Religion - Werner Wagner - E-Book

Religion E-Book

Werner Wagner

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Beschreibung

Unsere Zeit ist gekennzeichnet von einem Nichtmehr und einem Nochnicht. Das Alte ist nicht ganz vergangen, und das Neue ist noch nicht ganz erschienen; typisch für eine Krise. Für Pessimisten eine Katastrophe, für Optimisten die Aussicht auf eine bessere Zukunft. Für geschichtlich Denkende ein Paradigmenwechsel, d.h. eine Veränderung der Leitideen oder Grundauffassungen, hier in der Weltsicht und im Brauchtum. Der Blick in die Vergangenheit, in die Antike, in der die Religionen entstanden sind, lässt den Glauben zum großen Teil als überholt erscheinen. Ein tiefes und breites Neuverstehen der Lebenswirklichkeit als Hilfe ist eine Aufgabe der Religion. Das geht vor allem die Intellektuellen an. Die andere Aufgabe besteht in der bekannten Trias: Gerechtigkeit, Friede und Natur. Es sind die Aufgaben des Weges, der in die Zukunft führt.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

Die Krise der Gegenwart

Vorläufige Bestimmung des Menschen

Das antike und mittelalterliche Verständnis der Wirklichkeit

Die Neuzeit und die Wende im Denken

Die Gleichheit

Die Offenheit

Die Dialogfähigkeit

Die Geschichtlichkeit

Schlussfolgerungen aus den Grunderfordernissen

Was Neuzeit und Moderne charakterisiert

Die Religion als individuelles Daseinsverständnis

Die verschiedenen Sichtweisen von Religion und deren Theologie

Überlegungen zum Persönlichen im Glauben

Die moderne Welt und die Humanität

Die Moderne und der Atheismus

Liebe als Mitmenschlichkeit

Die Religion als kollektive Institution

Die Krise der Welt

Die Gerechtigkeit

Der Friede

Die Natur

Schlussfolgerung

Ausklang

Not-wendende Überlegungen

Der Dialog als soziale Form des Menschseins

Der Dialog als Lebensprinzip der Religionen

Die Religion zwischen Pessimismus und Optimismus.

Die Wissenschaften und das Lebensverständnis

Das Ganze der wissenschaftlichen Erkenntnis und die Einheit des Erlebens

Über den Autor

Vorwort

Neben den Fragen, die das menschliche Sterben stellt und der Frage nach Gott, die im Hinblick auf die viel erörterte Eigengewichtigkeit der Säkularisation doch nicht so brennend aktuell zu sein scheint, ist es wohl die nach der Zukunft der Religion. Sie scheint sich in und besonders außerhalb der Religionsgemeinschaften als Grundsatzfrage zu stellen. Deshalb zu dem Thema Religion die folgenden Überlegungen.

Die Überlegungen beanspruchen nicht den Aufbau einer Systematik. Sie wollen zum Weiterdenken wie zum Widerspruch anregen. Dabei bin ich allerdings von einer sich mir nach längerem Nachdenken eröffneten Vorstellung überzeugt: Der Mensch oder die Menschheit hat die Religion ähnlich nötig wie das tägliche Brot, denn ohne eine grundsätzliche Orientierung ist das Leben menschlich nicht möglich. Das Tier hat Instinkte zu einer Orientierung, der Mensch hat eine freie Vernunft; auf dieser Basis vollzieht sich Religion, auch wenn Religion und Vernunft nicht selten als Gegensätze gelten.

Einleitung

So manche glauben, für die Religion habe die letzte Stunde geschlagen. Das ist zu kurz gedacht. Bis in die Gegenwart hatten und haben alle Völker eine Religion, und wo man versucht hat, diese auszurotten, kann man eine Wiederkehr feststellen, wenn auch der Eindruck nicht überwältigend, eher zaghaft ist.

Wohl ist ganz allgemein zur Kenntnis zu nehmen, dass die Religion anscheinend oder scheinbar an Einfluss verliert. Ein Beweis sind für viele die nur schütter besuchten sonntäglichen Gottesdienste und die zurückgehende Teilnahme am Religionsunterricht, der durch Ethik ersetzt wird. Hinzu kommen die theologischen Fakultäten, die nicht mehr wie ehedem die Krönung oder den Anfang, sondern heute das Schlusslicht der Wissenschaften bilden und im staatlich geförderten Wissenschaftsbetrieb nicht unumstritten sind. So dürfte das Wort Abenddämmerung angebracht sein. Und das Wort Morgenröte? Kirchentage, die zu religiösen, gesellschaftlichen, politischen Fragen Stellung nehmen und die durch Medien verbreitet werden, sind selbstverständlich. Ganz allgemein kann man feststellen, dass Stellungnahmen von Theologen und Kirchenvertretern gefragt sind. Nicht zu vergessen ist die seit den sechziger Jahren erscheinende allgemein verständliche theologische Literatur, die zum Teil zu den Bestsellern gehört.

Zwischen Abenddämmerung und Morgenröte ist dunkle Nacht. Wofür ist diese ein Symbol? In der Nacht kann man sich gesund schlafen und Kräfte sammeln für den Tag. Für die Gegenwart der Religion stelle ich das Gegenteil fest. Wie in Albträumen kämpfen wirre Gedanken in höheren Kirchenkreisen gegeneinander, auch in und zwischen den Religionen, wobei die Menschen, die vielfach anders denken, auf der Strecke bleiben.

Die Krise der Gegenwart

In den Staaten, in denen der Islam das Sagen hat, ist fast überall ein gesellschaftliches, politisches, ökonomisches und religiöses Durcheinander. Die vielen unschuldigen Toten und das soziale Elend wären wegen ihrer Komplexität in einem eigenen Kapitel zu behandeln.

Die politisch religiöse Führung kennt trotz mancher Wahlen keine eigentliche Mitbestimmung des Volkes und vor allem keine freie Meinungsäußerung.

Was den Islam ganz allgemein kennzeichnet, ist:

Keine Trennung von Staat und Religion

Abschirmung gegenüber der westlichen Kultur.

Was die Religion des Westens trotz ihrer sehr verschiedenen Formen kennzeichnet, ist ihre Auseinandersetzung mit der säkularen Welt.

Das Werden dieser Welt beginnt im 16. Jahrhundert mit der Astronomie, die eine Eigenständigkeit des Globus einleitet sowie ein neues Weltbild schafft. In der Aufklärung wird die Freiheit gepaart mit der Vernunft als für den Menschen wesentlich bestimmend definiert. Durch die im 18. Jahrhundert beginnende Industrialisierung ändern sich in der folgenden Zeit die wirtschaftlichen, ökonomischen- und sozialen Verhältnisse. Die Französische Revolution mit ihren Forderungen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit (das Gemeinte ist besser getroffen mit Solidarität) leitet die demokratische Rechtsstaatlichkeit ein. Das 19 Jahrhundert ist gekennzeichnet vom Beginn der Verwissenschaftlichung der Lebensbereiche. Die Trennung von Staat und Religion sowie deren Privatisierung sind aufgrund der ganzen Entwicklung zur Eigenständigkeit der Lebensbereiche eine logische Folge.

Im 20. Jahrhundert kommt es endlich zur Gleichberechtigung der Geschlechter, die allerdings immer noch nicht ganz gelungen ist. Wieder ein Beweis, dass kulturelle Prozesse sich nur langsam vollziehen.

Das Ergebnis der Entwicklung der zweiten Jahrtausendhälfte ist der demokratische Rechtsstaat mit seinen bürgerlichen Freiheiten. Nochmals sei hingewiesen auf die Eigenständigkeit der Lebensbereiche, die die Neuzeit prägen.

Die Staaten, in denen der Islam das Sagen hat, gibt es von all diesen Entwicklungsstufen so gut wie nichts. Bereits im Mittelalter stagnierte im Vorderen Orient die Entwicklung; weshalb, ist unklar oder umstritten. In der Moderne finden wir importierte Industrie, die sich hauptsächlich “um das Öl dreht”. Die staatlich geförderte Atomphysik mit der entsprechenden Technik soll die eigene Machtposition stärken, im politischen Geschäft ein Mitspracherecht erzwingen und den Anschluss an die Zukunft garantieren.

Die Moderne des Westens erscheint wie ein wirrer Haufen, dessen Einfluss zerstörend wirkt. Deshalb die Abschottung in jeglicher Form. Dabei ist die herkömmlich eigene Religion der Stabilitätsfaktor für Politik und Gesellschaft schlechthin. Die persönliche Glaubenspraxis bleibt völlig unangetastet, und wehe dem, der in der Familie ausschert. Ein Glaubensverlust kann tödlich enden.

Für den Westen ist die Welt in ihrer Vielgestaltigkeit ein Ergebnis und ein Garant der Freiheit. Die Religion ist Sache des freien Individuums, das, wenn es die Religion positiv sieht, auch als von Fall zu Fall notwendiges Korrektiv in Staat und Gesellschaft begreift. So ist kurz gesagt, die Religion in Gesellschaft und Staat das mahnende Gewissen. Ist sie das nicht, dann hagelt es Vorwürfe.

Der Islam und die westlichen Religionen (Judentum und Christentum) sehen die Zukunft mit gemischten Gefühlen. Da eine Besinnung über die Religion ansteht, muss der Ausgangspunkt bedacht werden. Dieser ist die Vergegenwärtigung dessen, was Mensch-Sein heißt. Da in dieser Sicht alle Menschen übereinkommen und somit eine gemeinsame Basis auch in Bezug auf die Religion haben, soll bedacht werden, wer oder was der Mensch ist, oder etwas salopp modern gesagt, was ihn ausmacht. Das ist anscheinend doch nicht so klar, wie es nötig ist, besonders in der Religion.

Vorläufige Bestimmung des Menschen

Ein Gegenüber als Menschen zu erkennen, geschieht ganz spontan und selbstverständlich. Die Erfahrung, den Menschen von den übrigen Lebewesen zu unterscheiden, ist überhaupt kein Problem. Selbst kleine Kinder wissen Menschen von Tieren spontan zu unterscheiden. Auch in figürlich nachgebildeten Menschen der Vorzeit ist das typisch Menschliche problemlos darzustellen wie wahrzunehmen; auch das bestätigt die Erfahrung.

Problematisch wird es, wenn es um die Frage geht, was ist denn das eigentlich Menschliche? Eine kurze Antwort sagt, es ist das Geistige, das den Gesichtsausdruck prägt. Von hier aus weitergedacht bestimmt die griechische Philosophie den Menschen als das mit der “Geistsprache” (logos) begabte Lebewesen. Diese Bestimmung des Menschen blieb nicht unwidersprochen, was besonders in der Moderne geschah, als man mehr das Emotionale, das Triebhafte, das Machtstreben als das typisch Menschliche betonte. Dennoch sah man bei aller Verschiedenheit der Sichtweisen den Menschen in einer gewissen Besonderheit, eben als Menschen.

Das antike und mittelalterliche Verständnis der Wirklichkeit

Die Menschen denken nicht immer gleich. Interessen, Emotionalität, sich in einem Ganzen sehen oder sich mehr als verloren zu betrachten spielen eine Rolle. Empfindet man seine Lebenswelt als schön, dann gibt es auch ein irgendwie geartetes Abbild im Denken. Antike und Mittelalter sehen im Gegensatz dazu die Welt wenig erlebnismäßig, mehr abstrakt, philosophisch. Deshalb gingen sie in ihrem Denken von der Vorstellung der Gesamtheit alles Wirklichen aus. Darin hatte auch der Mensch seinen Platz. Das Denken hatte das Allgemeine zum Gegenstand, das einmal den Begriffsinhalt (Mensch, Dreieck, Tugend) und zum anderen die gedankliche Beziehung eines Begriffs zu den Objekten (Mensch als Artbegriff) betraf oder erfasste. Aristoteles hat versucht, die Denkinhalte durch Unter- und Überordnung zu gruppieren und auf Seinsklassen zurückzuführen. Ein Beispiel: Der Mensch ist ein Sinnenwesen, Lebewesen, Körperwesen, abstrakt philosophisch, eine Substanz. Darüber hinaus hat er 10 Begriffe (genannt Kategorien) entwickelt, um Begriffsinhalte auf Stammbegriffe zurückzuführen: Diese sind Größe, Beschaffenheit, Beziehung, Zeit, Ort usw..

Weshalb hat man dieses Vorgehen, das man damals Wissenschaft nannte, entwickelt? Die Eigenart dieses Denkens besteht darin, das Allgemeine, man dachte ja, wie bereits gesagt, ganzheitlich, in den Dingen zu erfassen. So wird die Erkenntnis durch die Art des Denkens vereinfacht. Und was für unsere weiteren Überlegungen der Abgrenzung der Neuzeit vom vorhergehenden Denken so wichtig ist: Auf diese Weise wird die gesamte Wirklichkeit zum Erkenntnisgegenstand, zum Objekt. Das ist für unsere Überlegungen maßgeblich und deshalb zu bedenken. Es kann ja schließlich auch anders sein.

Denn, wenn die Wahrheit definitionsgemäß die Übereinstimmung von Wirklichkeit und Erkennen, von Denken und Sein ist, dann ist in dieser Gedankenfolge die Wahrheit mehr im Sein des Objektes als in der Art der Erkenntnis begründet, ist doch irgendwie das Objekt ausschlaggebend, denn um dieses geht es ja in der Erkenntnis. Das wäre dann ein gleichsam “objektiver Wahrheitsbegriff” als Kennzeichnung der alten Philosophie.

A Die Neuzeit und die Wende im Denken