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Ren Dhark und seine Mannschaft schließen sich Rikers Verband an, um gemeinsam mit dem Wächterorden einen Weg zu finden, die Schwarze Macht aus der Milchstraße zu vertreiben. Doch dann gerät die INSTANZ in Gefahr... Gary G. Aldrin, Hendrik M. Bekker und Gabriel Wiemert verfassten diesen actiongeladenen SF-Roman nach dem Exposé von Anton Wollnik.
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Seitenzahl: 368
Veröffentlichungsjahr: 2025
Ren Dhark
Weg ins Weltall
Band 115
INSTANZ in Gefahr
von
Gabriel Wiemert
(Kapitel 1 bis 9)
Hendrik M. Bekker
(Kapitel 10 bis 16)
Gary G. Aldrin
(Kapitel 17 bis 22)
und
Anton Wollnik
(Exposé)
Inhalt
Titelseite
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
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Impressum
Prolog
Am 21. Mai 2051 startet die GALAXIS von Terra aus zu einer schicksalhaften Reise in den Weltraum. Durch eine Fehlfunktion des »Time«-Effekts, eines noch weitgehend unerforschten Überlichtantriebs der Terraner, springt das Raumschiff über beispiellose 4.300 Lichtjahre. Genau einen Monat später erreicht es das Col-System, wo es auf dem Planeten Hope landet. Weil ein Weg nach Hause unmöglich erscheint, beschließen die Raumfahrer, auf dem Planeten zu siedeln, und gründen die Stadt Cattan.
Rico Rocco schwingt sich zum Diktator auf und lässt sämtliche Kritiker verfolgen und auf den Inselkontinent Deluge verbannen. Dieses Schicksal trifft auch den zweiundzwanzigjährigen Ren Dhark, seinen besten Freund Dan Riker sowie eine Reihe weiterer Terraner. Doch damit endet die Geschichte nicht. In einer Höhle entdecken die Verbannten nicht nur Artefakte einer mysteriösen fremden Hochkultur, sondern auch ein unvollendetes Raumschiff, das eine prägnante Ringform aufweist.
Nachdem Rico Rocco bei einem Angriff der Amphi umgekommen ist, wird Ren Dhark zum neuen Stadtpräsidenten Cattans gewählt. Er lässt den Ringraumer reparieren, welcher später von Pjetr Wonzeff auf den Namen POINT OF INTERROGATION, kurz POINT OF, getauft wird. Im April 2052 bricht der Ringraumer unter Dharks Kommando zu seinem Jungfernflug zur Erde auf. Damit beginnt ein neues Kapitel in der terranischen Raumfahrt. Nicht zuletzt dank Dharks Forscherdrang entdecken die Menschen weitere Hinterlassenschaften der Mysterious, die es ihnen ermöglichen, neue Ringraumer zu bauen und immer weiter in die Tiefen des Weltraums vorzudringen. Die POINT OF jedoch bleibt trotz allem einzigartig, was nicht zuletzt am Checkmaster liegt, dem eigenwilligen Bordgehirn dieses Raumschiffes.
Ren Dhark bleibt der Kommandant der POINT OF und erforscht mit seiner Mannschaft in den folgenden Jahren nicht nur das Weltall, sondern rettet auch immer wieder die Menschheit und sogar ganze Galaxien. Im Mai 2074 lässt sich der unvermutet aktivierte Schutzschirm um Terra nicht mehr abschalten. Die Erde ist damit vom Rest des Universums isoliert. Niemand ahnt, dass es sich in Wahrheit um einen von den Thanagog installierten Zweitschirm handelt, um Ren Dhark zu einer Reise nach ERRON-3 zu bewegen. Dort wollen sie in den Besitz des Schebekaisen gelangen, eines Artefakts, das mutmaßlich von den Balduren stammt. Ihr Plan geht auf.
Zurück in der Milchstraße zeigen die Thanagog ihr wahres Gesicht: Dabei kommt nicht nur die Wahrheit über den angeblich entarteten Schutzschirm um Terra heraus, sondern auch, dass die transitierende Sonne eigentlich das Mutterschiff der Schemenhaften ist. Bei dem Versuch, das Artefakt der Balduren von den Thanagog zurückzuholen, wird Ren Dhark Zeuge davon, wie die Wächter den Kern des Sonnenschiffes und damit die Lebensgrundlage eines ganzen Sternenvolkes zerstören. Shamol, der Herrscher der Thanagog, vernichtet das Schebekaisen und wendet sich in seiner Verzweiflung an Dhark. Er habe das alles nur getan, um sein Volk vor der buchstäblichen Auflösung zu bewahren. Weil die Erde nicht mehr in Gefahr schwebt, willigen der Commander und seine Experten ein zu helfen. Die Thanagog können gerettet werden, indem sie zu einem Megawesen verschmelzen, und fliegen in die Weiten des Weltraums hinaus.
Wenige Tage später taucht unvermittelt die Schwarze Macht im Sol-System auf und droht damit, die Sonne auszuschalten. Zum Glück ziehen die Keilschiffe friedlich wieder ab, nachdem Ren Dhark den finsteren Robotern wie verlangt das Schebekaisen von Nicondo ausgehändigt hat. Doch die Bedrohung für die Menschheit bleibt bestehen, sodass sich der Commander mit seiner POINT OF Rikers Verband und Frederic Huxley anschließt, um gemeinsam mit ihnen nach ERRON-2 zu fliegen. Dort hoffen sie, den Wächterorden von einer Zusammenarbeit im Kampf gegen die »Zerstörer der Schöpfung« zu überzeugen …
1.
Regungslos hielt Cade Soban die Hand auf Kendras Mund gepresst. Er spürte ihren Puls unter seinen Fingern, schnell und hart. Ihr Atem flach, die Augen schreckgeweitet.
»Still«, formte er mit den Lippen.
Sie nickte, wobei ihm das Geräusch überlaut erschien, das ihre Haare verursachten, die über ihren Kragen strichen. Was beinahe lächerlich war, weil sie zwar bisher auch darauf geachtet hatten, leise zu sprechen, aber nicht darauf, Krach im Allgemeinen zu vermeiden.
Aber da hatten sie sich auch noch nicht in unmittelbarer Reichweite der Roboter der Schwarzen Macht befunden.
Nun aber waren noch immer vier davon hier in dem uralten Labor dieser fremden Welt, in die es Cade und Kendra verschlagen hatte. Nahe genug, dass die Maschinen die Entfernung zu ihnen binnen eines Lidschlags überwinden konnten.
Was auch die Garaseen wussten, die sich derart eng aneinandergedrängt hatten, dass sie wie ein einziger großer Schleimpfropf wirkten.
Lediglich die Selbstopferung von Wächter Simon hatte sie alle bisher vor der Entdeckung bewahrt.
Nur zögernd löste Cade seinen Griff von Kendras Mund, hielt seine Mitarbeiterin aber nach wie vor dicht an sich gepresst, um die spärliche Deckung der Empore zu nutzen, hinter der sie sich verbargen. Vorsichtig spähte er um die Ecke, beobachtete, wie der Körper des Wächters, eingehüllt in einen Kokon aus dunkelblauen Blitzen, etwa zehn Zentimeter über dem Boden schwebte. Die Schergen der Schwarzen Macht hatten Simon in ihre Mitte genommen, und Cade konnte soeben noch sehen, wie sie mit ihm das Schott passierten.
Als der letzte der schwarzen Roboter das Labor verließ, fiel Cade die unscheinbare, kaum sichtbare Erhebung auf dessen Rücken auf. Sein Blick stob zu den Garaseen. »Ta-Bun?«, raunte er beinahe lautlos.
Es war Lo-Tan, der sich noch immer an Kendras Schulter klammerte, der darauf reagierte. Sein Körper dehnte sich, bis er auf Cade herübergleiten konnte.
»Verfolgt die Maschinenmenschen! Wir können Wächter Simon nicht in deren Gewalt lassen und müssen beiden helfen!«, hörte Cade es dicht an seinem Ohr wispern. »Was, wenn es kein Später für Ta-Bun und Wächter Simon gibt?«, fragte Lo-Tan.
Für einen Moment kämpfte Cade mit sich. Rang zwischen dem Bedürfnis, Lo-Tan zuzustimmen, und der Verantwortung, die er gegenüber Kendra trug. »Ta-Bun kann auf sich aufpassen«, meinte er dann. »Er ist geschickt darin, sich anzupassen. Und Simon ist ein Wächter. Auch wenn er überwältigt wurde, ist er stark genug, um die Gefangenschaft eine Weile zu überstehen.«
»Wächter Simon hätte es ohne die Energie, die wir ihm gaben, nicht einmal bis hierher geschafft. Diese Welt saugt ihn aus, Cade Soban. Und das weißt du.«
Widerwillig nickte Cade. Immerhin erging es Kendra und ihm selbst nicht anders. Zusätzlich zu dem fortwährenden Hunger und steten Durst spürten sie beide eine allgegenwärtige Erschöpfung, die auch durch Ruhephasen nicht wich. Im Gegenteil: Pausen verstärkten das Gefühl nur noch, die Lebenskraft würde aus einem heraussickern.
Nachdenklich glitt sein Blick zu den übrigen Garaseen, welche den Energieverlust zwar auch bemerkten, wie sie gesagt hatten, aber bei Weitem nicht in dem Maß wie Simon, Kendra und Cade. In der Zwischenzeit hatten sich die kleinen Schleimwesen entknäult und schienen aufmerksam dem Gespräch zwischen Cade und Lo-Tan zu folgen.
Ein weiterer Blick zu Kendra, welche die Brauen zusammengezogen hatte und Cade fragend ansah. Ein Indiz dafür, dass sie die gewisperten Worte nicht verstanden hatte.
»Benutzt ihr eure Kommunikationsgeräte, um zuzuhören?«, fragte Cade die Garaseen.
»Natürlich«, bestätigte Lo-Tan. »So wie wir es bereits die ganze Zeit tun. Auf diese Art können wir uns auch mit Ta-Bun verständigen, solange er nicht zu weit von uns entfernt ist.«
Cade verstand durchaus, worauf Lo-Tan hinauswollte. Die Gerätschaften der Garaseen, die durch deren körpereigenen Magnetismus an deren Körpern hafteten, waren winzig, aber effektiv. Zumindest unter normalen Umständen. Hier, in der fremden Welt, in der die Schergen der Schwarzen Macht vorherrschten, funktionierten sie jedoch nur eingeschränkt.
»Wir müssen überlegt vorgehen«, gab Cade zu bedenken. »Es bringt niemanden etwas, wenn wir losstürmen und ebenfalls festgesetzt werden.«
Ein Kräuseln durchlief die Körperoberfläche Lo-Tans. »Stillstand hilft ebenfalls nicht«, erwiderte er.
»Das ist mir bewusst. Allerdings halte ich es für sinnvoller, wenn wir nicht alle blind drauflosstürmen.«
Ganz kurz blähte sich Lo-Tans Körper um ein, zwei Zentimeter auf, und er stieß einen Laut aus, der an ein Seufzen erinnerte. »Möglicherweise hast du recht. Die großen Dunklen haben etliche meiner Artgenossen auf Covvalaan schlicht zerquetscht. Es wäre töricht, sie anzugreifen, da wir hier nur so wenige sind.« Einen Moment lang schwieg er, dann fuhr er fort: »Ma-Tin schlägt vor, ein Team von Spähern auszusenden. Ein Vorschlag, der überaus sinnvoll erscheint.«
Dem stimmte auch Cade zu, vor allem, weil er von der Geschicklichkeit wusste, mit der die Garaseen sich ihrer Umgebung anpassen konnten. Da sie im Schnitt höchstens eineinhalb Kilogramm wogen und zudem die Fähigkeit besaßen, ihre Form zu verändern, würden sie sich unauffällig bewegen können, während Kendra und Cade allein schon wegen ihrer Größe Aufsehen erregten. Doch trotz des Wissens um die Gefahren, die auf sie lauerten, trotz aller Argumente, die er vorgebracht hatte, war auch in Cade der Drang, Simon zu folgen, groß.
Nein!
Er wehrte sich gegen diese Gedanken, wobei ihm ein Kribbeln durch die Gliedmaße rann. Fast zuckten seine Beine, wollten voranstreben, wie unter einem eigenen Willen. Und im Inneren dieses einen lag er. Cades Namen raunend, ihn rufend, flüsternd, lockend. Die Kontur eines Körpers blitzte vor Cades innerem Auge auf: die Umrisse humanoid, ein Kopf, zwei Arme, zwei Beine. Keine Gesichtszüge, zwei dunkle Löcher, wo Augen hätten sein sollen, schmale Schlitze anstatt einer Nase, ledrige Lippen.
Kälte kroch über Cades Rücken, und er spürte den eigenen Puls als schnelles hartes Echo.
Warum nicht einfach …
»Dann ist es entschieden.« Der Klang von Lo-Tans Stimme schien einen Ruck durch Cades Umgebung laufen zu lassen, durch den sowohl Sicht als auch Gedanken wieder klar wurden.
Noch bevor er antworten konnte, sah er, wie zwei der Garaseen davonglitten. Ihre Körper, in der Zweckform humanoid, ähnelten nun einer amorphen Materieansammlung von schleimartiger, fast zähflüssiger Konsistenz, die scheinbar einfach über den Boden hinwegfloss.
Still wünschte er ihnen Glück, während er erneut zu dem Sarkophag sah.
Zu ihm …
*
Du brauchst nur ein wenig mehr Mut als Angst.
Ein beliebtes Sprichwort auf Covvalaan, welches auch Ma-Tin gern und häufig verwendet hatte, denn für ihn lag Wahrheit darin. Nun jedoch überwog die Angst den Mut bei Weitem. Aber so war es bereits gewesen, als er sich zusammen mit fünf seiner Freunde den Drohnen entgegengestellt hatte, die sie verfolgt hatten.
Zu sechst waren sie aufgebrochen, nur fünf von ihnen waren lebendig wieder zurückgekehrt. Doch das Opfer Ti-Sons war nicht vergebens gewesen. Dessen Körper war absorbiert worden und hatte so nicht nur Ma-Tin von seinen eigenen schweren Verletzungen geheilt, sondern auch den übrigen Garaseen Kraft gespendet. Er würde auf Covvalaan stets als Held verehrt werden.
Ma-Tin musste sich entscheiden. Jetzt!
Also zog er seinen restlichen Körper Millimeter für Millimeter zu sich heran.
»Komm zurück!«, hörte er Ar-Tos in der hochfrequentierten Sprache ihres Volkes, welche die schwarzen Riesen vermutlich nicht hören konnten, über den Kommunikator sagen. »Wir müssen Lo-Tan berichten, dass uns der Weg hinaus versperrt ist.«
»Nicht uns allen«, widersprach Ma-Tin. »Es gibt einen Weg. Du erinnerst dich an den Angriff auf Covvalaan?«
»Wie könnte ich das nicht?« Ein Beben lief über Ar-Tos’ Körperoberfläche. »Die Maschinenwesen haben mit ihren Energiestrahlen auf uns geschossen. Dutzende Garaseen verglühten binnen eines Tongs. Ebenso viele wurden unter den Füßen der Riesen zerquetscht.«
Auch Ma-Tin spürte, wie sein Körper sich unter der Last der Erinnerung zusammenziehen wollte, beendete den Prozess aber sofort. »Dieses Ereignis wird länger währen als jede Erinnerung«, erwiderte er betrübt, »doch erinnere dich auch daran, was wir getan haben. Einigen von uns ist es gelungen, die dunklen Großen zu Fall zu bringen.«
»Der Magnetismus!«, fiel Ar-Tos ein.
»Zusammen mit unseren Stromstößen. So wie wir Wächter Simon Energie gegeben haben, nur viel stärker. So können wir die Dunklen außer Betrieb setzen. Wir müssen lediglich die Stärke unserer Elektrizität und des Magnetismus erhöhen und direkt auf ihre bidirektionale Antriebsmotorik zielen sowie die leitfähigen Nanopartikel verstärken.«
»Das schaffen wir nicht zu zweit.«
»Ich weiß.« Wie schon so oft bedauerte Ma-Tin, dass ihre Kommunikationsgeräte in dieser Welt nur auf eine sehr geringe Entfernung funktionierten. »Informier du die anderen und hole sie her.«
»Und was wirst du tun?«
»Meine Aufgabe erledigen«, erwiderte Ma-Tin und spürte, wie sich sein Körper unwillkürlich aufblähte. »Ich werde sie ausspähen.«
Ein langgezogenes Seufzen ertönte, dann bestätigte Ar-Tos.
*
Sobald sein Kamerad sich zurückgezogen hatte, tastete sich Ma-Tin weiter vor, rief still die drei Monde Covvalaans um Beistand an. Erst als Ma-Tin an dessen Schultern angekommen war, verharrte er, um auf die anderen Garaseen zu warten. Synchron gaben die Garaseen starke Impulsschläge ab.
Ein Beben durchlief den Metallkörper, auf dem sie sich befanden. Ruckartig drehte sich einer der Roboter um.
»Es funktioniert nicht!«, schrie Mi-Tur.
»Stärker!«, befahl Ar-Tos.
Noch einmal versuchten sie es. Ma-Tin fühlte sich, als ob etwas seinen Leib verlassen würde und in den des Roboters fuhr. Tiefe Erschöpfung überkam ihn. Dennoch ließ er nicht nach.
Doch mit einem Mal schwand der Haftungsmechanismus, der ihn bisher an der Metalloberfläche gehalten hatte, und er rutschte ab. Darauf nicht vorbereitet gelang es ihm weder, sich mit den ausgeformten Tentakeln festzuklammern, noch neue auszubilden, um den Sturz abzufangen. Hilflos rutschte er immer weiter, hörte die Schreie seiner Kameraden und schlug schließlich auf dem Boden auf.
Dank der Flexibilität und Widerstandsfähigkeit seines Körpers nahm Ma-Tin dabei keinen Schaden. Die allumfassende Erschöpfung aber blieb. Schwand erst, als sich ein großes Gewicht auf ihn senkte und die Schwäche durch Stresshormone ersetzte, als seine Sinnesorgane erkannten, dass es der Fuß des zweiten Metallriesen war, der ihn unerbittlich am Boden festhielt. Ma-Tin versuchte sich zu wandeln, flacher zu werden, um unter dem Gewicht fortzukriechen, doch er war zu entkräftet. Weiter und weiter senkte sich das Gewicht auf ihn. Er kreischte, zappelte, wusste: Nicht mehr lange und er würde zerriss…
Der Druck schwand unvermittelt.
Hastig glitt Ma-Tin beiseite, suchte Schutz an der Wand.
Ar-Tos erschien in seinem Blickfeld und fragte: »Was ist mit dir passiert?«
»Der zweite!«, rief Ma-Tin. »Er wird uns zerquetschen.«
»Das wird er nicht«, erklang da die Stimme von To-Bas durch den Kommunikator. »Ich habe ihn unter Kontrolle.«
»Du hast was?« Ma-Tin konnte es kaum fassen.
»Nicht so allumfassend, wie ich gehofft hatte, aber ich kann auf das Grundsystem des Roboters zugreifen und ihn steuern. Bewegung, Nachrichtenempfang, rudimentäre Nachrichtenübermittlung. »Einen, der mich beinahe zerquetscht hätte«, warf Ma-Tin noch immer zittrig ein.
»Du hast plötzlich den Halt verloren, nachdem wir unser Ziel ausgeschaltet hatten«, warf Ar-Tos ein. »Wie konnte das passieren? To-Bas gelang es gerade noch, den zweiten Großen zu übernehmen, bevor er dich zerquetschen konnte.«
Spontan zog sich Ma-Tins Körper zusammen. »Der Magnetismus ließ nach, sodass ich mich nicht länger halten konnte. Vermutlich hätte ich mich länger von meiner Verletzung erholen sollen.«
»Es ist ja noch einmal gut gegangen«, erwiderte To-Bas aufmunternd. »Kommt, steigt auf! Lasst uns unsere Beute in Sicherheit bringen und die Spuren beseitigen! Dann machen wir uns auf die Suche nach Ta-Bun und Wächter Simon.«
»Wir müssen uns beeilen«, drängte Ma-Tin. »Ich spüre Ta-Buns Signal kaum noch. Wie ist es bei euch?«
Die Antworten brachten seine Zuversicht ins Wanken.
2.
Nachdem die Garaseen Cade und Kendra mitgeteilt hatten, dass sich vor dem Eingang der Halle zwei Roboter der Schwarzen Macht positioniert hatten, waren sie einer nach dem anderen hinausgehuscht.
Bevor Lo-Tan, der es sich in seiner Zweckform abermals auf Kendras Schulter bequem gemacht hatte, sich ebenfalls entfernte, bildete er einen Mund auf seiner Stirn und raunte den Terranern zu: »Wir spähen die Umgebung aus.«
La-Mas, der sich inzwischen wieder um Cades Nacken gewickelt hatte – der Garaseen sparte Energie, wo er nur konnte, und blieb daher meist in seiner Ruheform –, hatte sich daraufhin die Mühe gemacht, Münder an seinen beiden Körperenden zu bilden.
»Ich bleibe bei euch«, flüsterte er. »So können die anderen uns finden, solltet ihr sie verlieren. Wir warten. Garaseen sind kleiner, wendiger, nicht so auffällig wie ihr Großen.«
Vermutlich versuchte La-Mas sich mit der Formung seiner Münder an den Höflichkeitskodex der Garaseen zu halten, die oftmals darauf achteten, sich soweit möglich ihren Gesprächspartnern anzupassen. Nichtsdestotrotz fand Cade den Anblick einigermaßen irritierend, wie der Garaseen mit dem einen Mund sprach, während sich der andere nicht bewegte.
Das war allerdings nichts im Vergleich zu dem Anblick, der sich Kendra und Cade ein wenig später bot.
Stampfende Schritte ertönten vom Eingang aus, trieb die Wartenden, die sich zwischenzeitlich einige Schritte vorwärts gewagt hatten, zurück in ihre Deckung. Von dort beobachteten sie fassungslos, wie einer der schwarzen Roboter hereinkam, in der rechten Greifhand den Kopf eines zweiten, dessen Körper er nachlässig hinter sich herschleifte.
»Was zum …«, wisperte Kendra.
»Wir haben ihn übernommen«, teilte La-Mas ihnen mit. Obwohl er leise sprach, schwang ein Hauch Triumph in seinen Worten mit.
»Übernommen?«
»Zumindest den einen. Der andere …«, die Enden von La-Mas’ Körper kringelten sich, »war bereits ausgeschaltet, als To-Bas versucht hat, ihn mit sich zu ziehen. Leider hat unser Freund die Kräfte der Maschine unterschätzt, was dieser den Kopf gekostet hat.«
»Wird es nicht auffallen, wenn plötzlich keine Signale mehr von den beiden kommen?«, wollte Kendra wissen, die – noch immer wachsam – aus der Deckung trat.
Einer der Garaseen lugte in seiner Zweckform aus der Halsöffnung des kopflosen Roboters hervor und bildete einen Mund in der Mitte seines Kopfes. »Nein, wir haben zwar diesen Körper paralysiert und die Protokolle gelöscht, aber sein internes Kommunikationssystem so gepolt, dass er nach wie vor Standortdaten sendet und scheinbar ein Aktivposten ist.«
Auf der Brust des anderen, noch voll funktionstüchtigen Roboters klebte ein weiterer Garaseen, der sich allerdings in der Ruheform befand. Dieser ergriff nun das Wort, wobei er aber die hochfrequentierte Sprache der Garaseen benutzte.
La-Mas übersetzte: »Bei dem zweiten kontrollieren wir lediglich die Körpersteuerung und haben Zugriff auf einen kleinen Teil der Kommunikation sowie auf einige Grundeinstellungen. Dennoch ist es eine komplexe Aufgabe, für die To-Bas sich ins Innere der Maschine zurückziehen muss.
Er empfindet es als sehr unangenehm dort, ist aber entschlossen, die Übernahme beizubehalten. Denn das garantiert uns wertvolle Tarnung. Sollten wir auf mehrere der Riesen stoßen, können wir Garaseen uns verstecken und euch als Gefangene präsentieren.«
Kendra hob eine Braue und tauschte einen Blick mit Cade. Auch ihm missfiel die Vorstellung, aber er musste zugeben, dass sie besser war als alles, was sie bisher zur Verfügung gehabt hatten.
In La-Mas kam ebenfalls Leben. Er streckte seinen Körper und glitt an Cade hinab, um sich zu seinen Kameraden zu begeben.
Cade beugte sich zu Kendra. »Das gefällt mir nicht«, raunte er beinahe unhörbar, wobei er darauf hoffte, dass die Garaseen weit genug entfernt waren, um seine Worte nicht zu hören.
Verwirrt blinzelte Kendra. »Was meinst du?«, fragte sie.
»Bisher liefen wir Simon nach wie die Lemminge. Haben lediglich reagiert, anstatt zu agieren. Aber kaum ist der Wächter fort, erobern die Garaseen einen der Roboter der Schwarzen Macht? Dazu hätten sie bereits Gelegenheit gehabt, haben es aber nicht getan. Warum nicht?, frage ich mich.«
Kendra folgte seinem Blick. »Dir gefällt ihr Plan nicht?«
Er schnaubte. »Bei Anzeichen von Gefahr als Gefangene präsentiert zu werden, damit sie uns womöglich ausliefern und selbst fliehen können? Nein. Dir etwa?«
»Natürlich nicht. Aber wir haben ein gemeinsames Ziel. Wir wollen alle von hier fort.«
»Das schon.« Cade senkte seine Stimme noch weiter. »Aber was, wenn wir die Freikarten für die Rückfahrt der anderen sind? Was wissen wir denn schon über die Garaseen?«
»Keiner von ihnen hat uns je einen Anlass gegeben, ihnen zu misstrauen«, erwiderte Kendra stirnrunzelnd. »Im Gegenteil: Sie haben geholfen, wo sie konnten.«
»Dennoch könnte es eine Falle sein.«
»Warum denkst du das plötzlich?«
Er schüttelte den Kopf, fand kaum eine Antwort auf ihre Frage, verzog schließlich das Gesicht. »Vielleicht gefällt es mir nur nicht, ihnen die Führung zu überlassen«, gab er zu. »Durch den Roboter sind wir quasi gezwungen, den Garaseen zu folgen.«
Und noch etwas anderes nagte an ihm. Er trat vor und deutete auf den Sarkophag, indem der mutmaßliche Baldure ruhte. »Aber zumindest können wir ihn jetzt mitnehmen«, erklärte er mit gedämpfter, aber fester Stimme, die kaum wie seine eigene klang. Heiser, atemlos, denn da war etwas, das auf seiner Brust zu sitzen schien und ihm mit undefinierter Schwere erdrückte. Sein Herzschlag war langsam und sonderbar schwer, ohne dass er sagen konnte, was diese Reaktion auslöste.
»Nein«, ertönte plötzlich eine hohe Stimme.
Cade schaffte es gerade noch, nicht vor Schreck zusammenzuzucken. Er hatte nicht bemerkt, wie sich der Garaseen genähert hatte. Trotzdem ließ er sich seine Bedenken nicht anmerken, versuchte es jedenfalls.
Dadurch, dass dieses schleimartige Individuum sich als einziges in seiner Zweckform befand, vermutete Cade, dass es sich um Lo-Tan handelte. Hatte dieser ihnen die ganze Zeit zugehört?
Es schien nicht so, denn der Garaseen fuhr fort: »Wir können uns jetzt nicht damit belasten. Ta-Bun und Simon sind in Gefahr. Wir müssen sie finden.«
»Das können wir«, bestätigte Cade. »Aber wir können ihn dennoch mitnehmen. Nun haben wir ja einen Träger. Es wäre … fahrlässig, diese Entdeckung nicht zu sichern.«
Denn er ist wertvoll. Maßgeblich, wegweisend. Der Beginn einer neuen Ära.
So sprach Cade weiter: »Diese Entdeckung ist bedeutend. Mehr, als es die Aufzeichnungen meines Hand-Suprasensors wiedergeben könnten. Mindestens gleichbedeutend mit der Entdeckung der POINT OF.«
Obwohl sein Blick fest auf dem lag, was von dem Gesicht des halbkonservierten Balduren-Körpers übrig war, bekam er aus dem Augenwinkel mit, wie Kendra den Kopf schüttelte.
»Gleichbedeutend mit der POINT OF? Bekommt dir die Luft hier drin nicht? Mit der POINT OF wurde ein neues Zeitalter der Menschheit eingeläutet. Mit diesem Ding …«, sie deutete auf die Mumie und suchte sichtlich nach Worten, »kannst du vielleicht einige Historiker beeindrucken.«
»Ren Dhark würde dir da sicherlich widersprechen«, konterte Cade. »All das Wissen, das wir durch unseren Fund erlangen könnten! So viel Verlorenes, was möglicherweise zurückgebracht werden könnte!«
»Ich gebe ja zu, dass diese Entdeckung faszinierend ist, aber wir können sie nicht mitnehmen.« Kendra seufzte. »Der Körper würde den Transport nicht überstehen. Wer weiß, was passiert, wenn wir ihn aus der geschützten Umgebung seines Behältnisses entfernen? Wahrscheinlich zerfällt er gänzlich.«
»Außerdem wissen wir nicht, was passiert, wenn wir das Behältnis öffnen«, warf nun auch Lo-Tan ein, der zwischenzeitlich wieder seinen Platz auf Kendras Schulter eingenommen hatte. »Was, wenn der Öffnungsmechanismus mit einem Alarmsystem verbunden ist? Die Drohnen könnten zurückkommen. Oder, schlimmer noch: weitere Metallriesen. Und wir können sie nicht alle ausschalten oder gar übernehmen.«
Weil ihr es nicht wollt, dachte Cade grimmig. Sonst würdet ihr es noch einmal tun. Denn dann könntet ihr ihn samt seinem Behältnis mitnehmen. Fremdlingen ist eben nicht zu trauen.
Die Worte lagen schon auf seiner Zunge, als er innehielt, denn sie entsprachen weder seiner Meinung noch seiner Einstellung. Wie so manch anderes Verhalten in den letzten Tagen ebenfalls nicht. Die verbalen Konfrontationen mit Simon, die Ungeduld, die lockende Aggressivität. Alles davon widersprach dem, was er gelernt hatte, allem, wofür er zeitlebens gestanden hatte. Sowohl als Agent der GSO als auch als oberster Chef von SobanSpace hatte Cade sich stets bemüht, umgänglich zu bleiben und vor allem nicht der Selbstgerechtigkeit anheimzufallen. Etwas, das seit seinem Eintritt in diese Welt nach und nach in den Hintergrund getreten war.
Für einen Moment schloss er die Augen. Entweder lag es an der Zusammensetzung der Luft, die zwar ähnlich war wie die Terras, aber nicht völlig gleich – aber das hätten die Messungen sicherlich angezeigt, die Wächter Simon immer wieder ausgewertet hatte –, oder aber etwas nahm massiv Einfluss auf Cade. Möglicherweise eine Sicherheitsmaßnahme, nicht sichtbar, aber effektiv. Manch Spezies würde bei erhöhter Aggression auf die eigenen Artgenossen losgehen und diese ausschalten.
Wie dem auch sei, in Zukunft würde er sich selbst mehr kontrollieren müssen. Nicht nur in dem, was er sagte und tat, sondern selbst darin, was er dachte. Wie zum Abschied legte er die Hand auf den gläsernen Deckel des sargähnlichen Aufbewahrungsortes des mumifizierten Balduren-Körpers.
»Ihr habt ja recht«, gab er trotz seiner Erkenntnis mit einem bedauernden Seufzer zu, ohne sich über die Beklemmung zu wundern, die sich über ihn legte.
So viele verpasste Chancen!
»Nutzen wir den erbeuteten Roboter, um Simon und Ta-Bun zu finden. Oder notfalls das Modul, welches uns vielleicht auch von hier fortbringen kann. Und dann kommen wir zurück, besser ausgerüstet, besser organisiert«, fügte er leise hinzu, ohne wirklich zu wissen, ob er Kendra ansprach, mit sich selbst redete oder …
Nein, Unsinn!
Kopfschüttelnd zwang er sich zur Konzentration. Er war ein Agent der GSO und würde sich nicht weiterhin von solch absurden Gedanken ablenken lassen! Also fokussierte er sich auf eine Aussage des Garaseen. Sofort ließ der Druck in Cades Kopf nach, den er erst jetzt bewusst wahrnahm, als dieser schwand.
»Dass die Drohnen zum Sicherheitssystem gehören, ist schlüssig«, griff er Lo-Tans Einwand auf. »Allerdings erscheint mir das allein – angesichts der Schätze, die wir hier bislang gefunden haben – als unzureichend. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Schwarze Macht sich auf ein derart karges Sicherheitssystem verlässt.«
»Vielleicht benötigen sie kein weiteres«, mutmaßte Kendra. »Ihre Roboter sind unglaublich zahlreich und äußerst robust. Die Schwarze Macht selbst ist imstande, Sonnen auszulöschen. Vielleicht glaubt sie nicht daran, dass sie Feinde haben könnte, die ihr ebenbürtig sind oder den Weg in diese Welt finden.«
»Oder«, meldete sich ein anderer Garaseen zu Wort, »die permanente Veränderung der Umgebung ist auch Teil des Sicherheitssystems.«
Das war Cade ebenfalls bereits durch den Kopf gegangen. »Effektiv wäre es auf jeden Fall. Die Ungewissheit, ob man im selben Bereich bleibt, sobald man einen Durchgang oder ein Schott passiert, hat zumindest auf die menschliche Psyche einen äußerst negativen Einfluss. Der Mangel an Nahrung und Flüssigkeit trägt ein Übriges zur Desorientierung bei. Im Grunde ist jede weitere Sicherungsmaßnahme unnötig.«
»Allerdings haben wir noch nirgends eine Vorrichtung entdecken können, welche diese Theorie untermauert«, gab ein anderer Garaseen – Cade gelang es noch immer nicht wirklich, sie alle auseinanderzuhalten – zu bedenken. »Es muss etwas geben, das diese Veränderungen steuert.«
»Möglicherweise ja ein Programm, welches willkürliche Veränderungen durchführt«, schlug Kendra vor.
»Unwahrscheinlich angesichts der dafür nötigen Energiemenge«, widersprach der Garaseen. »Zumal die Schwarze Macht mittlerweile von unserem Eindringen in diese Welt wissen müsste. Gerade von dem euren. Ihr seid groß und laut und unbeherrscht und …«
»Schon gut, wir haben es verstanden«, unterbrach Cade ihn. »Ihr seid uns gegenüber im Vorteil. Sowohl was Größe und Tarnung angeht als auch hinsichtlich eurer Fähigkeiten. Ein Grund mehr, endlich von hier zu verschwinden. Denn es gibt noch etwas, von dem ich vermute, dass es zu den Sicherheitsmaßnahmen dieses Ortes gehört.« Rasch fasste er seine Erkenntnisse von der mutmaßlichen Beeinflussung seiner Gedanken zusammen.
Daraufhin starrte Kendra ihn für einen Augenblick an, bevor sie schließlich nickte. »Jetzt, wo du es sagst, fällt mir ebenfalls auf, wie ungewöhnlich du dich verhalten hast.« Sie sah zu Boden. »Ebenso wie ich selbst. Sind hier Parakräfte am Werk? Das wäre fatal. Wir haben nichts, womit wir uns dagegen schützen könnten …«
Daraufhin meldete sich Lo-Tan zu Wort. »Ich habe mich gerade erkundigt. Wir Garaseen konnten eine derartige Beeinflussung nicht feststellen. Vielleicht, weil es in unserer Natur liegt, aggressives Verhalten eher zu meiden.«
»Dafür zeigt ihr euch aber äußerst effektiv in der Bekämpfung der hiesigen Gefahren«, bemerkte Cade.
La-Mas, der bisher geschwiegen hatte, regte sich und kroch erneut an ihm hoch, um sich wie ein Schal um seine Schultern zu legen. Dabei bildeten sich erneut zwei Münder an den jeweiligen Enden des länglichen Körpers aus. »Mein Volk ist anpassungsfähig, Terraner. Aber keine Sorge«, ein feines Prickeln entstand in Cades Nacken, »ich werde künftig auf dich achten und dich warnen, sollte mir dein Verhalten merkwürdig erscheinen.«
Über Lo-Tans Körperoberfläche lief ein Beben. »Das Verhalten der Terraner scheint häufig eigenartig zu sein.«
»Das scheint es«, bestätigte La-Mas. »Doch ich werde lernen, es zu deuten.«
Ein erneutes Prickeln in Cades Nacken. Im Grunde eher ein Kitzeln. Dennoch zog sich der Magen des GSO-Agenten zusammen. »Nun denn«, erwiderte er nichtsdestotrotz. »Dann lasst uns zusehen, dass wir Simon sowie Ta-Bun finden und einen Weg nach Hause entdecken. Ich schlage vor, wir suchen nach der Kammer, in der ihr auf Wächter Simon gestoßen seid.«
»Wir haben bereits versucht, diesen Ort wiederzufinden. Aber vergebens.« Lo-Tan klang resigniert. »Wie kommst du darauf, es könnte uns nun doch gelingen?«
»Ganz einfach. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich dieser Ort in relativer Nähe befindet. Wenn wir davon ausgehen, dass es sich hierbei«, Cade machte eine Handbewegung, die den gesamten Raum umfasste, »um eine Art Biolabor handelt, betrifft das wohl auch die Nachbarräume. Also diejenigen mit der schwarzen Statue und den mutmaßlichen Worgun-Mutanten in Zyzzkt-Gestalt. Und zumindest dort wurde definitiv mit W-Technologie experimentiert.
Soweit ich weiß, wurden die Wächter von Gestaltwandlern konstruiert. Damit sind sie ebenfalls eine Technologie der Worgun. Und somit Forschungsmaterial für die Schwarze Macht. Simon befindet sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in unserer Nähe.«
*
Was sich in der Theorie so einfach angehört hatte, erwies sich in der Praxis als kompliziert.
Nun, wo der Gruppe daran gelegen war, in der Nähe des mutmaßlichen Labors zu bleiben, stellte selbst das Durchqueren einer Öffnung ein Risiko dar.
Wieder waren es die Garaseen, die das Problem lösten, indem immer zwei von ihnen zahlreiche längliche Fortsätze an ihren Körpern bildeten, diese ineinander verschlangen und dann zuerst der eine die Öffnung durchquerte. Der zweite folgte, nachdem auch der Rest der Truppe den Durchgang passiert hatte.
Auch der eroberte Roboter der Schwarzen Macht wurde stets so positioniert, dass er mit je einem Bein auf den verschiedenen Seiten eines Durchlasses stand. Niemand wollte riskieren, dieses wertvolle Beutestück zu verlieren. Zudem hielten sie alle Ausschau nach einem Aggregat oder einer Vorrichtung, mit denen die Umgebungswechsel möglicherweise gesteuert wurden, konnten jedoch nichts dergleichen entdecken.
Wenigstens blieben sie von dem eigenartigen wabernden ockerfarbenen Nebel verschont, der auf ihrem bisherigen Weg bereits mehrfach die Sicht eingeschränkt hatte. Außerdem erschwerte der Unterschied zwischen der visuellen Wahrnehmung und dem, was Kendra und Cade spürten, ihr Vorankommen.
Obwohl Cades Sinne ihm sagten, der Weg würde strikt geradeaus führen, gaukelte ihm sein Körper vor, er würde mal bergab gehen, mal würden sie eine Steillage erklimmen. Der Eindruck entstand, sie würden Biegungen überwinden, die sich in abnormalen Winkeln krümmten. Da war etwas, das eine verwirrende Wirkung auf seinen Gleichgewichtssinn hatte und eine latente Übelkeit auslöste, die hartnäckig an ihm klebte, auch wenn sie nur sacht an seinem Magen zupfte.
Dafür behielt ihre Umgebung ihre enervierende Gleichförmigkeit. Helle, glatte Wände trugen eine halbrunde Decke. Der Boden eben und beleuchtet von einem Lichtband, das unten an den Wänden entlanglief.
Je länger sie diese ungleiche Gleichmäßigkeit entlanghetzten – fast schon taumelnd vor Erschöpfung –, umso mehr wünschte sich Cade Farbe. Etwas, das dem Auge eine Orientierung bieten konnte. Denn die stupide Eintönigkeit gab ihm das Gefühl, die Zeit würde einerseits stillstehen, andererseits in unmessbarer Geschwindigkeit verstreichen.
Daher atmete er jedes Mal auf, wenn der Weg an den wenigen sechseckigen Lücken in der Wand vorbeiführte. Neben ihnen prangten eingekerbte fremdartige Symbole, deren längere Betrachtung den latenten Schwindel verstärkte, unter dem sowohl Cade als auch Kendra litten.
Hinter den Durchgängen befanden sich kleinere, einsehbare Räume, oftmals anthrazitfarben, mit von bläulich schimmernden Lichtadern durchzogenen Wänden. Ganz so wie in den Experimentierstätten, die Cade und seine Begleiter bereits entdeckt hatten. Nur, dass diese Räume allesamt leer waren.
Dennoch untersuchten die Garaseen sie wenigstens oberflächlich.
Es juckte Cade in den Fingern, sich an der Erforschung zu beteiligen, sie sogar zu intensivieren. Doch er sah ein, dass es zu gefährlich wäre, die Durchgänge zu passieren. Selbst wenn er und Kendra sich an den Händen haltend nacheinander hindurchgehen würden, wollte er das Risiko nicht eingehen. Wissensdurst und Faszination hin oder her – sie durften keine Zeit verschwenden.
Allerdings ließ es sich Cade nicht nehmen, weiterhin mit seinem Hand-Suprasensor alles aufzuzeichnen, was er sah. Etwas, das er so lange tun würde, bis dem Gerät die Energie ausging. Denn selbst wenn es ihnen allen nicht gelingen sollte, nach Hause zurückzukehren, würde bestimmt irgendjemand die Aufzeichnungen finden und auswerten. Sofern es nicht die Schwarze Macht selbst war, wären die Aufnahmen von großem wissenschaftlichem sowie sicherheitspolitischem Wert.
Ihre Unterhaltung beschränkten Cade und seine Begleiter längst auf das Notwendigste, da sie alle mittlerweile derart erschöpft waren, dass selbst das stete Voranschreiten übermäßige Kraft zu kosten schien.
Kendra benutzte ihren improvisierten Speer inzwischen als eine Art Gehstock, auf den sie sich stützte. Cade, der vermutete, die Waffe wäre ihr zu schwer geworden, bot an, diese zu tragen, aber Kendra schüttelte den Kopf.
»Ich fühle mich mit ihr sicherer als ohne sie«, gestand sie leise.
Etwas, das Cade nachvollziehen konnte, denn auch seine Hand befand sich stets in Nähe seines Paraschockers.
So zuckten sie beide zusammen, als plötzlich einer der Garaseen, welche, um Energie zu sparen, in ihrer Amöbenform auf dem erbeuteten Roboter klebten, etwas in seiner hochfrequenten Sprache zwitscherte. Laute, die gerade so im Hörbereich der Terraner lagen, was auf eine gewisse Aufregung hindeutete.
Lo-Tan bildete seinen Mund aus und übersetzte die Worte seines Artgenossen: »Er spürt etwas: die Signatur Ta-Buns.«
»Ist Wächter Simon bei ihm?«, fragte Kendra sofort.
»Ungewiss. Es ist nur ein sehr schwaches Signal, das er … jetzt spüre ich es auch. Wir kommen näher.«
Die vorausgehenden Roboter bewegten sich nun schneller, sodass auch Kendra und Cade ihre Schritte beschleunigen mussten.
Dabei fiel Cade der orangefarbene Schimmer ins Auge. Gedankenverloren, wie er gewesen war, zusätzlich darauf konzentriert, einfach nur einen Schritt vor den anderen zu setzen, hatte er nicht mitbekommen, wie sich die Umgebung allmählich verändert hatte. Die Lichtbänder waren ebenso verschwunden. Seine Umgebung erinnerte nun an feinkörnigen Sandstein mit seiner unebenen bräunlichen Färbung.
Der Lichtschein, den er wahrgenommen hatte, kam von einem Moos, welches flächenartig an den Wänden wuchs und einen sanften orangebraunen Schimmer abgab. Cade erinnerte sich daran, dass es von den Garaseen als »schlechte Nahrung« bezeichnet worden war.
»Ich kenne diesen Ort«, sagte Lo-Tan, und der Schall seiner Worte schien sich auszubreiten, um pulsierend von der sie umgebenden Oberfläche zurückgeworfen zu werden.
Auch La-Mas reckte sich. »Wächtergebiet«, raunte er.
»Du meinst, hier habt ihr Wächter Simon gefunden?«, schaltete Kendra sich mit einem hoffnungsvollen Funkeln in den Augen ein.
»Es ist ähnlich, und wir spüren Ta-Buns Signal stärker.«
Einige Garaseen lösten sich vom Körper des einen Roboters und glitten voran, wobei sie sich schneller bewegten, als die Maschine es bisher getan hatte.
Als sie an einem Durchgang ankamen, passierten sie diesen auf die bewährte Weise und warteten, bis auch der Rest der Gruppe ihn durchquert hatten.
So gelangten sie in einen Bereich mit mehreren offenen Schotten entlang der Wände. Neben den meisten befand sich ein signifikantes Zeichen: drei Sterne, die zu einem fast perfekten gleichschenkligen Dreieck angeordnet waren. Vor einem davon hielten die Garaseen inne und sammelten sich, wobei sie darauf bedacht waren, nicht in den Weg ihres Roboters zu geraten und versehentlich zerquetscht zu werden.
»Dort war es. Ganz sicher«, wisperte Lo-Tan. »Dort drinnen haben wir Wächter Simon gefunden.«
Nun trat auch Cade an Kendras Seite an das geöffnete Querschott und spähte in den dahinterliegenden Raum.
Mehrere stählerne Greifarme befanden sich darin, gesäumt von kopfgroßen rautenförmigen Strahlern, die allerdings nicht in Betrieb waren. Darum herum schlängelten sich etliche Kabelstränge von unterschiedlicher Dicke, einige von ihnen mit einer Art Bohrkopf versehen.
Doch das war es nicht, was Cades Herzschlag in die Höhe trieb und ihm mit Eisfingern über den Rücken strich, sondern die rötlichen Metallplatten, die auf dem Boden verteilt lagen und offenbar zu einem zerlegten Wächterkörper gehörten.
3.
»Ist das … Simon?«, fragte Kendra neben Cade mit erstickter Stimme.
Er schüttelte den Kopf, den Blick auf das rötlich funkelnde Material gerichtet. »Ich weiß es nicht. Aber wenn, dann wird von seinem Körper nicht mehr viel übrig sein.«
Nach dieser Äußerung wurden die Leiber der vor dem Raum versammelten Garaseen noch flacher und begannen, sacht zu vibrieren.
»Was tun sie?«, entfuhr es Kendra erstaunt.
»Sie ehren einen Freund«, antwortete Lo-Tan.
»Noch wissen wir nicht, ob das wirklich Tofirit ist und wenn ja, ob es von Simons Körper stammt«, gab Cade zu bedenken. »Könnt ihr etwas davon holen?«
»Wir können es versuchen«, erwiderte Lo-Tan, wobei sich sein Sprechmund auf seinem Bauch bildete. »Doch wozu?«
»Das Tofirit ist imstande, Hyperfunkstrahlen zu bündeln, und verstärkt dadurch die Reichweite von konventionellen und Richtfunksendungen enorm. Vielleicht hilft uns das auch hier bei unseren eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten.«
»Das ist eine nützliche Information und ein guter Einfall«, schaltete sich La-Mas ein und sagte gleich darauf etwas in der Sprache der Garaseen.
»Nein, ist es nicht«, widersprach Kendra. »Wenn das wirklich Simons Körper ist, wäre es uneth…«
»Vielleicht ist es nicht Simon.« Ein weiterer Garaseen, den Cade aufgrund von dessen etwas geringeren Größe für Ma-Tin hielt, hatte sich ein wenig von der Gruppe entfernt und stand vor einem anderen Schott. »Ich habe winzige Späne des glänzenden Materials gefunden und zum Analysieren assimiliert. Die Spur führt bis zu diesem Schott«, erklärte Ma-Tin. »Helft mir, es zu öffnen. Vielleicht befindet sich Wächter Simon dort drin.«
Sofort wuselten die anderen Garaseen zu ihm herüber, um den Öffnungsmechanismus des Schotts mit ihren technischen und magnetischen Fähigkeiten außer Gefecht zu setzen.
Neben Cade gesellte sich auch der Roboter zu ihnen, während Kendra zurückblieb. Doch als das Schott sich vollends geöffnet hatte, wich Cade unwillkürlich einen Schritt zurück.
»Das ist …« Er musste sich räuspern. »Das ist unfassbar.«
Deckenhohe Regale zogen sich in engen Reihen durch den Raum. Gefüllt mit rot funkelndem Tofirit beziehungsweise einem Metall, das danach aussah. Cade erkannte Schulterpanzerungen und Armschienen. Ein Regal in der Nähe der Tür war gefüllt mit den Bruchstücken verschiedener Torsos. »Das könnten Hunderte von Wächtern sein, die hier gelagert sind! Sofern es sich um welche handelt …«
Auch Kendra, die nun ebenfalls herangekommen war, schien fassungslos. »Wozu benötigt die Schwarze Macht all dieses Material?«
»Tofirit ist die wichtigste Energiequelle für den Betrieb der gesamten Worgun-Technologie. Die gigantischen Konstruktionen der Mysterious, die in den letzten Jahren entdeckt wurden, wären ohne Tofirit gar nicht denkbar«, überlegte Cade laut. »Lediglich ein Kubikmeter davon reicht aus, um die Zentrale einen Ringraumers etwa sechsdreiviertel Jahre lang zu beheizen, zu beleuchten und die Luftumwälzung aufrechtzuerhalten. Zudem noch den Hyperkalkulator zu betreiben.
Was, wenn die Schwarze Macht das Tofirit für ihre Superwaffen braucht? Um eine Sonne auszuschalten, bedarf es bestimmt Unmengen von Energie. Und die Anlagen in dieser Welt hier verbrauchen gewiss ebenfalls viel.«
»Aber das würde bedeuten, die Schwarze Macht benötigt einen steten Nachschub davon«, erwiderte Kendra. »Wächterkörper als Tofiritquelle zu nutzen erscheint mir aber höchst ineffizient, zumal die Konstrukte unter anderem aus einer Legierung bestehen, nicht aus reinem Tofirit. Die Schwarze Macht könnte das Erz doch einfach auf irgendeinem Planeten abbauen, so wie die Worgun und wir und wer weiß noch wie viele andere Sternenvölker es tun.«
Cade nickte nachdenklich. »Da ist was dran. Trotzdem … Sollten das hier wirklich Wächter gewesen sein, wäre das eine Katastrophe – ganz unabhängig davon, ob die Schwarze Macht ihre Körper verwertet oder nicht. Ich frage mich, ob Simon hiervon wusste.«
»Wie meinst du das?«
»Das Verschwinden so vieler Wächter muss doch aufgefallen sein. Vielleicht wurde er von der INSTANZ geschickt, um nach seinen Mitstreitern zu suchen.«
»INSTANZ?«, hakte Ma-Tin nach. »Davon habe ich noch nie gehört.«
»Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht genau, um was es sich dabei handelt«, gestand Cade. »Laut Informationen der Point-of-Stiftung werden alle Wächter von einer INSTANZ kontrolliert. Diese INSTANZ wird garantiert bemerkt haben, wenn derart viele ihrer Wächter verschwunden sind. Womöglich hat sie sogar von sich aus die Konfrontation mit der Schwarzen Macht gesucht, und das hier ist das Ergebnis.«
»Simon sagte, er sei versehentlich in dieser Welt gelandet«, wandte Ma-Tin ein. »Wie kann die INSTANZ ihn dann hierher geschickt haben?«
»Vielleicht weiß sie gar nicht, wohin die Wächter verschwunden sind«, gab Kendra zu bedenken. »Simon könnte bei der Suche nach seinen Mitstreitern durch Zufall hier gestrandet sein.«
»Hätte er das dann nicht erwähnt?«, hakte Cade nach.
»Warum sollte er? Soviel ich weiß, halten sich die Wächter ja eher bedeckt.«
»Wie auch immer«, mischte sich Lo-Tan ein. »Ta-Bun ist nicht hier, aber wir empfangen noch immer sein Signal. Das gibt uns Hoffnung, dass auch Wächter Simon noch funktionstüchtig sein könnte. Wir haben ein wenig Material gesammelt, aber ich fürchte, wir können ohne Schmelzen und Werkstätten damit nichts anfangen. Es ist außerdem zu schwer, um es als unnötigen Ballast mit uns herumzuschleppen. Daher haben wir es wieder ausgestoßen.«
»Dann sollten wir jetzt weitergehen«, entschied Cade. »Spekulationen helfen uns ohnehin nicht, und für Simon und Ta-Bun könnte jede Minute zählen.«
»Wir werden in der Zwischenzeit versuchen, die Protokolle des Roboters zu entschlüsseln und Informationen über dieses Tofirit zu erhalten«, sagte Ma-Tin, der sich daran machte, am Bein des Metallkonstrukts hinaufzukriechen. »Möglicherweise entdecken wir etwas, das uns nützlich sein kann.«
Noch bevor Cade sich dazu äußern konnte, kam abermals Bewegung in die Garaseen. Sie verließen erneut den Körper des Roboters und schwärmten aus, wobei sie sich verteilten. Es wirkte auf schwer zu beschreibende Art chaotisch und zugleich koordiniert. Vermutlich sprachen sie sich untereinander ab.
Nicht zum ersten Mal bedauerte Cade, dass er ihre Sprache nicht verstand und dankbar sein musste, wenn Lo-Tan oder La-Mas übersetzten. Dabei beherrschten sie alle Angloter.
Sie wollen nicht, dass du sie verstehst …
»Sieh.«
Kendras geflüsterte Aufforderung erleichterte es Cade, den perfiden Gedanken zu verscheuchen. Er blinzelte, erkannte die matte, ovale Erhebung, die sich entlang der Wand am Boden auf die Gruppe zuschob, aber erst, als er die Augen noch weiter verengte. Er identifizierte den Schatten als einen weiteren Garaseen.
»Ta-Bun!« Lo-Tans leiser Ausruf wäre nicht nötig gewesen.
Sowohl Kendra als auch Cade hatten sich bereits in Bewegung gesetzt und eilten ebenfalls auf den kleinen, zitternden Körper zu. Vor Ta-Bun ging Kendra auf die Knie, streckte die Hände, aus, hielt dann aber inne. Wusste offensichtlich nicht, was sie tun sollte und ob es angemessen wäre, den Garaseen zu berühren.
Ein Beben ging durch Ta-Buns Leib. Halb wandelte er sich in seine Zweckform, wobei er Kopf, eine Art Oberkörper und zwei Arme ausbildete, der restliche Körper aber in der Ruheform blieb. Der Mund, der quer über dem geformten Hals entstand, wirkte wie ein düsteres Omen. »Sie töten ihn«, wisperte der Garaseen. »Sie demontieren Wächter Simon.«
Bevor Kendra ihr Zögern überwinden konnte, erreichten die anderen Garaseen sie und bildeten einen Kreis um Ta-Bun.
Das dumpfe Stampfen des Roboters, das erst kurz hinter ihm verstummte, ließ Cade sich umsehen und – er blickte direkt in die Mündung eines erhobenen Waffenarms. Langsam legte Cade Kendra eine Hand auf die Schulter, bemüht, seinen stockenden Atem aktiv zu halten.
Betraf die Kontrolle der Garaseen über »einige der Grundeinstellungen« etwa auch die Waffensteuerung?
Kendra erstarrte ebenfalls, als sie den Kopf drehte und den Roboter über sich aufragen sah.
Ein zischender Laut aus Richtung der versammelten Garaseen ertönte, doch weder Kendra noch Cade wendeten den Blick vom Schergen der Schwarzen Macht ab. Zu ihrer Erleichterung zog er sich zwei, drei Schritte zurück.
»Was ist mit den Waffensystemen?«, erkundigte sich Cade daraufhin sofort, wobei er sich schalt, das nicht bereits früher getan zu haben. Die Beeinflussung seines Verstandes hatte sich offenbar auf wesentlich mehr Bereiche ausgedehnt, als ihm bewusst war. Oder aber der Auftritt des Roboters war doch ein gezieltes Ablenkungsmanöver der Garaseen gewesen, denn als Cade nun wieder zu ihnen sah, hatten sie eine Art Schutzkuppel über Ta-Bun gebildet. Undurchsichtig, sanft pulsierend.
»Wir nähren ihn.« La-Mas’ Stimme dicht an seinem Ohr brachte Cade das Gewicht in seinem Nacken wieder in Erinnerung, an das er sich bereits gewöhnt hatte. »To-Bas wollte helfen, doch es ist wichtiger, dass er die Kontrolle über die Maschine weiterhin ausübt. Leider haben wir noch keinen Zugriff auf die Waffensteuerung. Was bedauerlich ist, denn es wäre hilfreich für Wächter Simons Rettung.«
Cade nickte, auch wenn ein fades Gefühl des Unbehagens blieb. »Konnte Ta-Bun uns sagen, wo Simon festgehalten wird?«
»Ja, und nicht nur das. Er hat uns auch verraten, wie dieser bewacht wird.« La-Mas’ beide Körperenden zogen sich zusammen. »Wir wissen nicht, wie es möglich sein sollte, den Wächter zu befreien.«
Die Worte des Garaseen lösten ein irrationales Gefühlswirrwarr in Cade aus. Auf der einen Seite brannte er darauf, Ta-Bun nach dem Aufenthaltsort des Wächters zu fragen. Als Agent der GSO betrachtete Cade es als seine Pflicht, Simon nicht seinem Schicksal zu überlassen, sondern alles zu tun, um ihn zu befreien. Auch als Privatperson kam es für ihn nicht infrage, jemanden zurückzulassen. Auf der anderen Seite war eine kleine Stimme in ihm, die ihm zuflüsterte, dass es ohne den Wächter weniger Probleme bei der Flucht von dieser Welt geben würde. Dass dieser die Gruppe nur aufhielte, seine Befreiung sie alle gefährdete.