Ren Dhark – Weg ins Weltall 103: Feinde an Bord! - Hendrik M. Bekker - E-Book

Ren Dhark – Weg ins Weltall 103: Feinde an Bord! E-Book

Hendrik M. Bekker

0,0
12,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

In der Sternenbrücke kämpft Ren Dhark mit der TSS RANLAK verzweifelt gegen die zerstörerischen Kräfte der transitierten Sonne an. Das Experimentalraumschiff droht auseinanderzubrechen. Gemeinsam mit Rikers Verband und der Unterstützung der Tel versucht die Mannschaft der POINT OF, die in Gefahr Geratenen zu retten. Doch wer von denen schwebt wirklich in Gefahr? Ohne es zu ahnen, holen sich die Terraner Feinde an Bord! Hendrik M. Bekker, Jan Gardemann und Jessica Keppler schrieben diesen turbulenten SF-Roman nach dem Exposé von Anton Wollnik.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 392

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Ren Dhark

Weg ins Weltall

 

Band 103

Feinde an Bord!

 

von

 

Hendrik M. Bekker

(Kapitel 1 bis 6)

 

Jan Gardemann

(Kapitel 7 bis 11 sowie 14)

 

Jessica Keppler

(Kapitel 12 bis 13 sowie 15 bis 18)

 

und

 

Anton Wollnik

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Vorwort

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

Empfehlungen

Simulacron-3/Welt am Draht

Ren Dhark Classic-Zyklus

Ren Dhark Extra

Z Revolution

Impressum

Vorwort

Sind Ringraumer schwach?

 

Vor einigen Wochen erreichte mich ein Leserbrief, in dem sich der Verfasser genau darüber beklagte. Ich muss gestehen, dass mich diese Kritik ziemlich überrascht hat. Allerdings fand ich sie auch sehr interessant.

Als Exposé-Autor und Herausgeber beschäftige ich mich oft mit REN DHARK, entwerfe neue Geschichten und lese die Manuskripte unserer talentierten Autoren. Da könnte es durchaus passieren, dass sich die Serie langsam verändert, ohne dass ich es merke. Veränderungen finde ich nicht grundsätzlich verwerflich, aber natürlich möchte ich den nostalgischen Grundcharakter unserer Lieblingsserie erhalten. (Klickende Relais sind für meinen Geschmack jedoch zu nostalgisch. Wir wollen schon ein bisschen mit der Zeit gehen, nicht wahr?)

Ich habe mir den Vorwurf des Lesers also zu Herzen genommen und ein bisschen recherchiert, ob die Ringraumer in den letzten Bänden tatsächlich immer schwächer und die traditionellen Sternenvölker wie etwa die Utaren und Rateken immer stärker geworden sind. Dazu brauchte ich natürlich erst einmal einen Vergleich.

Es stimmt: Im Classic-Zyklus Band 5, »Die Hüter des Alls«, können Weißer Strom und Blaues Feld der POINT OF nicht gefährlich werden. Doch es steht auch geschrieben, dass die Waffen das Intervallum durchaus zunehmend belasten. Es scheint also mehr eine Frage der Energiekapazität und der Feldstärke gewesen zu sein, dass die Utaren so kläglich versagt haben. Diese sind jedoch ein hochtechnologisiertes Sternenvolk mit mächtigen Waffen. Ferner betreiben sie interstellaren Handel. Es ist daher naheliegend, dass sie ihre Technologie mit der Zeit weiterentwickeln, so, wie es auch die Terraner tun.

Im ersten Band des Bitwar-Zyklus, »Großangriff auf Grah«, werden mehrere S-Kreuzer und Ovoid-Schiffe in einer Raumschlacht von einem unbekannten Gegner vernichtet. Für den Fall, dass Sie den Band noch nicht kennen, gehe ich an dieser Stelle nicht ins Detail. Worauf ich hinausmöchte, ist: Ringraumer werden schon seit eh und je von verschiedenen Gegnern zerstört.

Das macht in meinen Augen jedoch nicht grundsätzlich alle Ringraumer schwach. Schauen wir uns beispielsweise Rikers Verband an, dann stellen wir fest, dass die Stärke eines Ringraumers auch von dessen Mannschaft abhängt. Ansonsten könnte man einfach einen Praktikanten in die Zentrale setzen, der den Autopiloten aktiviert. Den Rest erledigt dann der jeweilige Bordrechner. Wozu der ganze Aufwand mit den verschiedenen Verteidigungsflotten?

Eine Raumschlacht, in der es nichts zu verlieren gibt, finde ich persönlich ziemlich langweilig. Beim Lesen möchte ich mit unseren Helden mitfiebern und gespannt darauf sein, welches Ass sie diesmal wieder aus dem Ärmel zaubern, um einen scheinbar aussichtlosen Kampf für sich zu entscheiden. Das gilt insbesondere für die legendäre POINT OF, die ja nun schon zu den älteren Ringraumer-Modellen gehört.

Einige von Ihnen, liebe Leser, wünschen sich, dass Ren Dhark diese endlich einmal aufrüstet. Wenn man sich nur die Waffen anschaut, dann wirkt die POINT OF tatsächlich schwach. Andere Raumschiffe können schließlich ganze Sonnen ausschalten. Trotzdem gelingt es Ren Dhark und seinen Gefährten immer wieder, die Menschheit, andere Sternenvölker und manchmal sogar ganze Galaxien zu retten. Was bedeutet also »schwach«?

 

Düsseldorf, im August 2021

Anton Wollnik

Prolog

Am 21. Mai 2051 startet die GALAXIS von Terra aus zu einer schicksalhaften Reise in den Weltraum. Durch eine Fehlfunktion des »Time«-Effekts, eines noch weitgehend unerforschten Überlichtantriebs der Terraner, springt das Raumschiff über beispiellose 4.300 Lichtjahre. Genau einen Monat später erreicht es das Col-System, wo es auf dem Planeten Hope landet. Weil ein Weg nach Hause unmöglich erscheint, beschließen die Raumfahrer, auf dem Planeten zu siedeln, und gründen die Stadt Cattan.

Rico Rocco schwingt sich zum Diktator auf und lässt sämtliche Kritiker verfolgen und auf den Inselkontinent Deluge verbannen. Dieses Schicksal trifft auch den zweiundzwanzigjährigen Ren Dhark, seinen besten Freund Dan Riker sowie eine Reihe weiterer Terraner. Doch damit endet die Geschichte nicht. In einer Höhle entdecken die Verbannten nicht nur Artefakte einer mysteriösen fremden Hochkultur, sondern auch ein unvollendetes Raumschiff, das eine prägnante Ringform aufweist.

Nachdem Rico Rocco bei einem Angriff der Amphi umgekommen ist, wird Ren Dhark zum neuen Stadtpräsidenten Cattans gewählt. Er lässt den Ringraumer reparieren, welcher später von Pjetr Wonzeff auf den Namen POINT OF INTERROGATION, kurz POINT OF, getauft wird. Im April 2052 bricht der Ringraumer unter Dharks Kommando zu seinem Jungfernflug zur Erde auf und beginnt damit ein neues Kapitel in der terranischen Raumfahrt. Nicht zuletzt dank Dharks Forscherdrang entdecken die Menschen weitere Hinterlassenschaften der Mysterious, die es ihnen ermöglichen, neue Ringraumer zu bauen und immer weiter in die Tiefen des Weltraums vorzudringen. Die POINT OF jedoch bleibt trotz allem einzigartig, was nicht zuletzt am Checkmaster liegt, dem eigenwilligen Bordgehirn dieses Raumschiffes.

Ren Dhark bleibt der Kommandant der POINT OF und erforscht mit seiner Mannschaft in den folgenden Jahren nicht nur das Weltall, sondern rettet auch immer wieder die Menschheit und sogar ganze Galaxien. Als sich im Mai 2074 der sich unvermutet selbst aktivierte nogksche Schutzschirm um Terra nicht mehr abschalten lässt, sucht er nach einer Lösung für dieses Problem, doch es scheint, dass er diesmal keine finden wird. Da tauchen plötzlich die Thanagog auf, nach eigenem Bekunden Freunde der Mysterious beziehungsweise Worgun, und berichten von einem Gerät, das in ERRON-3, dem zentralen Wissensarchiv der Worgun im blassblauen Universum, zu finden sei. Dorthin brechen Ren Dhark und eine handverlesene Gruppe mit dem Experimentalraumschiff TSS RANLAK auf. Bald erreicht der Raumer den Planeten und landet dort nach einem halsbrecherischen Manöver.

Im unterirdischen Wissensarchiv findet die Expedition nicht nur das gesuchte Gerät, sondern stößt auch auf eine telsche Kolonie. Diese besteht aus Klonen der verschollen geglaubten Besatzung der GAM LOC. Ren Dhark und seine Gefährten versuchen daraufhin, weitere Tel zu finden, die seinerzeit in der Sternenbrücke verschwunden sind. Es gelingt ihnen, die Mannschaft der NOVA QU zu retten, doch von den anderen rund achtzehntausend Doppelkugelraumern fehlt nach wie vor jede Spur.

Nach dieser letzten Mission kehrt die TSS RANLAK schließlich mit allen, die wollen, in die Sternenbrücke im heimatlichen Universum zurück. Dort gerät sie prompt in den Sog eines Sterns, der für die Zerstörung unzähliger Sonnensysteme verantwortlich ist. Ren Dhark und seine Gefährten sind ihm bereits Monate zuvor begegnet – allerdings Zehntausende von Lichtjahren entfernt im Randbereich der Milchstraße. Doch darüber können sie sich im Moment keine Gedanken machen, denn die TSS RANLAK droht in den energetischen Wirbeln zerrissen zu werden …

1.

Frederic Huxley hielt inne. Das konnte einfach nicht sein! Er hatte deutlich eine Frauenstimme gehört. Es war eine Stimme, die er nur allzu gut kannte. Er hatte vielleicht noch zehn Sekunden, in denen er die Anweisung des Rhur-rhur ausführen musste.

»Bitte, Frederic, hilf mir! Es ist so dunkel! Alles ist fremdartig, es ist so unfassbar eng hier drin!«, kam erneut die Stimme von Captain Sybilla Bontempi aus dem Fach des Zerkleinerers vor ihm. Oder kam die Stimme aus der Kiste im Zerkleinerer? Es war unmöglich. Dennoch war Huxley sich sicher, sie gehört zu haben! Als wäre sie direkt vor ihm!

Doch er musste jetzt handeln! Die Anweisung des Rhur-rhur um seinen Hals war eindeutig: Betätige den roten Knopf und kontrolliere hinterher jede Ritze des Zerkleinerers. Lass dich nicht ablenken. Was auch immer das Amulett mit dem fremdartigen Namen befahl, musste er ausführen.

Er betätigte den roten Knopf, und die Maschine hinter der Wandverkleidung begann, ein Geräusch von sich zu geben, als würde sie gleich bersten.

Dann war es still wie in einem Grab …

Huxley schluckte. Er erinnerte sich an den anderen Gefangenen, seinen »Kollegen«, der mit ihm hier gewesen war, und sah sich um, doch inzwischen war er allein in dem Raum. Der andere war fort, er war allein mit dem Zerkleinerer. Ihm blieb nach der Aktivierung noch die Kontrolle der Maschine. Also beugte er sich vor, öffnete die Klappe, durch die er soeben eine Kiste mit ihm unbekannten Inhalt entsorgt hatte, und begann die Innenräume der Maschine so gut es ging zu inspizieren. Er wusste nicht genau, wonach er suchen sollte, doch gemäß der Anweisung kontrollierte er alles gründlich.

Frederic Huxley atmete einmal tief durch. Es war unmöglich, dass Captain Bontempi hier war. Dies war nichts weiter als ein perfider Test – doch zu welchem Zweck?

Seine Kameraden und er waren in diesem Albtraum nur wegen eines hinterhältigen Spiels der Kaufmannsgilde von Newing gelandet. Diese hatte unter ihrem Anführer Nagg’nagg Kommandant Huxley und seine Mannschaft für Kosten zur Verantwortung gezogen, die ihrer Meinung nach durch Ren Dhark entstanden waren. Das war nicht ganz falsch, hatte es durch Ren Dharks Anwesenheit auf der Handelswelt Newing doch erhebliche Schäden gegeben.

Dennoch war Huxley der Meinung, dass man die Mannschaft der CHARR, die mit den Vorfällen seinerzeit nichts zu tun hatte, aus anderen, ihm noch nicht bekannten Gründen, zu Sündenböcken gemacht hatte. Als einzige Terraner, derer die Kaufmannsgilde von Newing hatte habhaft werden können, sollten nun Huxley und seine Mannschaft den Milliardenbetrag begleichen, den man Ren Dhark anlastete. Natürlich war dies unmöglich, hatten sie doch kaum genug Güter an Bord, die sie verkaufen konnten, um Geld für die dringend nötigen Reparaturen der CHARR zusammenzubekommen.

Also hatten sie sich auf den Handel mit Nagg’nagg eingelassen: Zehn »Freiwillige« aus der Mannschaft der CHARR wurden der Kaufmannsgilde übergeben. Sollten diese »Freiwilligen« sich gut anstellen, würde nach drei Tagen der goldfarbene Ellipsoidraumer freigegeben und unbehelligt seines Weges ziehen dürfen. Alle Trümpfe waren aufseiten der Gilde, sodass Huxley zum Wohle seiner Mannschaft eingewilligt hatte.

Doch die Arbeitsleistung von zehn Sklavenarbeitern wog niemals den Verlust der Kaufmannsgilde von Newig auf, das wusste Huxley. Egal wie qualifiziert seine Leute waren, das hier war ein Handel, bei dem er nicht wusste, was sein Gegenüber wirklich von ihm wollte. Dass Nagg’nagg sich etwas anderes erhoffte, das war ihm klar. Was hatte die Kaufmannsgilde aber nun wirklich vor? Man hatte zehn Terraner auf einen fremden Planeten gebracht und den ganzen bisherigen Tag nur mehr oder weniger sinnlose Tätigkeiten ausführen lassen.

Dieser Ort war vom Distriktverwalter Bextagorum als »stählerne Hölle« bezeichnet worden, und Huxley hatte nach dieser Ankündigung so etwas wie ein Arbeitslager erwartet: komplizierte Arbeit, deren Automatisierung zu teuer war angesichts eines großen günstigen Sklavenheeres, das man ausbeuten konnte. Doch bisher hatte man ihn kaum etwas Anstrengendes erledigen lassen. Lediglich sinnlos, wie eine Reihe von psychologischen Tests, erschien ihm das alles. Manches war womöglich gefährlich, aber dabei war er sich nicht sicher, in welcher Gefahr er letztendlich wirklich gewesen war.

War dies vielleicht wirklich doch eher ein Test seiner geistigen Widerstandsfähigkeit? Prüfte man, wie gut seine Leute und er sich als Sklaven für bestimmte Aufgaben eigneten, bevor man entschied, wozu sie eingesetzt werden würden? Testete man ihre Fähigkeiten im Umgang mit Problemen?

Das Vibrieren seines Rhur-rhur genannten handtellergroßen Medaillons unterbrach die Gedanken des Kommandanten. Jeder seiner Leute hatte solch ein Rhur-rhur bekommen und war nun der Diener dieses kleinen Gerätes. Was auch immer dort befohlen wurde – sie mussten es erledigen. Just in diesem Moment war dort eine neue Mitteilung erschienen und wies Huxley an, den Raum zu verlassen und drei Gänge weiter in einen anderen Raum zu gehen. Er fragte sich, wie es wohl den anderen neun Mitgliedern seiner Mannschaft ging, mit denen er hier »gelandet« war.

*

Olam Skyl arbeitete normalerweise in der Wartung der CHARR. Als Generaloberst Frederic Huxley erklärt hatte, dass es Freiwillige bräuchte, um das Raumschiff aus den Händen der Kaufmannsgilde freizubekommen, hatte sich Olam sofort gemeldet. Er wusste, dass es nötig war und wollte seinen Freunden und Kollegen aus der Mannschaft helfen. Doch Olam Skyl musste zugeben: Er hatte wirklich nicht gewusst, auf was er sich eingelassen hatte. Ein Teil von ihm hatte in irgendeiner Form Zwangsarbeit erwartet, möglicherweise auch ein Ausnutzen der technischen Fähigkeiten der Terraner. Immerhin waren sie im Vergleich zu vielen anderen Sternenvölkern Orns technisch ziemlich versiert. Doch mit dem, was er nun den ganzen Tag tat, hatte er nicht gerechnet. Er hatte, wie von seinem Rhur-rhur befohlen, erst eine Reihe kleinerer Aufgaben erledigt, bei denen er Dinge von einem zu einem anderen Ort hatte tragen müssen. Vor allem waren es zylindrische Behälter gewesen, deren Inhalt ihm unbekannt war. Das war keine schwere Aufgabe, auch wenn er das Gefühl nicht losgeworden war, dass er in den Korridoren und Gängen nicht allein war.

Mehrmals hatte er jemanden gesehen, der just in jenem Augenblick um die Ecke einer Abbiegung verschwunden war, als Olam den Korridor betrat. Es war, als wollte man ihm ausweichen. Allerdings war er sich inzwischen nicht mehr so sicher, was er gesehen hatte. Hatte er sich das vielleicht nur eingebildet, weil er, seit er hier auf Dafzone das Gruppenquartier verlassen hatte, niemanden mehr gesehen hatte? Hatten ihm seine Sinne in den leeren Korridoren vielleicht nur einen Streich gespielt?

Es half kein bisschen, dass viele der Korridore nur spärlich beleuchtet waren und er keine eigene Lichtquelle besaß. Olam Skyl mochte die Dunkelheit und das, was dort lauern konnte, nicht besonders.

Der Wartungstechniker versuchte, sich wieder auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Er stand nun seit einer Stunde in einem großen Raum und wiederholte die immer gleiche, zermürbende Tätigkeit: Er überprüfte kleine Schaltkreise mit einem Spannungstester – genau so, wie das Medaillon um seinen Hals es ihm befohlen hatte. Olam sollte sich dabei, so die Anweisung, auf keinen Fall ablenken lassen.

Das wurde zunehmend schwieriger. Eine Reihe kleiner Tiere krabbelte überall im Raum herum und lenkte ihn definitiv ab. Sie waren nicht größer als Marienkäfer, und ihre Panzer schillerten in einem öligen Schwarz. Manche von ihnen flogen surrend um ihn herum. Bisher schienen die Tiere sich nicht für ihn zu interessieren. Olam schien nur direkt in ihrem Weg zu stehen. Angeordnet wie bei einer Ameisenstraße liefen die Käfer über seine Füße, Beine und seinen Körper. Sie schienen sich nicht an ihm zu stören. Er traute sich kaum, das Gewicht von einem Bein aufs andere zu verlagern, um nicht versehentlich einige von den Biestern zu zertreten. Mochten sie ihn auch bisher kaum wahrnehmen, würde sich das möglicherweise schlagartig ändern, wenn erst einmal ein Dutzend von ihnen aus Unachtsamkeit zerquetscht worden waren.

Vor Olam Skyl befand sich ein Fließband. Nach und nach fuhren kleine Platinen an ihm vorbei, die er mit den zwei Kontakten des Phasentesters berührte und so auf ihre Leitfähigkeit testete. Er wusste nicht, wieso er dies tun sollte, und war sich sicher, dass dies automatisiert viel effizienter geschehen könnte. Aber andererseits: Wurde Sklavenarbeit nicht meist dort eingesetzt, wo sie billiger war als der Einsatz von Technik? Er atmete tief durch, um die Ruhe zu bewahren, als einer der Käfer bei ihm auf der Schulter landete. Dann begann dieser den Nacken hinaufzulaufen, in das kurzgeschorene Haar und weiter hinauf zum Scheitel.

Konzentriere dich ganz auf deine Arbeit, dachte Olam Skyl. Ganz auf die Arbeit konzentrieren. Es ist wichtig, nicht nur für dich, sondern auch für deine Kameraden in der CHARR.

Eine weitere Platine wurde vor ihn gefahren, und er benutzte erneut den Phasentester. Auch sie war intakt. Sie waren bisher alle intakt gewesen, was ihn noch mehr an dem Sinn dieser Aufgabe zweifeln ließ.

Ob diese Käfer wohl giftig sind?, schoss es ihm dann doch ungewollt durch den Kopf. Er verwarf den Gedanken, doch so ganz konnte er ihn nicht loswerden.

Es würde keinen Sinn ergeben, ihn den ganzen Weg hierher zu bringen, nur um ihn dann durch einen giftigen Krabbler zu töten.

Kurz hielt er inne. Doch!, überlegte er und hielt ein paar Herzschläge inne. Es könnte doch einen Sinn ergeben.

Er wusste nämlich noch immer nicht, wieso er hier an diesem seltsamen Ort war. Vielleicht diente das alles nur zur Belustigung? War er in einer seltsamen Art von Holo-Sendung gelandet? Diente das alles nur zur Unterhaltung seiner neuen Herren?

Reflexartig warf Olam Skyl während der Arbeit einen Blick auf sein Handgelenk. Normalerweise hätte sich dort sein Armbandvipho befunden, doch das hatte man ihm abgenommen. Die einzige Zeitanzeige, die er bekam, war auf dem Rhur-rhur zu sehen. Er musste nur noch weitere zehn Minuten durchhalten, wie er nach einem flüchtigen Blick feststellte. Ein Käfer lief inzwischen zu seinem linken Ohr. Es kitzelte ihn ein wenig, doch er fokussierte sich weiter auf die Platinen.

In der ganzen Zeit, die der Wartungstechniker diese stumpfe Tätigkeit ausführte, war nicht eine einzige defekt gewesen. Immer stärker stellte sich bei ihm das Gefühl ein, eine bewusst sinnlose Tätigkeit zugewiesen bekommen zu haben. Konnte sich wirklich ein ihm unbekannter Zuschauer darüber amüsieren?

Ein Schrei riss ihn aus seinen Gedanken. Dieser war nicht von weit her gekommen. Irgendjemand nahe des Schotts zum Korridor schrie qualvoll auf. Olam Skyl zögerte eine Sekunde. Er hatte die strikte Anweisung, diese Aufgabe hier auszuführen. Er wusste, dass das Schicksal der CHARR davon abhängen konnte. Deshalb musste er dieses perfide Spiel mindestens so lange mitspielen, bis der Forschungsraumer nach drei Tagen endlich von der Kaufmannsgilde von Newing freigegeben werden würde. Bis dahin sollten seine neun Kameraden und er unterwürfige Diener spielen.

Olam Skyl sah auf den Chronometer im Rhur-rhur. Nur noch zwei Minuten. Seine Neugier gewann die Oberhand.

»Ach, was soll’s«, brummte er, legte den Tester beiseite, sprintete zur Tür und betätigte die dortige Konsole. Dabei versuchte er tunlichst, nicht auf die Käfer zu treten, und wischte sich einen von ihnen vom Ohr. Das Brummen des Käfers beim Davonfliegen klang beinahe wütend. Das Schott glitt auf. Olam trat in den Korridor hinaus, um der armen Seele zu helfen, die derartig geschrien hatte – und erstarrte mitten in der Bewegung.

Vor ihm stand eine Kreatur, die einem Albtraum entsprungen zu sein schien. Sie hatte zwei Hinterbeine, auf denen sie stand, und einen langen Torso, der wie ein Wurm in einzelne Segmente gegliedert zu sein schien. Der Oberkörper endete in einem großen, lang gestreckten Maul, das sich beinahe von einem bis zum anderen Ende des Kopfes zog und grotesk breit wirkte. Die Vorderarme waren muskulös und endeten in jeweils drei Klauenfingern, die so lang waren wie Olams Unterarme. Die Kreatur überragte ihn um zwei Kopflängen. Erst jetzt sah er den Grund für den Schrei: Wimmernd lag vor der Kreatur ein Wesen, das vier Beine hatte und pelzig wirkte. Skyl erkannte um den Hals des Wimmernden einen Rhur-rhur-Anhänger, wie er selbst einen trug. Eine blau blutende Wunde zog sich über die dunkle Uniformkombination des am Boden liegenden Vierbeiners.

»Lauf!«, hauchte das Wesen. Seine Sprache klang knackend, der Sinn der Worte drang dagegen klar aus dem Translator. »Lauf einfach!«

Olam zögerte einen Augenblick lang. Er wollte helfen, wollte diesen Mitgefangenen nicht der Kreatur überlassen. Doch als die Kreatur nach ihm schlug, machte er einen Satz zur Seite und rannte den Korridor entlang. Die Kreatur folgte ihm mit schnellen Schritten, bei denen ihre Klauen jedes Mal ein metallisches Klacken auf dem Boden verursachten.

Skyl hoffte, diese Bestie von ihrem Opfer abzulenken, sodass der pelzige Vierbeiner sich vielleicht in Sicherheit bringen könnte. Er spurtete um eine Ecke in einen weiteren Korridor. Hinter sich hörte er das Klacken der Klauen seines Verfolgers.

Er rannte weiter, bog wahllos um eine weitere Ecke. Sein Rhur-rhur vibrierte, was er durch den Sprint nur vage mitbekam. Er griff danach. Dort standen eine Türnummer, die sich nur wenige Schritte entfernt befand, sowie eine Uhrzeit.

Skyl sah auf, hielt im letzten Moment an, als er beinahe an der Tür vorbei war, und sprang durch das geöffnete Schott, das sich sofort hinter ihm wieder schloss. Er hörte ein Fauchen jenseits des Metalls.

Eine neue Nachricht auf seinem Rhur-rhur wies ihn an, alle Kisten in dem Raum, in dem er sich befand, aus den Regalen zu nehmen und in der Mitte des Raumes zu stapeln.

»Was?«, entfuhr es ihm verwirrt. Das war doch der falsche Augenblick für so etwas! Er sah sich nach einer Fluchtmöglichkeit um.

Erneut waren ein Knurren und ein kratzendes Geräusch zu hören, als würde die Kreatur versuchen, mit ihren Klauen durch die Tür zu kommen.

Skyl sah in diesem Moment, dass die Türsteuerung deaktiviert worden zu sein schien. Jemand hatte ihn eingesperrt.

»Das kann ja wohl nicht wahr sein«, murmelte er. Man hatte ihn in diesem ungefähr zwanzig mal zwanzig Meter großen Raum voller Regale und Kisten eingesperrt, während vor der Tür eine reißende Bestie stand, und jetzt sollte er abwarten und die Kisten in der Raummitte stapeln?

Er war sich inzwischen nicht mehr sicher, ob er hier zur Belustigung eines Publikums herumgescheucht wurde oder schlicht in einer Art galaktischen Irrenanstalt gelandet war.

*

Die Korridore waren in schwaches Licht getaucht. Alle zwanzig Schritte gab es phosphoreszierende Wandelemente, die Frederic Huxley an die Notfallbeleuchtung eines Raumschiffes erinnerten. Der Korridor hier wirkte verbrauchter, abgenutzter als das, was er bisher gesehen hatte. Die Tür zu seinem Ziel war offen. Der Raum stand voller Kisten, einige waren ordentlich gestapelt, doch andere lagen wie wahllos umgeworfen herum.

Nimm die Waffe an dich und bringe die Leiche zur dritten Abzweigung des Korridors zu deiner Linken. Deponiere sie dort. Verteidige dich, sollte jemand dir zu nahe kommen.

Frederic Huxley runzelte die Stirn. Er hatte das Gefühl, zu einer weiteren Prüfung erschienen zu sein. Schon einmal war er mit einer Waffe ausgestattet worden, nur um dann herauszufinden, dass man ihn in einer holografischen Simulation getestet hatte. Was war der Zweck dieser Tests?

Da die Zeit lief, beeilte er sich und sah sich in dem Raum um. Hinter einer der Kisten lag eine Kreatur, die ihn an einen Pscheriden erinnerte. Sie war nicht groß, nur gut einen Meter fünfzig, und trug eine fleckige Uniform, deren Abzeichen Huxley nicht bekannt vorkamen. Ob es sich wirklich um einen Pscheriden handelte, konnte er aber nicht sagen.

Das Gesicht des leblosen Körpers war völlig übersät mit Schnitten und war kaum noch als solches zu erkennen. Frederic Huxley sah sich weiter in dem Raum um, konnte aber keinen Angreifer entdecken. Wer oder was hatte dem Humanoiden diese Verletzungen zugefügt?

Eine blutige Spur auf dem Boden führte hinter einen hohen Kistenstapel. Als Huxley hinter diesem nachsah, fand er dort einen weiteren Durchgang vor. Was dahinter lag, konnte er nicht erkennen, weil es dort keine Lichtquelle gab.

Also ging er zurück zu dem Leichnam und untersuchte diesen genauer. Schnell fand er die vom Rhur-rhur erwähnte Waffe. Es war eine Art unterarmlange Pistole, zu kurz für ein Gewehr, zu lang für eine gewöhnliche Handfeuerwaffe. Sie hatte keinen Abzug, doch ungefähr in der entsprechenden Höhe ein kleines Sensorplättchen. Huxley wollte sie nicht in diesem beengten Raum abfeuern, um sie zu testen. Zu gefährlich erschien es ihm, denn die fremdartige Waffe könnte ein Projektil abfeuern, das sich zu einem Querschläger entwickelte. Er packte die Leiche an den Beinen und schleifte sie aus dem Raum, um die zugewiesene Aufgabe zu erfüllen. Ihm blieben noch einige Minuten; diesmal schien das Zeitfenster großzügiger gewählt worden zu sein.

Um den Hals hatte der Getötete ebenfalls einen Rhur-rhur-Anhänger. Was wohl die Aufgabe für den nun Toten gewesen war? Sollte ihm dies vor Augen führen, welche Konsequenz das Nicht-Befolgen der Anweisungen hatte? War diese Leiche eine Drohung?

Der Leichnam war nicht besonders schwer und wirkte, als bestünde er nur aus Sehnen und Knochen. Da Huxley nicht wusste, um welche Spezies es sich handelte, konnte er nicht sagen, ob dieses Wesen von Natur aus so gebaut oder unterernährt war.

Als er die Leiche in den Korridor zog, zuckte der Körper plötzlich. Huxley ließ ihn sofort los und riss die Waffe hoch. Der Kerl war gar nicht tot! Ganz schwach atmete dieser auf einmal. Es war ein gurgelndes Geräusch. Sein zerfetztes Gesicht bewegte sich hin und her, als er leicht den Kopf bewegte und sich umzusehen versuchte. Die Kreatur murmelte etwas, und der Übersetzer der Kaufmannsgilde, den Huxley bei sich trug, gab in Angloter von sich: »Wo ist es?«

»Wo ist was?«, erkundigte sich Huxley und sah sich misstrauisch im Korridor um. »Ich heiße Huxley und bin ein Gefangener auf Dafzone. Meine Aufgabe ist es, deine Leiche wegzuschaffen. Wer bist du?«

»Meine Leiche? Dann solltest du nicht zögern«, sagte das entstellte Wesen. »Sie tolerieren kein Zögern. Ich habe gezögert. Ich habe versagt. Ich hätte den Missratenen töten sollen, aber er war so schnell. Pass gut auf! Er ist wirklich schnell. Sie haben keine Kontrolle über ihn. Es sind so viele von uns und zu wenige Aufseher, sie können nicht alle … nicht alle … beschützen«, murmelte der Fremde und gab ein gurgelndes Geräusch von sich. Dünne Fäden von Blut rannen über seine zerfetzten Lippen.

Huxley beugte sich zu dem Wesen hinunter. »Wer hat dir das angetan? Was genau war deine Aufgabe?« Er hatte das ungute Gefühl, die gleiche Aufgabe zu bekommen. Was war es nur, das nicht mehr kontrolliert werden konnte? Meinte der Schwerverletzte Aufseher wie dieses seltsame Wesen namens Bextagorum, das Huxley und seine Leute auf dieser Welt in ihre Aufgaben eingewiesen hatte? Tausende Fragen wirbelten durch Huxleys Verstand, doch in diesem Moment hörte der Brustkorb der Kreatur vor ihm auf sich zu heben und zu senken. Er musste erkennen, dass von diesem mutmaßlich Mitgefangenen keine Antworten mehr zu erwarten waren.

Huxley sah auf die chronometrische Anzeige seines Rhur-rhur und stellte erschrocken fest, dass er nur noch wenige Minuten hatte, um den nun wirklich Toten am vorgesehenen Ort abzulegen. Gerade noch rechtzeitig schaffte er es, die Leiche im entsprechenden Korridor zu deponieren, da bekam er auch schon die nächste Anweisung: Geh um die Ecke und warte auf es. Töte es, wenn es versucht, die Leiche zu fressen.

Huxley versteckte sich hinter der nächsten Ecke und wartete. Dabei ging er in die Hocke, um eine bequemere Haltung anzunehmen. Erneut vibrierte sein Rhur-rhur.

Gehe drei Schritte zurück, die Tür öffnet sich, sobald du die Handschaltung links betätigst. Warte dort. Du hast zwanzig Sekunden.

Sofort war der Kapitän der CHARR auf den Beinen, ging die Schritte und betätigte die grünlich schimmernde Handschaltung neben der Tür. Das Schott glitt waagerecht in zwei Hälften auseinander und verschwand in der Wand. Er trat ein, und hinter ihm schloss es sich wieder.

Dann hörte Huxley Schritte im Korridor. Sie waren schwer und schlurfend, als würde jemand eine große Last tragen. Erst jetzt begriff er, dass er sich womöglich so im Korridor versteckt hatte, dass das »Es«, das die Leiche anlocken sollte, ihn von hinten überrascht hätte.

Warte zwanzig Sekunden bis 14:20 Uhr. Tritt dann in den Korridor und benutze die Waffe, um es zu töten.

Huxley fühlte sich vom Bildschirm des Rhur-rhur geblendet und zählte in Gedanken unwillkürlich die Sekunden mit. Erst am Vormittag hatte man ihn eine Holografie erschießen lassen. War dies nur ein Test gewesen, ob er grundsätzlich zum Töten in der Lage war? Was wollten sie ihn töten lassen? Hoffentlich nicht schon wieder eines seiner Mannschaftsmitglieder.

Die Zeit war um. Huxley packte die Waffe, machte sich bereit und öffnete erneut die Tür. Er schlich in den Korridor und sah um die Ecke. Er hörte ein asthmatisches Atmen, das rasselte, als würde eine Kunststofftüte aufgeblasen. Dort, über die Leiche gebeugt, stand eine große Kreatur. Huxley fühlte sich an einen Gyrren erinnert.

Diese entfernt humanoiden Wesen hatten dünne lange Beine und waren zwei Meter groß. Ihr keilförmiger Kopf erinnerte mit seinen rostroten abstehenden Auswüchsen eher an etwas Pflanzenartiges. Diese Kreatur hier sah einem Gyrren zwar sehr ähnlich, doch hatte sie deutliche Auswüchse aus dem Rücken. Wie sehnige Bündel wucherte etwas aus ihrem Rücken heraus, den gesamten linken Arm entlang bis hin zu den klauenartigen Fingern. Die Finger waren an jeder Hand wulstig und dick mit dornartigen Auswüchsen.

Ein Gesicht war schwer zu erkennen, weil dieses wie zugeschwollen aussah. Nur ein einziges wässeriges Auge saß in der Mitte. Die violette Iris verengte sich, als sie Huxley erblickte. Die Kreatur hatte einen erstaunlich kleinen Mund für einen so großen Kopf. Der Mund war beinahe kreisrund und schloss nicht richtig. Speichel tropfte auf den Boden.

Dann machte sie einen Satz nach vorne, den Huxley ihr in dieser Geschwindigkeit nicht zugetraut hätte. Sofort riss er die Pistole hoch. Ein dünner Energiestrahl traf die Kreatur in die Brust. Der Geruch von verbranntem Fleisch stieg Huxley in die Nase. Die Kreatur kam aus dem Tritt, stolperte und schlug auf den Boden auf. Er sprang zur Seite, damit sie ihn nicht umriss. Dabei schlug sie mit ihren Klauen nach ihm. Er rollte sich geschickt über die Schulter ab und riss die Waffe erneut hoch. Doch die Kreatur war schon wieder auf den Beinen und rannte zur nächsten Abzweigung. Huxley feuerte noch einmal, verfehlte sie aber um Haaresbreite.

Kaum war sie um die Ecke, vibrierte Huxleys Rhur-rhur mit einer weiteren Anweisung: Bringe die Leiche bis 14:55 Uhr in Raum 2369-U23. Lege sie in das Fach in der Wand und lege die Waffe dazu. Schließe die Klappe des Fachs. Betätige den braunen Knopf an der Wand um genau 15:00 Uhr.

Huxley atmete tief ein und aus. Er spürte, wie dieses ständige Hin und Her an seinen Nerven nagte. Was war denn bloß der Zweck von all dem?

Er hatte wenig Lust, die gerade erhaltene Waffe wieder abzugeben, doch wusste er, dass ihm keine andere Wahl blieb. Drei Tage, so lange mussten er und seine Leute dieses boshafte Spiel mitspielen. Wenn die CHARR erst aus dem Einflussbereich der Kaufmannsgilde entkommen war, konnten sie einen Plan zu ihrer Flucht schmieden. Doch erst einmal musste er diesen ersten Tag hinter sich bringen.

Der Generaloberst packte die Leiche an den Beinen. In diesem Augenblick kam eine vage humanoide Kreatur um die Ecke. Huxleys Hand schnellte zur Pistole, doch der Fremde rief etwas und aus dem Übersetzer drangen die Worte: »Halte ein! Ich soll dir helfen.«

Huxley steckte seine Waffe wieder hinter den Gürtel und packte erneut die Beine des Toten. »Also gut. Mein Name ist Frederic Huxley. Wie heißt du? Nimm die Arme, dann ist er nicht so schwer.«

»Keine Namen«, sagte sein Gegenüber und folgte der Anweisung.

»Wieso nicht?«, erkundigte sich Huxley, als sie sich in Bewegung setzten. Er sah immer wieder auf die beschrifteten Türen, an denen sie vorbeikamen, um die Orientierung zu behalten. Die Zahlen waren für ihn zwar an sich nicht lesbar, doch wenn er innehielt und das Rhur-rhur davorhielt, zeigte ihm dieses die Zahlen in terranischer Schrift an.

»Weil wir uns sowieso nie wieder sehen«, erwiderte sein Helfer. »Niemanden sieht man in der ›stählernen Hölle‹ je wieder.«

»Was ist das für ein Ort?«, wollte Huxley wissen. Er erhoffte sich von diesem Mitgefangenen endlich ein paar Antworten.

Dieser machte ein schnalzendes Geräusch, das möglicherweise sein Äquivalent für ein Schulterzucken war. »Wer kann das schon sagen? Ich bin schon eine ganze Weile hier und weiß es nicht. Ich erledige, was man von mir verlangt. Darum bin ich noch da.«

»Aber gibt man dir auch nur wahllose, beinahe sinnlose Aufgaben? Nichts Sinnvolles?«

»Tu, was man dir sagt, dann lebst du länger. Ich war mal Kapitän eines Frachtraumers. Wir wurden von Piraten geentert und in die Sklaverei verkauft. Man steckte mich in einen Container, und als ich hier erwachte, waren nur noch vier von meiner Mannschaft bei mir. Jetzt ist es noch einer. Die anderen beiden glaubten, man könne einfach nicht machen, was man uns aufträgt.«

»Trotzdem – was ist das für eine Kreatur gewesen? Sie sah mutiert aus oder krank. Diese Wucherungen an ihrem Körper wirkten nicht so, als wäre das etwas, das dort sein sollte.«

»Es gibt hier viele Lebewesen. Ich habe schon mehr als ein Dutzend Kreaturen gesehen, die fremdartig für mich aussehen. Das Universum ist groß. Solange sie ein Rhur-rhur haben, versuchen sie nicht, dich zu töten. Sie haben andere Dinge zu tun«, gab sein Gegenüber zusammen mit diesem schnalzenden Geräusch von sich. »Die ohne die Anhänger, die können gefährlich sein. Merk dir das!«

»Werde ich«, sagte Huxley, der in diesem Augenblick nur mit einem halben Ohr zuhörte. Er war sich sicher, Schritte hinter sich zu vernehmen. Er warf einen Blick über die Schulter. War dort eine Bewegung hinter der Abzweigung des Korridors oder hatte er sich das nur eingebildet?

Gerade noch rechtzeitig betätigte Huxley den Knopf. Der Fremde, der ihm beim Tragen der Leiche geholfen hatte, war schon fort. Vor dem Raum hatte dieser die Leiche einfach losgelassen und auf sein Medaillon geschaut. Offensichtlich war eine neue Anweisung gekommen, denn ohne ein weiteres Wort hatte er Huxley dort stehen gelassen.

Nun hatte Frederic Huxley die Leiche in das Fach gehievt und die Waffe dazugelegt. Als er den Knopf wie befohlen um 15:00 Uhr betätigte, hörte er ein Surren von Energie. Er fragte sich, was mit der Leiche passiert war, doch in diesem Moment vibrierte sein Rhur-rhur schon wieder. Er sollte aus dem Nebenraum eine Kiste holen und diese in einen anderen Raum bringen.

Huxley beeilte sich. Auf dem Korridor hatte er das Gefühl, dass sich jemand just in dem Moment hinter einer Ecke versteckte, als er den Raum verließ. War dies die Kreatur, die ihm folgte, oder nur ein armes weiteres Opfer des Rhur-rhur-Zeitplanes wie er selbst?

*

Olam Skyl schnaufte, als er die letzte Kiste auf den Stapel mit den anderen Kisten gestellt hatte. Nun befand sich in der Mitte des Raumes ein deckenhoher Stapel aus schuhkartongroßen Kisten. Jede von ihnen wog trotz der geringen Größe mindestens zehn Kilo. Nun, da er die letzte Kiste abgestellt hatte, warf er einen Blick auf das Chronometer des Rhur-rhur. Er war ganze zwei Minuten vor der Zeit, wie er zufrieden feststellte. Im hiesigen Raum hatte er keine optisch erkennbare Überwachungstechnologie entdecken können.

Natürlich wusste er, dass man ihn dennoch gut überwachte, aber seine Neugierde überwog, also öffnete er eine der Kisten. Sie hatten jeweils einen kleinen Riegel an der Seite, der sich einfach zur Seite schieben ließ. Als er die Kiste öffnete, weiteten sich seine Augen vor Überraschung.

In der Kiste befand sich eine Hand. Sie war in einer Art Energiefeld eingeschlossen. Die Hand hatte drei Finger sowie einen Daumen und war sauber abgetrennt worden.

Er schloss die Kiste wieder und nahm sich eine weitere vor. In ihr lag ein Organ, das er nicht zuordnen konnte. Er öffnete eine weitere Kiste und fand ein Paar strahlend blauer Augen vor, deren geschlitzte Iris so perfekt konserviert aussah, dass er glaubte, sie müsste auf das Licht im Raum reagieren.

Wo zur Hölle bin ich hier nur gelandet?, fragte der Wartungstechniker sich nicht zum ersten Mal. Seine These, unfreiwilliger Darsteller in einer schlechten Holo-Sendung zu sein, hatte er inzwischen verworfen. Es war ohnehin nur ein Klischee, das man bemühte, wenn einem die Ideen ausgegangen waren. Für den Unsinn hier würde ohnehin niemand Geld bezahlen wollen.

Jetzt erst fiel ihm die Stille im Raum auf. Die kratzenden Geräusche an der Tür zum Raum hatten aufgehört. Womöglich war die Kreatur verschwunden. Sein Medaillon vibrierte. Als er auf sein Rhur-rhur sah, war dort eine neue Anweisung: Er sollte am Ende des Korridors den Aufzug benutzen und sich anschließend in einem weiteren Raum einfinden.

Skyl trat direkt vor die Tür und schluckte. Seine Hand schwebte über dem Sensorfeld der Wandkonsole. Er hoffte sehr, dass die Kreatur nicht im Korridor lauerte. Die Türsteuerung war wieder aktiviert, also öffnete er das Schott und spähte hinaus.

Er sah in beide Richtungen, doch konnte er die Kreatur nirgendwo sehen. Er ging also den Korridor hinab in Richtung des Aufzugs. An jeder Abzweigung, an der er vorbeikam, hielt er inne, spähte um die Ecken und erwartete einen Angriff.

Hier und dort sah er einzelne Personen, die in einiger Entfernung unterwegs waren. Sie bogen ab, traten durch Türen oder verschwanden im Schatten in der Ferne der endlosen Korridore. Er konnte die meisten nicht gut genug erkennen, um zu bestimmen, woher sie stammten. Nur wenige Spezies kamen ihm entfernt bekannt vor, weil er sie einmal an Bord der CHARR in der Datenbank über die Sternenvölker Orns gesehen hatte.

Skyl trat in den offenen Fahrstuhl. Die Türflügel schlossen sich hinter ihm, und auf einem großen Display erschien eine Reihe von Symbolen, die er mithilfe des Rhur-rhur in für ihn verständliche Zahlen übersetzen konnte.

Wo bin ich hier nur gelandet?, fragte er sich erneut.

*

Endlich kam Frederic Huxley zurück in den seinen Leuten und ihm zugeteilten Wohnraum und fand diesen verlassen vor. Der sechseckige Grundriss erinnerte ihn nach wie vor an das Innere einer Bienenwabe, auch wenn die Wände stahlfarben waren. Neben den Liegen für die Terraner befanden sich Tische und Stühle, die alle aus der Wand zu wachsen schienen. Nicht nur, dass sie an der Wand angebracht waren, sie wirkten tatsächlich wie aus der Wand herausgebildet.

Womöglich war die Wandstruktur flexibel und konnte ihr Material umbilden, dachte Huxley. In diesem Moment hätte er gerne seinen Chefingenieur Erkinsson bei sich gehabt. Dieser hätte sicher seine helle Freude an einer derartigen Technologie gehabt.

Die einzige weitere Tür im Raum war beinahe zwei Meter hoch und führte in die Sanitärzelle, und diese war zurzeit offenbar besetzt.

Aus dem kleinen Fenster konnte er auf eine entfernt stadtähnliche Landschaft sehen. Hoch oben befand sich das Zimmer mit der Nummer 008-O14. Er blickte auf sechseckige Gebäude, die alle gleich lange Seiten hatten. Obwohl manche mit mehr als einhundert Stockwerken gewaltig hoch waren, blickte Huxley von seiner Position aus auf diese hinunter. Das Licht draußen war dämmrig, sodass er weder einen Himmel noch den Boden genau erkennen konnte. Purpurner Nebel quoll aus Dutzenden Abluftanlagen an den Gebäuden und verhinderte die Sicht in den Himmel des Planeten Dafzone. Auf den Brücken zwischen den Gebäuden waren Kreaturen zu sehen, die möglicherweise Roboter waren, vielleicht auch Einheimische oder Gefangene. Gleiter schwirrten zwischen den Gebäuden umher. Ob diese händisch gesteuert wurden oder nicht, vermochte Huxley nicht zu sagen. Doch sollten sie alle Güter enthalten, mussten die Warenmengen, die hier bewegt wurden, gewaltig sein.

Was war dies für eine Welt? Gehörte diese Industriestadt vielleicht der Kaufmannsgilde von Newing? Unterhielt diese sie mittels Sklaven?

Huxley ließ sich auf eine der Liegen fallen. Sie waren nicht sonderlich bequem, doch immer noch besser als die verwachsenen anderen Möbelstücke dieses Raumes. Er vermisste den schalenförmigen Kommandantensessel, von dem aus er normalerweise die Kommandozentrale der CHARR betrachtete. Er vermisste ihn nicht nur, weil dieser deutlich bequemer war als diese Pritsche, sondern vor allem deswegen, was der Sessel für ihn bedeutete: die Freiheit des Alls.

Ihm entging nicht die gewisse Komik, die ihn in diese im wahrsten Sinne unfreie Position gebracht hatte, bei der er zu einem reinen Befehlsempfänger degradiert worden war. Mancher Reinigungsroboter mochte mehr Freiheiten haben als er in seiner derzeitigen Situation. Doch er weigerte sich, den Mut sinken zu lassen. Er würde einen Ausweg finden, nicht nur für sich, sondern auch für jedes seiner Mannschaftsmitglieder, das sich mit ihm auf dieses Unterfangen eingelassen hatte.

Wie aufs Stichwort trat Leutnant Skerl aus der Nasszelle und begrüßte ihren Kommandanten. Bevor dieser antworten konnte, betrat der Oberstabsgefreite Mike »JCB« Brown den Gemeinschaftsraum. Er salutierte knapp und setzte sich dann auf eine der anderen Liegen. Auch Huxley begab sich wieder in eine sitzende Position. Er hatte noch nichts zu Mike Brown sagen können, da öffnete sich die Tür erneut, und Zack Sobolov trat ein. Der Bergungstechniker sah müde und erschöpft aus.

Jetzt fehlte nur noch der Wartungstechniker Olam Skyl. Huxley wusste nicht, wann dieser wieder da sein würde, doch wollte er auch nicht zu lange warten, um sich mit den anderen zu besprechen. Sie hatten noch einen weiteren Gefährten in die Kammer zugeteilt bekommen, einen Kolk namens Espandi, der hier nach eigenen Aussagen schon länger wohnte als sie. Ob sie ihm trauen konnten, wusste Huxley noch nicht. Darum wollte er so viele Informationen austauschen wie möglich, bevor der Kolk wieder da war.

»Wie ist es Ihnen ergangen?«, erkundigte sich Huxley bei seinen Leuten.

Leutnant Susannah Skerl begann als Erste zu erzählen. Nachdem sie mit dem Bericht ihrer Erlebnisse am Ende war, erkundigte sie sich an Huxley gewandt, wie es ihm ergangen war.

Dieser zögerte bei der Erzählung kurz und überlegte, ob er seinen Leuten auch die Episode mitteilen sollte, bei der man ihn auf zwei seiner Leute hatte schießen lassen. Doch er sah wenig Sinn im Verheimlichen dieser Information. Sie würden nicht geringer von ihm denken, da war er sich sicher. Zudem war es durchaus relevant für ihr Überleben, je nachdem, was noch für Herausforderungen auf sie warteten.

»Das heißt, wir sind nicht allein«, stellte Sobolov fest. »Sie haben definitiv jemanden getroffen, der …« Er wurde unterbrochen durch die sich erneut öffnende Tür.

Die Raumfahrer sprangen auf, doch es war weder ein Monster noch ihr Aufseher, sondern Olam Skyl. Über sein abgekämpftes und müdes Gesicht huschte ein müdes Lächeln, als er seine vier Kameraden wohlauf sah.

»Sir«, grüßte er seinen Kommandanten und ließ sich dann auf einer freien Liege nieder.

»Nun«, nahm Zach Sobolov seinen Satz wieder auf, »der Gefangene, den Sie getroffen haben, bedeutet, Sir, dass wir nicht die Einzigen sind, die in diesem perfiden Kreislauf aus Aufgaben gefangen sind.« Auf den fragenden Blick von Skyl fasste er in wenigen Worten zusammen, was er bereits von Huxley und Leutnant Susannah Skerl erfahren hatte.

»Das ist richtig«, warf Mike Brown ein. »Ich habe mich eine Weile mit einem Mitgefangenen unterhalten können. Wir haben eine gemeinsame Aufgabe gehabt. Dabei bin ich in einen anderen Bereich der Anlage gebracht worden. So wie es aussieht, ist diese sogenannte ›stählerne Hölle‹ eine gewaltige Stadt, die grob wabenförmig aufgebaut ist. In jedem Bereich gibt es andere Herausforderungen. Es werden Güter hergestellt und geprüft, und der Kerl, mit dem ich mich unterhalten habe, meinte, es gäbe auch Bereiche, die alt und schlecht gewartet wirken würden. Leider bekamen wir dann wieder andere Aufgaben, und wir konnten uns nicht weiter miteinander unterhalten.«

»Haben Sie ihn gefragt, ob er schon mal einem Römer begegnet ist?«, fragte Huxley hoffnungsvoll. »Sicher kann er uns Terraner mit einem Römer verwechseln, aber vielleicht ist er einem Mitglied der CHARR begegnet?«

Brown schüttelte den Kopf. »Nein, Sir. Er hat keine Ahnung gehabt, welchem Sternenvolk ich angehöre.«

Frederic Huxley nickte stumm. Das hatte er befürchtet. Irgendwo in dieser Anlage mussten die anderen fünf »Freiwilligen« von Bord der CHARR sein, die mit ihnen hergekommen waren. Einer der fünf war der kobaltblaue Nogk Tantal, ein guter Freund von Brown. Huxley konnte seinem Soldaten deutlich ansehen, dass dieser sich im Augenblick Sorgen um seinen Freund machte.

»Ob das alles hier real ist?«, sinnierte Zach Sobolov laut. »Vielleicht ist es alles nur eine Simulation, Sir – so wie jene, der Sie begegnet sind.«

»Also die Biester, die mich versucht haben zu töten« warf Leutnant Skerl ein, »sahen sehr real aus. Und das Wasser, durch das ich schwimmen musste, fühlte sich echt an.« Sie spielte dabei nachdenklich mit ihren Haaren. »Es kann zumindest nicht alles eine Illusion sein.«

»Selbst wenn es eine wäre«, sagte Skyl, »ist dann noch immer die Frage unbeantwortet: Wieso das alles?«

»Was wäre denn Ihre Theorie?«, erkundigte sich Huxley, der das Gefühl hatte, dieser Mann habe sich schon seine eigenen Gedanken gemacht, genau wie er selbst.

»Nun, Sir, wie wäre es, wenn das alles nur zur Unterhaltung dient? Eine Art moderne Arena? Offensichtlich werden wir auf Schritt und Tritt überwacht. Das muss doch zu irgendetwas gut sein, meinen Sie nicht, Sir?«

Huxley spürte die Blicke seiner Leute auf sich und kratzte sich nachdenklich am Kinn. Er hatte kein Problem damit, sie auf eine Antwort warten zu lassen, denn er wollte erst seine Gedanken ordnen, bevor er sprach. »Nun, ich denke nicht, dass wir zur reinen Unterhaltung eines Publikums hier überwacht und vor Aufgaben gestellt werden«, sagte er schließlich. »Aber Sie haben recht, Mister Skyl, es muss einen Grund dafür geben. Meine Überlegung war vielmehr, dass wir sehr gezielt getestet werden.«

»Getestet, Sir?«, echote der Wartungstechniker. »Aber wofür? Zu welchem Zweck?«

»Vielleicht testet man uns bezüglich der Einsatzgebiete, in die man uns als Sklaven versetzen könnte«, brachte sich Sobolov wieder in die Unterhaltung ein. »Man könnte mittels Stresssituationen ein psychologisches Profil erstellen und uns so besser einschätzen. Daraufhin kann man entscheiden, zu welchen Arbeiten wir taugen.«

Bevor Huxley darauf etwas erwidern konnte, stöhne Mike Brown auf.

Der Oberstabsgefreite hatte die Hand am Rücken, als würde er eine kleine Wunde auf Schulterhöhe ertasten. Als er die Blicke auf sich gerichtet sah, hob er beinahe entschuldigend die Schultern.

»Mister Brown«, sprach Huxley ihn an. »Sind Sie verletzt?«

»Nur ein wenig, Sir. Es dürfte nur ein kleiner Schnitt an einer sehr ungünstigen Stelle sein.«

»Unsere Gesundheit ist in dieser lebensfeindlichen Umgebung eine der relevantesten Ressourcen, die wir haben, Mister Brown. Zeigen Sie mir die Wunde«, befahl der Kommandant und trat zu ihm hinüber.

»Im Bad gibt es, glaube ich, etwas zum Verarzten«, warf Leutnant Skerl ein und verließ kurz den Raum in den Sanitärbereich.

Mike Brown drehte sich so, dass sein Kommandant die Wunde sehen konnte. Es handelte sich um einen nur drei Zentimeter langen Schnitt, der in Huxleys Augen tatsächlich nicht lebensbedrohlich aussah. Allerdings konnte sich so eine Wunde trotzdem entzünden, und dazu kam ihre Position fast direkt unter dem Schulterblatt. Damit würde Brown den kleinen Schnitt einige Tage lang bei jeder Bewegung seines rechten Armes spüren. In dieser Umgebung konnte es tödlich sein, zu lange zu zögern oder im falschen Augenblick zu zucken.

Susannah Skerl kehrte aus dem Bad zurück. In den Händen hielt sie eine kleine Kiste, die sie neben Brown auf dem Bett abstellte. Darin befanden sich diverse kleine Geräte, die alle fingerlang und zylindrisch geformt waren.

»Also, laut der Erklärung meines Rhur-rhur«, erklärte sie und nahm ein fingerlanges Gerät heraus, »ist das hier eine Art Desinfektionsstrahler. Dieses hier hingegen ist zum Anbringen eines Sprühverbandes.«

»Sollten wir wirklich einfach das Zeug benutzen, das sie uns hingestellt haben?«, warf Skyl misstrauisch ein. »Immerhin könnte es Wechselwirkungen mit unserer Biologie geben.«

Huxley nickte. »Ich überlasse Ihnen die letzte Entscheidung, Mister Brown, weil es Ihr Risiko ist. Aber ich denke nicht, dass man uns hier zur allgemeinen Belustigung sterben lassen will, zumindest nicht hier in diesem Raum.«

Mike Brown nickte nachdenklich. »Ich verstehe Ihren Standpunkt, Sir.« Zu Leutnant Skerl gewandt fügte er hinzu: »Na schön, probieren wir es.«

Sie aktivierte den kleinen Stift. Ein feiner gelblicher Strahl kam aus dessen Spitze. Sie fuhr damit über die Wunde. Es war keine optische Veränderung zu erkennen, was natürlich weder für noch gegen eine Wirksamkeit sprach. Dann nahm sie einen ähnlichen Stift aus dem Kästchen. An seinem dickeren Ende befand sich ein Knopf. Als sie diesen betätigte, verschoss der Apparat einen dünnen Film aus rötlichem Puder auf die Wunde. Prompt verschloss sich der Schnitt, und es bildete sich ein elastischer Flicken.

Mike Brown bewegte probeweise seinen Arm und die Schulter. »Nicht schlecht«, stellte er fest. »Es fühlt sich gut an, und ich merke nicht einmal, dass dort ein Flicken ist.«

Nachdem der Oberstabsgefreite verarztet worden war, beschloss Huxley, gleich zur Sache zu kommen: »Mister Brown, berichten Sie uns, wie es zu der Verletzung kam und wie es Ihnen erging. Haben Sie etwas über den Verbleib unserer anderen fünf Kameraden in Erfahrung bringen können?«

»Leider nicht, Sir«, sagte der Angesprochene, »aber ich habe trotzdem einiges erlebt, das für unser Überleben vielleicht von Bedeutung sein könnte.«

2.