Räderleute - Roberto Sastre - E-Book

Räderleute E-Book

Roberto Sastre

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Beschreibung

3 Kurzgeschichten über fast alltägliche Menschen Was diese gemeinsam haben? Eigentlich nicht viel. Es geht um Menschen, deren Leben nicht so ganz gradlinig verläuft. Die kleinen Leute eben, die nicht die Kraft haben, das System aus den Angeln zu heben. Wenn man aber geduldig genug an den Schrauben wackelt, wer weiß, was da passiert? Die Klinik oder Die Geschichte vom Krankenhaus der Zukunft Die 27. Reform der Reform der reformierten Kostenreform ist noch nicht rechtskräftig, da fällt schon wieder jemandem ein, wo sich noch ein paar Cent einsparen lassen. Vielleicht lässt sich ja die Strahlung, die jemand beim Röntgen aufnimmt, noch Gewinn bringend verkaufen. Die Traumfrau oder Die Geschichte von der Traumfrau mit dem winzigen Makel Als er aufwacht, liegt sie neben ihm. Dass sein Leben nie wieder so sein wird, wie es bis heute war, das weiß er bis jetzt noch nicht. Das Kräuterweib oder Die Geschichte von der allein erziehenden Mutter Einer allein erziehenden Mutter von drei Kindern wird nie langweilig. Als freiberufliche Heilpraktikerin kann sie auch nicht über einen Mangel an Beschäftigung klagen. Zum Glück kennt man zur Zeit der Inquisition das Wort Stress noch nicht. Ach ja, alle Protagonisten haben noch ein kleines Handicap. Welches? Finden Sie es heraus.

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Räderleute

3 Kurzgeschichten

 

 

 

Impressum

Cover: Karsten Sturm – Chichili agency

Foto: fotolia.de

© 110th / Chichili Agency 2014

EPUB ISBN 978-3-95865-193-7

MOBI ISBN 978-3-95865-194-4

 

Urheberrechtshinweis:

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.d-nb.de abrufbar.

3 Kurzgeschichten über fast alltägliche Menschen

Was diese gemeinsam haben?

Eigentlich nicht viel. Es geht um Menschen, deren Leben nicht so ganz gradlinig verläuft. Die kleinen Leute eben, die nicht die Kraft haben, das System aus den Angeln zu heben. Wenn man aber geduldig genug an den Schrauben wackelt, wer weiß, was da passiert?

Die Klinik

oder

Die Geschichte vom Krankenhaus der Zukunft

Die 27. Reform der Reform der reformierten Kostenreform ist noch nicht rechtskräftig, da fällt schon wieder jemandem ein, wo sich noch ein paar Cent einsparen lassen. Vielleicht lässt sich ja die Strahlung, die jemand beim Röntgen aufnimmt, noch Gewinn bringend verkaufen.

Die Traumfrau

oder

Die Geschichte von der Traumfrau mit dem winzigen Makel

Als er aufwacht, liegt sie neben ihm. Dass sein Leben nie wieder so sein wird, wie es bis heute war, das weiß er bis jetzt noch nicht.

Das Kräuterweib

oder

Die Geschichte von der allein erziehenden Mutter

Einer allein erziehenden Mutter von drei Kindern wird nie langweilig. Als freiberufliche Heilpraktikerin kann sie auch nicht über einen Mangel an Beschäftigung klagen. Zum Glück kennt man zur Zeit der Inquisition das Wort Stress noch nicht.

Die Klinik - nach der Gesundheitsreform

Oder: Vom krank sein durch krank sein.

Eine Kurzgeschichte aus nicht allzu ferner Zukunft

Wie jeden Mittwoch, traf ich mich auch gestern Abend mit meinem Freund Heinrich zu unserer allwöchentlichen Schachpartie. Kennen Sie Rollstuhlfahrerschach? Ist ganz einfach. Man baut an einem nicht zu niedrigen Tisch ein Schachbrett auf, mit Schachuhr, Block, Stift, etc.

Dazu kommen pro Person drei Gläser auf den Tisch. Nachdem die unbeteiligten den Raum verlassen haben, bittet man die Schiedsrichter herein. Gestern hießen sie: Cabernet Sauvignon, Dornfelder Weißherbst, unterstützt von einem sensationellen Merlot von der Halbinsel Tihany. In einem unverfänglichen Gespräch versucht man, die Gedanken des Gegners nachzuvollziehen und dabei das Schachbrett zu ignorieren. Gewonnen hat, wer den Gegner dazu bringt, für mindestens 15 Sekunden die Augen zu schließen, ohne selbst das Schachbrett zu berühren. Meinem Kopf nach zu urteilen, hat Heinrich gewonnen. Die Südamerikaner können es einfach nicht lassen, ihre Cabernets mit einer gehörigen Portion Schwefel auf die Ozeanreise vorzubereiten.

Es ist mal wieder an der Zeit für meinen alljährlichen Check-up. Als querschnittgelähmter Rollstuhlfahrer sollte man diese Termine ernst nehmen, speziell, wenn ein Teil des Körpers unsensibel ist. Das angeblich so schwache Geschlecht wirft uns ja von Haus aus vor, rücksichtslos zu sein. Bis heute habe ich vergeblich versucht, herauszubekommen, worauf diese Annahme basiert. Ich für meinen Teil spüre ungefähr die Hälfte meines Körpers nicht. Schmerz ist ein Warnsignal, kein Schmerz ist normalerweise ein gutes Zeichen, wenn der ganze Körper zu fühlen ist.

Ich bat den untersuchenden Arzt, den Lendenbereich röntgen zu lassen. Seit einiger Zeit habe ich das Gefühl, dass meine Rumpfstabilität nicht mehr stimmt. Das Ergebnis war verblüffend. Zwei meiner Lendenwirbel haben sich buchstäblich verkrümelt. Ich musste schnellstmöglich operiert werden. Der nächste freie Termin wäre nächste Woche. Ich sollte nach Hause fahren, ein paar Sachen packen und in zwei Tagen wieder da sein, damit alle Voruntersuchungen gemacht werden können.

Gut, das mit den Voruntersuchungen habe ich in die Ansprache des Arztes hineininterpretiert, wozu sollte ich sonst früher kommen? An die Auswirkungen der Gesundheitsreform habe ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht gedacht.

Zum vereinbarten Zeitpunkt lasse ich mich von einem Bekannten zur Klinik bringen. Natürlich hätte ich auch selbst fahren können, aber der unbewachte Parkplatz für Patienten kostet fünf Euro am Tag. Direkt an der Pforte werde ich aufgehalten. Wie lange mein stationärer Aufenthalt wohl dauern würde? Weiß ich doch nicht. Name, Sozialversicherungsnummer oder Geburtsdatum? Die weiß ich natürlich auswendig. Schon bin ich im Computer gefunden.

"Gut, dann buche ich Ihre Zuzahlung von 50 Euro pro Tag erstmal für 4 Wochen ab. Sollte es länger gehen, dann erfolgt eine Nachbelastung. Übrigens, ich sehe gerade, ihre Miete und die Nebenkosten sollen heute ebenfalls abgebucht werden. Ihr Konto weist aber nicht mehr genügend Deckung auf. Tja, das wird wohl zurückgehen."

"Hören Sie mal, Sie können doch nicht ohne meine Erlaubnis an mein Konto ..."

"Natürlich kann ich! Nach der letzten Kostenreform kann ich mir sogar die 60.000 Dollar Schwarzgeld, die Sie auf den Kaiman Islands gebunkert haben, holen. Was ich im Übrigen gerade getan habe. Die nehme ich als Sicherheit, falls Ihre Kasse die Kosten für die Operation verweigert. Die gesetzlichen Kassen haben seit der Reform die merkwürdigsten Ideen. Unser System hat diese Transaktion selbstverständlich den Finanzbehörden gemeldet, nicht dass Sie glauben, wir würden hier irgendwelche illegalen Dinge tun. Warum bestellt übrigens Ihre Frau gerade über Ihre Kreditkartennummer bei der fliegenden Kondomerie eine solche Ladung Material? Da sollten Sie sich mal Gedanken machen. Nicht über die paar Euro, die Sie sowieso hätten zahlen müssen. So, bitteschön, hier ist Ihre Anmeldebestätigung, damit melden Sie sich auf Station. Einen schönen Tag noch."

Und schon bin ich wieder draußen auf dem Flur. Mit dem Aufzug fahre ich hinauf in den 22. Stock. Die Schwester, die mich aufnimmt, macht einen etwas überarbeiteten aber ziemlich netten Eindruck.

"Sie können Ihre Sachen auf das Bett gleich hier drüben legen."

Auf dem Gang stehen mehrere Betten, eines davon ist nicht belegt. Die Matratze hat zwar schon bessere Tage gesehen, dafür hat sich aber ein unbekannter Künstler Mühe gegeben, sie mit konzentrischen Figuren zu verschönern. Es sieht ein bisschen aus, wie eine Hundertwasser-Konstruktion. Die ineinander fließenden Braun- und Gelb-Töne treffen die Tristesse eines Krankenhausaufenthalts auf den Punkt. Es tut mir schon fast weh, dieses gefühlvolle Kunstwerk mit einem Laken zu bedecken, aber die Hausverwaltung beweist Kunstsinn. In Höhe der Ornamente weist das Laken Strukturschwächen und Aussparungen auf, die das Gesamtkunstwerk erst abrunden. Wenn einem Kassenpatienten schon solch ein Luxus geboten wird, dann kann ich verstehen, warum die Kostenreform ins Leere lief.

"In welches Zimmer komme ich denn? Dann könnte ich zu Hause schon mal Bescheid sagen."

"Zimmer?" Die Schwester sieht mich an, als wäre ich ein Erstklässler, der verkündet hat, er wolle sich auf Teilchenphysik spezialisieren. "Das hat Zeit. Jetzt werden Sie erstmal eingewiesen. GEEERTRUUUD!"

"WAS?"

"ICH HAB HIER NE EINWEISUNG!"

"GRAD 'N MOMENT!"

Dieser in höchster Lautstärke geführte Wortwechsel ist für ein Krankenhaus doch ein wenig unüblich. Schließlich liegen hier doch auch mit Sicherheit Patienten, die Ruhe brauchen.

Die Rufanlage ist schon lange kaputt, erfahre ich. Deswegen liegt in den Zimmern auch auf jedem Nachttisch eine Trillerpfeife. Die Patienten, die auf dem Gang auf einen Zimmerplatz warten, können ja jederzeit eine Schwester oder einen Pfleger anhalten. Das ist Innovation! Statt in eine Strom fressende Technik noch Geld hinein zu stopfen, besinnt man sich auf traditionelle und genauso wirksame Kommunikationsformen. In Tirol wird bestimmt gejodelt.

Warum mich Schwester Gertrud, so stark an den Hauptfeldwebel meiner Ausbildungskompanie erinnert, mag daran liegen, wie zartfühlend sie mit den neu eingetroffenen Patienten umgeht. Mit dem Wegfall der Wehrpflicht hat man auch den Zivildienst beendet. Der wäre auch unnötig gewesen, denn nach der Kostenreform konnte sich ja sowieso keine Klinik mehr Zivildienstleistende leisten. Und die Nachfolger vom Bundesfreiwilligendienst, die waren ja noch teurer. Deren Aufgaben werden jetzt von Patienten übernommen. Nicht jeder kann sich die Eigenanteile der Krankenhauskosten leisten und so bietet sich die Möglichkeit, diese abzuarbeiten. Eine Win-win-Situation nennen Betriebswirtschaftler so etwas. Als Erstes bekommt jeder einen Auffrischungslehrgang in erster Hilfe verpasst. Kostenpflichtig, versteht sich. Stabile Seitenlage, Beatmen, Herzdruckmassage, Schocklagerung, die ganze Palette eben. Nachdem ich das dritte Mal beim Ansetzen der Herzdruckmassage aus dem Rollstuhl gerutscht und neben dem Übungspatienten gelandet bin, jedes Mal mit erfrischenden Kommentaren von Schwester Gertrud, darf ich diese Übung überspringen.

Dafür darf ich als erster die Reanimation mit dem Defibrillator ausprobieren, zunächst an mir selbst. Aber selbst in solchen Situationen ist man vor Neidern nicht gefeit. Gerade, als ich mich über das lustige Britzeln freue, haut mir jemand ein Brett oder so etwas voll vor die Brust. Schlagartig wird es dunkel. Als ich wieder zu mir komme, ist es immer noch dunkel. Ganz langsam kann ich im Dämmerlicht Einzelheiten erkennen. Eine mitleidige Seele hat meinen Rollstuhl an das Bett geschoben, auf dem meine Sachen liegen. Weit und breit ist niemand zu sehen. Glücklicherweise habe ich mir den Pflegebedarf für ein paar Tage mitgenommen. Also hieve ich mich ins Bett und mache mich fertig, soweit ich komme. Die Kompressionsstrümpfe kann ich ruhig mal eine Nacht anlassen. Wichtig ist, dass ich an alle Utensilien zum Katheterisieren drankomme. Mülleimer sehe ich keinen, also nehme ich die Verpackung eines Einmalkatheters, um meine Abfälle zu entsorgen. Das Abendessen habe ich entweder verpasst, oder bekomme keins, da kann ich auch gleich schlafen.

Tag zwei.

"WAS IST DENN HIER LOS? DA LIEGT DER MENSCH IN DER FURZMULLE WIE GRAF ROTZ! SIND WIR HIER DAS RITZ, ODER WAS?"

Die Stentorstimme von Schwester Gertrud reißt mich übergangslos vom traumlosen Tiefschlaf in volle Alarmbereitschaft. Die würde wirklich einen prima Spieß abgeben.

Zaghaft erkundige ich mich nach den Hygienemöglichkeiten, Waschen, Zähne putzen, etc.

"Der Patientenwaschraum ist da drüben, aber hurtig, die anderen warten schon auf ihr Frühstück."

"Die können doch ohne mich ..."

"Wie kommen sie denn auf das schmale Brett, was glauben Sie, wer das Frühstück austeilt?"

Aha, da weiß ich doch schon, was heute früh auf mich zukommt. Das mit der Erstversorgung war wohl nicht so prickelnd gelaufen. Mal sehen, mit ein bisschen Glück bekomme ich heute sogar einen Untersuchungstermin.

Der Waschraum für Kassenpatienten begeistert aber auch den alleranspruchsvollsten Abenteuerurlauber. Schon die Tür ist eine echte Herausforderung. Der Türgriff muss kurz vor oder nach den Kreuzzügen verloren gegangen sein. Wenn ich schräg über den Gang voll beschleunige und im letzten Moment auf einem Rad eine 180°-Drehung schaffe, dann bekomme ich mit der Schulter die Tür ganz leicht auf. Tut auch kaum weh. Die Waschbecken machen einen ziemlich sauberen Eindruck. Ich schätze, die werden mindestens einmal im Monat ausgewischt. Mit Handtüchern oder Seifenspendern habe ich nicht gerechnet, deswegen überrascht es mich umso angenehmer, dass an einem Waschbecken ein leerer Handtuchhaken sein einsames Dasein fristet. Der Münzautomat neben dem Becken möchte 10 ct pro Minute Wasser haben. Für Heißwasser sind 50 ct pro Minute fällig. Naja, ich habe schon einige Klinikaufenthalte überlebt, daher kenne ich die Dinger. Frischwasser bedeutet nicht allzu abgestanden und ungefähr auf Zimmertemperatur. Heißwasser ist noch mit Eisenhydroxid, Magnesium und Schwerionen versetzt. Diese Kostbarkeit ist an der bräunlichen Verfärbung und einem leicht bitteren Moschusgeschmack im Abgang erkennbar. Mit viel Glück erwische ich sogar noch eine Ahnung von Ammoniak. In richtig guten Häusern werden zur Stärkung des Immunsystems noch e.coli-Bakterien zugesetzt. Das Wasser wird auf fast Körpertemperatur erwärmt, damit die Blume richtig zur Geltung kommt. Dem Gourmet in mir bildet sich eine metertiefe Pfütze unter der Zunge. Mein innerer Abenteurer kann gerade noch eingreifen, als meine Hand schon zum Geldbeutel zuckt. Aus dem Rucksack hole ich meinen Faltbecher, der mich schon durch so viele Verrücktheiten begleitet hat. Vorsichtig verkeile ich ihn mit einem Fetzen Toilettenpapier unter dem Anschluss des Kaltwasserhahns. Zum Glück kommt die Zuleitung von oben, sonst hätte ich in meinem Rollstuhl ein echtes Problem. Dann lege ich vorsichtig die gefalteten Hände um die Zuleitung oberhalb des Anschlusses und blase in die entstandene Öffnung leicht hinein. Hab ich mir´s doch gedacht! Der Kitt wird durch die Erwärmung porös und das Wasser tröpfelt mir gemütlich meinen Becher voll. Dass die begehrten Zusätze dabei herausgefiltert werden und das nackte Wasser mit einer Ahnung von Chlorid den Becher füllt, damit muss ich eben leben. Wie ich mit einem Becher voll Wasser Gesicht und Oberkörper wasche, die Zähne putze und noch einen Schluck zum Trinken übrig lasse, damit möchte ich niemanden langweilen. Das lernen wir schließlich schon im Kindergarten. Die Unterseite meines Bechers habe ich zu einem Metallspiegel poliert. Verstellbare Spiegel in Behinderteneinrichtungen sind so etwas von unnütz. Entweder sie sind zu tief oder zu hoch oder festgefressen. Außerdem sind wir doch sowieso alle individuell. Ein eigener Spiegel ist für Rollstuhlfahrer essentiell. In dem berühmten Nachschlagewerk "Im Rollstuhl durch die Galaxis" wird der erfahrene Rollireisende, den man nur unter seine Kampfnamen »Der Rollinator« kennt, so beschrieben: "Ein ganz ausgebuffter Kerl. Und er weiß immer, wo sein Spiegel ist."

Erfrischt, wie nach einem ausgiebigen Schaumbad werfe ich mich wieder ins Leben. Schließlich habe ich nur sechs Tage Zeit, einen Voruntersuchungs- und danach einen OP-Termin zu bekommen. Schaffe ich das nicht, werde ich freundlich, aber bestimmt aus der Klinik komplimentiert. Der bereits bezahlte Selbstkostenanteil verfällt automatisch. Das gehört zu den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klinik, denen ich durch eine aktive Handlung, nämlich dem Passieren der Eingangstür, zugestimmt habe. Die gesamte 265-bändige Bestimmung liegt selbstverständlich öffentlich aus. Sie steht in einem Mikropunkt, der auf der Rückseite des Namensschildes des 2. Hausmeisterstellvertreters aufgedruckt ist. Dass dieser Mikropunkt genau dort sitzt, wo der Befestigungsclip für das Namensschild eingeklickt wird, das ist mit Sicherheit keine Absicht.

Das Frühstück auszuteilen, ist jetzt nicht so die kognitive Herausforderung. Ich schätze die Zahl der Betten auf den Zimmern, dann die der Betten auf dem Gang. Mal sehen, vier Betten für jedes Zimmer, bei 10 Zimmern, macht 40 im Sinn. 12 Betten auf dem Gang, 44 Tabletts. Selbst mit der Infinitesimalbruchrechnung bei einer unendlichen Varianz bekomme ich nicht genug Futter zusammen. Manchmal macht es doch Sinn, vorher zu denken. Unter meinem Sitzkissen klappe ich den Faltcontainer heraus. Der Faltcontainer besteht aus einigen Kunststoffscheiben, die ich mit Gaffatape so zusammengeklebt habe, dass sie sich leicht auseinander und ganz flach zusammenfalten lassen. Ein Stück Anti-Rutsch-Matte hält durch mein Gewicht die Konstruktion ausgeklappt zwischen meinen Beinen. Eingeklappt unter dem Sitzkissen ist sie quasi unsichtbar.