, wurden mehr als neunhundert Signale ausgestrahlt, bis die CREST den Bereich der relativistischen Geschwindigkeiten erreichte.«

»Ausgestrahlt! Und auch hier empfangen?«, fragte Nadim.

»Ja, sie wurden empfangen. Man wusste damals nicht, was man damit anfangen sollte, da der Großadministrator von seiner Odyssee noch nicht zurückgekehrt war. Aber der Empfang wurde registriert, und alle wichtigen Parameter sind aufgezeichnet.«

»Ausgezeichnet«, lobte die junge Frau mit leisem Spott. »Lässt sich anhand der aufgezeichneten Signale erkennen, ob sich die CREST IV auf einem geraden Kurs bewegt?«

»Auf einem Inert-Kurs«, verbesserte Duryeah. »Der Begriff ›gerade‹ ist zur Beschreibung von Linien durch den Einsteinraum nicht besonders gut geeignet.«

Nadim behielt ihre gute Laune. Es machte ihr nichts aus, dass sie korrigiert worden war.

»Ich bin mir wohl bewusst, dass sogar ein so stolzes Schiff wie die CREST der Raumkrümmung folgen muss«, antwortete sie. »Aber der Inert-Kurs ist nachgewiesen?«

»Unbedingt«, bestätigte Duryeah.

»Dann sehe ich keine Schwierigkeit in unserem Unternehmen«, erläuterte Nadim. »Die gegenwärtige Position der CREST lässt sich anhand der bekannten Triebwerksparameter und der bisher empfangenen Peilsignale genau errechnen. Die Frage ist lediglich, was wir unternehmen wollen, wenn wir am Ort sind.«

Lennox Hatt schwenkte seinen Sessel zur Seite, sodass er Nadim vor sich hatte. »Der Autopilot der CREST ist darauf programmiert, einen bestimmten Funkbefehl zu erkennen und daraufhin eine Bremsphase mit höchsten Beschleunigungswerten einzuleiten.«

»Wie viel ist das?«, wollte Nadim wissen.

»Man muss vorsichtig sein und darf den in der Spezifikation vorgesehenen Höchstwert nicht verwenden«, antwortete Hatt. »Aber 500 Kilometer pro Sekunde werden sich wahrscheinlich erzielen lassen.«

»Was bedeutet das? Ich meine ... wann wird die CREST wieder in den Bereich normaler Geschwindigkeiten zurückkehren?«

»In zwanzig bis dreißig Jahren«, antwortete Lennox Hatt gelassen und schwenkte seinen Sessel wieder in die ursprüngliche Stellung zurück.

Eine Zeit lang war es still. Dann sagte Remo Shah: »Es ist immer nur von Geschwindigkeit, Alpha-Faktoren und Standorten die Rede. An den anderen Aspekt denkt offenbar niemand!«

Duryeah und Hatt musterten ihn verblüfft. Nadim dagegen blickte still vor sich hin. Sie war offenbar zudem Entschluss gekommen, dass es sich nicht lohne, Remo Shah zuzuhören – ganz egal, was er zu sagen hatte.

»Welchen anderen Aspekt?«, fragte Kevan Duryeah.

»Die Rrhaal«, antwortete Shah. »Ich habe die Geschichte der CREST IV genau studiert. Es scheint mir, dass die Rrhaal an unserem Flaggschiff ein ganz besonderes Interesse hatten.«

»Und?«, fragte der Oberst bissig.

Remo Shah beugte sich in seinem Sessel nach vorne. Man sah ihm an, dass es ihm bei dieser Sache durchaus ernst war.

»Glauben Sie wirklich, dass die Rrhaal plötzlich aufhörten, sich für die CREST zu interessieren?«

Die HAMPTON T startete am 23. September 3437. Das war 1001 Jahre und drei Tage genau auf den Tag, da Perry Rhodan sich von seinem Flaggschiff, der CREST IV, verabschiedet hatte. Der Start erfolgte vom Raumhafen Terrania City.

Die HAMPTON T war ein umgebauter ehemaliger Schlachtkreuzer der SOLAR-Klasse. Das kugelförmige Fahrzeug mit dem charakteristischen Ringwulst hatte einen Durchmesser von 500 Metern. Ein großer Teil der Bewaffnung hatte entfernt werden müssen, um für das auf dem Dimesexta-Prinzip beruhende Ultra-Langstreckentriebwerk Platz zu schaffen.

Die HAMPTON T trug eine Besatzung von insgesamt zweihundert Männern, Frauen und Robotern. Das war ein Viertel der üblichen Stammbesatzung eines Schlachtkreuzers, aber – wie sich ein Beamter in Terrania City unwirsch geäußert hatte – die fünffache Gehaltsliste. Denn die Besatzung der HAMPTON T bestand aus ausgesuchten Spezialisten. Das Fahrzeug war als Kriegsschiff klassifiziert und stellte insofern einen Einzelfall dar, als ihre Besatzung kein einziges Mitglied im Mannschaftsrang aufwies. Jedermann an Bord der HAMPTON T, ob im militärischen oder im Zivildienst, stand zumindest auf der Rangstufe eines Leutnants. Eine Ausnahme bildeten lediglich die Roboter.

Die Stimmung an Bord der HAMPTON T war gekennzeichnet durch die Spannung, mit dem die Mitglieder der Expedition der Begegnung mit dem ehemaligen Flaggschiff der Solaren Flotte entgegenfieberten. Die Aufbringung der CREST IV, die seit mehr als eintausend Jahren Standardzeit mit steter Beschleunigung durch den Leerraum eilte, war ein wissenschaftliches Unternehmen ersten Ranges.

Kevan Duryeah traf den Nagel auf den Kopf, als er die Atmosphäre an Bord der HAMPTON T mit diesen Worten beschrieb: »Ungefähr so muss es in Fermis Labor gewesen sein, kurz bevor der erste Reaktor in Betrieb gesetzt wurde.«

Das Schiff erreichte nach mehreren Linearetappen die Grenze der heimatlichen Galaxis. Auf dem Hecksektor des großen Panoramabildschirms im Kontrollraum schwebte wie eine Wolke aus massivem Licht das gewaltige Sternenmeer der Milchstraße. Vorab dagegen leuchteten die einsamen Sonnen und vereinzelten Kugelsternhaufen des Halos.

Kevan Duryeah ging kein Risiko ein, obwohl seine Ungeduld der der anderen Besatzungsmitglieder in nichts nachstand. Es wäre möglich gewesen, das Dimesexta-Triebwerk für den Flug durch den sternenarmen Halo einzusetzen. Duryeah aber tat es nicht. Die HAMPTON T brauchte weitere zwei Tage, um die Halo-Halbkugel im Linearflug zu durchqueren. Erst dann, als der Bugsektor des Bildschirms die absolute Schwärze des Leerraums zeigte, gab Duryeah den Befehl, das Ultra-Langstreckentriebwerk in Betrieb zu nehmen.

Die Entfernung von der Heimatgalaxis bis zur Milchstraße M 87, von der aus die CREST damals gestartet war, betrug insgesamt 32 Millionen Lichtjahre. Der endgültige Abschied von der CREST war jedoch geraume Zeit später erfolgt, knapp fünf Millionen Lichtjahre von M 87 entfernt. Das hatte seinen Grund darin, dass die Besatzung des Flaggschiffs den Augenblick der Trennung so weit wie möglich hatte hinausschieben wollen.

Die Paratron-Konverter, die auf der Welt Homeside in den beiden halutischen Einheiten montiert worden waren, konnten erst in Betrieb genommen werden, wenn man den Wirkungsbereich des »Blauen Leuchtens« verlassen hatte. Das Blaue Leuchten war die Geheimwaffe der Konstrukteure des Zentrums. Es war eine komplexe Art der Hyperstrahlung, die jedem Paratron-Konverter zum Verhängnis wurde. Die wirksame Reichweite der Strahlung betrug fünf Millionen Lichtjahre. Mindestens ebenso weit mussten die beiden Haluterschiffe von M 87 entfernt sein, bevor sie die Langstreckentriebwerke aktivieren konnten.

Die Kalupkonverter der CREST IV dagegen reichten für eine Flugstrecke von insgesamt 4,7 Millionen Lichtjahren. Danach war die Linearflugfähigkeit des Flaggschiffs aufgezehrt, und es blieb ihm nur noch das Normaltriebwerk, mit dessen Hilfe es im hochrelativistischen Flug den langen Rückweg zur Heimatgalaxis antrat. Der Punkt, an dem die Besatzung der CREST an Bord der beiden halutischen Schiffe gegangen war und von ihrem Flaggschiff Abschied genommen hatte, lag mithin 4,7 Millionen Lichtjahre vom Zentrum der Galaxis M 87 entfernt.

Die Entfernung, die die CREST IV seit ihrem Start vor 1001 Jahren zurückgelegt hatte, war im Vergleich zur Gesamtstrecke vernachlässigbar gering. Sie betrug, da das Fahrzeug sich mit annähernder Lichtgeschwindigkeit bewegte, fast 1001 Lichtjahre.

Für Major Hatts Expertengruppe, deren Aufgabe es war, den Punkt der Begegnung mit der CREST IV zu lokalisieren, hatte man an Bord der HAMPTON T ein eigenes Rechnerlabor eingerichtet. Die dort installierte Rechenanlage war vom Bordrechner unabhängig und diente allein dem Zweck, die für die Aufbringung der CREST erforderlichen Rechenarbeiten zu leisten.

Im Speicher des Rechners standen alle Daten zur Verfügung, die über den Flug der CREST IV bekannt waren. Dazu gehörten nicht nur fundamentale Informationen wie Ort und Zeit des Aufbruchs, Beschleunigungswerte und Kursvektor, sondern auch scheinbar belanglose Daten, wie beispielsweise die Messgenauigkeit raumfahrttechnischer Instrumente des 25. Jahrhunderts, Toleranzen des Korpuskulartriebwerks der CREST, Zuverlässigkeit der Haupt-Borduhr und die Präzision des Vektorrechners, der die Schubrichtung des Triebwerks kontrollierte.

Es waren in Wirklichkeit diese Zusatzdaten, die für die Auffindung der CREST von ausschlaggebender Bedeutung waren. Denn wenn alle Instrumente an Bord des ehemaligen Flaggschiffs mit absoluter Genauigkeit funktioniert hätten – wenn also die CREST ohne die geringste Abweichung von dem vorgeschriebenen Kursvektor beschleunigt hätte –, ließe sich ihr gegenwärtiger Standort fast bis auf den Meter genau ausrechnen. Es war der Umstand, dass jedem Gerät eine gewisse Ungenauigkeit innewohnte, der die Aufgabe der Expedition so sehr erschwerte.

Während des mehrere Tage dauernden Dimetransflugs errechneten Hatts Experten, dass der Raum, innerhalb dessen man die CREST zu finden hoffen durfte, die Form einer in Fahrtrichtung des Flaggschiffs gestauchten Kugel von annähernd acht Lichtjahren Durchmesser besaß. Den größten Beitrag zur Ungenauigkeit der Positionsbestimmung lieferte dabei der Vektorrechner der CREST: Man ging davon aus, dass seine Missweisung in der Größenordnung bei einem Zehntelprozent lag.

Am 30. September 3437 ging die HAMPTON T in der Nähe des erdseitigen Pols des Suchraums auf Position – also dort, wo der Kurs der CREST IV voraussichtlich das kugelförmige Suchvolumen durchstoßen würde.

Die Spannung an Bord des Expeditionsschiffs hatte einen Höhepunkt erreicht. Niemand mehr wollte seinen Posten verlassen, niemand wollte schlafen. Der Konsum von aufputschenden Medikamenten stieg sprunghaft, bis Kevan Duryeah sich veranlasst sah, der Sache einen Riegel vorzuschieben. Er verbot die Ausgabe der müdigkeitsneutralisierenden Mittel und erklärte über die Rundsprechanlage, dass Ungeduld in einer Lage wie dieser fehl am Platze sei. Zu der Ungewissheit bezüglich des gegenwärtigen Standorts der CREST IV komme eine Ungenauigkeit in der Zeitbestimmung.

»Das Flaggschiff kann ebenso gut jetzt wie in anderthalb Wochen auftauchen«, sagte er. »Machen Sie sich darauf gefasst, dass wir mindestens zwanzig Tage an diesem Ort verbringen werden. Erst wenn drei Wochen Standardzeit verstrichen sind, ohne dass wir die CREST zu Gesicht bekommen haben, wissen wir, dass wir für unsere Suche den falschen Standort ausgesucht haben.«

Mittlerweile herrschte im Labor rege Aktivität. Die während der vergangenen Tage erzielten Rechenergebnisse wurden immer wieder aufs Neue überprüft. Nadim Abouzir ließ eine lange Serie von Variationsrechnungen durchlaufen, die darüber Auskunft geben sollten, um wie viel man sich verrechnet hatte, wenn die eine oder andere Dateneingabe um so oder so viel unrichtig war. Die Ergebnisse waren beruhigend. Es gab keinen Fehler und keine Ungenauigkeit, die so groß waren, dass der HAMPTON T die CREST hätte entgehen können, wenn sie sich noch auf ihrem einmal eingeschlagenen Kurs befand.

Die HAMPTON T hatte inzwischen Sonden ausgefahren, die sich zum Teil mehrere Lichtjahre weit vom Mutterschiff entfernten und ihre Ergebnisse über Hyperfunk an das Labor meldeten. So entstand ein lückenloses Netz von Messstationen, dem die CREST IV unmöglich entgehen konnte.

So verstrichen fünf Tage. Die Spannung an Bord der HAMPTON T ließ nicht nach. Aber die Art und Weise, wie sich die Menschen unter ihrem Einfluss verhielten, nahm zivilisiertere Formen an. Die Hektik wich. Man hatte sich damit abgefunden, dass das Warten unter Umständen mehrere Wochen dauern werde.

Am Abend des 5. Oktober 3437 übernahm Remo Shah die Wache im Messlabor. Er löste Nadim Abouzir ab, die bis dahin mit ihren Variationsrechnungen beschäftigt gewesen war. Remo war seit Beginn des Unternehmens darauf aus, bei der jungen Astrogationsspezialistin Eindruck zu schinden. Er ließ sich auch diese Gelegenheit nicht entgehen.

»Hat sich während Ihrer Wache etwas Nennenswertes ereignet?«, fragte er wichtigtuerisch, nachdem er das Logbuch eingesehen hatte.

»Nicht bis ganz zuletzt«, antwortete Nadim.

»Oho! Was geschah zuletzt?«

»Da kam einer ins Labor, las das Logbuch, in dem keine Eintragungen stehen, und fragte trotzdem, ob sich während meiner Wache etwas Nennenswertes ereignet habe.« Mit diesen Worten steuerte sie den Ausgang an.

Remo Shah bekam einen roten Kopf. »Man wird doch wohl noch versuchen dürfen, sich zu unterhalten!«, rief er der jungen Frau aufgebracht nach. »Aber Sie werden sehen: Heute Nacht passiert's!«