Rebel Plants - Valerie Jarolim - E-Book

Rebel Plants E-Book

Valerie Jarolim

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Beschreibung

Pflanzen kommt in unserem Leben eine enorme Rolle zu – sie sind einfach überall. Am Morgen schiebst du dir einen Löffel Hafermüsli in den Mund, stülpst deinen Baumwollpulli über den Kopf, cremst dir deine Hände mit Ringelblumensalbe ein – und above all: Sie produzieren den Sauerstoff, den wir atmen. Fakt ist: Pflanzen sind immer und überall. Und es wird Zeit, dass wir noch viel mehr auf sie setzen. Denn: Sie sind die Grundlage allen Lebens auf dem Planeten. Wir nehmen sie meist nur nicht mehr bewusst wahr. Wissen sie nicht mehr so richtig zu schätzen – und das, obwohl sie uns tagtäglich begleiten. Das soll sich ändern. In diesem Buch zeigt Valerie Jarolim die großen Zusammenhänge auf: Wie beeinflussen Bäume, Wälder, Pflanzen das Leben der Menschen auf dem Planeten? Was haben Pflanzen mit Ernährungssouveränität zu tun? Was mit unserer Kleidung? Wie viel CO2 wird allein durch unsere Arbeit und dem Umgang mit dem Internet freigesetzt? Revolution in Grün Es gibt viele Möglichkeiten, Pflanzen in unser Leben zu integrieren und dafür zu sorgen, dass unsere Zukunft pflanzlich wird: auf komplett pflanzenbasierte Nahrung umsteigen, secondhand kaufen oder auf das Bio-Zertifikat bei neuer Mode achten oder das selbstgemachte Deo aus Fichtennadeln verwenden. Aber für die richtig großen Veränderungen braucht es uns alle – und vor allem auch die Big Player. Es müssen endlich Politiker*innen und industrielle Großkonzerne in die Verantwortung genommen werden. Denn ja, es ist schön, wenn wir unser eigenes Gemüse anbauen, in selbstgebackenes Brot beißen und secondhand einkaufen. Aber es braucht noch viel mehr: Wir sollen unsere Essensgewohnheiten ändern? Klar, aber das muss auch für alle leistbar sein. Wir sollen uns nachhaltig kleiden? Gerne, aber dazu muss auch die Industrie ihren Beitrag leisten. Grün im Internet surfen? Super, her mit den Anbietern. Ohne die Großen werden wir unsere Zukunft nicht retten können – deshalb: Lasst uns laut werden – damit der Wunsch nach Veränderung auch von allen gehört werden kann. Viel mehr als Unkraut: grüne Alltagsheldinnen Wenn dir die große Veränderung zu lange dauert, dann starte doch schon mal im Kleinen damit und mach dir deine eigene Welt ein bisschen pflanzlicher. Wie das funktioniert? Nichts leichter als das: Raus in die Natur, Augen auf – und schon entdeckst du unzählige Pflanzen, direkt vor deiner Haustür. Pflück dir Löwenzahn, Fichte und Co. und gestalte mit den vielen genialen Tipps und Lifehacks von Valerie Jarolim einen perfekten Tag mit den besten everyday Plants. Wie wäre es zum Frühstück mit einem reihhaltigen Brennnessel-Smoothie oder relaxe mit selbstgemixtem Badesalz in der Badewanne und lass abends den Tag in Ruhe ausklingen – mit den herrlichen Düften des Waldes. Egal, wie weit du in die Welt der Pflanzen eintauchen willst, du wirst sehen, was diese grünen Superheldinnen bewirken und verändern und: wie sie unsere Zukunft lenken können. Wir müssen nur lernen, genauer hinzusehen. Denn nur so können wir unsere Erde retten. Plants for President! - Pflanzen sind politisch: Von pflanzlicher Ernährung über achtsamen Konsum von Kleidung bis hin zu grünem Strom und nachhaltigem Bauen – jetzt ist es Zeit, endlich die Big Player in die Verantwortung zu nehmen. Für unsere Umwelt und eine lebenswerte, pflanzenbasierte Zukunft. - Netflix, Amazon und Co.: Finde heraus, wie sehr Streaming und Internet unsere Umwelt belasten und wie uns die Pflanzen auch hier in Zukunft zugutekommen können. - Back to basics – back to plants: Von Bärlauch-Sammelaktionen im Frühjahr und Weihnachtsbaum-Verwertung deluxe im Winter: Lerne, wie du die grünen Superpflanzen das ganze Jahr über in dein tägliches Leben integrieren kannst. Ganz einfach und ohne großen Aufwand mit vielen Schritt-für-Schritt-Anleitungen.

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Seitenzahl: 393

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REBEL PLANTS

WIE PFLANZEN UNSER ÜBERLEBEN SICHERN KÖNNEN

INHALT

Kapitel 1:Die Zukunft ist pflanzlich oder: Wie wir wachsen

Aller Anfang ist schwer: Erst einmal das gedankliche Pflanzenkarussell im Kopf ordnen

Wie das Veilchen vielleicht zum Veichlein wurde

Die Wege der Pflanzen sind unergründlich und manchmal auch holprig

Und da war sie plötzlich, die harte Realität: Was uns die Werbung nicht zeigt

Wie aus spontanem Wildwuchs Unkraut wurde

Wo beginnen? Bei mir selbst, natürlich – oder: das Gänseblümchen-Empowerment

Die Blätter auf meinem Baum wachsen in alle Richtungen: wenn sich Ansichten ändern

Kapitel 2:Get into plants – lass dir Pflanzen in den Kopf blühen

Treue Begleiterinnen von Anfang an

Pflanzen als Verbindung zwischen Sonne und Erde: die Fotosynthese

Das unglaublich aufregende Leben der Pflanzen

Stock und steif: Wie Pflanzen ohne Bewegung an Nahrung kommen

Ziemlich energiegeladen: die Superzellen der Pflanzen

Fest verankert im Boden: die Wurzeln

Mit Hut und Blatt: Pflanzen und Pilze

A real Lovestory: Pflanzen und Bakterien

Einmal tief ein und aus: Wie Pflanzen atmen

Zwischen Zuckerproduktion und Wasserverlust: das Dilemma der Pflanzen

Von Blümchen und Bienchen: Pflanzensex

Na, endlich – jetzt geht’s los: die Keimung

Aus dem wilden Leben der Pflanzen

Erst einmal die Umgebung abchecken: Standortanpassungen

Hot’n Cold: So lassen sich Hitze und Kälte aushalten

Damit die Pflanzen nicht ins Schwitzen kommen

No Water? No Problem!

Sonnencreme? Nein danke!

Flucht ist keine Option: Wie sich Pflanzen verteidigen

Nicht den Standort, sondern die Stoffe wechseln

Gar nicht so starr: Pflanzen bewegen sich doch

Die richtigen Signale senden: Wie Pflanzen kommunizieren

Die inneren Werte zählen: Pflanzeninhaltsstoffe

Pflanzen für alle Lebenslagen

Mehr als nur Kräutertee: Wie aus Pflanzen Medizin wurde

Einfach mal raus in den Wald

Einmal Hände in die Erde stecken, bitte!

Ein Dschungel an Erfahrung und Wissen: Was uns die Pflanzen lehren und zeigen

Komm Pflanze, zeig’ mir die Welt!

Pflanzen als Vorbild: Technik und Rohstoffe

Die Pflanzen und das Klima: das eine kann nicht ohne das andere

Die Natur – ein natürliches Kreislaufsystem

Klimaretter Pflanzen

Sauberkeitsverfechter Pflanzen: Wie sie Luft und Böden sauberhalten

Betongrau raus, Dschungelgrün rein – welchen Beitrag Bäume und Pflanzen in Städten leisten können

Es lebe die Vielfalt: Biodiversität

Die Vielfalt im Wald

Vielfalt durch Wildkräuter

Kapitel 3:Status quo – die Welt, die Pflanzen und wir

Willkommen im Erdölzeitalter

It’s getting hot – die Erde wird heiß: die Auswirkungen der globalen Erwärmung

Unsichere Land- und Forstwirtschaft und erschwerte Wasserversorgung

Verlust von Lebensraum

Versauerung der Meere

Die Biodiversitätskrise

Das große Insektensterben

Erde – wir haben ein Müllproblem!

Ein Blick in die Vergangenheit: Wie entwickelte sich die konventionelle Landwirtschaft?

Wenn sich Kreisläufe nicht mehr schließen

Dünger tut den Böden gut – not!

Vom kleinen Samenkorn zum großen Acker: Saatgut

Weit weg von Natur pur: Pestizide und Gentechnik

Eine Muh, eine Mäh: von Fleischproduktion, -konsum und Massentierhaltung

Wir leben auf zu großem Fuß

Der Earth Overshoot Day

Ein unfairer Kampf!

Hallo Politik – it’s your turn

Kleiner Nachtrag: … und es zählt doch!

Kapitel 4:Wir essen uns grün oder: Wie schaffen wir eine Rückkehr zur Ernährungssouveränität?

Eine Runde durch den Supermarkt: Was sehen wir dort?

Mehr Pflanzen auf die Teller!

Pflanzenbasierte Ernährung: Mehr als nur ein Trend

Höchste Zeit, den Spieß umzudrehen!

Ökologisierung der Landwirtschaft

Nachhaltige Landwirtschaft? Dann aber bitte auch biologisch

Was ist Ernährungssouveränität?

Exkurs: Wie ist es aktuell um das Thema Ernährungssouveränität bestellt? Ein Interview mit ÖBV-Referent Franziskus Forster

Alternativen in der Stadt und auf dem Land: Solidarische Landwirtschaft, FoodCoops und Co.

Für mehr „Chaos“ im Garten!

Nährstoffkreislauf auf kleinster Fläche

Hungrige Mäuler lieben Wildkräuter

Mehr Wildkräuter auf die Teller

Kapitel 5:Nackte Tatsachen: Was hat unsere Kleidung mit Pflanzen zu tun?

Wenn dein T-Shirt sprechen könnte

Unsere zweite Haut? Was wir wirklich tragen

Wir haben schon wieder ein Plastikproblem!

Was passiert eigentlich in der Waschmaschine?

Ist Baumwolle die Lösung?

Fast, faster, fashion

Gutes Aussehen um jeden Preis?

Wieviel Bambus ist in meiner Öko-Socke?

Back to Basics, back to plants

Grow your own Jeans?

From farm to fashion

Kapitel 6:Fuck Beauty? Oder besser: Rebellion gegen die Schönheitsindustrie

Quetschen wir mal die Tube aus: Was steckt wirklich drin in all den Kosmetikprodukten?

(Erd-)Ölbad, gefällig? Oder: Kann die Haut noch atmen?

Woher kommt der Schaum in meinem Bad?

Wir putzen unsere Zähne mit … Mikroplastik

Verpackung und Inhalt – gemacht für die Ewigkeit?

Billig und massenhaft vorhanden: ab damit in die Tube

Packen wir doch wieder mehr Natur in die Kosmetikprodukte

Die Haut – unsere Schutzhülle

Wie viel Natur steckt in Naturkosmetik

Alternativen gesucht? Pflanzenöl statt Erdöl

Easy Do-it-yourself-Kosmetik

Kapitel 7:Grün, grün, grün ist alles … was ich tue? Oder: Wie pflanzlich kann unsere Arbeitswelt sein?

Von digitaler Dauerberieselung und Elektroschrott

Netflix, Youtube und Co. – unser digitaler Fußabdruck

Auf Pflanzen bauen: Revolutionieren wir die Baubranche

Exkurs: Reduktion auf das Wesentliche. Ein Interview mit Theresa Mai von Wohnwagon

Möbel, Wohntextilien und Deko: Tipps für dein umweltfreundliches Zuhause

Kapitel 8:Everyday plants: Wie du dir Pflanzen ganz easy in deinen Alltag holst

Mit viel Energie in den Tag starten: Pflanzen am Morgen vertreiben Kummer und Sorgen – und das bleibt so den ganzen Tag über

Was kommt denn mittags auf den Tisch?

Für zwischendurch und rundherum: Nachmittagssnackerei

Und jetzt kommt der schöne Teil des Tages: Entspannung pur

Und wo bleibt das Abendessen?

Für einen angenehmen Ausklang und ruhigen Schlaf: Abendrituale mit Pflanzen

Für mehr Weihnachten das ganze Jahr über: Weihnachtsbaum-Upcycling

Der Traum vom grünen Ende: der Anhang

Literaturnachweise

Tipps und Literatur zum Weiterschmökern

Für den richtigen Pflanzen- und Umwelttalk: Glossar

Und zum Schluss: ein riesengroßes, superfettes Danke!

 

 

„Die Zukunft ist pflanzlich“ – wie schön wäre es, wenn dieser Satz, der Gedanke, der diesem Buch zugrunde liegt, bald Wirklichkeit werden würde. Wir haben ihn vermutlich schon häufiger gehört, und viele haben wahrscheinlich bereits etwas über die Alternative Pflanzen gelesen. Und trotzdem bleibt das Gefühl, dass Änderungen nur schleppend umgesetzt werden – meistens von einigen wenigen (einzelnen) Menschen getragen, von Vorreiter*innen, Pionier*innen, Ausprobierer*innen. Das ist schön und unglaublich wichtig – wahr ist aber: Vor allem die großen Player müssen mitspielen. Denn: Die Verantwortung darf nicht nur auf dem Rücken Einzelner liegen. Aber: Jede*r kann etwas tun. Das vorweg. Denn in diesem Buch will ich dir die Pflanzen nicht nur auf persönlicher Ebene näherbringen, im Sinne von: Wie können wir Pflanzen einfach und unkompliziert in unser Leben einbinden? Es soll vor allem auch um die großen Zusammenhänge gehen: Wie beeinflussen Bäume, Wälder, Pflanzen das Leben der Menschen auf dem Planeten? Was haben Pflanzen mit Ernährungssouveränität zu tun? Was mit unserer Kleidung? Wie viel CO2 wird allein durch unsere Arbeit und den Umgang mit dem Internet freigesetzt?

Klar ist: Manchmal ist uns gar nicht bewusst, wie wichtig Pflanzen für unser Überleben sind. Dabei gibt es sie schon viel länger als uns selbst. Und: Wir interagieren jeden Tag mit ihnen – auf die eine oder andere Art. Auch dieses Buch war einmal ein Baum. Ich finde diese Vorstellung faszinierend. Und gleichzeitig ein Stück weit beängstigend. Denn: Was würde geschehen, würden wir einfach so weitermachen? Wie würde sich die Klimakrise fortsetzen? Wo würden wir landen?

Als Agrarwissenschaftlerin, Kräuterpädagogin und Aromaberaterin setze ich mich sehr oft – ja täglich – mit den grünen Gewächsen auseinander. Und: Ich bin jedes Mal aufs Neue begeistert von ihnen. Wie sie wachsen, wie wir mit ihnen wachsen. Pflanzen sind supercool – ihre Lebensform, ihre Widerstandsfähigkeit, ihre Wirkkraft. Ich bin regelrecht verliebt in sie. Und dieses Gefühl möchte ich an dich weitergeben. Mit dir gemeinsam möchte ich eintauchen in die irre Welt der Pflanzen. Dir zeigen, wo wir persönlich ansetzen können, aber auch, welche Entwicklungen wir in unserer Gesellschaft antreiben müssen, um in eine richtige Richtung zu gehen.

Der Ausruf „Die Zukunft ist pflanzlich“ darf dabei auch etwas abstrakter gedacht werden, als man es sich im ersten Moment vorstellt. Denn Pflanzen können uns – wenn wir genau hinsehen – zeigen, dass alles miteinander verbunden ist. Sie stehen nicht alleine da, sondern sind ständig im Austausch mit dem Boden, den sie zum Leben brauchen, mit der Sonne, der Luft und dem gesamten Ökosystem. Sie sind vernetzt in dieser Welt. Wie auch wir es sind. Bist du neugierig geworden? Dann tauche ein in das Universum der grünen Superheldinnen.

Aller Anfang ist schwer: Erst einmal das gedankliche Pflanzenkarussell im Kopf ordnen

Ganz ehrlich? Der Anfang für dieses Buch ist mir mehr als schwergefallen. In meinem Kopf war ein ganzer Jahrmarkt an Fragen – ein Gedankenkarussell, eine Achterbahn der Gefühle. Wie kann ich meine persönliche Hingabe und Leidenschaft zu einem Thema so aufbereiten, dass es auch so ankommt, wie ich mir das vorstelle? Wie wird daraus nicht ein weiteres Buch mit dem Stempel „Öko-Besserwisser-Bubble“? Wie schaffe ich es, dass man sich angesichts der vielen Krisen nach dem Lesen nicht noch schlechter, ohnmächtiger und machtloser fühlt? Denn was ich wollte, war ein Buch zu schreiben, das motiviert. Das leidenschaftlich und doch sachlich, praxisorientiert und theoretisch, lebensnah und doch auch träumerisch vermittelt, was wir der Pflanzenwelt zu verdanken haben, und warum wir auch künftig in vielen Lebensbereichen auf sie setzen dürfen und müssen.

Natürlich wird es mir nicht gelingen, allen Sichtweisen und Meinungen gerecht zu werden. Aber dennoch möchte ich ein paar Einblicke in die Welt der Pflanzen geben, um aufzuzeigen, wie sie unser Leben beeinflussen und verändern könnten, wenn wir es zulassen.

Ich schreibe dieses Buch nicht als Botanikerin, Soziologin, Klima-, oder Wirtschaftsexpertin, und ich möchte mir auch nicht anheften, in irgendeiner Form in diesen Bereichen eine Expertise zu besitzen. Ich schreibe dieses Buch als Mensch, der seit Jahren mit Pflanzen arbeitet und sie über alles liebt – in jeder Form: auf dem Teller, auf meiner Haut, sei es als Kleidung oder Kosmetik, oder als Hilfe bei kleinen Wehwehchen. Ich liebe ihre robuste Natur, ihre Stärke, Zartheit, Schönheit und Anmut. Ich liebe ihr unaufdringliches, allgegenwärtiges Dasein, ich liebe sie dafür, dass sie unsere Lebensgrundlage sind und das, ohne im Gegenzug etwas von uns zu wollen. Unaufhörlich produzieren sie Sauerstoff, versorgen uns mit Nahrung und Rohstoffen.

Ich schreibe das Buch auch als Mensch, dem es wehtut zu sehen, wie weit wir uns als Individuen und als Gesellschaft von der Natur entfremdet haben und was wir ihr antun, obwohl ein intaktes Ökosystem unsere Lebensbasis ist. Und mit „Natur“ meine ich keineswegs nur den Wald, den ich sehe, wenn ich aus dem Fenster blicke, sondern allgemein ein „gutes, faires, sozial gerechtes Leben im Einklang mit der Natur für alle“.

Ich schreibe dieses Buch als Mensch, der seinen Weg zu den Pflanzen gefunden, sie fest ins Leben integriert hat und sich trotzdem noch auf einer Reise befindet. Eine persönliche Entwicklung, die auch wie Nachhaltigkeit an sich kein Endzustand ist. Und gerade leben wir in Zeiten, in denen ein Wandel stattfindet. Eine Pandemie hat die Welt in Atem gehalten (und tut es noch). Unser Blick auf Politik und (soziale) Medien ändert sich. Auch meine persönlichen Sichtweisen ändern sich auf vielen Ebenen. Ich stelle fest, dass ich gerade sehr viel lerne und noch lernen muss: Über mich und über die Gesellschaft. Zu meinen neuen persönlichen Erkenntnissen der letzten Monate zählt, dass die Welt voller Polaritäten ist und wir uns beider Pole bedienen dürfen: Es ist okay, auf die moderne Medizin zu vertrauen und dennoch Kräuter zu lieben. Es ist okay, Kleidung aus synthetischen Fasern zu haben, obwohl man weiß, dass Biobaumwolle umweltschonender ist. Es ist okay, die kleinen, nachhaltigen Errungenschaften im Alltag zu feiern (juhu, ich bin mit dem Rad statt dem Auto gefahren) und dennoch zu wissen, dass ohne eine strukturelle Systemänderung der*die Einzelne fast machtlos ist. Ich habe gelernt, dass es okay ist, an einem Punkt der persönlichen Reise gewonnene Einsichten zu teilen, ohne dass alles ausgereift ist und die Recherche abgeschlossen ist (kann sie das überhaupt jemals sein?).

Ich schreibe dieses Buch als Agrarwissenschaftlerin, Kräuterpädagogin und Aromaberaterin. Durch viele Kurse, Workshops, als Bloggerin, Sinnfluencerin und Autorin habe ich festgestellt (und stelle immer wieder fest), wie groß die Sehnsucht der Menschen nach Natur ist. Und ich sehe die vielen Versuche und persönlichen Anstrengungen, ihr wieder näherzukommen. Durch meine Kräuterwanderungen weiß ich, wie einfach es sein kann – auch in der Stadt – die Natur (neu) zu entdecken. Als ich meine ersten Kräuterwanderungen auf der Wiener Donauinsel organisierte, waren die Teilnehmenden meist überrascht, dass das in der Stadt überhaupt möglich ist. Und noch überraschter, als ihnen dann tatsächlich Beinwell, Ackerschachtelhalm, Weißdorn, Giersch und Co. mitten in Wien begegneten. Dieses Strahlen und Staunen ist bis heute etwas, das mich bei jeder Kräuterwanderung, bei jedem Workshop wieder bestätigt. Es sind kleine Dinge – das achtsame Betrachten, Schmecken und Erkennen der vielen Eigenschaften eines Gänseblümchens –, die unsere Naturverbindung stärken und uns die Augen öffnen. Was ist unberührter, naturbelassener und unveränderter als die „rohe“ Natur? Und die ist nicht weit weg. Man muss dazu nicht in die Tiefen eines Urwaldes eintauchen. Sie beginnt vor unserer Haustür, wenn wir bewusst ein Gänseblümchen betrachten.

Wilde Pflanzen und Blumen umgeben und bereichern unser tägliches Leben.

Meinen Weg zu den Pflanzen und wie ich daran gewachsen bin, stelle ich mir wie einen Baum vor. Der Stamm ist die Grundüberzeugung, meine Grundhaltung, meine Liebe zur Natur, sie ist kräftig verwurzelt im Boden. Daraus sind dicke, starke Äste gewachsen, die meine Überzeugungen und Handlungen darstellen. Davon wiederum gehen viele kleine Äste ab, Dinge, die nicht immer 100 % sitzen und auch mal kräftig vom Wind durchgewirbelt werden. An den Ästen sitzen zarte Blätter, die jedes Jahr aufs Neue sprießen und welken – es sind Erlebnisse, die zu neuen Erkenntnissen und Wachstum beitragen und auch verworfen werden dürfen.

Wie das Veilchen vielleicht zum Veichlein wurde

Der Grundstein für die Liebe zur Natur und vor allem zur wilden Pflanzenwelt wurde in meiner Kindheit in Oberösterreich gelegt. Auf Spaziergängen mit meinen Großeltern durch Wald und Wiese bestaunten wir gemeinsam die Natur. Mein Opa wusste über jede Blume und jeden Schmetterling Geschichten zu erzählen, es wurde an jedem Veilchen geschnuppert, jedes Vogelgezwitscher belauscht, der erste Zitronenfalter, das erste Leberblümchen, die erste Baumblüte im Jahr wurden feierlich begrüßt.

Wir unternahmen jährliche Frühlingsausflüge, um durch die blühenden Landschaften zu fahren. Diese, man könnte sagen, fast kindliche Begeisterung meines Opas, vor allem für die wilden Frühlingsblumen, für Leberblümchen, Himmelschlüssel, Veilchen und „Hänsel und Gretel“ (eine umgangssprachliche Bezeichnung für Lungenkraut) war ansteckend. Es hat mich entzückt und fasziniert, wenn die trostlose, graue Welt nach den langen, kahlen Wintermonaten wieder zu neuem Leben erwachte und die Wildpflanzen – sie wurden in meiner Vorstellung zu zauberhaften Gestalten – alles in eine Märchenwelt verwandelten. Wildpflanzen begegneten mir von da an überall, sie wurden zu meinen ständigen Begleitern. Aber auch meine Oma hat einen großen Teil zu meiner Faszination den Pflanzen gegenüber beigetragen. Sie erkannte alle Kräuter, Bäume, Sträucher und Wildpflanzen bereits an den ersten Keimblättern und jungen Laubblättern. Sie malte und fotografierte Pflanzen. Neben der künstlerischen Auseinandersetzung besaß sie auch viele alte Heilkräuterbücher. Leider verstarb sie zu früh – damals hatte ich meine große Leidenschaft noch nicht entdeckt. Eine ihrer botanischen Skizzen entdeckte ich kurz nach ihrem Tod. Darauf zu sehen sind das Leimkraut und die Notiz „Schönes Unkraut“. Die Skizze begleitet mich seither, sie hängt in meinem Arbeitszimmer und ist für mich zum Inbegriff meines Tuns geworden.

Von meiner Oma kommt das Interesse an der Botanik, an der Verwendung der Pflanzen und der künstlerischen und spirituellen Auseinandersetzung. Das Staunen habe ich von meinem Opa. Noch heute flippe ich im Frühling ein bisschen aus, wenn ich das erste Leberblümchen entdecke. Und ich bin mir sicher, dass sich das mein Leben lang nicht ändern wird. Bis heute lache ich mit meinem Opa über das Wort „Veichlein“, das er mir falsch beibrachte, weil er es so viel netter fand als Veilchen. Mit meiner Oma hat er sich damit ziemliche Probleme eingehandelt. Sie war Lehrerin und konnte darüber nicht lachen, als sie eines Tages meine korrigierten Schulhefte mit dem Aufsatz zum Frühling entdeckte. Darin kam mehrmals das Wort „Veichlein“ vor.

Die Wege der Pflanzen sind unergründlich und manchmal auch holprig

Als ich älter wurde und während meiner ersten Zeit in Wien, wohin es mich nach der Matura verschlug, galt mein Interesse anderen Dingen. Nicht wirklich wissend, was aus mir beruflich werden sollte, schrieb ich mich für das Psychologiestudium ein. Richtig glücklich machte mich das nicht, und mit Anfang 20 kamen schwere gesundheitliche Probleme dazu. Eine chronisch entzündliche Darmerkrankung – Colitis ulcerosa – sollte mich von nun an begleiten. Die Diagnose und die Prognose der Autoimmunerkrankung – „nicht heilbar aus aktueller Sicht“ – war für mich damals schwer auszuhalten. Ich lief von Arzt zu Ärztin und versuchte alle möglichen alternativen Methoden.

Durch großartige Naturwissenschaftslehrer*innen im Gymnasium interessierte ich mich immer schon für Biologie und Ernährung und recherchierte gerne zu Inhaltsstoffen in Gemüse und Obst. In alten Kräuterbüchern meiner Oma wurde ich schnell fündig bei den Heilkräutern – insbesondere bei den entzündungshemmenden – und stieß auf eine mir bis dahin unbekannte Pflanze: die Gundelrebe. Und siehe da: Als ich auf Heimatbesuch war, entdeckte ich genau diese Pflanze zuhauf direkt vor der Haustür. Da erinnerte ich mich, wie mir meine Oma einmal erzählt hatte, dass ihr im Garten immer die Pflanzen „zuwuchsen“, die sie gerade gesundheitlich brauchte. Und da war dann auch der Grundstein gelegt und mir wurde klar: Wildkräuter sind keinesfalls immer Unkräuter, sondern können auch Heilkräuter sein. Es wäre natürlich zu schön, um wahr zu sein: Aber nur, weil ich fortan hin und wieder eine Tasse Gundelrebentee trank, war ich noch nicht geheilt.

In dieser Phase meines Lebens wurde mir eines klar: Das Psychologiestudium war nicht das Richtige für mich. Mein Interesse an Naturwissenschaften überwog eindeutig, und durch einen glücklichen Zufall stieß ich auf die Universität für Bodenkultur in Wien. Ich wechselte also von Psychologie zu Agrarwissenschaften – ohne landwirtschaftlichen Hintergrund, sondern rein aus Interesse an der Produktion von Lebensmitteln. Pflanzen wurden nun wieder zu einem wesentlichen Bestandteil meines Lebens, aber ganz anders, als ich es bisher aus meiner Kindheit kannte. Nämlich als wissenschaftliche Objekte mit exakt bestimmbaren Eigenschaften und Merkmalen. Als Lebewesen, die wir durch Zucht, Düngung und Anbau steuern und nutzen können. Ich lernte viel über Botanik, und dass die Pflanze „Hänsel und Gretel“, die mir von den unzähligen Wanderungen in der Kindheit so vertraut war, eigentlich Lungenkraut heißt und zur Gattung Pulmonaria gehört. Und dass sich ihre Blütenfarbe durch eine pH-Wert-Verschiebung änderte und nicht – wie in meiner kindlichen Fantasie von früher – von Zauberhand. Auf der Universität lernte ich die wissenschaftliche Seite der Pflanzen kennen, aber – und das macht mich zu dem Menschen, der ich nun bin – ich befinde mich immer noch in der Mitte der zwei so unterschiedlichen und weit voneinander entfernten Welten: zwischen Kindheitsromantik und Wissenschaft. Vieles lässt sich erklären, doch ein gewisser Zauber bleibt bestehen.

Noch heute besuche ich meinen Opa sehr oft, sein Garten ist eine wahre Wildkräuter-Schatzkiste.

Und da war sie plötzlich, die harte Realität: Was uns die Werbung nicht zeigt

Die Zeit an der Universität für Bodenkultur war neben meiner Kindheit die prägendste für mein jetziges Tun. Ich beschäftigte mich jahrelang mit den verschiedensten Formen der Landwirtschaft, Nutzpflanzen, Ackerunkräutern und Themen wie Ernährungssouveränität, und ich erfuhr alles über die teils katastrophalen Hintergründe der Produktionsbedingungen dessen, was wir für unser Überleben brauchen: der LEBENSmittel. Ich musste feststellen, dass meine Vorstellungen darüber weit von der Realität entfernt waren. Wie technisch unsere Lebensmittel angebaut und produziert werden – was die Agrarindustrie mit unserer Umwelt macht, hat mich schockiert. Klar, wir wissen heute, dass die Bilder von glücklich grasenden Kühen auf den Milchpackungen über die schreckliche Seite der Massentierhaltung hinwegtäuschen sollen. Oder, dass das in Plastik eingeschweißte, mit Antibiotika vollgepumpte Stück Fleisch wenig mit den fröhlich glucksenden Hühnern aus der Werbung zu tun hat.

Wie das duftet! Schau dich um – rund um uns wachsen wilde Kräuter und Blumen, die unser tägliches Leben bereichern.

Dass die Massentierhaltung mit all ihren Konsequenzen, z. B. etwa auch die langen Transportwege, die für die Tiere unzumutbar sind und oft im qualvollen Tod enden, keine Option mehr sein darf, ist mittlerweile bei vielen Menschen angekommen. Das Bewusstsein der Menschen für diese Missstände ist vorhanden. Wie weitreichend die Folgen der industriellen Landwirtschaft wirklich sind, wurde mir erst durch das Studium und die intensive persönliche Auseinandersetzung damit klar. Zum Beispiel ist die Agrarindustrie maßgeblich für das Aussterben unzähliger Pflanzen- und Tierarten verantwortlich, sie zählt zu den größten Treibhausgasproduzenten überhaupt, oder etwa die großen Saatgutkonzerne, die mit ihren Patenten die Lebensgrundlage vieler Kleinbäuer*innen weltweit zerstören. Und die Liste ließe sich endlos fortführen.

Die Erkenntnisse über die Hintergründe und Schattenseiten der Lebensmittelproduktion waren erst der Anfang. Es geht weiter – in allen Lebensbereichen. Auch hinter der schön verpackten Textil- und Kosmetikindustrie kam für mich viel Erschreckendes zum Vorschein. Die Produktion fast aller unserer täglichen Güter ist weit von einer naturgerechten, nachhaltigen Herstellung entfernt. Wir haben keine Ahnung, aus welchen Rohstoffen der Pulli besteht, den wir gerade tragen. Geschweige denn davon, wie dieser hergestellt wurde, auf welchem Kontinent er von wem genäht, wo und von wem gefärbt und wo in Plastik verpackt wurde. Wir bedenken nicht, dass 60 % aller Textilstoffe aus nicht erneuerbaren Rohstoffen und letztlich Erdöl stammen und beim Waschen dieser Fasern Mikroplastik in das Abwasser und die Meere gelangt. Und dass die prächtigen Farben, in die wir uns hüllen, ebenfalls auf Erdöl basieren. Obwohl es Alternativen gäbe. (Du willst mehr zum Thema „nachhaltige Kleidung“ lesen, dann blättere doch auf Seite 145 vor.) Dasselbe gilt für die Zahnpasta. Wir haben keine Ahnung, was sich hinter der langen, unentzifferbaren Zutatenliste versteckt, wie die einzelnen Inhaltsstoffe hergestellt, in welchen Ländern sie zu einer Paste zusammengerührt wurden und wie viele Kilometer an Transportwegen sie schon hinter sich hat, bevor sie bei uns auf der Zahnbürste landet. Und auch hier: Kosmetik kann weitgehend aus pflanzlichen Zutaten hergestellt werden. Bei Lebensmitteln haben wir da tatsächlich noch mehr Einblick – es ist leichter rauszufinden, wo Banane, Kaffee, Zwiebel und Co. herkommen. Doch das WIE bleibt uns auch hier meist verborgen.

Das große Interesse an der Produktion und das Hinterfragen der Dinge, die wir täglich nutzen, habe ich zu einem großen Teil auch meiner Mama zu verdanken. Als ich noch jünger war, setzte sie sich bereits intensiv mit dem Thema Globalisierung auseinander und ließ mich an ihren Überlegungen immer wieder teilhaben. Sie nannte diese Art der Auseinandersetzung: „Wenn die Dinge sprechen könnten …“ Diese Formulierung hat mich später dann auch dazu gebracht, mich intensiv mit Themen zu beschäftigen, die mich schockierten, deren Fakten so schmerzhaft sind, dass ich am liebsten die Augen davor verschließen möchte. Denn kurz gesagt: Mit unserer kapitalistischen Konsum- und Profitgier beuten wir Menschen Tiere und ganze Ökosysteme in vielen Teilen der Welt aus und zerstören uns dadurch nach und nach selbst. Wir verursachen soziale und ökologische Katastrophen, die wir in den Ländern des Globalen Nordens nicht sehen, weil die Produktion der Dinge zu weit weg ist – in Billiglohnländern oder weggesperrt in Massentierhaltungsanlagen.

Je mehr ich mich mit diesen Themen auseinandersetzte, desto wütender und trauriger wurde ich. Alles schien so aussichtslos angesichts der herrschenden Strukturen. Und irgendwann war mir alles zu viel. Nicht zuletzt aufgrund meiner chronischen Darmerkrankung, die mich in Schüben lahmlegte, musste ich die Notbremse ziehen und wieder mehr auf mich achten. Ich beschloss, das für mich einzig Mögliche und Richtige in dieser Situation zu tun: nämlich den Spieß umzudrehen. Aus all den negativen Tatsachen versuchte ich etwas Positives rauszuholen. Durch mein Studium entdeckte ich mehr und mehr die faszinierende Welt an gelebten Alternativen: die solidarische Landwirtschaft, Biokisten, Saatgut- und Kleidertauschpartys und vieles mehr. Je mehr ich mich auch in Wien umsah, desto mehr Optionen und Initiativen begegneten mir: z.B. Gemeinschaftsgärten oder Guerilla Gardening. So habe ich auch meine große Liebe kennengelernt: die Wildkräuter.

Wie aus spontanem Wildwuchs Unkraut wurde

Die ständigen Begleiter meiner Kindheit wurden während meiner Studienzeit wieder ein wichtiger Teil meines Lebens. Und jetzt, da ich die Zusammenhänge besser begreifen konnte, machte es klick. Doch: Warum wurden Löwenzahn, Brennnessel, Ehrenpreis, Vergissmeinnicht und Co. zu Unkräutern verdonnert? Klar, in der konventionellen Landwirtschaft sind sie nicht sonderlich beliebt. Aber ist es denn besser, sie mittels chemischer Stoffe komplett zu vernichten? Und schon allein die Vorstellung, dass in Zusammenhang mit der Herstellung unserer Lebensmittel – die wir täglich zu uns nehmen – Chemikalien zum Einsatz kommen, schockierte mich. Was hat eine Substanz, deren Ausbringung nur mit Schutzanzügen erfolgen darf, um die Gesundheit der landwirtschaftlichen Arbeiter*innen nicht zu gefährden, auf meinen Lebensmitteln verloren? Was haben diese Gifte, die nachweislich unserer Gesundheit schaden, die Umwelt zerstören und zum Artensterben beitragen, in unserer Natur und Kulturlandschaft zu suchen? Außerdem – und diese Ansicht mag etwas naiv klingen – wollte ich nicht verstehen, warum etwas, das aus der Natur kommt, „bekämpft“ werden sollte. Und ich stellte mir die Frage: Wie kam es dazu, dass aus den eigentlich nützlichen Wildkräutern irgendwann einmal Unkräuter wurden?

Denn den Begriff „Unkraut“ gibt es in Relation zur Menschheitsgeschichte noch gar nicht so lange. Erst mit dem Anbau von Getreide und Gemüse bekam der „unerwünschte“ Wildwuchs in den Kulturpflanzenfeldern, im Grünland oder Garten diesen Namen. Es handelt sich dabei im Grunde um Wildpflanzen, die spontan wachsen und sich ihren Lebensraum selbst erobern. Ganz im Gegensatz zu den Kulturpflanzen, die wir gezielt anbauen, ohne menschliches Zutun. Das Auftreten der Unkräuter ist vom Menschen nicht erwünscht und wird aus verschiedenen Gründen, zu denen auch die Ästhetik zählt, als störend empfunden. Mein großes Glück und der letzte Grundstein für die Liebe zu den Wildkräutern war der sehr differenzierte Blick einer meiner Lieblingsprofessor*innen. Denn in der Vorlesung „Ackerunkräuter“ lernte ich auch die positiven Eigenschaften der „Unkräuter“ kennen: dass sie den Boden verbessern können, dass sie Nahrung und Lebensraum für Insekten und Wildtiere sind und zur Artenvielfalt beitragen. Ich erahnte dadurch zum ersten Mal, wie verwoben in der Natur alles ist. Dass Ökosysteme hoch komplexe, fein aufeinander abgestimmte Systeme sind, und dass in der Natur alles einen Sinn hat– jeder Käfer, jedes Gras, jedes Kraut ist Nahrung oder Lebensraum für etwas anderes. Nur weil es sich uns nicht sofort erschließt, weil wir es nicht kennen oder gar Angst davor haben, heißt das nicht, dass es sinnlos, nutzlos oder gar vernichtungswürdig ist. Bei Wildpflanzen und „Unkräutern“ vergessen wir das nur zu gern und drängen sie mit Herbiziden, Überdüngung und Bodenversiegelung zurück, ohne die katastrophalen Folgen zu berücksichtigen. Sehr treffend finde ich hier ein Zitat von Edmond Rostand „Wenn man ein Gewächs Unkraut nennt, zeigt sich darin die ganze Anmaßung des Menschen.“

Ein Strauß voll Wildblumen und -pflanzen – einfach wunderschön.

Im Skript der Vorlesung stieß ich, neben der ökologischen Bedeutung, auch auf andere Begriffe in Zusammenhang mit Unkräutern, nämlich „Wildgemüse“ und „Heilkräuter“. Nun wollte ich es ganz genau wissen, was es mit den scheinbar so „unnötigen“ Pflanzen auf sich hatte. Diese Wissbegierde gipfelte darin, dass ich gegen Ende meines Studiums zusätzlich eine Ausbildung zur Kräuterpädagogin machte, um das nahezu in Vergessenheit geratene Wissen um die Wildpflanzen wieder aufleben zu lassen und weitergeben zu können. Denn einst waren sie auch für uns von unsagbarem Wert und über Jahrtausende eine wichtige Lebensgrundlage (mehr dazu kannst du im nächsten Kapitel ab Seite 48 nachlesen). Heute kennen wir nicht mal mehr ihre Namen, obwohl wir mehr oder weniger von Wildpflanzen umgeben sind, sobald wir unsere Haustür öffnen. Selbst in der Stadt kämpfen sie sich durch und sprießen aus der kleinsten Betonritze. Bei meinen Kräuterwanderungen staunen die Teilnehmenden nicht schlecht, wenn ich ihnen den „Stinkenden Storchenschnabel“, „Kriechenden Günsel“, das „Weidenröschen“ oder die „Hauhechel“ vorstelle. Dass sie in meiner kindlichen Fantasie zu Märchenwesen wurden, darf spätestens bei diesen Namen auch niemanden mehr verwundern.

Wo beginnen? Bei mir selbst, natürlich – oder: das Gänseblümchen-Empowerment

In meiner Studienzeit kam der Wendepunkt in meinem Leben, ich hatte plötzlich das dringende Verlangen nach persönlicher Veränderung. Ich wollte mich nicht mehr tagtäglich nur damit befassen, was alles falsch läuft in der Welt. Deshalb habe ich die Handbremse gezogen und mich Schritt für Schritt nachhaltigeren Alternativen zugewandt und damit begonnen, meinen Lebensstil zu überdenken, also das, was ich selbst ändern und beeinflussen konnte. Und es war so unendlich befreiend, endlich etwas Konkretes machen zu können.

Statt Agrarkonzerne zu verteufeln, legte ich mir eine Selbsternteparzelle in Wien zu, versuchte mich erstmals im Gemüseanbau und integrierte immer häufiger selbst gesammelte Wildkräuter in meine Ernährung. Statt des künstlich schmeckenden, süßen Himbeersirups aus der Plastikflasche landete Tee aus selbst gesammelten Brennnesseln in der Tasse, das Mittagessen kam in die Mehrwegdose, und Salben, die ich in kleine Glastiegel abfüllte, wurden selbst angerührt. Statt mich über den synthetischen Duft von Waschmittel und Weichspüler zu beklagen, landeten Essig und Kastanien in der Waschmaschine. Statt auf Fast Fashion zu setzen, stattete ich meinen Kleiderschrank immer öfter mit Biobaumwolle aus (sofern es mein Studentinnenbudget zuließ) oder zumindest mit Secondhandartikeln. Am Gipfel meines neu gefundenen und anfänglichen Ökolebens habe ich als rebellischen Akt sogar meinen Führerschein abgegeben und bin fast zehn Jahre nicht geflogen. Die Konsequenz: Nach Griechenland ging es in einer 40-stündigen Zugfahrt.

Auch die Stadt hält so einiges an (wilden) Pflanzen für dich bereit.

2018 bin ich von Wien wieder zurück aufs Land in meinen Heimatort gezogen. In ein Haus mit Garten und Terrasse, wo die unterschiedlichsten Wildkräuter direkt vor meiner Haustür wachsen und viel Platz zum Anbau für eigenes Gemüse ist. Durch den eigenen Anbau von Lebensmitteln, das Sammeln von essbaren Wildkräutern und das Herstellen eigener Kosmetikartikel – also allgemein durch das Selbermachen – bekamen die Dinge auf einmal viel mehr Wert und eine tiefere Dimension. Und ich erfuhr, wie gut es sich anfühlt, wenn man an ihrem Entstehungsprozess beteiligt ist – wenn man weiß, woher etwas kommt. Und das hat sich bis heute nicht geändert.

Das erlebe ich nach wie vor als Wohltat, und ich stelle auch in meinen Workshops fest, welche Auswirkungen dieses neue Bewusstsein bei anderen hat. Wenn wir etwas selbst machen, wird uns bewusst, was an Ressourcen, Arbeit und Zeit hinter den Produkten steckt. Plötzlich tun sich die Teilnehmer*innen schwer, nach der Zubereitung von Brennnesselpesto die Stängel (die für den Verzehr wirklich ungeeignet sind) wegzuwerfen. Es wird selbst noch der letzte, kleinste Klecks der selbst angerührten Creme aus dem Becher gewischt und nach dem Abseihen einer Tinktur gefragt, was man mit den übrig gebliebenen ausgezogenen Pflanzenresten denn noch machen könne. Ich wünsche mir dann immer, dass wir diesen Zugang, diesen Bezug und diese Wertschätzung nicht nur für Selbstgemachtes, sondern auch für alle anderen Dinge hätten. Wir würden nicht so verschwenderisch und stattdessen sorgsamer mit Ressourcen umgehen.

Ich habe damals meine – zu dieser Zeit machbaren – Gestaltungsmöglichkeiten erkannt und genutzt und habe, ohne es damals benennen zu können, Empowerment betrieben. Dieses Empowerment durch das Selbermachen hat mir geholfen, meine Selbstbestimmung zu stärken und mit dem schweren Gefühl der Macht- und Einflusslosigkeit zurechtzukommen oder es gar zu überwinden – und das möchte ich auch an andere weitergeben. Innerhalb der eigenen Welt den Industrien und globalen Konzernen den Rücken zuzukehren und in Kräuterwanderungen, Workshops und online als Bloggerin und Sinnfluencerin auch andere in dieses Boot zu holen, empfinde ich als friedlichen Widerstand – vielleicht sogar als politischen Akt. Hinter einem Instagram-Posting über eingelegte Gänseblümchen-Kapern, Brennnesselpesto oder selbst gemachte Ringelblumensalbe steckt für mich also auch etwas Politisches. Und vielleicht wurde mir ein bisschen Aktivismus bereits in jungen Jahren mitgegeben, als mich meine Oma Ende der 1980er-Jahre, als ich noch keine fünf Jahre alt war, zu einem Protestcamp gegen Ölbohrungen auf einer heimischen Alm mitnahm. Heute bin ich froh, dass ich sie damals begleiten durfte und ich so früh mit Umweltthemen in Berührung gekommen bin.

Die Blätter auf meinem Baum wachsen in alle Richtungen: wenn sich Ansichten ändern

Die letzten Jahre waren voll und ganz von der gelebten Umsetzung meiner Erkenntnisse geprägt, und ich bin in meiner „Pflanzenwelt“ aufgegangen. Ich versuche seit Jahren, in so vielen Bereichen wie möglich klimagerecht zu handeln. Gleichzeitig habe ich aber festgestellt, dass ich mich in dieser Zeit geistig und emotional von der tiefergehenden Auseinandersetzung mit den Wurzeln meines Tuns distanziert habe. Vielleicht bin ich aus Selbstschutz in eine etwas kitschig-romantisch daherkommende Blümchen- und DIY-Welt und Komfortzone geflohen. Lange war alles von der Vorstellung geleitet, dass jede*r Einzelne durch sein Handeln viel erreichen, viel „Gutes“ tun kann. Dass wir über unseren Konsum mitbestimmen, und dass viele kleine Schritte von vielen Einzelnen wahnsinnig viel bewirken können. Angesichts der unaufhörlich steigenden CO2-Emissionen, der höchsten Temperaturen seit Beginn der Aufzeichnung, der Klimaflüchtlinge, der vielen massiven Unwetter, der schrecklichen Hungersnöte, des weltweiten Artensterbens, der Übersäuerung und Vermüllung der Meere wurde in mir eine kritische Stimme immer lauter. Eine Stimme, die sich gegen mich und meine Anschauungen richtete. Dabei drehte sich immer häufiger alles um die Frage: Reichen unsere individuellen (Kauf-)Entscheidungen und Handlungen wirklich aus, um den Klimakollaps aufzuhalten und die Klimaziele zu erreichen? Und: Habe ich Dinge von mir und anderen verlangt, die von Einzelnen gar nicht machbar sind? Schließe ich mit meinem Denken andere aus? Habe ich durch die Flucht in meine „heile“ Welt gesellschaftskritischen Themen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt?

Ich war an einem Punkt angelangt, wo ich wieder genauer hinschauen und neue Aspekte integrieren musste, die ich bisher vernachlässigt hatte. Und meine bisherigen Erkenntnisse, auf die ich ab Seite 79 genauer eingehe, haben mir wahrscheinlich einige graue Haare mehr beschert. Diese Erkenntnisse schmerzen, haben viele Diskussionen ausgelöst, aber sind für meine Entwicklung unendlich wichtig. Denn ich bin jahrelang darauf hereingefallen, dass wir Verbraucher*innen die Macht hätten, unsere Zukunft zu ändern – was auch einen enormen Druck erzeugt hat, den ich nicht weitergeben möchte. Die Erkenntnis bedeutet aber keinesfalls, dass sich dadurch an meinem Lebensstil etwas ändert oder es egal ist, was wir tun. Die Bewusstseinsbildung ist einer der wichtigsten Pfeiler. Ich werde auch deswegen daran nichts ändern, weil das Umkrempeln meines gesamten Lebens (überwiegend pflanzliche Ernährung, Kräuter, Bewegung) auch dafür gesorgt hat, dass ich seit vielen Jahren relativ beschwerdefrei lebe. Mit meiner Darmentzündung habe ich wirklich viel ausprobiert und festgestellt, dass die kleinen Hebel oft nicht reichen, wenn das System brennt. Und genau das ist es auch, was unser Verhalten betrifft: Wir müssen die vielen kleinen Schritte setzen, damit auch irgendwann die Politik, Industrie und Konzerne erkennen, dass das, was wir im Kleinen schaffen, auch im Großen erreicht werden muss – wenn wir die Chance auf eine lebenswerte Zukunft haben wollen. Für uns und alle nachfolgenden Generationen.

Und die Pflanzen können uns dabei unterstützen – bist du bereit, mit mir in diese Welt einzutauchen? Bist du bereit für die Veränderung? Dann los!

Starten wir doch gemeinsam eine pflanzige Revolution!

 

 

Ja, das ist ein ernst gemeinter Ratschlag. Pflanzen tun uns richtig gut. Aber bevor wir auf Wirkungen und Kräfte eingehen, die Pflanzen auf den menschlichen Körper haben, soll dein Kopf erst mal rauchen vor Pflanzenbegeisterung. Und damit das auch eintritt, setzen wir uns zuallererst mit diesen unglaublichen Lebewesen auseinander. Pflanzen, die Fotosynthese betreiben, sind die Grundlage des Lebens auf dem Planeten Erde. Man schätzt, dass es etwa 500.000 Pflanzenarten gibt. Eine unfassbare Vorstellung, oder? Nur ein kleiner Teil davon wird als Kulturpflanzen genutzt – was das genau bedeutet, was Pflanzen also mit unserer Ernährung und mit anderen Bereichen unseres Lebens zu tun haben, erfährst du in den nächsten Kapiteln. Tatsache ist: Die Entwicklung der Natur setzt mit dem Entstehen des Planeten ein. Also vor ungefähr 4,5 Milliarden Jahren. Vor etwa 3 Milliarden Jahren änderte sich dann die Welt zum ersten Mal grundlegend: und zwar mit dem Beginn der Fotosynthese. Und das wollen wir uns auch etwas genauer ansehen: wie sich Pflanzen ernähren, wie sie sich fortpflanzen, wie sie kommunizieren, was wir von ihnen lernen können, und welche Aufgabe sie für unser Klima und die Umwelt übernehmen – das alles kannst du hier nachlesen.

Lassen wir uns die Pflanzen in den Kopf blühen …

Augen zu und einmal tief durchatmen …

Treue Begleiterinnen von Anfang an

Pflanzen machen unsere Welt schön. Ohne ihre prächtigen Farben, Formen und Düfte wäre alles grau, karg und eintönig. Und ich denke, die wenigsten würden mir auch hier widersprechen: Pflanzen und die Natur generell tun uns gut. Wenn wir den Duft einer Blume wahrnehmen und kurz innehalten. Wenn wir eine Biene beobachten, die auf der Blüte einer sommerlichen Wiese landet und ein sanfter Wind das hoch gewachsene Gras wellenförmig tanzen lässt. Wenn wir selbst in der trostlosesten Betonwüste dem Löwenzahn begegnen, der sich durch alles bohrt – sogar dem harten Asphalt trotzt er –, was ihm im Weg steht. Wir können den Kopf auslüften, wenn wir durch den Wald gehen, die würzige Luft einatmen und das feuchte Moos spüren. Wir staunen über Sonnenstrahlen, die durch das Blätterdach fallen und bewundern die glitzernden Tautropfen, die auf Grashalmspitzen sitzen. Und erst die Freude, die aufkommt, wenn ganz zaghaft die ersten Blätter der selbst angebauten Tomate aus der Erde sprießen, man Monate später das Ergebnis in den Händen hält und reinbeißt in die süßeste Frucht der Welt. Und wenn nach dem trüben Winter endlich wieder die Lieblingspflanze zu blühen beginnt, dann durchläuft mich ein wohliger Schauer, und ein wunderschönes Gefühl breitet sich aus.

Aber, dass Pflanzen und die Natur unser Wohlbefinden stärken, ist nicht nur meine subjektive Empfindung und schon gar kein Hokuspokus, sondern eine Tatsache. Diese begründet sich durch die Evolution und eine intuitive, unbewusste Bindung des Menschen zur Natur. Bestätigt wird das durch etliche Studien der Evolutionsforschung.

Natürliche Landschaften sicherten schon immer das Überleben der Menschen. Ein Wald bedeutet Schutz vor Unwettern und anderen Gefahren, liefert Nahrung, Brennholz und Baumaterial. Diese Sicherheit, die z.B. ein Wald vermittelt, ist tief in uns verankert.

Und es ist eigentlich auch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Beziehung zwischen Pflanzen und Menschen bereits 300.000 Jahre alt ist – wie die der Menschheit auch. Pflanzen haben die Erde aber schon lange vor uns besiedelt – sie waren unsere Begleiter von Anfang an. Wir haben uns mit ihnen weiterentwickelt, sind mit ihnen gewachsen und haben sie auf die unterschiedlichsten Weisen kennen-, schätzen und nutzen gelernt: als Nahrungsmittel, als nachwachsende Roh- und Werkstoffe zum Bauen, Weben und Spinnen, als Basis für Arzneien und Energiequelle. Sie haben noch heute im Alltag, aber auch zu besonderen Anlässen, Festen eine große gesellschaftliche und soziale Bedeutung: Wir drücken Gefühle mit Blumen aus, z.B. schenken wir Rosen als Zeichen der Liebe, schmücken mit ihnen unsere Gräber, stellen im Mai einen großen Baum in die Dorfmitte und zu Weihnachten sogar einen in jedes Wohnzimmer.

Aber das Allerwichtigste: Wir brauchen die Pflanzen für unsere wichtigste Körperfunktion, für unser Überleben: zum Atmen. Ohne die Fotosynthese, die sie betreiben, hätte sich der Sauerstoff in der Atmosphäre nie gebildet. Die Pflanzenwelt würde zwar bestens ohne uns Menschen auskommen, aber wir wären ohne die grünen Superheldinnen zum baldigen Aussterben verdammt. Sie sind unsere robuste und doch so filigrane Lebensgrundlage. Vielleicht sollten wir uns das wieder mehr in unser Bewusstsein rücken.

Pflanzen als Verbindung zwischen Sonne und Erde: die Fotosynthese

Um so richtig tief in die Welt der Pflanzen einzutauchen und sie richtig kennenund verstehen zu lernen, fangen wir doch am besten ganz von vorne an. Vor etwa 4,5 Milliarden Jahren entstand unser Planet. Forschungen ergaben, dass sich erste Landpflanzen bereits kurz darauf entwickelt haben müssen. Dann herrschten erst einmal lange Zeit ziemlich unwirtliche Verhältnisse auf unserer Erde. Bis sich vor etwa 3,4 Milliarden Jahren die Situation grundlegend änderte – aus heutiger Sicht für uns zum Positiven. Denn: Es entwickelten sich die ersten Bausteine des Lebens in Form von einfachen Zellen. Diese waren in der Lage, Sauerstoff zu produzieren – wir feiern den Beginn der Fotosynthese.

Aus den fotosynthetisch lebenden, aber noch sehr einfachen Organismen entwickelten sich die Pflanzen, und vor ca. 450 Millionen Jahren erscheinen die ersten Landpflanzen. Pflanzen zählen damit zu den ältesten Lebensformen. Über Jahrmillionen haben sie die Atmosphäre mit lebensnotwendigem Sauerstoff angereichert und damit die heutige Erdatmosphäre geschaffen. Sie besteht im Wesentlichen zu 21 % aus Sauerstoff und 78 % aus Stickstoff.

Ein so wichtiger Prozess muss an dieser Stelle, auch wenn er auf den ersten Blick wissenschaftlich und kompliziert klingt, erklärt werden. Die Fotosynthese, die hauptsächlich von Pflanzen, auch von Algen und manchen Bakterien betrieben wird, ist im Grunde gar nicht so kompliziert. Stell dir dazu einfach mal deine Lieblingsblume auf einer schönen Wiese vor. Wie sie dasteht, mit ihren Wurzeln fest im Boden verankert, die Sonne scheint auf die grünen Blätter. Die Blätter und bunten Blüten, umgeben von Luft, bewegen sich sanft im Wind. Und damit hat sie auch schon alles, was sie für die Fotosynthese braucht: Mit ihren Wurzeln nimmt die Pflanze Wasser aus dem Boden und mit den grünen Blättern Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf. Wasser und Kohlendioxid wandelt sie dann in Zucker, genauer Glucose – einen Traubenzucker – um. Das Sonnenlicht dient als Motor für diesen Prozess. Und ganz nebenbei entsteht bei diesem Vorgang ein Abfallprodukt, das die Pflanze nicht weiter braucht und an die Umwelt abgibt: Sauerstoff. Ganz genau: 1,3 Tonnen Sauerstoff pro Tonne Pflanzenmasse. Dafür braucht sie 1,6 Tonnen Kohlendioxid. Faszinierend, oder? Man könnte sagen, Pflanzen sind wahre Alchemisten.

Dass sie uns dadurch nicht nur die lebensnotwendige Luft zum Atmen schenken, sondern auch ein wichtiger Klimafaktor sind, sehen wir uns ab Seite 117 noch genauer an. Lass uns vorher aber noch ein paar mehr interessante Pflanzenfacts kennenlernen: wie sie sich ernähren, fortpflanzen und kommunizieren. Mach es dir mit einer großen Tasse Kräutertee gemütlich, es gibt noch viel zu erzählen.

Das unglaublich aufregende Leben der Pflanzen

Pflanzen sind zu den erstaunlichsten Dingen fähig: Sie ernähren sich selbst oder gehen Symbiosen mit Tieren, Pilzen und Bakterien ein, um an Nährstoffe zu kommen. Sie ernähren sich ohne Mund und Magen, atmen ohne Lungen, stehen aufrecht ohne Skelett, haben sich die Insektenwelt untertan gemacht, verteidigen sich und kämpfen gegen Feinde ohne Bewegung, können auf salzigen und mit Schwermetall belasteten Böden wachsen, um an ausreichend Licht zu kommen, nutzen sie gewisse Jahreszeiten oder erschließen sich das Licht, indem sie hohe Stammbereiche eines Baumes erobern. Sie unterscheiden sich mit ihren Lebensstrategien in hohem Maße von unseren eigenen, auch von Tieren, und vielleicht ist genau das Grund, weshalb sie uns so faszinieren und fesseln.

Wir besitzen zwar gemeinsame Gene, doch an einem gewissen Punkt der Evolution trennten sich unsere Wege. Etwas, das Tiere und Pflanzen am meisten unterscheidet, ist die Möglichkeit zur Fortbewegung. Tiere ziehen umher, um an Nahrung zu kommen, um sich zu vermehren, und sie können sich durch Flucht und Kampf verteidigen. Pflanzen rühren sich nicht von der Stelle, sie sind sesshaft. Alles, was sie zum Leben brauchen, muss aus ihrer nächsten Umgebung kommen. Bei einem Angriff können sie nicht fliehen, bei Wassermangel nicht zur nächsten Wasserstelle wandern, bei Nahrungsknappheit keine geeignetere Umgebung aufsuchen. Um das alles an Ort und Stelle bewerkstelligen zu können, hat sich das Pflanzenreich hinsichtlich des Körperbaus und der Lebensweise bestens angepasst und die raffiniertesten Strategien entwickelt.

Stock und steif: Wie Pflanzen ohne Bewegung an Nahrung kommen

Faszinierend: Selbst die kleinste Pflanze ist in der Lage, allein durch Sonnenlicht zu überleben.

Ziemlich energiegeladen: die Superzellen der Pflanzen

Fest verankert im Boden: die Wurzeln

Für ihre eigene Ernährung sind die Wurzeln für Pflanzen von besonders großer Bedeutung. Viele Nährstoffe, wie z.B. Magnesium, das für den Aufbau des Chlorophylls und damit für die Fotosynthese essenziell ist, ziehen sie aus dem Boden. Wie auch das Wasser. Es sorgt für Wachstum und gefüllte Zellen. Wenn es fehlt, werden Pflanzen welk und lassen die Blätter hängen. Du kennst den traurigen Anblick sicher von deinen Zimmerpflanzen? Neben der wichtigen Aufgabe der Wasser- und Nährstoff-aufnahme, ihrer Weiterleitung und Speicherung dienen Wurzeln auch der Verankerung. Sie können dabei weit in das Erdreich dringen, oft viel weiter als die Pflanze hoch ist, und unterschiedliche Wurzelsysteme ausbilden. Je nach Standort und Boden haben Pflanzen entweder zahlreiche, gleichwertige Wurzeln mit faserartigem Aussehen (z.B. Mais) oder eine starke Hauptwurzel, die senkrecht in die Tiefe wächst (z.B. Löwenzahn).

Die Ausbildung unterschiedlicher Wurzellängen und -systeme ist eine ausgeklügelte Strategie von Pflanzen, um Konkurrenz zu vermeiden. Durch das Wurzeln in unterschiedliche Tiefen, die von wenigen Zentimetern bis mehreren Metern reichen, holen sie Nährstoffe aus verschiedenen Ebenen, sind sich dabei gegenseitig nicht im Weg und nehmen sich nichts weg. Der Löwenzahn z.B. bildet bis zu 2 m lange Pfahlwurzeln und ist damit ein wahrer Segen im Garten. Mit den langen Wurzeln kann er selbst verdichteten Boden durchbrechen und lange, tiefe Gänge für Bodenlebewesen formen. Regenwürmer nutzen das und gelangen auf diese Weise weiter nach unten, wobei sie Nährstoffe aus tiefen Schichten nach oben befördern. Der oft im Garten nicht gern gesehene Löwenzahn hilft so, den Boden fruchtbarer zu machen und kann anderen Pflanzen zu besserem Wachstum verhelfen. Die Wurzeln von Wüsten- und Steppenpflanzen können auf der Suche nach Wasser und Nährstoffen sogar bis zu 20–30 m tief in den Boden eindringen.

Ein weiterer Trick, um gut an die verborgenen Nährstoffe im Boden zu kommen, ist die Ausbildung von Wurzelhaaren. Sie vergrößern die absorbierende Oberfläche und verstärken die Aufnahmeleistung enorm: mehr Wurzeln, mehr Futter, mehr Wachstum – total logisch! Hier ein Beispiel: 14 Milliarden Wurzelhaare besitzt eine vier Monate alte Roggenpflanze, das entspricht einer Absorptionsfläche von 401 m2. Wer selbst schon mal Sprossen auf der Fensterbank im Winter gezogen hat, dem sind die Härchen vielleicht sogar mit freiem Auge aufgefallen. Auf den ersten Blick könnte man meinen, es handle sich um Schimmel. Die Wurzelhärchen stehen wie ein feiner, weißer Pelz waagerecht von der Hauptwurzel ab. Bei genauer Betrachtung lassen sich die einzelnen Härchen gut erkennen.