Ratgeber Verfolgungsängste und Verfolgungswahn - Lea Ludwig - E-Book

Ratgeber Verfolgungsängste und Verfolgungswahn E-Book

Lea Ludwig

0,0
10,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wer Angst hat, bedroht oder verfolgt zu werden, steht unter permanentem Stress. Viele Betroffene erleben sich von ihrem Umfeld im Stich gelassen und stoßen immer wieder auf Unverständnis. Daraus kann leicht ein Teufelskreis aus Rückzug, noch stärkerer Angst und weiterem Misstrauen entstehen. Angesichts der hohen Stigmatisierung von Menschen mit Verfolgungsängsten ist die Hürde, sich Hilfe zu holen, oft besonders hoch – sowohl für jene, die betroffen sind, als auch für ihre Angehörigen, die sich häufig hilflos erleben und sich oft große Sorgen machen. Was steckt hinter dem Misstrauen? Gibt es einen schleichenden Übergang von anfänglichem Misstrauen zu klinisch relevanten Verfolgungsängsten? Wer kann davon betroffen sein? Wie äußern sich Verfolgungsängste und durch welche Lebensumstände werden sie begünstigt? Wie kommt es, dass diese Ängste meist nicht einfach wieder von alleine weg gehen und woran kann erkannt werden, wann Hilfe nötig ist? Dieser Ratgeber will Betroffene und ihre Angehörigen dabei unterstützen, sich mit diesen und weiteren Fragen auseinanderzusetzen und mögliche Antworten zu finden. Sich zu informieren und Bescheid zu wissen ist ein erster und besonders wichtiger Schritt, um Kontrolle zurückzugewinnen. Wer Zusammenhänge versteht, wird meist auch wieder handlungsfähig. Neben dem Verstehen geht es in diesem Ratgeber aber auch um konkrete Hilfestellung: Anhand zahlreicher praktischer Übungen soll solides Handwerkszeug für den Alltag vermittelt und zudem Einblick in Inhalte gegeben werden, die häufig Teil einer Psychotherapie sind. Der Ratgeber will Menschen mit Verfolgungsängsten auch Mut machen, sich psychotherapeutische Hilfe zu suchen, wenn eine alleinige Bewältigung nicht mehr möglich ist. Materialien mit Tipps für den Alltag und Audioaufnahmen mit Vorstellungsübungen können zudem nach erfolgter Registrierung von der Hogrefe Website heruntergeladen werden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2023

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Lea Ludwig

Valeska Hug

Ratgeber Verfolgungsängste und Verfolgungswahn

Informationen für Betroffene und Angehörige

Ratgeber zur Reihe Fortschritte der Psychotherapie

Band 52

Ratgeber Verfolgungsängste und Verfolgungswahn

Dr. Lea Ludwig, Dipl.-Psych. Valeska Hug

Die Reihe wird herausgegeben von:

Prof. Dr. Martin Hautzinger, Prof. Dr. Tania Lincoln, Prof. Dr. Jürgen Margraf, Prof. Dr. Winfried Rief, Prof. Dr. Brunna Tuschen-Caffier

Die Reihe wurde begründet von:

Dietmar Schulte, Klaus Grawe, Kurt Hahlweg, Dieter Vaitl

Dr. Lea Ludwig, geb. 1989. Seit 2022 Klinische Tätigkeit als Psychologin an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Dipl.-Psych. Valeska Hug, geb. 1983. Seit 2017 selbstständig als Therapeutin in der Praxisgemeinschaft Eppendorfer Weg und seit 2021 bei „projekt märz“: Psychologische Praxis für Eingliederungshilfe (ASP) und Psychotherapie tätig.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autor:innen bzw. den Herausgeber:innen große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autor:innen bzw. Herausgeber:innen und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Copyright-Hinweis:

Das E-Book einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar.

Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG

Merkelstraße 3

37085 Göttingen

Deutschland

Tel. +49 551 999 50 0

Fax +49 551 999 50 111

[email protected]

www.hogrefe.de

Illustrationen: Klaus Gehrmann, Freiburg; www.klausgehrmann.net

Umschlagabbildung: © iStock.com by Getty Images / Wavebreakmedia

Satz: Franziska Stolz, Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

Format: EPUB

1. Auflage 2023

© 2023 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-3065-2; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-3065-3)

ISBN 978-3-8017-3065-9

https://doi.org/10.1026/03065-000

Nutzungsbedingungen:

Der Erwerber erhält ein einfaches und nicht übertragbares Nutzungsrecht, das ihn zum privaten Gebrauch des E-Books und all der dazugehörigen Dateien berechtigt.

Der Inhalt dieses E-Books darf von dem Kunden vorbehaltlich abweichender zwingender gesetzlicher Regeln weder inhaltlich noch redaktionell verändert werden. Insbesondere darf er Urheberrechtsvermerke, Markenzeichen, digitale Wasserzeichen und andere Rechtsvorbehalte im abgerufenen Inhalt nicht entfernen.

Der Nutzer ist nicht berechtigt, das E-Book – auch nicht auszugsweise – anderen Personen zugänglich zu machen, insbesondere es weiterzuleiten, zu verleihen oder zu vermieten.

Das entgeltliche oder unentgeltliche Einstellen des E-Books ins Internet oder in andere Netzwerke, der Weiterverkauf und/oder jede Art der Nutzung zu kommerziellen Zwecken sind nicht zulässig.

Das Anfertigen von Vervielfältigungen, das Ausdrucken oder Speichern auf anderen Wiedergabegeräten ist nur für den persönlichen Gebrauch gestattet. Dritten darf dadurch kein Zugang ermöglicht werden. Davon ausgenommen sind Materialien, die eindeutig als Vervielfältigungsvorlage vorgesehen sind (z. B. Fragebögen, Arbeitsmaterialien).

Die Übernahme des gesamten E-Books in eine eigene Print- und/oder Online-Publikation ist nicht gestattet. Die Inhalte des E-Books dürfen nur zu privaten Zwecken und nur auszugsweise kopiert werden.

Diese Bestimmungen gelten gegebenenfalls auch für zum E-Book gehörende Download-Materialien.

Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhalt

Vorwort

1  Verfolgungsängste und Verfolgungswahn – Was ist das?

1.1  Wie äußern sich Verfolgungsängste und Verfolgungswahn?

1.1.1  Typische Gedanken bei Verfolgungsängsten

1.1.2  Wesentliches Gefühl bei Verfolgungsängsten: Angst

1.1.3  Typisches Verhalten bei Verfolgungsängsten

1.1.4  Wann sollte man Hilfe in Anspruch nehmen?

1.1.5  Diagnosen rund um den Verfolgungswahn

1.2  Wie viele Menschen erleben Verfolgungsängste?

1.3  Wie stabil sind Verfolgungsängste und können sie auch wieder ganz weggehen?

1.4  Wie wirken Verfolgungsängste auf andere?

2  Entstehung: Wie werden aus anfänglichem Misstrauen Verfolgungsängste?

2.1  Allgemeine Risikofaktoren

2.1.1  Genetische Risikofaktoren: Welche Rolle spielt die erbliche Veranlagung?

2.1.2  Soziale Risikofaktoren: Welche Spuren hinterlässt die Biografie?

2.2  Wie macht Sie das anfällig?

2.2.1  Negative Annahmen über andere und sich selbst

2.2.2  Schnelles Urteilen und andere kognitive Prozesse

2.2.3  Umgang mit Stress und unangenehmen Gefühlen

2.2.4  Botenstoffe

2.2.5  Gestörter Schlaf

2.3  Auslösende und aufrechterhaltende Faktoren: Wie entstehen die Ängste und warum gehen sie nicht von allein weg?

2.3.1  Wenn der Stress auf fruchtbaren Boden fällt

2.3.2  Warum die Verfolgungsängste nicht von allein weggehen

3  Unterstützungsmöglichkeiten: Was gegen Verfolgungsängste unternommen werden kann

3.1  Selbsthilfe: Was Sie selbst tun können

3.1.1  Der Zusammenhang zwischen Gedanke, Gefühl und Verhalten (ABC-Modell)

3.1.2  Äußere Struktur schafft innere Struktur

3.1.3  Guter Schlaf ist Gold wert

3.1.4  Helfen Sie Ihrem Körper, sich zu entspannen

3.1.5  Lohnt es sich, Ängste anzusprechen?

3.1.6  Der Schein der Sicherheit: Erkennen Sie Grübeln und reduzieren Sie es

3.1.7  Das Vier-Felder-Schema: Überprüfen Sie die Kosten Ihrer aktuellen Annahmen

3.1.8  Erkennen und hinterfragen Sie Ihre Grundannahmen

3.1.9  Bestimmen Sie selbst, worauf Sie Ihre Aufmerksamkeit richten

3.1.10  Wägen Sie gut ab, anstatt schnell zu urteilen

3.1.11  Erkennen und reduzieren Sie Sicherheitsverhalten

3.1.12  Stärken Sie Ihr positives Selbstbild

3.1.13  Unangenehme Gefühle zu akzeptieren schafft viel Freiraum und Energie

3.1.14  Gehen Sie mutig voran und nehmen Sie andere dabei mit

3.1.15  Entwicklung neuer Perspektiven: Wie möchten Sie leben?

3.2  Hilfe von außen: Was möglich ist und wie Sie lernen können, anderen zu vertrauen

3.2.1  Therapie: Welche Angebote gibt es und wie unterscheiden sie sich?

3.2.2  Information für Angehörige

Anhang

Zitierte Literatur

Hilfreiche Internetlinks

Wie bekommt man einen Psychotherapieplatz?

Hinweise zu den Online-Materialien

Arbeitsblätter

|7|Vorwort

Wer Angst hat, bedroht oder verfolgt zu werden, steht unter permanentem Stress. Die Frage, wem zu trauen und viel mehr wem zu misstrauen ist, kann ein alltäglicher Begleiter sein. Viele Betroffene erleben sich von ihrem unmittelbaren Umfeld, aber auch von Institutionen, wie zum Beispiel der Polizei, im Stich gelassen und stoßen immer wieder auf Unverständnis. Daraus kann leicht ein Teufelskreis aus Rückzug, noch stärkerer Angst und weiterem Misstrauen entstehen. Angesichts der hohen Stigmatisierung von Menschen mit Verfolgungsängsten ist die Hürde, sich Hilfe zu holen, allerdings oft besonders hoch – sowohl für jene, die betroffen sind, als auch für ihre Angehörigen, die sich häufig hilflos erleben und sich oft große Sorgen machen.

Was steckt hinter dem Misstrauen? Gibt es einen schleichenden Übergang von anfänglichem Misstrauen zu klinisch relevanten Verfolgungsängsten? Wer kann davon betroffen sein? Wie äußern sich Verfolgungsängste und durch welche Lebensumstände werden sie begünstigt? Wie kommt es, dass diese Ängste meist nicht einfach wieder von allein weggehen, und woran kann man erkennen, ob Hilfe nötig ist? Mit diesem Ratgeber möchten wir Sie und Ihre Angehörigen dabei unterstützen, sich mit diesen und weiteren Fragen auseinanderzusetzen und mögliche Antworten zu finden. Wir zeigen, wie unterschiedlich stark Verfolgungsängste ausgeprägt sein können, und dass ihre Extremform – der Verfolgungswahn – nur eine seltene, extreme Ausprägung solcher Ängste darstellt. Aus diesem Grund sprechen wir im Ratgeber auch meistens nur von Verfolgungsängsten.

Unser Ziel ist es, Ihnen die wesentlichen Informationen auf dem aktuellen Forschungsstand zu liefern, damit Sie selbst über Ihren weiteren Weg entscheiden können. Sich zu informieren und Bescheid zu wissen, ist ein erster und besonders wichtiger Schritt, um Kontrolle zurückzugewinnen. Wer Zusammenhänge versteht, wird meistens auch wieder handlungsfähiger. Neben dem Verstehen geht es in diesem Ratgeber aber auch um eine konkrete Hilfestellung. Deshalb haben wir auch konkrete Ideen zur Bewältigung und Selbsthilfe zusammengestellt, die Sie sich mithilfe der Arbeitsblätter im Anhang erschließen können. Mit den zahlreichen praktischen Übungen erhof|8|fen wir uns, Ihnen einerseits ein solides Handwerkszeug mitzugeben, andererseits aber auch Einblicke in Inhalte zu gewähren, die häufig Teil einer Psychotherapie sind. So soll der Ratgeber Menschen mit Verfolgungsängsten Mut machen, sich psychotherapeutische Hilfe zu suchen, wenn eine alleinige Bewältigung nicht mehr möglich ist. Unsere klinischen Erfahrungen und die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien zeigen: Es lohnt sich!

Hamburg, Herbst 2022

Lea Ludwig und

Valeska Hug

|9|1  Verfolgungsängste und Verfolgungswahn – Was ist das?

1.1  Wie äußern sich Verfolgungsängste und Verfolgungswahn?

„Du bist doch paranoid!“ – So leicht dieser Satz im Alltag oft ausgesprochen wird, so selten geht es dabei um Verfolgungsängste, die behandlungsbedürftig sind. Jeder wird Situationen kennen, in denen er misstrauisch ist: Ob auf dem nächtlichen Weg nach Hause, bei dem wir besonders aufmerksam sind und bei jedem Geräusch aufhorchen, oder etwa, wenn wir meinen, unseren Namen im Gespräch von Nachbarn herauszuhören. Viele Menschen wissen sicherlich auch, dass sie bestimmte Überzeugungen haben, die von anderen als eigentümlich abgetan oder belächelt werden. Verfolgungswahn stellt hier das extreme Ende eines fließenden Übergangs von misstrauischen Gedanken bis hin zu Verfolgungsängsten dar. Nach enger klinischer Definition versteht man unter Verfolgungswahn die Überzeugung, man werde von einer anderen Person, einer Gruppe oder einer Organisation bedroht. Als wahnhaft werden diese Ängste dann bezeichnet, wenn sie nicht auf Tatsachen beruhen und wenn hartnäckig an ihnen festgehalten wird, obwohl sie sich nicht bestätigen.

Viele Betroffene berichten, dass sie zunächst den Eindruck hatten, etwas läge in der Luft, oft verbunden mit einem diffusen Gefühl der Angst. Aus diesem vagen Eindruck, dass etwas nicht stimmt, kann sich dann ein misstrauischer Gedanke entwickeln. Man spricht von einer unspezifischen Wahnstimmung, die sich über einzelne Wahnvorstellungen bis zu einem komplexen Wahnsystem entwickeln kann. Meistens tritt ein voll ausgeprägter Verfolgungswahn im Rahmen von Psychosen auf. Viel häufiger kommen jedoch Verfolgungsängste vor und diese können nicht immer einer klinischen Kategorie zugeordnet werden (mehr dazu in Kapitel 1.1.4 und Kapitel 1.1.5). Verfolgungsängste unterscheiden sich von anderen Überzeugungen, für die es nicht immer eindeutige Beweise gibt (z. B. Verschwörungstheorien und religiöse Überzeugungen), dadurch, dass sie sich in der Regel auf die eigene Person beziehen und Leidensdruck verursachen.

|10|Vielleicht kennen Sie solche Ängste auch? Vielleicht vermuten Sie zum Beispiel, dass andere Ihnen nichts Gutes wollen, Ihnen vielleicht sogar schaden wollen? Vielleicht haben Sie auch schon die Diagnose einer paranoiden Psychose oder eine vergleichbare Diagnose erhalten? Unabhängig davon, ob Sie eine Diagnose erhalten haben, eine Diagnose im Raum steht oder ob Sie sich von einer solchen distanzieren, können Sie in diesem Ratgeber wertvolle Informationen finden. Besteht Ihr Hauptproblem aus Ihrer Sicht darin, verfolgt oder schikaniert zu werden, wundern Sie sich womöglich, wenn Ihr Problem bzw. Ihre Gedanken als eine psychische Störung aufgefasst werden. Das Leid, das solche Gedanken meistens verursacht, kann entscheidend dafür sein, sich Hilfe zu suchen: Vielleicht haben Sie festgestellt, dass Ihre Gedanken immer mehr um mögliche Gefahren kreisen und Ihnen wenig Ruhe und Raum für andere Dinge des Lebens bleiben. Möglicherweise ziehen Sie sich immer mehr von Ihren Mitmenschen zurück und stellen fest, dass Sie Ihr Leben aktuell nicht mehr so gestalten können, wie Sie es sich wünschen. Mit den Informationen in diesem Buch hoffen wir, dass wir Sie begleiten können, aus diesem Zustand hinauszufinden, damit Sie wieder voll am Leben teilnehmen können. Dazu möchten wir Ihnen Strategien an die Hand geben, mit denen Sie sich selbst im Alltag entlasten können, und Ihre Motivation stärken, sich vielleicht Hilfe zu holen – ganz unabhängig von einer Diagnose.

Wie sich Verfolgungsängste und Verfolgungswahn auf verschiedenen Ebenen äußern können, wird im Folgenden beschrieben. Die Bedingungen, unter denen es zu einer Verschlimmerung des Misstrauens bis hin zu belastendem, klinisch relevantem Verfolgungswahn kommen kann, werden in Kapitel 2 erläutert. In Kapitel 3 folgen dann Hinweise, was Sie selbst, aber auch Ihre Angehörigen, Freundinnen und Freunde oder ein professionelles Hilfesystem dagegen unternehmen können.

Um die theoretischen Inhalte besser verständlich zu machen, stellen wir Ihnen im Folgenden Anton vor. Er ist auf dem Weg, einen ausgeprägten Verfolgungswahn zu entwickeln. Da es leichter ist, die im Ratgeber geschilderten Zusammenhänge am Beispiel einer sehr deutlich ausgeprägten Form der Verfolgungsängste zu erläutern, haben wir uns für dieses Beispiel entschieden. Es wird uns bis zum Ende des Ratgebers immer wieder begleiten. Natürlich haben viele Menschen auch eine deutlich schwächer ausgeprägte Form der Ängste, also leichte Ängste oder eine dauerhaft leicht misstrauische Grundhaltung. Auch die Geschwindigkeit, mit der sich Ängste zu einem Wahn ent|11|wickeln, ist unterschiedlich. Die Entwicklung der Ängste bei Anton ist also eher im Zeitraffer beschrieben.

Fallbeispiel: Antons Welt wird immer bedrohlicher

Der 20-jährige Anton leidet unter starken Ängsten, die sich vor allem auf seine Mitmenschen beziehen. Von seiner ehemaligen Wohngemeinschaft fühlt er sich zunehmend „hinausgeekelt“, woraufhin er schließlich in ein neues Stadtviertel zieht, das jedoch für Probleme und offene Auseinandersetzungen bekannt ist. Eines Tages bedroht ihn ein Nachbar: Er steht mit einer Axt vor Antons Tür, um ihn einzuschüchtern. In der Folge nimmt Antons Misstrauen anderen gegenüber sowie das Bedürfnis, sich selbst zu schützen, immer mehr zu. Ein paar Tage später sieht er „Ungeklärte Mordfälle“ im Fernsehen, was sein Unbehagen gegenüber anderen Menschen zusätzlich steigert. Zur gleichen Zeit hört er im Radio von einer Entführung. Die Polizei sei den Entführern auf den Fersen. Er erinnert sich, dass ihn die Nachbarin heute Morgen so komisch angesehen hat, und schlussfolgert, dass er wohl verdächtigt werde. Anton beginnt, vermehrt auf Äußerungen von Nachbarn zu achten, ist „auf der Hut“ und zieht sich immer mehr zurück. Er verdunkelt die Wohnung und reagiert nicht mehr auf das Läuten des Telefons, da er vermutet, abgehört zu werden. Er kann an nichts anderes mehr denken und schläft kaum noch. Anton ist sich jetzt sicher, dass sie es auf ihn abgesehen haben, und die Ängste steigern sich bis zur Todesangst.

1.1.1  Typische Gedanken bei Verfolgungsängsten

Gedanken, wie „Die haben es auf mich abgesehen“, „Die führen etwas gegen mich im Schilde“, „Ich bin denen hilflos ausgeliefert“ und „Jemand könnte mich beobachten“, kommen bei Verfolgungsängsten häufig vor. Vielleicht handelt es sich dabei noch um eine vage Überlegung oder um eine Interpretation, die Menschen mit Verfolgungsängsten mit etwas Abstand selbst als überzogen bezeichnen würden. Vielleicht sind Betroffene aber auch schon sehr überzeugt, dass etwas gegen sie im Gang ist, wie etwa, dass sie vom Geheimdienst verfolgt werden oder dass Mitmenschen ihnen erheblichen Schaden zufügen wollen. Vielleicht haben sie aber auch andere Befürchtungen.

|12|Fallbeispiel: Anton

Wenn Anton Nachbarn miteinander reden sieht, befürchtet er beispielsweise, dass sie ihn beobachten und besprechen, wie sie ihn aus seiner Wohnung kriegen können.

Gerade wenn es sich um solche bedrohlichen Gedanken handelt, ist es naheliegend, dass man sich nicht oder nur schwer von diesen Gedanken lösen kann: Wer sich bedroht fühlt, möchte sich in aller Regel schützen, möchte vorbereitet sein und möglichst keine Hinweise auf eine akute Gefahr versäumen. Vergleichbar etwa mit einem Scheinwerfer, der nicht die gesamte Szene, sondern nur einen bestimmten Teil beleuchtet, ist die Aufmerksamkeit dann aber häufig verstärkt auf die angstbesetzten Details gerichtet. Mit diesem Tunnelblick entstehen oft negative Gedankenschleifen, wie sie für Verfolgungsängste typisch sind. Meist wird vom Schlimmsten ausgegangen und eine Sorge reiht sich an die nächste.