Psychosen - Tania Lincoln - E-Book

Psychosen E-Book

Tania Lincoln

0,0
16,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Nach wie vor besteht das Vorurteil, dass eine komplexe Psychotherapie, bei der auch an den Selbstkonzepten gearbeitet wird oder Emotionen fokussiert werden, bei Psychosen nicht indiziert ist. In diesem Buch wird mit diesem Vorurteil aufgeräumt. Der Band beschreibt das Vorgehen bei der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlung von Patienten mit einer psychotischen Störung in der ambulanten Praxis. Er liefert Antworten auf häufig gestellte Fragen wie z. B.: Was mache ich, wenn der Patient die Diagnose ablehnt oder wenn er abrupt seine Medikamente absetzt? Wie gehe ich mit akuten Krisen und formalen Denkstörungen um? Anhand zahlreicher Fallbeispiele liefert der Band zunächst eine Beschreibung der Störung und das für die Therapie nötige Hintergrundwissen. Neben der bekannten biologischen Vulnerabilität wird auch auf psychosoziale Risikofaktoren, wie z. B. Probleme in der Stress- und Emotionsregulation, bestimmte Urteilsverzerrungen sowie familiäre Interaktionsmuster, eingegangen, die bei der Entstehung von Psychosen eine wichtige Rolle spielen. Den Schwerpunkt des Bandes bildet die Beschreibung des Vorgehens in der kognitiven Verhaltenstherapie von Psychosen sowie bei verhaltenstherapeutischen Familieninterventionen. Hierzu wird u. a. auf die Erarbeitung des individuellen Störungsmodells sowie die Arbeit an auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren eingegangen. Zudem werden Interventionen für den Umgang mit Wahn, Halluzinationen und der Negativsymptomatik vorgestellt sowie das Vorgehen beim Kommunikations- und Problemlösetraining. Ziel ist es, Therapeuten Mut zu machen, sich an die ambulante Behandlung von Psychosen heranzuwagen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Tania Lincoln

Eva Heibach

Psychosen

Fortschritte der Psychotherapie

Band 67

Psychosen

Prof. Dr. Tania Lincoln, Dr. Eva Heibach

Herausgeber der Reihe:

Prof. Dr. Kurt Hahlweg, Prof. Dr. Martin Hautzinger, Prof. Dr. Jürgen Margraf, Prof. Dr. Winfried Rief

Begründer der Reihe:

Dietmar Schulte, Klaus Grawe, Kurt Hahlweg, Dieter Vaitl

Prof. Dr. rer. nat. Tania Lincoln, geb. 1972. 1992–1999 Studium der Psychologie in Marburg. 2000–2003 Promotionsstipendiatin in der Christoph-Dornier-Stiftung für Klinische Psychologie. 2003 Promotion. 2005 Approbation zur Psychologischen Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie) in Münster. 2003–2005 klinische und wissenschaftliche Tätigkeit in der Klinik für forensische Psychiatrie Haina. 2005–2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Philipps-Universität-Marburg. 2008 Habilitation. Seit 2011 Inhaberin der Professur für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Hamburg. Forschungsschwerpunkte: Grundlagen- und Therapieforschung bei psychotischen Störungen.

Dr. rer. nat. Eva Heibach, geb. 1981. 2001–2007 Studium der Psychologie in Bremen und Marburg. 2008–2010 Promotionsstipendiatin an der Universität Marburg. 2012 Approbation zur Psychologischen Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie). 2010–2014 Tätigkeit in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Christlichen Krankenhauses Quakenbrück. 2011–2012 Dozentin an der Universität Hamburg. 2014 Promotion. Seit 2014 niedergelassen in eigener Praxis in Niedersachsen mit einem Behandlungsschwerpunkt für Patienten mit Psychosen. Seit 2011 Dozentin in verschiedenen Ausbildungsinstituten.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Copyright-Hinweis:

Das E-Book einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar.

Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG

Merkelstraße 3

37085 Göttingen

Tel. +49 551 999 50 0

Fax +49 551 999 50 111

[email protected]

www.hogrefe.de

Satz: ARThür Grafik-Design & Kunst, Weimar

Format: EPUB

1. Auflage 2017

© 2017 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2749-2; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2749-3)

ISBN 978-3-8017-2749-9

http://doi.org/10.1026/02749-000

Nutzungsbedingungen:

Der Erwerber erhält ein einfaches und nicht übertragbares Nutzungsrecht, das ihn zum privaten Gebrauch des E-Books und all der dazugehörigen Dateien berechtigt.

Der Inhalt dieses E-Books darf von dem Kunden vorbehaltlich abweichender zwingender gesetzlicher Regeln weder inhaltlich noch redaktionell verändert werden. Insbesondere darf er Urheberrechtsvermerke, Markenzeichen, digitale Wasserzeichen und andere Rechtsvorbehalte im abgerufenen Inhalt nicht entfernen.

Der Nutzer ist nicht berechtigt, das E-Book – auch nicht auszugsweise – anderen Personen zugänglich zu machen, insbesondere es weiterzuleiten, zu verleihen oder zu vermieten.

Das entgeltliche oder unentgeltliche Einstellen des E-Books ins Internet oder in andere Netzwerke, der Weiterverkauf und/oder jede Art der Nutzung zu kommerziellen Zwecken sind nicht zulässig.

Das Anfertigen von Vervielfältigungen, das Ausdrucken oder Speichern auf anderen Wiedergabegeräten ist nur für den persönlichen Gebrauch gestattet. Dritten darf dadurch kein Zugang ermöglicht werden.

Die Übernahme des gesamten E-Books in eine eigene Print- und/oder Online-Publikation ist nicht gestattet. Die Inhalte des E-Books dürfen nur zu privaten Zwecken und nur auszugsweise kopiert werden.

Diese Bestimmungen gelten gegebenenfalls auch für zum E-Book gehörende Audiodateien.

Anmerkung:

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Einführung

1 Beschreibung der Störungen

1.1 Der Psychosebegriff

1.2 Symptomatik

1.2.1 Positivsymptomatik

1.2.2 Negativsymptomatik

1.3 Klassifikation

1.4 Epidemiologie

1.5 Verlauf

1.6 Differenzialdiagnostik

Abgrenzung zu anderen psychischen Störungen

Abgrenzung zu organischen Störungen

1.7 Komorbide psychische Störungen

1.8 Begleitprobleme

Neuropsychologische Befunde

Somatische Beschwerden

Psychosoziale Probleme

1.9 Probleme aus Sicht der Patienten und Anlass für die Behandlung

2 Ätiologische Faktoren und Erklärungsmodelle

2.1 Risikofaktoren

2.1.1 Genetische Faktoren

2.1.2 Neurochemische Veränderungen

2.1.3 Veränderungen der Hirnstruktur und -funktion

2.1.4 Externale Einwirkungen

2.1.5 Erhöhte Stress-Sensitivität

2.1.6 Soziale Kognition und Verzerrungen der Informationsverarbeitung

2.1.7 Dysfunktionale Annahmen über sich und andere

2.2 Erklärungsmodelle

3 Diagnostik und Indikation

3.1 Diagnose

3.2 Symptomatik

3.3 Auslöser und Ursachen

3.4 Instrumente

4 Behandlung

4.1 Individualisierte Kognitive Verhaltenstherapie

4.1.1 Rahmenbedingungen

4.1.2 Aufbau der Therapiebeziehung

4.1.3 Therapieziele und Erarbeitung des individuellen Störungsmodells

4.1.4 Interventionen für Wahn

4.1.5 Interventionen für Halluzinationen

4.1.6 Interventionen für Negativsymptomatik

4.1.7 Arbeit an auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren und Komorbiditäten

4.1.8 Rückfallprävention

4.2 Verhaltenstherapeutische Familieninterventionen

4.2.1 Rahmenbedingungen und Vorbereitung

4.2.2 Informationsvermittlung

4.2.3 Kommunikationstraining

4.2.4 Problemlösetraining

5 Wirksamkeit ambulanter psychologischer Therapieansätze

5.1 Effektivität der individualisierten KVT

TAU-Gruppen Vergleich: Ergebnisse der NICE-Metaanalyse

Aktive Kontrollgruppenvergleiche – Ergebnisse einer neueren Metaanalyse

Übertragbarkeit auf die klinische Praxis

Wirksamkeit für besondere Zielgruppen

5.2 Effektivität der Familienbetreuung

6 Umgang mit dem Thema Medikation

7 Praxisrelevante Fragen und Antworten

Wie gehe ich damit um, wenn der Patient sehr misstrauisch ist?

Wie teile ich dem Patienten die Diagnose mit?

Was mache ich, wenn der Patient keine „Krankheitseinsicht“ zeigt?

Was mache ich, wenn mich der Patient fragt, ob ich ihm glaube?

Wie gehe ich mit formalen Denkstörungen und neurokognitiven Defiziten um?

Verstärke ich durch das Normalisieren und Verständnis zeigen nicht den Wahn?

Was mache ich, wenn der Patient die Medikamente abrupt absetzt?

Wie gehe ich mit akuten Krisen um?

Sind Patienten mit Psychosen nicht gefährlich?

Wie lange dauert eine Therapie bei Psychosen im Schnitt?

Kann man die KVT auch als Gruppentherapie durchführen?

Hat man nicht oft Schwierigkeiten bei der Bewilligung der Psychotherapieanträge bei Psychosepatienten?

Ist die KVT für bestimmte Patienten nicht geeignet?

8 Ausblick

9 Weiterführende Literatur

10 Literatur

11 Anhang

Karten

|1|Einführung

Beispiele:

„Von mir ist eine große Last abgefallen, als meine Psychologin mir erklärte, dass meine Gedanken und Empfindungen nur eine extreme Steigerung von normalen Phänomenen sind, die sich unter Stress entwickeln“, sagt Theesen. Plötzlich habe er sich nicht mehr wie ein Außerirdischer gefühlt. „Ohne die Psychotherapie hätte ich mein Studium niemals durchgehalten“, sagt der heute 38-jährige Theesen. Inzwischen ist er Lehrer an einer Oberschule. Der Beruf ist stressig, aber er hat Rückhalt bei seinen Freunden und seiner Familie. Und er sorgt für Ausgleich: Peter Theesen spielt in einer Band, treibt Sport und achtet auf Entspannung. Das hält ihn in Balance – und den Wahn auf Abstand (vgl. Hauschild, 2016).

„Durch die Therapie habe ich erfahren, dass ich meinen Emotionen nicht ausgeliefert bin – für mich eine völlig neue Erkenntnis.“ … „Letztens war ich im Restaurant, wurde nicht gleich bedient und bekam nach einiger Zeit das Gefühl, dass der Kellner mich nicht in dem Lokal haben will. Früher wäre ich frustriert gegangen oder ich hätte mich aufgeregt und beschwert. Heute kann ich solche Situationen aushalten und weiß, dass der Kellner mich vielleicht einfach noch nicht gesehen hat oder im Stress ist. Mein Leben ist zwar nach wie vor kompliziert, denn ich nehme immer noch Medikamente und beziehe seit einigen Monaten Grundsicherung, weil mir der Job gekündigt wurde. Trotzdem bin ich heute weitaus stabiler als früher und daran hat die Psychotherapie einen maßgeblichen Anteil“ (vgl. Hombach, 2016).

Solche Berichte von Patienten1, die wegen einer psychotischen Störung kognitiv-verhaltenstherapeutische Therapie erhalten haben, machen Mut. Ermutigend ist auch die inzwischen klare Evidenz für kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlungsansätze, die aus der intensiven Forschung der letzten Jahrzehnte hervorgegangen ist. Sowohl Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) als auch familientherapeutische Ansätze werden seit 2006 in nationalen Leitlinien empfohlen (Gaebel, Falkai, Weinmann & Wobrock, 2006), in den britischen NICE-Leitlinien sogar bereits seit 2002. Die aktuellen britischen Leitlinien (NCCMH, 2014) empfehlen dabei sogar ausdrücklich, allen Patienten mit einer psychotischen Störung eine KVT oder Familientherapie zusätzlich zur Medikation anzubieten. Folgerichtig enthält auch die Psychotherapie-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschus|2|ses in Deutschland inzwischen keine Einschränkung der Indikation für Psychotherapie bei Menschen mit psychotischen Störungen mehr. Während diese bis 2014 noch auf die Behandlung der „Begleit-, Folge- oder Residualsymptomatik psychotischer Erkrankungen“ eingrenzt war, wurde sie nun bei Schizophrenie, schizotypen oder wahnhaften Störungen für uneingeschränkt indiziert erklärt2.

Trotz dieser durchaus ermutigenden Entwicklungen stellt sich die Frage, ob die Erkenntnis, dass sich auch Symptome wie Wahn und Halluzinationen psychotherapeutisch behandeln lassen, schon in der ambulanten Versorgungspraxis angekommen ist. Uns schildern Patienten immer wieder, dass sie von ambulanten Psychotherapeuten zurückgewiesen werden, weil diese sich eine Psychosebehandlung nicht zutrauen. In einer Umfrage aus fünf Bundesländern (Nübling, Jeschke, Ochs & Schmidt, 2014) bestätigt sich dieses Bild. Nur 38 % der 2.264 befragten niedergelassenen Psychotherapeuten gaben an, grundsätzlich Therapien für Patienten mit psychotischen Störungen anzubieten. Ein systematisches Review von Studien zur ambulanten Versorgung lässt darauf schließen, dass der Anteil an Psychosepatienten allenfalls ein Drittel von dem beträgt, was er anhand der reinen Prävalenzen bei einem fairen Patientenmix sein müsste (Schlier & Lincoln, 2016).

Die Gründe für die Kluft zwischen Forschung und Praxis sind vielfältig. Das Störungsverständnis der Schizophrenie hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Die Therapieausbildung vieler Psychotherapeuten liegt länger zurück, sodass diese in den neueren evidenzbasierten verhaltenstherapeutischen Interventionen für Psychosen nicht ausgebildet sind. Diese Kompetenzen müssen sie nun in Form von Weiterbildungen erwerben, die gegebenenfalls noch nicht flächendeckend angeboten werden. Nicht nur deshalb halten sich manch „dysfunktionale Einstellungen“ – wie KVTler sie zu nennen pflegen – gegenüber Psychosen auch in unserer Zunft hartnäckig. Zu diesen zählt die Vorstellung, dass Wahn und Halluzinationen für Psychotherapie nicht zugänglich seien, oder die Annahme, dass Patienten mit Schizophrenie erst hinreichend „krankheitseinsichtig“ sein müssten, bevor mit einer Therapie begonnen werden könne. Zudem spielen auch strukturelle Aspekte des Versorgungssystems für die Unterversorgung eine Rolle. Hierzu zählen lange Wartezeiten und die „Kommstruktur“ der ambulanten Versorgung, die den Patienten ein hohes Maß an Eigeninitiative abverlangt, das bei Psychosepatienten nicht immer gegeben ist. Die mangelnde Flexibilität des ambulanten Settings und die Schwierigkeiten an der Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Versorgung stellen weitere Hürden dar. Ferner fehlt es manchen ambulanten Behandlern an finanziellen Anreizen, um sich auch schwerer gestörten Patienten zu widmen, bei denen Mehraufwand durch vermehrten Austauschbedarf und Therapieunterbrechungen durch Krisen sowie Komplikationen bei der Antragsstellung zu befürchten sind.

|3|Trotz all dieser Hürden gibt es eine beachtliche Anzahl von niedergelassenen Therapeuten, die Psychotherapien für Patienten mit psychotischen Störungen anbieten. Und – wie die O-Töne in nachfolgendem Kasten deutlich machen – viele dieser Therapeuten erleben die Arbeit mit Psychosepatienten als interessant und gewinnbringend.

Therapeuten über ihre Arbeit mit Psychosepatienten

„Belohnend finde ich die große Dankbarkeit der Patienten, die froh sind, dass ihnen endlich mal jemand richtig zuhört.“

„Tatsächlich gefällt mir auch der Einbezug der medikamentösen Therapie, wo ich mich durch die Psychiatriezeit gut auskenne und kompetent mit den niedergelassenen Psychiatern zusammenarbeiten kann.“

„Eine besonders interessante Erfahrung war es, festzustellen: so verrückt sind die Wahngedanken gar nicht, häufig verbirgt sich dahinter eine ganz normale Logik im Sinne der Lerngeschichte, Grundannahmen etc.“

„Mich fasziniert, wie unterschiedlich Menschen dieselben Sachverhalte wahrnehmen und bewerten können. Es ist spannend, die Sichtweise des Gegenübers kennenzulernen, und toll, wenn es gelingt, trotz Vorbehalten und Misstrauen ein Arbeitsbündnis aufzubauen.“

„Ich schätze die Herausforderung der sehr individuellen Wahn- bzw. Überzeugungssysteme. Dabei ist ein kreatives Herangehen gefragt, was die Arbeit sehr abwechslungsreich macht.“

„Spaß macht mir die Arbeit mit Psychosepatienten durch die enorme Vielfalt des Störungsbildes. Sehr facettenreich, dadurch besonders interessant und anspruchsvoll, keine Symptomatik gleicht der anderen (d. h. es wird nie langweilig).“

„Mir gefällt die Authentizität der Patienten. Kein manipulatives Verhalten, sehr echt in der Schilderung des Erlebens und des Emotionsausdrucks. Das Gleiche fordern sie von ihrem Gegenüber, was zu interessanten Einblicken in die eigene Art und Weise, Patienten zu begegnen, führt.“

„Ein Punkt, der mir persönlich sehr gefällt, aber praxisführungstechnisch problematisch sein kann, ist, dass man einige Patienten über Jahre begleitet … Da bin ich übrigens der klaren Auffassung: lieber jahrelang Psychotherapie als lebenslang Fluanxol!“

„Die Arbeit mit psychotischen Patienten wirft wichtige Fragestellungen bzgl. der eigenen therapeutischen Haltung und des Lebens allgemein auf. Was ist krank, was gesund? Insbesondere dadurch, dass der Leidensdruck nicht immer vorhanden ist. Was ist ein freies Leben, was ist real, was nicht? ... Meine eigene Haltung gegenüber Menschen generell ist liberaler geworden, seit ich andere Erfahrungshorizonte, von denen mir die Patienten berichten, als wertvoll und legitim betrachte.“

|4|Mit diesem Buch wollen wir ambulante Therapeuten, die sich noch nicht an die Behandlung von psychotischen Störungen herangetraut haben, dazu ermutigen, es zu probieren. Jenen, die schon Erfahrung in dem Bereich haben, hoffen wir hilfreiche Hinweise für die Therapie sowie wertvolles Hintergrundwissen zu liefern. Wir haben uns für dieses Buch bewusst zu zweit zusammengetan, um die wissenschaftliche Perspektive mit der Perspektive einer ambulant niedergelassenen Therapeutin zu verbinden und das Buch neben Störungswissen und der Beschreibung der psychotherapeutischen Interventionen mit Fallbeispielen und konkreten Handlungshinweisen praxisnah zu gestalten.

Im ersten Teil des Buches tragen wir Wissen zusammen, das wir für die Diagnostik, das Verständnis der Symptomatik und für Behandlung für wichtig erachten. Im zweiten Teil geht es im Wesentlichen um das Vorgehen bei der individuellen ambulanten KVT von Psychosen. Ergänzend stellen wir das Vorgehen von verhaltenstherapeutischen Interventionen unter Einbezug der Familie dar. Für beide Ansätze gibt es gesicherte empirische Evidenz und klare Leitlinienempfehlungen. Trainingsbasierte Ansätze in Gruppen, wie sie im stationären Bereich üblich sind, sind nicht Gegenstand dieses Buches, das den Fokus explizit auf die ambulante Psychotherapie legt. Es wird aber auf weiterführende Literatur zu diesen Themen hingewiesen.

1

Der einfacheren Lesbarkeit halber wurde im gesamten Text die männliche Form (der Patient, der Therapeut) verwendet. Gemeint sind immer Personen beiderlei Geschlechts.

2

siehe http://www.bptk.de/aktuell/einzelseite/artikel/psychotherap-83.html.

|5|1 Beschreibung der Störungen

1.1 Der Psychosebegriff

Wenn wir von psychotischen Störungen oder kurz „Psychosen“ sprechen, meinen wir jene Störungen, die im DSM-5 im Kapitel Schizophrenie-Spektrum und andere psychotische Störungen zu finden sind. Im ICD-10 werden sie unter F2 aufgeführt und beinhalten neben der Schizophrenie weitere Störungen wie die schizoaffektive Störung, die wahnhafte Störung und die kurze psychotische Störung. Es handelt sich bei Psychosen also um recht unterschiedliche Störungen. Innerhalb der psychotischen Störungen kommen die Schizophrenie und die schizoaffektive Störung am häufigsten vor. Die Grundlagenforschung ist jedoch oft nur auf die Störungskategorie Schizophrenie ausgerichtet. Viele der ätiologischen Erkenntnisse beziehen sich daher auf diese Störung und können nicht ohne Weiteres auf die anderen Spektrumsstörungen übertragen werden. Neuerdings richtet sich das Forschungsinteresse allerdings stärker auf einzelne Symptome wie Wahn, Halluzinationen oder motivationale Probleme, die über eng definierte Störungskategorien hinausgehen. Da die kognitiv-verhaltenstherapeutischen Interventionen stark symptombezogen ausgerichtet sind, sind solche Forschungsansätze für die Weiterentwicklung der Therapie besonders wertvoll.

Unserer Erfahrung nach hat man es in der ambulanten Praxis nicht nur mit Schizophrenie, sondern häufig auch mit schizoaffektiven oder kurzen psychotischen Störungen zu tun, seltener mit wahnhaften Störungen. Die Psychotherapieforschung zu Psychosen bezieht sich in der Regel auf Patienten mit diesen vier Störungen und bislang gibt es keine Hinweise auf besondere Therapieindikationen, in dem Sinne, dass die Therapieansätze z. B. bei einer dieser Gruppen wirksamer wären als bei den anderen. Dementsprechend beschränken sich die Inhalte dieses Buches nicht auf Schizophrenie, sondern schließen das weitere Spektrum psychotischer Störungen ein.

1.2 Symptomatik

Auch innerhalb der psychotischen Störungen decken die Symptome ein breites Feld ab. Bei Schizophrenie reichen sie von Halluzinationen und Wahn über bizarres Verhalten und Störungen der Sprache bis hin zu Amotivation. Von diesen muss jedoch kein Bestimmtes, im Sinne eines Leitsymptoms, zwingend vorhanden sein. Bei der schizoaffektiven Störung |6|kommen affektive Symptome hinzu. Um die Komplexität der vielen Symptome etwas zu vereinfachen, wird nach Störungsphasen (z. B. akute psychotische Phase versus Residualsymptomatik) unterschieden. Ferner hat sich im Sprachgebrauch die Unterscheidung zwischen Positivsymptomatik und Negativsymptomatik durchgesetzt.

Merke:

Positivsymptomatik soll verdeutlichen, dass zum normalen Erleben etwas hinzukommt (z. B. Wahnvorstellungen, Halluzinationen). Im Gegensatz dazu umfasst Negativsymptomatik Symptome wie Verflachung des mimischen Ausdrucks oder motivationale Probleme. Hier fehlt also etwas vom gesunden Erleben.

1.2.1 Positivsymptomatik

Wahnphänomene. Wahnphänomene sind ein „typisches“ Symptom der meisten psychotischen Störungen. Bei der wahnhaften Störung sind sie das Leitsymptom und bei Schizophrenie treten sie bei der überwiegenden Mehrheit der Betroffenen im Verlauf der Störung auf. Wahn ist nach DSM-5 definiert als „feste Überzeugung, die trotz gegenteiliger Evidenz nicht verändert werden kann“ (APA/Falkai et al., 2015, S. 118). Im Entstehungsstadium handelt es sich dabei oft eher um fixe Ideen oder überzogene Fehlinterpretationen. Diese können sich dann zu festen Wahnüberzeugungen oder einem komplexen Wahnsystem weiterentwickeln. Besonders charakteristisch ist Verfolgungswahn. Eng mit Verfolgungsideen verknüpft sind Beziehungsideen, bei denen zufälligen Begebenheiten und äußeren Ereignissen eine besondere Bedeutung für die eigene Person beigemessen wird. Prinzipiell kann jedes Thema wahnhaft verarbeitet werden, wenn auch bestimmte Themen, wie religiöse, politische, sexuelle und körperbezogene Wahninhalte, besonders häufig vorkommen und in der Regel einen klaren Bezug zur eigenen Person aufweisen. An wahnhaften Überzeugungen wird in der Regel auch bei der Konfrontation mit Gegenargumenten oder gegenteiligen Erfahrungen festgehalten. Ein rigides Festhalten an Überzeugungen ist allerdings kein Alleinstellungsmerkmal psychotischer Patienten. Auch gesunde Menschen können unverrückbar an politischen oder religiösen Überzeugungen festhalten. Zudem gibt es auch Beispiele für rigides Festhalten an Überzeugungen bei Patienten mit Depression oder anderen Störungen.

Fallbeispiel: Herr W. (Wahnsymptome)

Herr W. ist überzeugt, dass sein Postbote einer okkulten Sekte angehört und in seiner Abwesenheit die Gegenstände in seiner Wohnung berührt und dadurch mit „Bösem“ infiziert. Alle Versuche seiner Frau, ihn von dieser Überzeugung abzubringen, sind gescheitert. Auch sein Hausarzt hat vergeblich |7|versucht, ihm gut zuzureden. Herr W. hat dem Eindringling Fallen gestellt, die eigentlich beweisen, dass niemand im Haus war. Aber er denkt, man hätte ihn ausgetrickst. Aus Angst vor erneuten „Übergriffen“ verlässt er das Haus nicht mehr.