Psychotherapie-Ethik - Manuel Trachsel - E-Book

Psychotherapie-Ethik E-Book

Manuel Trachsel

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Beschreibung

Für Therapeuten ergeben sich in der psychotherapeutischen Praxis immer wieder ethisch herausfordernde Situationen. Einige wiederkehrende ethische Themen, wie Vertrauen, Intimität, Macht, Interessenkonflikte oder körperliche Nähe und Sexualität zwischen Psychotherapeut und Patient, werden seit den Anfängen des Fachs diskutiert und wurden im Verlauf der Zeit auch Bestandteil berufsspezifischer Kodizes und Standesordnungen. Andere ethische Themen in der Psychotherapie sind beispielsweise die Patientenaufklärung, Einwilligungsfähigkeit und informierte Einwilligung, der Umgang mit Behandlungsfehlern und moralischen Verfehlungen. Der Band bietet einen kompakten und fallbasierten Überblick zu ethischen Fragestellungen und Herausforderungen im psychotherapeutischen Kontext. Jedes Kapitel des Buches behandelt eine reale, ethisch herausfordernde Situation aus der Psychotherapie-Praxis. Neben der praxisnahen Diskussion der Fallbeispiele werden in diesem Buch Grundkenntnisse wichtiger ethischer Theorien, Begriffe und Modelle in Anlehnung an die Medizinethik vermittelt. Ziel ist es, Psychotherapeuten für ethische Fragen zu sensibilisieren, um so eine Basis für die Beurteilung moralischer Fragen in der eigenen psychotherapeutischen Praxis zu schaffen. Der Band liefert damit auch eine Grundlage für die systematische Vermittlung von Psychotherapie-Ethik im Psychologiestudium sowie in der psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildung.

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Manuel Trachsel

Jens Gaab

Nikola Biller-Andorno

Psychotherapie-Ethik

Standards der Psychotherapie

Band 4

Psychotherapie-Ethik

PD Dr. Dr. Manuel Trachsel, Prof. Dr. Jens Gaab, Prof. Dr. Dr. Nikola Biller-Andorno

Herausgeber der Reihe:

Prof. Dr. Martin Hautzinger, Prof. Dr. Kurt Hahlweg, Prof. Dr. Jürgen Margraf, Prof. Dr. Winfried Rief

PD Dr. med. Dr. phil. Manuel Trachsel, geb. 1982. Studium der Medizin, Psychologie und Philosophie/Ethik in Bern. Seit 2014 Oberassistent am Institut für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte der Universität Zürich. Forschungsschwerpunkte: Ethik und Philosophie der Psychiatrie und Psychotherapie, Schnittbereich zwischen Psychiatrie und Palliative Care, Einwilligungsfähigkeit und Informierte Einwilligung.

Prof. Dr. Jens Gaab, geb. 1970. Studium der Psychologie in Trier. Seit 2011 Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie und Leiter der gleichnamigen Abteilung an der Fakultät für Psychologie der Universität Basel. Forschungsschwerpunkte: Placebo und Psychotherapie sowie deren Beziehung und etwaige wissenschaftliche, praktische und ethische Implikationen.

Prof. Dr. med. Dr. phil. Nikola Biller-Andorno, geb. 1971. Studium der Medizin, Philosophie, Psychologie und Soziologie in Erlangen-Nürnberg und Hagen. Seit 2005 Professorin und Direktorin des Instituts für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte der Universität Zürich. Forschungsschwerpunkte: Ethische Fragen an der Schnittstelle von Gesundheitsversorgung, -management und -ökonomie; narrative Ethik.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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37085 Göttingen

Deutschland

Tel. +49 551 999 50 0

Fax +49 551 999 50 111

[email protected]

www.hogrefe.de

Satz: Matthias Lenke, Weimar

Format: EPUB

1. Auflage 2018

© 2018 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2841-3; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2841-4)

ISBN 978-3-8017-2841-0

http://doi.org/10.1026/02841-000

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Anmerkung:

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Ethik als Grundkompetenz von Psychotherapeuten

2 Patientenaufklärung, Einwilligungsfähigkeit und informierte Einwilligung

2.1 Die ethische Pflicht zur informierten Einwilligung

2.2 Elemente der informierten Einwilligung in der Psychotherapie

2.3 Informierte Einwilligung in der Psychotherapie versus in der somatischen Medizin

2.4 Zuschneidung der informierten Einwilligung auf den psychotherapeutischen Ansatz

2.5 Personalisierung der informierten Einwilligung

2.6 Reprise des Falls

3 Interessenkonflikte, Mehrfachbeziehungen und andere Überschreitungen der üblichen therapeutischen Beziehungsgrenzen

3.1 Loyalitätskonflikte als Interessenkonflikte

3.2 Moralische Konflikte im engeren Sinne

3.3 Doppel- und Mehrfachbeziehungen und andere Überschreitungen der üblichen therapeutischen Beziehungsgrenzen

3.4 Mehrfachbeziehungen strikt unterlassen?

3.5 Umgang mit Interessenkonflikten

3.6 Reprise des Falls

4 Kulturelle Differenzen und interkulturelle Kompetenzen von Psychotherapeuten in einer multikulturellen und offenen Gesellschaft

4.1 Kultur und Multikulturalität

4.2 Individualismus/Kollektivismus als kulturelle Vergleichsdimension

4.3 Grenzen der Toleranz

4.4 Reprise des Falls

4.5 Interkulturelle Kompetenz von Psychotherapeuten in einer multikulturellen Gesellschaft und der ethische Umgang mit Patienten aus anderen Kulturkreisen

5 Vertraulichkeit, Vertrauen und Grenzen der Geheimhaltungspflicht

5.1 Vertraulichkeit, Vertrauen, Privatheit und Geheimhaltungspflicht

5.2 Ethische Begründung der Pflicht zur Vertraulichkeit

5.3 Wann ist es moralisch geboten, die Vertraulichkeitspflicht zu verletzen?

5.4 Ausnahmen von der Vertraulichkeitspflicht

5.5 Reprise der Fälle

6 Professionelle Kompetenz und Behandlungsfehler

6.1 Ethische Relevanz professioneller Kompetenz

6.1.1 Fachwissen

6.1.2 Skills

6.1.3 Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit

6.2 Behandlungsfehler

6.3 Professionelle Kompetenz als Performanz versus Fähigkeit

6.4 Umgang mit Behandlungsfehlern und moralischen Fehlern anderer Psychotherapeuten

6.5 Reprise des Falls

7 Intimität und nichtsexuelle körperliche Berührungen

7.1 Fließende Übergänge

7.2 Gefahr eines Dammbruchs?

7.3 Wann sind Berührungen aus ethischer Sicht angemessen?

7.4 Wann sind nichtsexuelle Berührungen kontraindiziert?

7.5 Reprise des Falls

8 Sexuelle Kontakte und Missbrauch

8.1 Was ist sexuelles Verhalten?

8.2 Sexuelles Verhalten von Psychotherapeuten stellt immer einen Missbrauch des Patienten dar

8.3 Sexuelle Anziehung zwischen Psychotherapeuten und Patientinnen

8.4 Typische Eigenschaften und Muster von Täter und Opfer

8.5 Reprise des Falls

9 Placebo und Verum in der Psychotherapie

9.1 Placebo domino in regione vivorum?

9.2 Was ist Placebo und gibt es psychotherapeutische Placebos?

9.3 Eine Frage der Perspektive

9.4 Fazit für die Praxis

9.5 Reprise der Fälle

10 Unfreiwillige Klinikeinweisung und andere Formen von Zwangsmaßnahmen

10.1 Welche Fragen sich Psychotherapeuten vor einer unfreiwilligen Klinikeinweisung eines Patienten stellen sollten

10.2 Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie

10.3 Formen von Zwangsmaßnahmen in der Medizin

10.4 Ethische Einordnung psychiatrischer Zwangsmaßnahmen

10.5 Vom Überzeugen zum Zwang

10.6 Reprise des Falls

11 Fazit

12 Weiterführende Literatur

13 Literatur

14 Anhang

|1|Einleitung

Die Medical Humanities als begleitende Wissenschaften werden für die medizinischen Wissenschaften immer wichtiger. Darunter nimmt die Ethik, welche sich seit geraumer Zeit als eigenes Fach etabliert hat, eine zentrale Stellung ein. Längst gibt es an vielen Medizinischen Fakultäten Lehrstühle für Medizinethik und für Studierende der Humanmedizin sind Ethikkurse inzwischen Standard.

Auch in der Psychotherapie werden seit den Anfängen immer wieder ethische Themen diskutiert. Allerdings hat sich im Psychologiestudium sowie in den psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildungen die systematische Vermittlung von Psychotherapie-Ethik noch nicht durchgesetzt, obwohl der Bedarf klar gegeben wäre.

Im deutschsprachigen Raum existiert sehr wenig geeignete Literatur als Basis- oder Nachschlagewerke für praktizierende Psychotherapeuten für das Fach der Psychotherapie-Ethik. Im englischsprachigen Raum hingegen gibt es mehrere qualitativ hochstehende Referenzwerke (siehe z. B. Pope & Vasquez, 2010; Welfel, 2013; Keith-Spiegel, 2014). Diese liegen jedoch leider nicht in deutscher Sprache vor und wurden für die amerikanische Psychotherapie-Landschaft konzipiert. Im deutschsprachigen Raum existiert bislang kein kompaktes, fallbasiertes und leserfreundliches Übersichtsbuch zur Psychotherapie-Ethik. Diese Lücke wollen wir mit dem vorliegenden Band schließen.

Anliegen, Methodik und Aufbau des Buches

Ethische Fragen und Konflikte sind Teil des psychotherapeutischen Alltags. Kenntnisse und Kompetenzen im Bereich der Ethik sind somit Voraussetzung für eine professionelle Praxis. Entsprechend befassen sich verschiedene Kodizes im Bereich der Psychotherapie explizit mit ethischen Fragen und fordern die Übernahme von Verantwortung für eine sachgerechte Auseinandersetzung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit.

|2|Meta Code of Ethics der European Federation of Psychologists’ Associations (EFPA, 2005)

Art. 3.2.1: Obligation to have a good knowledge of ethics, including the Ethical Code, and the integration of ethical issues with professional practice.

Art. 3.3.6: Recognition that ethical dilemmas occur and responsibility is placed upon the psychologist to clarify such dilemmas and consult colleagues and/or the national Association, and inform relevant others of the demands of the Ethical Code.

Zugleich äußern Psychotherapeuten einen erheblichen Nachholbedarf an ethischer Orientierung (Rabenschlag, Steinauer, Heimann & Reiter-Theil, 2014). Das Spektrum relevanter Fragestellungen ist breit und umfasst Themen wie die Anwendung von Zwang, Grenzen der Schweigepflicht und Zeitknappheit im Umgang mit Patienten. Während in der Psychiatrie ethische Fragen schon länger in Lehrbüchern, Richtlinien und anderen normativen Texten behandelt werden, ist die Ethik in der Psychotherapie noch deutlich weniger ausgearbeitet. Psychiatrie-ethische Texte hingegen behandeln das psychotherapeutische Setting eher am Rande.

An dieser Stelle setzt das vorliegende Buch an: Es fokussiert auf ethische Fragen und Herausforderungen, die in der psychotherapeutischen Praxis entstehen und illustriert diese mit Fallbeispielen, die aus der Alltagspraxis stammen. Eingestreute Textkästen vertiefen relevante ethische Konzepte. Diese Herangehensweise möchte vermitteln, wie sehr ethische Überlegungen mit dem klinischen Alltag verwoben sind. Das Ziel ist eine praxisnahe Diskussion, die ethische Abwägungen nicht als separates Phänomen, sondern als integrativen Bestandteil psychotherapeutischer Praxis versteht.

Für das Buch wurde neben den drei Autoren eine Begleitgruppe aus zehn erfahrenen Psychotherapeuten aus dem deutschsprachigen Raum zusammengestellt. Die Begleitgruppe setzte sich aus Fachpersonen unterschiedlicher psychotherapeutischer Orientierung zusammen. Folgende Fachpersonen mit Spezialisierung in personenzentrierten, psychodynamischen, kognitiv-verhaltenstherapeutischen und systemischen Ansätzen waren in der Begleitgruppe vertreten:

Rainer Bürki, Privatpraxis, Zürich, Schweiz,

Annette Cina, Université de Fribourg, Fribourg, Schweiz,

Daniel Hell, Stiftung Privatklinik Hohenegg, Meilen, Schweiz,

Imke Knafla, Institut für angewandte Psychologie, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Zürich, Schweiz,

Batya Licht, Sanatorium Kilchberg, Schweiz,

Vera Luif, freie Praxis, Zürich, Schweiz,

|3|Simone Munsch, Université de Fribourg, Fribourg, Schweiz,

Stefanie Neubrand, sysTelios Klink, Wald-Michelbach, Deutschland,

Binia Roth, Praxisgemeinschaft Schlüsselberg, Basel, Schweiz,

Daniel Sollberger, Psychiatrie Baselland, Liestal, Schweiz.

Die Begleitgruppe hat in einem ersten Schritt die wichtigsten ethischen Themen in der Psychotherapie bestimmt und anschließend zu den ausgewählten Themen klinische Fallbeispiele beigesteuert. Die im vorliegenden Buch diskutierten psychotherapie-ethischen Themen, Herausforderungen und Probleme wurden von der Begleitgruppe direkt aus ihrer klinischen Praxis generiert.

Der Aufbau des Buches orientiert sich an diesen wichtigsten ethischen Themen in der Psychotherapie. Diese Fokussierung zielt auf die Sensibilisierung der Psychotherapeuten für ethische Fragen und soll eine Basis schaffen, auf der Psychotherapeuten bei der Beurteilung moralischer Fragen in der eigenen psychotherapeutischen Praxis aufbauen können.

Jedes Kapitel beginnt mit einem oder mehreren Fallbeispielen, die eine besondere ethische Frage aufwerfen. Im Anschluss an die Darstellung der jeweiligen ethischen Grundlagen zum Thema in jedem Kapitel werden die Fallbeispiele in abschließenden Subkapiteln unter dem Titel Reprise des Falls noch einmal aufgenommen und diskutiert.

Ein weiteres Element des Buches bilden in die einzelnen Kapitel eingestreute Textkästen, in denen folgende prominente ethische Theorien, Begriffe und Modelle vertieft werden:

Prinzipien der biomedizinischen Ethik nach Beauchamp und Childress,

Moral versus Recht,

Deontologie und Konsequentialismus,

Tugendethik,

Care-Ethik,

Einwilligungsfähigkeit,

das Dammbruch-Argument,

Paternalismus,

Shared decision making,

Ziviler Ungehorsam,

Zusätzlich wird an verschiedenen Stellen im Buch in grau hinterlegten Textkästen der Bezug zu den berufsethischen Richtlinien oder Standesregeln der wichtigsten psychotherapeutischen Berufsverbände in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie der European Federation of Psychologists’ Associations (EFPA) hergestellt.

|4|Ziele des Bandes

Einen kompakten und fallbasierten Überblick zu ethischen Fragen und Herausforderungen im psychotherapeutischen Kontext zu liefern, welcher zur systematischen Vermittlung von Psychotherapie-Ethik im Psychologiestudium sowie in der psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildung eingesetzt werden kann.

Vertiefung prominenter ethischer Theorien, Begriffe und Modelle sowie Bezugnahme auf berufsethische Richtlinien und Standesregeln.

Sensibilisierung von Psychotherapeuten für ethische Fragen, die eine Basis für die Beurteilung moralischer Fragen in der eigenen psychotherapeutischen Praxis schafft.

Danksagung

Hiermit möchten wir den Mitgliedern unserer Begleitgruppe danken, mit denen wir die wichtigsten Themen dieses Buches bestimmt haben. Jedes der folgenden Mitglieder hat einen Fall aus der klinischen Praxis beigesteuert: lic. phil. Rainer Bürki, Dr. phil. Annette Cina, Prof. em. Dr. med. Daniel Hell, Dr. phil. Imke Knafla, Dr. phil. Batya Licht, Dr. phil. Vera Luif, Prof. Dr. phil. Simone Munsch, M. Sc. Stefanie Neubrand, Dr. phil. Binia Roth und PD Dr. med. Dr. phil. Daniel Sollberger. Unser Dank geht auch an Dr. iur. Tobias Zürcher, der den Textkasten zum Verhältnis zwischen Recht und Ethik auf seine juristische Korrektheit überprüft hat und an Barbara Trachsel für die kritische Durchsicht des ganzen Manuskripts.

Zürich, im Frühjahr 2018

Manuel Trachsel, Jens Gaab und

Nikola Biller-Andorno

|5|1 Ethik als Grundkompetenz von Psychotherapeuten

Der Begriff der Ethik ist von einer Reihe weiterer Termini zu unterscheiden. Während im englischsprachigen Umfeld „ethical“ und „moral“ häufig austauschbar verwendet werden, bezieht sich im Deutschen „Moral“ in der Regel auf individuelle Werthaltungen einer Person. Unter „Ethos“ werden die moralischen Werthaltungen einer Personengemeinschaft verstanden, zum Beispiel das psychologische oder ärztliche Berufsethos. Die Werthaltungen einer Personengemeinschaft können in Normen festgehalten werden, zum Beispiel in Richtlinien, in einer beruflichen Standesordnung oder in Gesetzen (siehe Kasten zu Moral versus Recht auf den Seiten 47 bis 48).

„Ethik“ hingegen meint die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit moralischen Werthaltungen oder gesellschaftlichen Normen. Moralische Aussagen – wie etwa „Sterbehilfe ist moralisch unzulässig und sollte verweigert werden“ – werden kritisch reflektiert und zugrunde liegende Argumente auf logische Konsistenz und (empirische) Stichhaltigkeit geprüft – zum Beispiel „sonst wäre Euthanasieprogrammen für Betagte und Kranke Tür und Tor geöffnet“ (siehe Kasten zum Dammbruch-Argument auf Seite 68). Ethik ist in diesem Sinne selbst nicht eine Moral; vielmehr ist Moral ihr Untersuchungsgegenstand. Medizinethik ist entsprechend die Wissenschaft vom moralischen Urteilen und Handeln im Gesundheitswesen.

Wie in anderen Wissenschaften gibt es auch in der Ethik mehrere Theorien, die teilweise in einem Spannungsverhältnis zueinanderstehen (siehe dazu z. B. den Kasten zu Deontologie und Konsequentialismus auf den Seiten 92 bis 93). Um die Suche nach fundierten Antworten auf ethische Fragen in der klinischen Praxis nicht zu überfrachten und damit zeitnahe Lösungsvorschläge zu verunmöglichen, wurde ein Set an Prinzipien – Respekt vor der (Patienten-)Autonomie, Nichtschaden, Wohltun und Gerechtigkeit – formuliert, das theorieunabhängig eine erste analytische Annäherung an viele psychotherapie-ethische Konflikte erlaubt (siehe Kasten zur Prinzipienethik auf den Seiten 10 bis 11). Von Bedeutung ist auch die Idee des sogenannten reflexiven Gleichgewichts: Wohlerwogene Einzelurteile können unser Verständnis von Prinzipien und übergeordneten Ethik-Theorien erhellen und umgekehrt, so dass ethische Reflexion sowohl ein induktives, fallbasiertes als auch ein deduktives, theoriegeleitetes Element umfasst (Daniels, 2016).

|6|Zugleich gilt es immer, relevante zwischenmenschliche Beziehungen mit zu reflektieren. Über die Beziehung zwischen Psychotherapeut und Patient hinaus, rücken vielfach Beziehungen zu und zwischen Angehörigen sowie interprofessionellen Versorgungsteams in den Blick. Ein wichtiges Thema in der Ausgestaltung der Psychotherapie-Beziehung ist die Balance zwischen dem Respekt vor der Selbstbestimmung der Patienten und der Fürsorge (siehe dazu auch den Kasten zu Paternalismus auf Seite 100 sowie den Kasten zur Einwilligungsfähigkeit auf den Seiten 14 bis 15).

Grundsätzlich entscheiden einwilligungsfähige Patienten selbst darüber, ob sie das Angebot einer psychotherapeutischen Intervention in Anspruch nehmen möchten oder nicht. Aufgrund der Informationsasymmetrie und da einwilligungsfähige Patienten zwar ein Ablehnungsrecht, aber nicht notwendigerweise einen Anspruch auf eine von ihnen gewünschte Behandlung haben, wird vielfach die gemeinsame oder partizipative Entscheidungsfindung (shared decision making; siehe Kasten auf Seite 17) als Goldstandard propagiert – ein Prozess, in welchem Fachpersonen und Patienten gemeinsam Entscheidungen treffen und bei dem Werte und Präferenzen der Patienten einfließen (z. B. Drake, Cimpean & Torrey, 2009).