Re-invent your company: Die Geheimnisse europäischer Entrepreneure und ihr Weg zum internationalen Erfolg - Judith Grohmann - E-Book

Re-invent your company: Die Geheimnisse europäischer Entrepreneure und ihr Weg zum internationalen Erfolg E-Book

Judith Grohmann

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Beschreibung

Europas Entrepreneure fungieren aufgrund ihres internationalen Erfolgs weit über die Grenzen Europas hinaus als Vorbilder. Diese unternehmerischen »Superheroes« inspirieren und faszinieren. Unter Europas Regionen nimmt seit einigen Jahren ein kleines Land eine internationale Spitzenposition ein, wenn es um wirtschaftliche Innovationen und Erfolge geht. Die einen geben diesem Land das Attribut der »zweiten Toskana Europas«, andere wiederum sprechen vom »Detroit Europas« oder dem neuen »Silicon Valley der EU«. Dieses Buch beschäftigt sich mit dieser besonderen Region in Österreich: der Steiermark, die als eine der führenden europäischen Industrie-Regionen gilt. Steirische Unternehmen spielen international als Motor für den Wirtschaftsaufschwung eine immer wichtigere Rolle. Österreichs zweitgrößtes Bundesland ist ein Paradies für kreative, visionäre und unternehmungslustige Köpfe, die ein besonderes Talent haben, ihre innovativen Ideen jenseits der Grenzen zu vermarkten. Das Buch richtet sich an alle, die an Wirtschaft interessiert und mit neuen Herausforderungen konfrontiert sind. Die hier beschriebenen Unternehmer sind »Macher« – was sie sich vornehmen, setzen sie in die Tat um. Erstmals teilen sie hier ihre Erfahrungen mit dem Ziel, den Unternehmergeist und die Gründungskultur innerhalb Europas zu verbessern.

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ibidem-Verlag, Stuttgart

»Die Kunst des Fortschritts besteht darin, inmitten des Wechsels Ordnung zu wahren, inmitten der Ordnung den Wechsel aufrecht zu erhalten.«

Alfred North Whitehead

(1861–1947)

Britischer Mathematiker und Philosoph

 

»Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden«Arthur C. Clarke(1917–2008)Britischer Science-Fiction-Schriftsteller, Physiker und Technik-Visionär

 

Inhalt

Vorwort

Der Erfinder des AEIJST

Die UltraCam-Macher

Die Kaiser der modernsten Bäckereimaschinen

Der Meister der Blechverpackungen

Die Prüfstandsbauer

Die Stilpräger aus Riegersburg

Der Weltanlagenbauer

Der Flugzeugzulieferer

Der geheime Motor der Automotive-Industrie

Der Herr über besonders klangvolle Orgeln

Der Meister über die Ursprungsquelle

Das Öl der Kraftmacher

Der Botschafter des Kernöls

Der Kernölschuppen-Mann

Eine Ölmüllerin aus Leidenschaft

Der Herr über Steiermarks beste Bierbrauerei

Der Weltweitwinzer

Der Schmetterlingswinzer

Die Faksimile-Experten

Die Lodenmacher

Die Hüter des Vulcanoschinkens

Die industriellen Powerplayer

Bildnachweise

Danksagung

Vorwort

Für manch einen klingt »Entrepreneurship« wie ein Zauberwort. Hinter diesem Begriff verbirgt sich das Konzept der Entwicklung und Verwaltung eines Unternehmens und das Eingehen von Risiken mit dem Ziel, in der Unternehmenswelt Gewinne zu erwirtschaften. Dazu gehört die Bereitschaft, ein neues Unternehmen zu gründen. Entrepreneurship hat eine wichtige Rolle bei der wirtschaftlichen Entwicklung des expandierenden globalen Marktes gespielt. Unternehmer werden als Innovatoren wahrgenommen. Zu den Fähigkeiten, die erfolgreiches Unternehmertum ausmachen, gehören Innovationskraft und Kreativität, Führungsqualitäten und ein starkes Gespür für Teamarbeit verfügen. Ein Entrepreneur ist jemand, der bereit ist, für sich selbst zu arbeiten.

Entrepreneurship galt einst als Garant für ein gründungsförderliches Milieu und damit für das Wachstum in den Vereinigten Staaten. In Europa wurde das Konzept jedoch lange Zeit nicht systematisch kultiviert.. In den USA hatte man ein System von attraktiven regulatorischen Bedingungen gepaart mit niedrigen Steuern, Forschungsfreiheit und nicht vorhandenem Protektionismus aufgebaut. Doch mit dem neuen Jahrtausend veränderte sich die europäische Mentalität, sodass Europa sich ab dem Jahr 2000 zu einem extrem spannenden Kontinent für Innovationen und innovative Regionen entwickelte. Denn um einen Staat international wettbewerbsfähig zu machen, sind die Innovationen, Strategien und Visionen von Gründern enorm wichtig. Denn die Suche nach neuen, im Unternehmen nutzbaren Produktionsverfahren und Technologien, nach neuen Produkten oder aber die Weiterentwicklung und Verbesserung bestehender Produkte ist wesentlich, um eine Wirtschaft am Leben zu erhalten. Das haben die Europäer rechtzeitig erkannt.

Was kann man von europäischen Entrepreneuren lernen?

Nun, europäische Entrepreneure fungieren aufgrund ihres internationalen Erfolgs nicht nur innerhalb der EU als Vorbilder, sondern vielmehr weit über die Grenzen Europas hinaus. Sie bieten auch eine Orientierung. Denn sie inspirieren all jene, die einen ähnlichen Weg gehen, etwas Besonderes aus ihrem Leben machen wollen. Sie teilen weiters ihre Erfahrungen, um den Unternehmergeist und die Gründungskultur innerhalb Europas zu verbessern. Wer im 21. Jahrhundert international wirklich erfolgreich sein möchte, muss zunächst einmal eine Gründer-Mentalität besitzen, er sollte ein Ziel vor Augen haben und einen echten Plan vorweisen. Dann erst muss er rasch und innovativ sein. Maximale Kontrolle über die eigene Arbeit kann einem Entrepreneur helfen, maximalen Nutzen zu erzielen. Die maßgebliche Persönlichkeit am Arbeitsplatz zu sein, führt oft zu vielen persönlichen und beruflichen Vorteilen. Flexibilität ist einer der Vorteile, nach denen Menschen in ihrer beruflichen Laufbahn streben, und im Unternehmertum ist dieser Vorteil leicht zu erreichen. Ein hervorragender Aspekt des Entrepreneurships ist, dass Unternehmer die Möglichkeit haben, unterschiedliche Ideen zu entwickeln, die auch auf dem globalen Markt einzigartig sein können. Die unternehmerische Vision zielt darauf ab, den größtmöglichen Nutzen aus unterschiedlichen Geschäftsideen zu ziehen.

Die Geheimnisse der unternehmerischen »Superheroes« stellen einen wichtigen Baustein zum Erfolg eines jungen Entrepreneurs dar und sollen hier klar aufgezeigt werden. In jedem Land Europas gibt es Regionen, die für besondere Innovationen in der Wirtschaft stehen. Die Region wiederum wird in diesem Buch nach unterschiedlichen Branchen sowie Unternehmen in verschiedenen Größen und mit verschiedenen Unternehmensvisionen, Geschichten und -Erlebnissen unterteilt. Jeder Unternehmer hat seine eigene Geschichte, seine Vision und den Weg erzählt, den er mit seinem Unternehmen gegangen ist. Die Berichte können als Wegweiser für andere gelten, denn man kann aus ihnen lernen. So richtet sich dieses Buch an all jene Menschen, die an Wirtschaft interessiert sind, an Studierende, Jungunternehmer oder Menschen, die bereits ein Unternehmen haben und mit neuen Herausforderungen konfrontiert sind.

Dieses Buch beschäftigt sich mit einer besonderen Region in Österreich, der Steiermark. Denn unter Europas Regionen nimmt seit einigen Jahren ein kleines Land eine internationale Spitzenposition ein, wenn es um wirtschaftliche Innovationen und Erfolge geht. Die einen geben diesem Land das Attribut der »zweiten Toskana Europas«, andere wiederum sprechen vom »Detroit Europas« und dem neuen »Silicon Valley der EU«. Die Steiermark gilt sogar als eine der führenden europäischen Software- und Industrie-Regionen.

Österreichs zweitgrößtes Bundesland ist ein Paradies für kreative, visionäre und unternehmungslustige Köpfe, die ein besonderes Talent haben, ihre innovativen Ideen jenseits der Grenzen zu vermarkten. Diese Unternehmer sind »Macher« – was sie sich vornehmen, ziehen sie auch durch. Nicht nur regional oder innereuropäisch, sondern vor allem international. Steirische Unternehmen spielen international als Motor für den Wirtschaftsaufschwung eine immer wichtigere Rolle. Tatsächlich bringt kein anderes Land innerhalb Europas derart viele unterschiedliche, innovative Produkte und Dienstleistungen auf den Markt wie die Steiermark. Mit einer Forschungsquote von fast 5 Prozent liegt sie bereits seit Jahren über dem angestrebten EU-Ziel und nimmt die Spitzenposition unter Europas Regionen ein. Ein wichtiger Grund für diesen Erfolg liegt vor allem bei den Menschen und ihrer Mentalität. Denn die steirischen Unternehmer erfinden sich ständig neu: Das gilt für den international agierenden IT-Konzern ebenso wie für den kleinen Kernölbauern oder Winzer.

In diesem Buch schildern die Gründer und Chefs der erfolgreichsten Unternehmen der Region Steiermark, wie sie es geschafft haben, mit einer Firmenidee über die Grenzen hinaus Bekanntheit zu erlangen und ihre Visionen durchzusetzen. Hier verraten sie, wie sie zu diesem Erfolg kamen, welche Hindernisse sie dabei überwinden mussten und wie ihre Erfolgsrezepte lauten. Und: Wie man den Erfolg halten und noch weiter steigern kann. Welche Eigenschaften sind für einen grenzüberschreitenden Erfolg wichtig? Wie geht man mit unvorhergesehenen Ereignissen, etwa der COVID-19-Pandemie und der damit einhergehenden Stilllegung eines ganzen Landes und neuer Bedingungen im Entrepreneurship, um?

Vom Besitzer einer Gin-Destillerie bis zum Autozulieferer, vom Lodenhersteller bis zum Fabrikanten für Bäckereimaschinen, vom Antriebstechnik-Hersteller bis zum Orgelbauer, vom Tischlereibetrieb bis hin zum Kernölproduzenten: Die Firmenchefs von 24 steirischen Betrieben unterschiedlicher Größe und unterschiedlicher Ausrichtung haben hier ihre persönlichen Rezepte versammelt, die verraten, wie man einen grenzüberschreitenden Erfolg haben kann.

In diesem Buch wird ein spannendes Portrait der Region gezeichnet, die Vorbild für Europa sein kann. Ein Buch, wie die Steiermark selbst: voller faszinierender Persönlichkeiten mit Wagemut, Gerechtigkeitssinn und Verlässlichkeit – mit zahlreichen Entdeckungen aus der Steiermark und der Welt.

 

Der Erfinder des AEIJST

Wolfgang Thomann, Gin-Produzent aus Lang in der Südsteiermark

Besuche bei seinem Großvater hatten für Wolfgang Thomann Kult-Charakter. Schon als kleiner Junge half er ihm bei der Ernte der Äpfel, Zwetschgen und Kirschen im Garten. Danach gingen die beiden stolz mit vollen Körben in den Schuppen, wo aus den Früchten ein guter Schnaps gebrannt wurde.

Angenehme Kindheitserlebnisse können prägend wirken.

Im Jahr 1973 kam der Film »Les Voraces« (Die Gefräßigen) ins Kino. Darin spielte Helmut Berger den hübschen, jungen Croupier Kosta, der in Monaco arbeitete und sich nach einem Leben in der Welt der Schönen und Reichen sehnte. Croupiers umwehte in dieser Zeit das Image der Exklusivität und Casinos ein Hauch von Hollywood. Nur wenige junge Leute hatten das Glück, diesen Beruf wirklich ergreifen zu können, denn die Aufnahmetests in den Casinos galten als extrem schwierig und streng und die Ausbildung als fordernd. Der Film mit Helmut Berger ließ die Côte d'Azur dieser Zeit als eine andere Welt mit einer elitären Gesellschaft zwischen Glanz und Glamour erscheinen, eine Welt, die man in Österreich so nicht kannte. Wolfgang Thomann gefiel der Film so sehr, dass er ins Auge fasste, Croupier zu werden. Nach der Matura beschloss er aber zunächst, ein Jura- und ein Betriebswirtschaftsstudium zu beginnen. Denn Croupier könnte er immer noch werden.

Aeijst GmbH

Produkt: steirischer Gins, zu 100% aus biologischen Zutaten

Mitarbeiterzahl: 4

Jahresumsatz: keine Angabe

Firmensitz: LangimBezirk Leibnitz

Exportländer: Europa, USA, Asien

Doch das Schicksal hatte etwas anderes mit ihm vor: Eines Tages entdeckte er eine Annonce in der Zeitung. Das Casino in Graz suchte junge Männer, die ihren Militärdienst absolviert hatten, um sie zu Croupiers auszubilden. Thomann bewarb sich mit dem Gedanken, neben dem Studium zu arbeiten und so sein erstes Geld zu verdienen. Rasch erkannte er, dass dieser Plan nicht so leicht zu realisieren war. Denn als Croupier arbeitet man nicht stundenweise, sondern ganztags. Für ein Studium bleibt daneben wenig Zeit. Also brach Thomann sein Studium ab und begann, Vollzeit im Casino in Graz zu arbeiten. Die Arbeit machte ihm Spaß und Thomann verdiente gut. Nach einigen Jahren erstand er ein Anwesen in der südlichen Steiermark – genauer gesagt in Langaberg, einer hügeligen, grünen Gegend mit vielen Weingärten, etwa eine halbe Stunde von Graz entfernt. Auf seinem Grundstück standen ein Haus und ein alter Holzschuppen. Dort entdeckte er einen alten Schnapsbrennkessel. Thomann ließ ihn vorerst in einer Ecke stehen. Vielleicht würde er ja eines Tages Verwendung dafür haben.

Sein neuer Garten erinnerte ihn an den seines Großvaters. Auf dem Grundstück standen jede Menge Obstbäume. Sie inspirierten Wolfgang Thomann dazu, an seinen freien Tagen mit dem alten Schnapsbrenner in die Fußstapfen des Großvaters zu treten und für sich und seine Freunde ein paar Flaschen guten Schnaps zu brennen. Der Schnaps kam bei seinen Gästen sehr gut an. Deshalb beschloss Wolfgang Thomann, noch mehr Flaschen zu brennen. Er legte sich auch einen Weingarten am Grundstück zu. Zu diesem Zeitpunkt begann eine Idee in ihm zu reifen. Doch diese Idee war noch nicht ganz ausgegoren.

»Eigentlich war ich immer auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Im Grunde genommen wollte ich selbstständig sein, mein eigenes Produkt vertreten und auch mein Können als Schnapsbrenner vertiefen«, schildert Wolfgang Thomann heute.

2006 ist es endlich soweit. Thomann hängt den Job des Croupiers an den Nagel und beginnt 2007 an der Universität für Bodenkultur das Bachelorstudium Weinbau, Önologie und Weinwirtschaft, das er drei Jahre später mit Erfolg abschließt. Mit 44 Jahren ist er jetzt ausgebildeter Önologe und Weinwirtschafter mit einem international anerkannten universitären Diplom. Seine nächste Karriere konnte beginnen.

Von den Winzern und Sommeliers, die er während des Studiums kennenlernte, sollten sich später einige mit ihm vernetzen und zu seinen ersten Businesspartnern werden.

Zunächst stellt Thomann Wein in kleinen Mengen her. Hinzu kommt Schnaps. Beides verkauft er innerhalb Österreichs. Doch er ist Perfektionist und besucht weiterführende Seminare, um sein Wissen über Produktions- und Brennmethoden zu vertiefen sowie in Sensorik besser ausgebildet zu werden. Er will alles lernen. Und er reicht erstmals seine Schnäpse für Prämierungen ein. Etwa beim Verein Mostbarkeiten, dem Zentrum für Obstverarbeiter, das sich im Kärntner Lavanttal befindet. Mehrmals werden Thomann für seine Obstbrände Medaillen verliehen. Die Qualität seiner Brände ist herausragend. Das ermutigt ihn zum nächsten Schritt. Er ist fest entschlossen, ein außergewöhnliches Getränk zu kreieren. Er will etwas Besonderes entwickeln, herstellen und international verkaufen. Das ist jetzt sein einziges Ziel. Das neue Getränk soll nichts Alltägliches sein.

Der Zufall will es, dass der Freund seiner Tochter Lisa zu seinem 30. Geburtstag eine Flasche Gin bekommt, die sofort verkostet wird und allen gut schmeckt.

Auf einmal macht es bei Wolfgang Thomann Klick. Er scheint gefunden zu haben, was er suchte: Ein Produkt, das auf eine jahrhundertealte Tradition in England und in den Niederlanden zurückblickt, aber bei Österreichs Spirituosenherstellern noch in den Kinderschuhen steckt. Ein echter Genever, hergestellt aus Wacholderbeeren und Lavendel, gereift auf seinem steirischen Anwesen. Wo doch selbst die Mutter der heutigen Queen zu Mittag auf die tägliche Einnahme eines Glases Gin, gemischt mit Dubonnet-Wermut, schwörte.

Also beginnt Thomann ab Jänner 2014 einen steirischen Genever zu entwickeln. Jeder seiner Schritte wird eisern geplant. Von den Ingredienzien (alle biologisch hergestellt), der Vermarktung bis hin zum Export. Das zuständige Zollamt weist ihn auf die Alkoholsteuer, die im Ausland anfällt, hin. Thomann und sein Produkt sind überzeugend. Es kann weiter gehen. Ab jetzt wird fieberhaft daran gearbeitet, einen besonders wohlschmeckenden, steirischen Gin zu entwickeln. Gleich zu Beginn ist klar, dass die gesamte Familie gemeinsam an der Erstellung der neuen Edelspirituose arbeitet, für die eine neue Brennanlage für die Produktion von 50 Liter Gin angeschafft werden muss. »Es gibt bei uns kein ›Ich‹, sondern immer nur ›Wir‹«, erzählt Wolfgang Thomann stolz.

Im Mai 2014, während die Familie gerade Musik hört, fließt der erste Gin durch die Thomann'sche Brennerei. Thomanns Kinder Markus und Paul sowie Lisa und deren Freund Andreas verkosten die ersten Tropfen des steirischen Nobel-Bio-Gins und sind begeistert. Thomann selbst wird in den kommenden Tagen noch weiter am Getränk feilen. Weniger des Lavendel-Geschmacks würde dem steirischen Genever guttun, davon ist er überzeugt. Schritt für Schritt arbeitet er sich vor.

Beim Lavendelfest in Kitzeck werden die ersten Kostproben in Mini-Fläschchen angeboten. Die Verkoster sind begeistert. Doch das ist erst der Anfang. Am ersten September meldet Thomann sein Schnaps-Brenn-Gewerbe offiziell an. Der nächste Schritt betrifft das Design der Flasche und das Logo des Labels. Ganz wichtig. Hier darf nichts dem Zufall überlassen werden. Die Grafikerin Christina Michelitsch des Grazer Kultdesignstudios Les Avignons wird engagiert. Sie wird sich um die Gestaltung des neuen Labels kümmern: kleine, pfiffige Apothekerflasche, Korkverschluss, weiße Schrift, unvergleichlicher, besonderer Name, der das Getränk mehr in die Richtung seines Ursprungs in den Niederlanden rücken wird.

Dazu sollte man eines wissen: Das gesamte Design und der Inhalt der Flasche entsprechen Wolfgang Thomanns Wesen. Keine Schnörkel, keine unnötigen Farbspiele, denn Thomann ist Purist. Produkte, die er herstellt, müssen auf das Wesentliche reduziert und einzigartig sein. Sein Gin wird zu hundert Prozent aus biologischen Zutaten gefertigt, mithilfe von neun verschiedenen Aromen, im Fachjargon Botanicals genannt, die aus seinem Garten stammen, darunter: Wacholderbeeren, Koriander und Zitronen. Der Herstellungsprozess beginnt mit dem Mazerieren, dem Einweichen aller Zutaten im biologischen Weizenalkohol. Einige Tage später wird der Ansatz gebrannt. Mit Wasser aus dem Suggaritzwald wird das hochprozentige Destillat auf Trinkstärke gebracht und dann etwa zwei Monate lang im Edelstahltank gelagert, bevor es händisch – mit einer eigens angefertigten Anlage – in Flaschen abgefüllt wird.

Thomanns wichtigste Botschaft zu Beginn der Zusammenarbeit mit Les Avignons lautete: Die Flasche soll den Menschen so ins Auge springen, dass jeder gerne den Gin kauft. Thomann will, dass der Konsument zugreift und dass der Name der neuen Marke einen Bezug zur Südsteiermark hat.

Gemeinsam mit der Grafikerin wird der Name »Aeijst« geboren. Dabei handelt es sich um das steirische Dialektwort zur Mehrzahl von »Ast«, also »Äste«. Denn fast alle Zutaten stammen von Früchten, die auf Ästen gedeihen. Die korrekte Aussprache des Wortes »Aeijst« soll bei den Konsumenten Neugierde hervorrufen: Genau das möchte Thomann.

Wege aus der Krise

»In Krisenzeiten ist es wichtig, die Marke zu schützen und sie nicht zu verwässern. Das Portfolio kann ebenfalls erweitert werden, etwa mit speziellen Produkten, die nicht Mainstream sind – bei uns etwa mit Absinth. Außerdem ist es in Krisenzeiten wichtig, dass der Unternehmer sich auf seine Stärken besinnt.«

Doch dann geht alles sehr rasch: Binnen kürzester Zeit gewinnt Thomanns steirischer Gin höchste Auszeichnungen in London bei der »Wine and Spirit Competition 2015«, in den Kategorien London Dry Gin eine Silber-Medaille, in der Kategorie Gin and Tonic eine weitere Silber-Medaille und in der Kategorie Verpackung eine Bronze-Medaille.

Seinen Aeijst-Gin kann man seither in verschiedensten noblen Lokalen und Bars in ganz Österreich und in Teilen Deutschlands kaufen. 2016 haben sich Kontakte nach Asien, von Japan bis nach Hongkong und Shanghai, aufgetan. Seit 2017 ist sein Gin also auch in Asien erhältlich.

Wolfgang Thomann hatte definitiv nicht geplant, ins Ausland zu gehen. Aber mehrere seiner inländischen Partner kamen auf ihn zu und fragen, ob er Interesse daran hat, seinen Gin im Ausland zu verkaufen. Die Hauptschwierigkeit bestand darin, zuverlässige Partner zu finden – ob in Österreich oder im Zielland –, die auch die komplette Abwicklung übernehmen. Denn die Alkoholsteuer muss in dem Land abgeführt werden, in dem die Spirituose konsumiert wird. Dieses Prozedere bedarf einiger Erfahrung.

Die Wirtschaftskammer Österreich gibt detaillierte Auskünfte darüber, wie der Export abgewickelt werden muss, wenn man ihn selbst organisieren will. Auch das Zollamt ist kooperativ. Innerhalb Europas sind die Herausforderungen annähernd dieselben. Außerhalb der EU wird es aufgrund der Handelsbeschränkungen um einiges komplizierter. Umso wichtiger ist es, einen starken Partner zu haben. Für Thomann ist bei allen Unternehmungen das Ziel, Geld zu verdienen. Der Weg dahin ist lang, aber spannend. Die Aufgabe bestand für Thomann darin, mit dem Produkt auch in anderen Ländern zu überzeugen – noch dazu in einer Branche, die weltweit gerade einen Boom erlebt. International wahrgenommen zu werden, ist das »Tüpfelchen auf dem I«, sagt Thomann. Aufträge im Inland abzuwickeln, wird nach einiger Zeit zur Routine. Eine weitere Herausforderung besteht darin, die Kontakte zu den bestehenden Kunden zu halten und neue Kunden dazuzugewinnen. Im Ausland ist jeder neue Auftrag eine Challenge für sich: Es bedarf wesentlich mehr Engagement, um Fuß zu fassen. Der Markt in Österreich ist trotz ständig neuer Mitbewerber groß genug. Wichtig ist, so Thomann, sich ein wenig von den anderen abzuheben, sowohl was das Produkt betrifft, als auch in der Kommunikation und im gesamten Marken-Auftritt.

Alles läuft für Monate rund, doch dann passiert das Undenkbare.

Es ist Nachmittag. Wolfgang Thomann ist gerade in Graz mit einigen Erledigungen beschäftigt, sein Sohn Markus brennt Gin am Langaberg. Da erhält Thomann plötzlich einen aufgeregten Anruf seines Nachbarn: »Du, Wolfgang, dein Schuppen brennt.« Thomann weiß, dass sein Sohn im Schuppen ist. Er ruft ihn an. Mehrmals. Doch Markus ist telefonisch nicht erreichbar. Thomann setzt sich in seinen Wagen und fährt in Windeseile nach Hause. Dort erwarten ihn bereits die Feuerwehr und die Polizei. Und auch Markus steht traurig vor dem brennenden Schuppen. Sein Vater ist überglücklich, ihn unversehrt anzutreffen und in die Arme schließen zu können, doch was ist im Schuppen passiert? Ein Gutachten wird Aufschluss über die Brandursache geben: der Thermostat, der die Kühlwasserzufuhr regelt, hat geklemmt. Dadurch war Alkoholdampf unkondensiert in den Raum entwichen. Der Schuppen explodierte, die dreiflügelige Eingangstüre wurde dabei in den Garten geschleudert. Eine Nachbarin spürte eine Druckwelle. Jetzt muss schleunigst eine neue Schnapsbrenn-Möglichkeit gefunden werden. Denn Thomann hat nur 700 Flaschen auf Lager und die Vorbestellungen häufen sich.

In solchen schwierigen Momenten lässt sich Wolfgang Thomann nicht entmutigen. Er wird sogar durch derartige Ereignisse stärker. Er wird zum Kämpfer. »Wer ein Problem hat, hat auch die Lösung«, lautet sein Credo. In den folgenden Wochen kann Thomann mehrmals bei befreundeten Schnapsbrennern produzieren und so die steigende Nachfrage weiter bedienen. Als Glücksfall erweist sich im Sommer 2015 die Möglichkeit, im Weingut Muster.gamlitz, das mit einer großen Brennerei ausgestattet ist, die Produktion weiterführen zu können.

Thomann hat in den letzten beiden Jahren eines gelernt: Er lässt sich nicht mehr aus der Ruhe bringen. Dabei ist Wolfgang Thomann ein typischer Vorausdenker. Er tüftelt – gemeinsam mit seinen Kindern – ständig an Verbesserungen. Ganz oben auf der Prioritätenliste stehen ein neuer Korken und eine neue Flasche. Das Projekt soll in den nächsten Monaten umgesetzt werden. Jeder Korken wird mit dem Logo von »Aeijst« handgestempelt, auf der kleinen Füllanlage können immer nur zwei Flaschen gleichzeitig abgefüllt werden. Derzeit sind es 1.000 Flaschen pro Monat. Lisas Freund Andreas hat sich eine Lasermaschine gekauft. Damit wird auf den unteren Rand der Glasflasche das Logo eingraviert.

Das Ziel für die kommenden Jahre wird es sein, den noblen Bio-Gin in Asien und parallel dazu auch in ganz Europa zu etablieren. Weiters arbeitete die Familie an einer ersten Sonderedition für den Herbst-Winter 2017. Von diesem »Aeijst« gab es lediglich 500 Flaschen. Vorbestellungen hatte Thomann bereits lange zuvor.

Im Juni 2018 übernahm Thomann eine ehemalige Whiskey-Brennerei in St. Nikolai im Sausal. Diese Übernahme gab ihm die Möglichkeit, größere Verkostungen und Führungen in der Schaubrennerei durchzuführen. Außerdem entwickelte er mit der Zeit andere Labels und produzierte sie auch, wie etwa: 2B Hemp Gin, Beerenkräfte Gin oder The Good Gin.

Im September 2018 wurde Aeijst schließlich von einem Einzelunternehmen in eine GmbH umgewandelt, deren Gesellschafter mit 51 Prozent Wolfgang Thomann ist. Die restlichen 49 Prozent teilen sich unter seinen Kindern Lisa, Markus und Paul Thomann sowie Lisa Thomanns Freund, Andreas Tuder, auf.

Was der Gin-Hersteller in den Jahren seines Bestehens gelernt hat?

»Als Unternehmer muss man präsent sein. Denn der Konsument verlangt nach einer oder nach mehreren Personen, die hinter der Marke stehen.« Außerdem: Ein exklusives Produkt wie Gin muss auch ästhetisch sein. Das Design ist enorm wichtig. Thomann gibt gerne zu, dass die wichtigsten Ideen von seinen Kindern kommen. Sie haben sich immer kompromisslos eingebracht – alle drei waren vom Start an mit dabei und vertreten den Vater immer wieder auf Veranstaltungen und auf internationalen Messen, um dort den Bekanntheitsgrad des Produkts zu steigern. Der Faktor »Jugend« spielt eine Rolle bei Getränken. Rückblickend betrachtet ist Wolfgang Thomann sehr stolz darauf, ein besonderes Getränk kreiert zu haben, dass sich als Marke derart rasch und positiv etabliert hat. »Wir haben alles hart erlernen müssen. Wir haben Schicksalsschläge überwunden und sind auf einem guten Weg, international bekannt zu werden. In derart kurzer Zeit ist das ein absoluter Glücksfall und sehr selten.«

 

 

Der Erfolg dieses Unternehmens liegt in:

der Unterscheidung von den Mitbewerbern, in der Kommunikation und im Marken-Auftritt des Produktes

einer starken Unternehmer-Präsenz

einem raffinierten, modernen Design des Produktes

einem guten Businesspartner-Netzwerk, darunter Partner aus der Studienzeit

dem Mut zum Vorausdenken und gleichzeitig dem Bemühen um stetige Verbesserungen

Fokus auf Bio-Produkte

Fokus auf »Jugend«

dem Credo »Wer ein Problem hat, hat auch die Lösung«

starker Familienzusammenhalt bei der Gründung und Arbeit: »Wir«-Bewusstsein

einem sehr guten Kontakt zu den Kunden: Kontakte halten und zusätzlich neue Kunden hinzugewinnen

vielen regionalen Partnern

 

Die UltraCam-Macher

Seit 2003 werden in der Steiermark digitale Luftbildkameras zur Vermessung, Kartografie und Dokumentation der Erde hergestellt. Das Unternehmen heißt Vexcel Imaging, hat schon Konzerne wie Microsoft mit Technologie unterstützt, ist international führend und wird seit 2008 erfolgreich vom Stuttgarter CEO Alexander Wiechert geführt.

Wenn man in Graz das Gebäude Anzengrubergasse 8 in der Nähe des Finanzamtes betritt und in den vierten Stock marschiert, dann ahnt man kaum, welch spannendes, international tätiges Unternehmen sich hinter der hellgrauen Türe befindet. Denn VexcelImaging ist weltweit bekannt, sehr erfolgreich und ein „echt steirisches Unternehmen“. Gegründet wurde das Unternehmen 1992 von Professor Doktor Franz Leberl. Leberl wurde im Jahr 1945 im sächsischen Gersdorf geboren und ist in Österreich aufgewachsen. Nach Stationen am Internationalen Institut für Geo-Information Science und Earth Observation in den Niederlanden und im Anschluss daran bei der NASA in Pasadena, Kalifornien, wo er im Rahmen der Magellan-Mission für die Kartierung des Planeten Venus mithilfe bildgebender Radarsysteme verantwortlich zeichnete, nahm er im Jahr 1976 eine Professur für Photogrammmetrie und Fernerkundung an der Technischen Universität Graz an. 1977 wurde Leberl mit seiner Arbeit über Satellitenradar-Bildanalysen habilitiert. Neben seiner Arbeit an der Universität gründete der ambitionierte Techniker ein Forschungsinstitut für digitale Bildverarbeitung in der größten außeruniversitären Forschungseinrichtung der Steiermark, Joanneum Research. Daraufhin folgten verschiedene Stationen in den USA bis er 1992 dann wieder zurück in Graz die Vexcel Imaging GmbH gründete. Anfänglich entwickelte das Unternehmen den hochgenauen, digitalen Filmscanner »UltraScan 5000« zum Scannen von analogen Luftbildern und etablierte sich damit weltweit. Als sich um das Jahr 2000 herum die bildgebende digitale Sensortechnik mit immer besser werdenden CCDs1 immer weiter ausbreitete, war klar, dass die analoge Luftbildbefliegung ein Ende haben und durch digitale Kameras ersetzt werden würde, eine vergleichbare Entwicklung wie etwa bei Spiegelreflexkameras. Damit hätte auch der Filmscanner von Vexcel ausgedient.

Vexcel Imaging GmbH

Produkt: Luftbildkameras mit hoher Auflösung, die vorrangig zum Kartografieren dienen.

Standorte: Das kommerzielle Kamerageschäft ist an zwei Standorten angesiedelt: Dem Hauptsitz in Graz sowie einer Vertriebs- und Supportniederlassung in Denver. Außerdem hat Vexcel knapp 20 Partner weltweit zur Vertriebsunterstützung und betreibt ein weiteres Kalibrierlabor in Singapur. Das Datenprogramm ist in drei Standorten in den USA sowie in Madrid angesiedelt.

Mitarbeiter: weltweit ca. 500, davon 71 in Graz

Jahresumsatz: derzeit rund 25 Millionen Euro in Graz und weltweit >100 Millionen Euro.

Marktanteil: Europa ca. 80%, weltweit ca. 50% (bezogen auf großformatige Luftbildkameras)

Exportländer: Vexcel ist heute weltweit tätig.

Im Jahr 2000 besuchte Leberl den ISPRS-Kongress in Amsterdam, wo große Kamerahersteller wie Leica und Zeiss bereits ihre ersten Kameras für Luftbildaufnahmen ankündigten. Die Präsentationen auf der Messe inspirierten ihn und Leberl entschied blitzartig: »Wir müssen halb so teuer wie die anderen Hersteller sein und doppelt so gut.«

Nun unterscheiden sich Luftbildkameras ganz erheblich von einer normalen Kamera. Die Luftbildkameras müssen aus großen Höhen unter stark wechselnden Einsatzbedingungen der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit, des Luftdrucks in Kombination mit flugzeugtypischen Vibrationen ein auf den tausendstel Millimeter genaues, geometrisch stabiles und farbechtes Bild aufnehmen. Und das dank der Fluggeschwindigkeit rasch hintereinander und zudem mit einer möglichst hohen Auflösung und Pixelanzahl, denn je größer bzw. je breiter eine einzelne Aufnahme ist, umso weniger Flugstreifen werden benötigt, um ein Gebiet, sei es eine Stadt, ein Bundesland oder einen ganzen Staat, abzudecken. Das erfordert ein ganz besonderes, sehr komplexes Kamerakonzept, welches aus mehreren Objektiven und einer Vielzahl von Bildsensoren besteht.

Im Jahr 2001 bei einer Zugfahrt kam Dr. Michael Gruber, einer der ersten Mitarbeiter der VexcelImaging GmbH und heutiger Chief Scientist des Unternehmens, die zündende Idee, wie diese Anforderungen mittels der damals verfügbaren Technik revolutionär gelöst werden können. Die Prinzipskizze auf einer Papierserviette überzeugte Professor Leberl und er gab den Startschuss zur Entwicklung der »UltraCam D«, der ersten digitalen Luftbildkamera der Firma VexcelImaging GmbH.

Hierbei handelte es sich um eine neuartige digitale Luftbildkamera, die großformatige Luftbilder liefert, die radiometrisch und geometrisch den vergleichbar aufgenommenen Bildern von konventionellen Filmkameras überlegen ist. Für die damalige Zeit eine Sensation in der professionellen Luftbildbefliegung, Kartografie und Landesvermessung.

Ausgehend von der Papierserviette wurde ein Patent eingereicht und ein fähiger Elektroniker gesucht, der das komplexe Innenleben der Kamera entwickeln sollte. Dieser wurde mit Martin Ponticelli gefunden, heutiger CTO und Mitgesellschafter der Vexcel Imaging GmbH. Leberl und sein Team machten sich ab September 2001 an die Herstellung der UltraCam D. Die erste UltraCam D konnte bereits im Mai 2003 während einer Tagung in Alaska vorgeführt werden und trat ab diesem Moment ihren Siegeszug an. Dabei galt es als Newcomer gegen die etablierte Konkurrenz anzutreten. Die überlegenen Fähigkeiten der UltraCam D überzeugten, und das Kamerasystem setzte sich am Markt weltweit durch. Engelbert Breg, damals Vertriebsmitarbeiter, heutiger Sales Director des Unternehmens, erinnert sich: »Das war kein Selbstläufer, wir waren permanent unterwegs, um die Kamera beim Kunden vorzustellen, und wer jemals in der Economy-Klasse einen Senatorstatus erflogen hat, kann erahnen, wie viel wir unterwegs waren. Aber es hat sich gelohnt, wir hatten Erfolg.« Damit zog die digitale Bildtechnik in die Erdvermessung, Kartografie und Fotogrammmetrie ein.

Auf der anderen Seite des Atlantiks machten sich Großkonzerne ebenfalls Gedanken über ein digitales Abbild der Erde im Internet, allen voran der Online- und Internetdienstanbieter Google. Bereits führend in der Internetsuche, plante Google seinen nächsten großen Coup, Google Maps und Google Earth, und auch bei Bill Gates, dem Mitbegründer von Microsoft, reifte eine Vision.

Google kaufte sich bei Keyhole Inc. ein, um die notwendige Technologie für die Erzeugung und Darstellung eines virtuellen Globus zu bekommen. Bill Gates entwarf eine Gegenstrategie, und im Jahr 2005 rief er bei seiner Rede anlässlich seines 50. Geburtstags in London das Projekt Virtual Earth ins Leben – ein virtuelles Abbild der Erde, insbesondere der Städte in 3D.

Daraufhin begab sich Microsoft auf die Suche nach möglichen Technologiepartnern und fand insgesamt sechs Firmen, die infrage kommen könnten. Vexcel war eines dieser Unternehmen. Bill Gates wollte von jedem Anbieter Informationen über deren Systeme und Kameras einsehen. Vexcel sendete ihm daraufhin ein besonders gut designtes und durchdachtes Demo-Band zu, mit auf Basis der Technologie von Vexcel erstellten 3D-Welten, durch die der Benutzer durchmarschieren konnte. Ein Volltreffer. Microsoft war begeistert von Vexcels Demo-Band. Rasch wurde klar, dass Bill Gates beabsichtigte, das Unternehmen von Franz Leberl zu kaufen. Im Mai 2006 wurde der Deal perfekt gemacht und VexcelImaging von Microsoft übernommen. Damit begann eine neue Ära des Unternehmens, Microsoft übernahm die Führung.

Im Jahr 2008 stößt schließlich der Stuttgarter Alexander Wiechert als Microsoft Business Director und Geschäftsführer zu Vexcel nach Graz. Wiechert war gerade dabei, sein Befliegungsunternehmen in Deutschland zu verkaufen. Franz Leberl und er kannten sich von etlichen Messebegegnungen. Wiechert kommt ursprünglich aus dem Industriezweig, der auf mobile Informatik- und Kommunikationstechnologie-Systeme spezialisiert ist. Er arbeitete zunächst bei Daimler Chrysler Aerospace, gründete danach die AIS Advanced InfoData Systems, ein Unternehmen, das auf Telematiksysteme und Avionikdatenbanken ausgerichtet ist, bevor er dann als Geschäftsführer und Gesellschafter zu TopoSys GmbH wechselte, das sich auf Erdfernerkundungen durch Laserbefliegungen spezialisiert hatte. Die Gespräche zwischen Wiechert, Leberl und Microsoft verlaufen positiv und im Januar 2008 steigt Wiechert als Business Director und Geschäftsführer ein und Franz Leberl scheidet aus dem Unternehmen aus.

In den darauffolgenden Jahren wird das US-Unternehmen Microsoft, geführt von CEO Steve Ballmer, nachhaltig in Vexcel investieren. Die gesamte Softwareentwicklung wird auf neue Beine gestellt und enorm professionalisiert. Das Finanzwesen wird neu aufgebaut, die gesamte Firma in eine wirkliche Firmenstruktur überführt. Parallel dazu verdreifacht sich der Mitarbeiterstamm nahezu. Es werden neue Luftbildkameras entwickelt, dabei wird das Portfolio stark erweitert. Aus einer Kamera entwickeln sich drei neue Hauptreihen, die jeweils noch Varianten haben, basierend auf der neuesten Technologie. Das Unternehmen zählt weltweit zur Spitze.

Microsoft hat somit massiv geholfen, den steirischen Standort mit dem eigenen Know-how weiterzuentwickeln von einem Eigentümer geführten Unternehmen hin zu einem Unternehmen mit Struktur, funktionierenden Hierarchien, Reportings, Marktanalysen etc. Dabei war neben den herausragenden Produkten der Aufbau eines herausragenden, sehr kreativen Mitarbeiterstabs der Schlüssel zum Erfolg.

Das Leadershipteam, bestehend aus Alexander Wiechert, Martin Ponticelli und Michael Gruber, setzt gemeinsam mit den Teams am Standort Graz und Boulder neben dem eigenen Kamerageschäft auch wichtige Themen für Microsoft um: Etwa neue Software für die Bildverarbeitung für BING maps, neue 3D-Software zur Erstellung virtueller Welten oder spezielle Kameras, mit denen Microsoft die gesamten USA und Westeuropa in wenigen Monaten in hochaufgelösten Bildern aufnimmt. Ein Datensatz, den es bisher in dieser Qualität, Abdeckung und Konsistenz nicht gab und der damals als weltweit größtes Bildbefliegungsprojekt galt.

»Das Leben kommt in Wellen, es ist nicht alles Zuckerschlecken«, erklärt Alexander Wiechert, wenn man ihn auf die Finanzkrise 2008 anspricht. Durch die Krise manövriert sich Vexcel gut durch, da es sich bei den Kunden des Unternehmens um eine relativ krisenresistente Branche handelt, die mit den diversen internationalen Landesvermessungsstellen und Regierungen zusammenarbeitet. »Wenn es die anderen bereits erwischt, geht es uns noch gut, wir sind dann ein Jahr später dran«, sagt Wiechert dazu. Das Unternehmen Vexcel ist finanziell gut aufgestellt, die Umsatzziele werden erfüllt und es gibt außerdem einen »unverschämt hohen Eigenkapitalanteil«. Wiechert sieht sich als konservativen Geschäftsführer: »Wenn die Kriegskasse nie leer wird, dann ist man krisenfester. Wichtig ist es, dass man im Finanzbereich grundsolide haushaltet, langfristig denkt und dabei von schlechten Szenarien ausgeht und nicht vom best case. Bildlich gesprochen sind typischerweise die Kosten höher als geplant, der Umsatz kommt später und der Kunde zahlt nicht morgen, sondern übernächsten Monat.«

Wiechert geht sogar einen Schritt weiter und gibt einen Einblick in das Zusammenspiel zwischen Vexcel und Microsoft: Er erklärt, dass es mit Microsoft als großem internationalen Konzern nicht immer so einfach ist, denn es prallen zwei unterschiedliche Unternehmenskulturen zusammen. Einerseits der konservative Standort in Österreich mit circa 25 Millionen Umsatz, andererseits der weltweite Großkonzern in den USA mit einem Milliardenumsatz. Fazit: Man musste sich zusammenraufen. Während sich die USA über die »Quadratschädel« in der Steiermark mokierten, ärgerten sich die Österreicher über die »verrückten Amerikaner«. Doch in der Realität ist es in einem Zusammenspiel zwischen zwei Unternehmen in unterschiedlichen Ländern selten so, dass eine Seite Recht hat und die andere nicht. Wiecherts Erfahrung lautet: Man muss die Situation aus dem Blickwinkel des anderen betrachten und einen Kompromiss suchen. »Microsoft hat eine sehr offene Unternehmenskultur«, sagt er. Aus diesem Grund ist auch die Bürotür zum Geschäftsführer Wiechert immer offen – er ist immer bereit zum Gespräch mit seinen Mitarbeitern. Es gibt regelmäßige Sitzungen, denn man müsse über die Dinge reden. Man müsse in den Ring steigen, wenn notwendig, neue Dinge versuchen und Probleme möglichst ausräumen. Ein kultureller Unterschied zwischen der Steiermark und den USA bestehe ohne Zweifel, und mit diesem müsse man zurechtkommen. Das Gehalt bestehe aus dem, »was man leistet«, und aus »Schmerzensgeld für das, was man aushält«, sagt Wiechert. Das müsse man als Geschäftsführer zwischen zwei Unternehmenskulturen akzeptieren, nach dem Motto: »Love it, change it, or leave it.«

Das Unternehmen Vexcel