Psychotherapie in Stichworten - Gerhard Vilmar - E-Book

Psychotherapie in Stichworten E-Book

Gerhard Vilmar

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Beschreibung

Psychotherapie in Stichworten: Ressourcen, Lösungen, Interventionen Mehr als 40 Fragen an Therapeuten, Empfehlungen für die therapeutische Haltung, über 200 Vorschläge für Interventionen. Ein Impulsgeber, eine lebendige Einladung zum Nachdenken und Experimentieren.

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Seitenzahl: 58

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Willkommen!

Die Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners

Psychotherapie behandelt einen Irrtum in der Zeit

Die Kernerfahrung

Ein Problem erschafft ein System

Ich bereite meinen nächsten Irrtum vor

Die Lösung ist das Problem

Der Anstoß zur Veränderung muss vom Patienten kommen

Symptome sind Ausdruck eines Beziehungswunsches

Der Selbstmord ist das Ende aller Rücksichtnahme

Der Körper ist der Übersetzer der Seele ins Sichtbare

Psychotherapie ist Interpretation der Bewegung

Es geht nicht um Probleme sondern um mangelnde Fähigkeiten

Die Phantasie bereichert unser Leben nur dann, wenn wir ihr erlauben, von unserem Leben verschieden zu sein

Ein konturiertes Gegenüber

Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf der Zeit außerhalb der Stunde

Veränderungsbegleitung

Problemverständnis führt nicht zu Lösungen

Nicht die Vergangenheit sondern die Zukunft bestimmt die Gegenwart

Hinter jeder Ecke lauern ein paar Richtungen

Die beste Art Träume zu verwirklichen ist aufzuwachen

Das deutlichste Zeichen der Neurose ist die Partnerwahl

Kinder sind Fremde, mit denen zusammenzuleben, wir zugestimmt haben

Adoleszenz: Verlassen- oder Verschlungen-Werden

Deutungsakrobatik, Veränderungseifer und Brillanzdruck

Ziele und Fehler

Enttäuschungsarbeit

Glück ist Wirklichkeit minus Erwartungen

Literatur

Dank / Hinweise

Autor

Pfeif auf das Schicksalsdrama, missachte das Unglück, zerlach den Konflikt …

Peter Handke: Spiele das Spiel Für die Therapeuten

Vorwort

Dieses Büchlein skizziert, was mir bei meiner Arbeit in Denken und Handeln wichtig war. Vielleicht kann es dazu beitragen, eigene Einstellungen und Perspektiven zu überdenken, manches lange nicht Gedachte ins Gedächtnis zurückzurufen und für den Gebrauch bereitzustellen.

Ein kleiner Impulsgeber, eine Einladung zum Nachdenken und lebendigen Experimentieren.

Die Unterteilung in die einzelnen Kapitel ist eher provisorisch, zu sehr hängen die einzelnen Themen zusammen.

Empfehlungen für die therapeutische Haltung

hilfreiche Fragen, die sich Therapeuten stellen können

Vorschläge für mögliche Interventionen

Eine bereichernde Lektüre wünscht Ihnen Ihr Gerhard Vilmar

Willkommen!

„Die Tatsache, dass der Patient gekommen ist, genügt vorläufig als Beweis, dass die Waage der Unentschlossenheit sich zeitweise zugunsten der Therapie geneigt hat. … Den Patienten zu fragen, weshalb er gekommen sei, bietet ihm nicht den Willkomm, der immer wesentlich ist.“ (Blanck/Blanck, 1978)

Wie ging es Ihnen, als Sie diesen Termin vereinbart haben?

Was hat sich seither verändert?

Was dachten Sie heute auf dem Weg hierher?

In der Psychotherapie sind folgende Bedürfnisse der Klienten von besonderer Bedeutung:

willkommen sein,

sich mitteilen können,

gesehen werden / essere est respici (sein ist gesehen werden)

das Streben nach Kompetenz und Selbstachtung,

Bindung, Akzeptanz und Zugehörigkeit (Bauer, 2013)

Jeder möchte eine möglichst gute Geschichte über sich selbst/sein Leben erzählen können - als aktiver Gestalter eines gelingenden Lebensromans.

Sergeij wurde im Alter von 7 Jahren aus Sibirien adoptiert. Er lebte in den ersten vier Lebensjahren alleine mit seiner Mutter, bis dieser das Sorgerecht entzogen wurde. Sergeij kam ins Heim. Später erzählte er seinen Freunden in Deutschland, er sei absichtlich ins Heim gegangen, um adoptiert zu werden, weil er so gerne in einer Familie leben wollte.

„Das Leben ist nicht das, was man gelebt hat, sondern das, woran man sich erinnert und wie man sich daran erinnert, um es zu erzählen.“ (Gabriel Garcia Marquez)

„Der Mensch wird zum dichtenden Helden, der seine Defizite durch kompensatorische Phantasien repariert.“ (Freud, 1909).

Geschichten retten uns!

Am Anfang ist es wichtig, den Rahmen abzustecken, in dem Therapie geschehen kann:

Wer ist der Auftraggeber?

Wie lautet der Auftrag?

Wofür ist beim Klienten/Klientensystem eine Motivation da?

Ist das Ziel realistisch und erreichbar?

In voraussichtlich welcher Zeit?

Mit welcher Beratungsfrequenz?

Wer sollte mit einbezogen werden?

Arist von Schlippe (2007) unterscheidet Besucher (kommen meist nicht freiwillig, kein Veränderungsauftrag), Klagende (andere sollen sich ändern) und Kunden (Veränderungswunsch und Aktivität).

Ich möchte gerne verstehen, wie Sie leben: Lebensumstände, Partnerschaft, Beruf, Freunde, Hobbys, spirituelle Ausrichtung.

Wer riet Ihnen zur Therapie?

Wer hatte die Idee, mich anzurufen?

Warum soll sich gerade jetzt etwas ändern?

Was gab den Anstoß, zum Telefonhörer zu greifen?

Was hat sich seitdem verändert?

Was hat sich zum Positiven verändert, seitdem Sie hier angerufen haben?

Manchmal zeigt sich sehr schnell, dass die „Chemie“ zwischen Klient und Therapeut nicht stimmt, ein förderliches Miteinander nicht möglich ist.

„Je früher aus einem Nicht-Passen durch Therapeutenwechsel Konsequenzen gezogen werden, desto besser für beide Parteien der Beziehung.“ (Fürstenau, 2001) Ein offenes, klares Wort zu dem, was beide bemerken, ermöglicht einen respektvollen Abschied ohne pathologisierende Zuschreibungen.

Denn sonst wiederholt sich evtl. eine Grunderfahrung des Klienten: ich bin 2. Wahl, bin eigentlich nicht erwünscht. Zu dieser Thematik evtl. die lebensgeschichtliche Vorerfahrung erfragen.

Der Schwerpunkt liegt auf dem Handlungsdialog, dem Beziehungsgeschehen zwischen Therapeut und Klient – nicht auf der Anamnese!

Die Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners

(Heinz von Foerster)

Früh erworbene und im Lauf des Lebens immer wieder bestätigte „Programme“, d.h. die Summe ähnlicher Erfahrungen oder Mikrotraumen, bilden ein Wahrnehmungsschema aus.

Die Erinnerungen formen unsere Erwartungen an die Zukunft.

Aktuelle Situationen werden im Sinne dieses alten Musters umgestaltet. Freud (1900) spricht von der „Wahrnehmungsidentität“.

Es werden beständig Vorhersagen über die äußeren, aber vor allem über die inneren Bewegungen der anderen Personen produziert und Bestätigungen für die eigenen Annahmen gesucht.

Die anderen Personen sollen den Zuschreibungen und Mystifizierungen entsprechen. Das System erstarrt.

„Wahrheit ist perspektivisch“ (von Matt, 2001). Wir haben das meiste, das wir wahrnehmen, selbst auf die Welt gebracht.

„Es ist nicht die Realität des Erlebens sondern die des Denkens für die Symptombildung maßgebend.“ (Freud, 1912)

„Jedermann erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält.“ (Max Frisch) Die Weltsicht durch die Brille der Vergangenheit führt zu „dysfunktionalen Wirklichkeitskonstruktionen“

(Nardone, 2005) im Sinne einer Selbstsabotage durch schwächende Denkmuster. Psychotherapie soll helfen, diese Verzerrungen bewusster zu machen, damit innerlich und äußerlich gegengesteuert werden kann. Die Muster bleiben lebenslänglich, aber sie haben nach erfolgreicher psychotherapeutischer Arbeit nicht mehr so eine dysfunktionale Tragweite.

Vergleichbare Zielsetzungen in der Psychotherapie und im Buddhismus: die unbewussten Phantasien durch eine realistischere Sicht und die Kenntnis des eigenen Wesens ersetzen. So kann Freiheit entstehen.

Man muss nicht wissen was wirklich war, sondern die aktuelle Beziehungsdynamik auf sich wirken lassen.

Man muss nicht alles bearbeiten.

Es gibt keine „richtige“ Psychotherapie.

Psychotherapie behandelt einen Irrtum in der Zeit

(Ietswaart)

Der schmächtige, blasse Herr H. sitzt mir vorsichtig-wachsam und unterwürfig gegenüber. Er habe es immer allen recht machen wollen, jeden Konflikt zu vermeiden versucht. Nach Kritik einiger Kunden und seines Chefs ist er zusammengebrochen: psychosomatische Beschwerden, Ängste und depressive Stimmung.

Es ist die Neuauflage der Beziehungserfahrung mit seinem despotischbrutalen Vater, der ihn als schmächtigen Jungen stets kritisierte und hänselte, vor dem er sich stets duckte – so wie jetzt vor den Kunden, dem Chef, dem Therapeuten.

„Der Patient wiederholt, anstatt sich zu erinnern.“ (Freud, 1913)