Rettungskreuzer Ikarus 73: Exogenesis - Ben Calvin Hary - E-Book

Rettungskreuzer Ikarus 73: Exogenesis E-Book

Ben Calvin Hary

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Beschreibung

Die Zwillinge Tiko und Boyle sind unzertrennlich. Als Kryptoarchäologen im Dienst eines mächtigen Technologiekonzerns durchforschen sie die Galaxis auf der Suche nach den Hinterlassenschaften untergegangener Rassen, die sich zu Patenten und Innovationen ausschlachten lassen. Als es auf einer der von ihnen untersuchten Welten aber zur Katastrophe kommt, trennt sie plötzlich ein unüberwindlicher Abgrund. Nun liegt es an Sentenza und der Crew der Ikarus, die beiden wieder zu vereinen – und das Geheimnis einer vor Äonen ausgestorbenen Zivilisation zu lösen.

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Seitenzahl: 141

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Inhalt

Impressum

Prolog

X − 5 Stunden

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X + 3 Jahre

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Impressum

Eine Veröffentlichung des Atlantis-Verlages, Stolberg Oktober 2018 Alle Rechte vorbehalten. © Dirk van den Boom & Thorsten Pankau Druck: Schaltungsdienst Lange, Berlin Titelbild: Eerilyfair Design Umschlaggestaltung: Timo Kümmel Endlektorat: André Piotrowski ISBN der Paperback-Ausgabe: 978-3-86402-633-1 ISBN der E-Book-Ausgabe (EPUB): 978-3-86402-641-6 Besuchen Sie uns im Internet:www.atlantis-verlag.de

Prolog

Der Rettungskreuzer Ikarus des Freien Raumcorps wird dafür eingesetzt, in der besiedelten Galaxis sowie jenseits ihrer Grenzen all jenen zu helfen, die sich zu weit vorgewagt haben, denen ein Unglück zugestoßen ist oder die anderweitig dringend der Hilfe bedürfen. Die Ikarus und ihre Schwesterschiffe sind dabei oft die letzte Hoffnung bei Havarien, Katastrophen oder gar planetenweiten Seuchen. Die Crew der Ikarus unter ihrem Kommandanten Roderick Sentenza wird dabei mit Situationen konfrontiert, bei denen Nervenstärke und Disziplin alleine nicht mehr ausreichen. Man muss schon ein wenig verrückt sein, um diesen Dienst machen zu können – denn es sind wilde Zeiten …

X − 5 Stunden

Blödes Weltraum-Virus! Tiko Enduro stützte sich mit der Hand gegen die Polimerglasfront der Quarantänekapsel, in der er und der Doktor steckten. Alles drehte sich. Ihm war speiübel. Sein Kopf brummte und sein Hals fühlte sich an, als hätte er mit Säure gegurgelt. Krank war kein geeigneter Ausdruck für diesen Zustand. Er lag, verdammt noch mal, im Sterben! Zumindest kam es ihm so vor.

Und Boyle, seinem Zwillingsbruder, fiel derweil nichts Besseres ein, als draußen mit Tikos Freundin Teela Händchen zu halten und ihn dabei anzugrinsen. Am liebsten hätte Tiko ihm eine dafür gelangt, aber die trennende Glaswand und seine Übelkeit hinderten ihn daran.

Nur halb bei Bewusstsein, lauschte Tiko dem Fiepen aus Jovian Anandes Instrumenten. Der Bordarzt des zur Hilfe geeilten Rettungskreuzers Ikarus stand hinter ihm und verpasste ihm eine Injektion nach der anderen. Tikos Bizeps war bereits wund von den zahlreichen Hochdruckspritzen, die er über sich ergehen lassen musste. Aber wenigstens hielten die verabreichten Medikamente ihn halbwegs im Hier und Jetzt. Nach drei Tagen, die er meist im Koma verbracht hatte, war das immerhin eine Verbesserung.

»Wird schon, Digger!«, nuschelte Boyle, wie es seine Art war. Die Außenmikrofonfelder nahmen seine Worte auf und übertrugen sie ins ansonsten schalldichte Innere der Kapsel.

Die Quarantänekapsel ruhte zwischen zwei Landestützen des Rettungskreuzers und war fest mit einem hydraulischen Lift verbunden, der aus einer kreisrunden, offen stehenden Bodenschleuse ragte. Es handelte sich um eine technische Erweiterung, die die Rettungsabteilung dem Kreuzer, wie Anande Tiko erzählt hatte, erst kürzlich verpasst hatte, um die Kontamination des Schiffsinneren durch hochgradig ansteckende Patienten zu vermeiden. Hinter der Schleuse, so viel wusste Tiko, befand sich die Isolationsstation der Ikarus. In jener sollte er die Reise nach Vortex Outpost verbringen, wo er sich nach Anandes Willen weiteren Untersuchungen unterziehen sollte.

Ein Isolationsanzug hätte es auch getan … Tiko fand den Einsatz dieser saudummen Kapsel völlig überzogen und hatte den Verdacht, dass der Arzt sie nur benutzte, um so das neue Spielzeug ausprobieren zu können. Wenigstens nahm der Mann seine Aufgabe ernst.

Sehnsüchtig starrte Tiko durch das Glas nach draußen und blickte in das schmale, jugendliche Gesicht seines Bruders, von dem er wusste, dass es auch sein eigenes war: das typische, bübische Enduro-Lächeln und die hellgrauen, mandelförmigen Augen, aus denen er ihn anblinzelte.

»Is’ doch nur für ein paar Tage, Brudi. Der Doc wird dich schon richten.« Boyles gute Laune wirkte gespielt.

Teela, die neben Boyle stand, nickte aufmunternd und strich sich das halblange, dunkelbraune Haar aus der Stirn. Ihr Lächeln entblößte zwei Reihen gerader, weißer Zähne. »Zwei Wochen auf Vortex Outpost, und du bist wie neu, Schatz«, stimmte sie Boyle zu. Unbewusst legte sie seinem Bruder die Hand auf den Oberarm.

Zumindest hoffte Tiko, dass sie es unbewusst tat. Die Geste versetzte ihm einen Stich.

»Ihr habt gut reden. Ihr steckt nicht hier drin«, maulte er. »Ich will hier raus!« Wieder kämpfte er gegen den Brechreiz.

Er ließ den Blick an Boyle und Teela vorbei über das Land und den jungen Forschungsaußenposten des Raumkorps streifen, in der die Zwillinge, Teela und rund fünfzig andere bei Cryptek angestellte Wissenschaftler lebten und arbeiteten.

Der Gasriese Pregula, auf dessen zehntem Mond Kappa sich die Siedlung befand, dominierte den zartblauen Horizont. Gemächlich stieg sein riesenhafter Umriss über die sanft geschwungenen, bewaldeten Hügelkuppen des Talkessels. Hinter dem Landefeld schloss sich eine Reihe standardisierter Modulbauten an, wie der Explorationskonzern Neue Welten sie für Neugründungen von Kolonien auf unerschlossenen Randwelten zur Verfügung stellte. Sie beherbergten Labore, Konferenzräume sowie die Arbeits- und Wohnräume der Wissenschaftler. Ihre chromfarbenen Dächer blitzten im harten Licht der Sonne Perron.

Kappa war keine reiche Welt und die Behausungen keineswegs luxuriös. Auf Tiko wirkte das Draußen trotzdem verheißungsvoll. Alles war besser, als eingesperrt zu sein.

»Hören Sie auf Ihren Bruder und Ihre Freundin«, sagte Jovian Anande in beruhigendem Tonfall. Die Worte drangen gedämpft unter der weißen Atemmaske hervor, die seine untere Gesichtshälfte zum Schutz vor dem Kappanischen Virus bedeckte. Der Arzt legte ihm den Fühler eines zweiten Analysegeräts auf den entblößten Oberarm.

Kaltes Metall presste sich gegen Tikos Bizeps. Gleichzeitig fuhr eine Nadel aus dem Fühler, durchstach seine Haut und entnahm ihm eine Blutprobe. Nur mit Mühe unterdrückte er einen Aufschrei.

Boyle schob mit schuldbewusster Miene Teelas Hand von seiner Schulter, trat bis dicht vor die Kapsel und legte von außen die Finger an die Scheibe.

Tiko erwiderte die Geste. Ohne das Glas hätten ihre Fingerspitzen sich berührt. Ihm war zum Heulen. Wie lange lag es zurück, dass sie zum letzten Mal getrennt gewesen waren?

Weder der Unfalltod ihrer Eltern vor fünfzehn Jahren noch das Kryptoarchäologiestudium oder diverse Liebschaften hatten es geschafft, die sechsundzwanzigjährigen Brüder länger als einige Tage auseinanderzubringen. Diese Ehre gebührte Pregula Kappa, einer Welt im entlegensten Winkel des galaktischen Outback – oder vielmehr den fremden Hinterlassenschaften in ihrem Inneren.

»Du bist nur sauer, weil du außer dir keinen hast, auf den du wütend sein kannst«, sagte Boyle schulterzuckend und niemand außer Tiko kannte ihn gut genug, um die unterdrückte Wut und Verzweiflung in seiner Stimme zu hören. »Kein Mensch hat dich gezwungen, die Kaverne ohne Schutzanzug zu betreten. Doktor Shushmo hat dich sogar davor gewarnt. Du kanntest Crypteks Sicherheitsprotokolle und die Analysen der Prospektoren. Du wusstest, dass dort unten ein unbekannter Erreger lauert. Aber es war dir egal.«

Tiko antwortete nicht. Erschöpft schloss er die Augen. Seine Nerven lagen blank. Alles an dieser Situation kotzte ihn an: die Enge, die Übelkeit, Teelas Hand auf Boyles Arm.

Boyle hatte recht. Es war seine Entscheidung gewesen, die Gefahr zu ignorieren und ohne Schutzkleidung in das riesenhafte Höhlengewölbe unter Kappas Oberfläche einzudringen. Aber was hätte er sonst tun sollen? Die klobigen Schutzanzüge mit ihren hermetisch schließenden Helmen machten ihn nun mal klaustrophobisch.

Verglichen mit der Enge dieser Kapsel schien ihm der Schutzanzug nun jedoch ein lächerliches Übel. Er konnte sich nicht herumdrehen, ohne dem Doktor den Ellenbogen in den Bauch zu rammen.

Tiko hustete trocken und nahm die Hand von der Scheibe, um sie sich vor den Mund zu halten. »Ich … weiß«, brachte er zwischen den Hustenstößen hervor. »Aber dass du gleich Panik bekommen und die Rettungsabteilung zur Hilfe rufen musstest …«

Er ließ den Satz unvollendet.

Er wusste, dass die Sanitäterin Mina Megra, die dem Stützpunktslazarett vorstand, keine vollwertige Medizinerin und mit der Behandlung des fremden Erregers überfordert gewesen war. Der Konzern verstand sich meisterlich auf Sparmaßnahmen, die an mutwillige Körperverletzung grenzten. Zweifelhafte und leichtsinnige Personalentscheidungen wie der Verzicht auf einen ausgebildeten Arzt für den neuen Außenposten gehörten dazu. Hätte Boyle nicht die Nerven verloren, wäre Tiko vermutlich nie in den Genuss der notwendigen Kombimedikamente gekommen und jämmerlich verreckt.

Eigentlich hätte er also dankbar sein müssen. Aber was, wenn die Besatzung der Ikarus anfing, Fragen zu stellen?

»Ich verstehe nicht, warum Sie mich in einen Glassarg sperren und warum Sie mich nicht hier im Außenposten behandeln können, Doc«, wagte er einen letzten Versuch, den drohenden Abtransport zu verhindern. »Meine Kollegen und ich stehen vor großen Entdeckungen im Inneren dieses Mondes. Wichtige Arbeit liegt vor mir. Und Sie sagten selbst, dass der Kappanische Virus womöglich gar nicht ansteckend ist.« Frustriert hieb er mit der Faust gegen die Scheibe.

»Mit Betonung auf womöglich. Die Quarantäne ist eine reine Sicherheitsmaßnahme«, widersprach Anande sachlich und zog eine Ampulle aus der Tasche seiner Kleidung. »Und um auszuschließen, dass tatsächlich keine Seuchengefahr mehr von Ihnen ausgeht, benötige ich die Instrumente auf Vortex.«

Er legte die Ampulle in den Injektorteil des Analysegeräts und hielt ihn erneut gegen Tikos Arm. »Dies ist fürs Erste der letzte Medococktail, den ich Ihnen verabreiche. Er wird die Übelkeit neutralisieren. Vermutlich.«

Zischend entlud sich der Injektor. Das Medikament brannte unter Tikos Haut, als hätte dort jemand ein Streichholz entzündet. Tränen schossen ihm in die Augen.

Jenseits des Landeplatzes, zwischen den Modulbauten, erschienen zwei Männer in Begleitung eines wandelnden Baums und kamen auf die Ikarus und die Quarantänekapsel zu. Sie unterhielten sich miteinander. Ihre Schatten fielen als schwarze, wie gemeißelt wirkende Umrisse auf den gehärteten Bodenbelag – der typische Schattenwurf auf Kappa. Die Atmosphäre des Mondes war atembar, aber dünn und streute das harte, weiße Licht der Sonne nur wenig.

Den linken der beiden Männer kannte Tiko. Es war Inneas Pennecz, ein etwa Vierzigjähriger mit schütterem Haar und einem beginnenden Doppelkinn, den Cryptek Inc. als verwaltenden Leiter der jungen Forschungskolonie angestellt hatte.

Der andere war ein sportlich wirkender, an den Schläfen ergrauter Mann mit schmaler Nase und kantigem Kinn. Seine korrekt sitzende Borduniform zeichnete ihn als Besatzungsmitglied der Ikarus aus. Den Rangabzeichen nach zu urteilen, handelte es sich um Roderick Sentenza, den Kommandanten des Rettungskreuzers.

Der Baum war in Wahrheit ein Pentakka, der auf seinen Wurzelfüßen zwischen den Menschen über das Landefeld glitt. Seine winzigen Punktaugen starrten Tiko und den Umstehenden neugierig entgegen.

»Bereit zum Aufbruch, Jovian?«, begrüßte der Pentakka den Arzt, als die Dreiergruppe herangekommen war. »Dieser Außenposten ist unspektakulärer, als ich hoffte. Und die Wissenschaftler hier sind nicht bereit, meine Neugier bezüglich ihrer Arbeit zu befriedigen. Ich durfte nicht mal erfahren, was der Gegenstand ihrer Forschungen ist.« Er klang enttäuscht.

Pennecz lachte gekünstelt. Sein wie immer glatt rasiertes Gesicht blieb ausdruckslos. Tiko bildete sich ein, den scharfen Duft von Pennecz’ Rasierwasser durch die Scheibe zu riechen, was natürlich Blödsinn war.

»Wir stehen unter Schweigepflicht, Mr. Thorpa«, erklärte er wahrheitsgemäß. »Es gibt viele Unternehmen wie unseres, die sich der Auswertung von verloren geglaubter Technik aus der Ära vor der Großen Stille verschrieben haben. Cryptek schützt seine Pfründe gut. Sie verstehen das sicher.«

Sentenza nickte. Es schien ihm gleich zu sein.

»Wir haben alle hier stationierten Wissenschaftler befragt«, wandte der Kommandant der Ikarus sich an seinen Bordarzt im Inneren der Kapsel. »Mr. Enduro hat sich infiziert, indem er einen als gefährlich markierten Bereich ohne Schutzkleidung betrat. Nach unseren Erkenntnissen und deinen Untersuchungsergebnissen, Jovian, lässt sich ausschließen, dass es noch weitere Betroffene gibt. Es scheint sich bei Mister Enduro um einen bemerkenswerten Einzelfall zu halten.«

»Bemerkenswert dämlich, ja«, nuschelte Boyle mit zusammengebissenen Zähnen.

Teela stieß ihm tadelnd den Ellenbogen in die Rippen.

Anande nickte. »Von mir aus können wir aufbrechen. Der Patient ist stabilisiert.«

»Ich verlasse mich darauf, dass er vollständig geheilt wird, Doktor«, sagte Pennecz und schaffte es sogar, seiner Stimme einen besorgten Klang zu geben. »Tiko Enduro ist einer unserer wertvollsten Mitarbeiter.«

Heuchler, dachte Tiko mit heimlichem Zorn. Dir geht’s doch nur drum, deine Quoten zu erfüllen und den Aufsichtsrat zufriedenzustellen. Er war jedoch zu schwach, um laut zu protestieren.

Durch die Spiegelung im Glas erkannte Tiko, wie Anande hinter ihm unsicher mit den Schultern zuckte. »Meine Geräte behaupten, dass der Kappanische Virus nicht vom Menschen auf andere Menschen übertragbar ist«, antwortete er und verstaute den Injektor endgültig in der Tasche. »Zwar ist mein Analysator für die Diagnose unbekannter Krankheiten ausgelegt, aber dieser Erreger ist … nun, seltsam.«

Jovian schob sich neben Tiko an die Frontscheibe, so gut die Enge der Kapsel es erlaubte, hielt das Analysegerät dagegen und zeigte Pennecz die Ergebnisse von Tikos Blutprobe.

Tiko machte sich so schmal wie möglich, um dem Arzt Platz zu lassen. Auf dem Display des Analysators erkannte er für eine Sekunde grünlich flimmernden Text vor dunkelgrünem Hintergrund: DNA-Sequenzen, virologische Analysen und Ähnliches. Nichts davon ergab für Tiko einen Sinn. Er war Kryptoarchäologe. Von Medizin verstand er nichts.

»Ich habe so etwas noch nie gesehen«, führte Anande aus. »Dieser Erreger ist hochadaptiv und passt sich seinem jeweiligen Wirtsorganismus in atemberaubender Geschwindigkeit an. Seine Erbsubstanz besteht größtenteils aus klassischer RNA, aber andere Bestandteile haben fast polymerhafte Qualitäten. Ich bin kein Bioingenieur, aber auf mich wirkt dieser Organismus, als sei er künstlich geschaffen worden.«

»Geschaffen? Von wem?«, hakte Sentenza nach.

»Das ist die Eine-Million-Credit-Frage.« Anande zuckte mit den Schultern. An Pennecz gewandt, fuhr er fort: »Wo, sagten Sie, hat Mr. Enduro sich angesteckt?«

Tiko und Boyle warfen einander durch die Scheibe Blicke zu und Tiko sah seinem Bruder an, dass er dasselbe dachte wie er: Das Fundstück unterliegt der Geheimhaltung. Der Leiter wird mich eher sterben lassen, als zu verraten, wo ich auf den Erreger gestoßen bin.

Das, was ein Prospektor des Konzerns vor anderthalb Jahren im Inneren Kappas entdeckt hatte und worüber Cryptek Inc. seither den Mantel der Geheimhaltung breitete, war so etwas wie der heilige Gral der Kryptoarchäologie. Es grenzte an ein Wunder, dass Pennecz Sentenza und seinen Mannen überhaupt die Landung gewährt hatte. Der Leiter der Forschungsstation hatte ein Händchen dafür, die Interessen des Konzerns dem gesunden Menschenverstand vorzuziehen.

»Mir sind die Hände gebunden«, entgegnete Pennecz erwartungsgemäß und breitete bedauernd die Arme aus. »Schon dass Mr. Enduros Bruder die Rettungsabteilung zur Hilfe rief, war ein Protokollverstoß.«

»Es war gut, dass er es getan hat«, ereiferte sich Teela und deutete auf Tiko. »Sehen Sie ihn sich doch an! Boyle hat Ihrem wichtigen Mitarbeiter vermutlich das Leben gerettet. Dass diese Kolonie selbst nach Monaten noch keinen eigenen Mediziner hat, ist eine Schweinerei. Wann erhört Cryptek endlich unsere Forderungen?«

Tiko schluckte. Sehen Sie ihn sich doch an?, echote Teelas Stimme durch seine Gedanken. Wie sah er denn aus? So schlimm? Vergeblich versuchte er, sein Spiegelbild in der Scheibe zu erhaschen.

»Ihre Geheimnisse interessieren mich nicht«, setzte Anande an, »aber im Sinne des Patienten muss ich darauf bestehen …«

Pennecz fuhr ihm in schärferem Tonfall ins Wort: »Selbst wenn ich wollte, ich dürfte keine Auskunft geben. Cryptek würde uns alle wegen Vertragsbruch einkerkern. Wir alle haben eine Verschwiegenheitsklausel unterzeichnet.«

Bei dem Wort alle fixierte er Tiko böse und dieser verstand die Drohung. Der Arm von Crypteks Sicherheitsabteilung war lang. Die Firma würde ihren Claim auf die Fundstücke auf jeden Fall schützen. Auch auf Vortex Outpost war Tiko also an seine Schweigepflicht gebunden.

Vermutlich hat die Besatzung der Ikarus sich ohnehin alles schon von selbst zusammengereimt, tröstete er sich. Die Fachdisziplinen der Wissenschaftler, die hier lebten, sprachen für sich: Er und Boyle als Kryptoarchäologen, Teela als Paläotechnikerin. Dazu Ingenieure, Physiker, Ausgrabungstechniker – und nicht zuletzt Cryptek selbst als Sponsor der Kolonie. Wenn das nicht genügend Hinweise darauf waren, dass sie hier irgendeine uralte, fremde Hinterlassenschaft eines verschwundenen Alienvolkes ausbuddelten, was dann?

»Wie Sie wollen«, beschwichtigte Anande den Vorsteher. »Die medizinischen Geräte auf Vortex Outpost sind jenen an Bord der Ikarus überlegen. Sobald dort die Untersuchungen abgeschlossen sind, wissen wir Genaueres.«

Sentenza räusperte sich. »Nun gut. Wir starten in wenigen Minuten. Verabschieden Sie sich voneinander«, schlug er vor und nickte Pennecz knapp zu. Dann drehten er und Thorpa sich um und kehrten zur Mannschaftsschleuse der Ikarus zurück.

Teela hauchte Tiko einen Handkuss zu. »Bis in zwei Wochen, Schatz«, sagte sie ernst und wandte sich zögerlich ab. Während sie zur Siedlung zurückkehrte, blickte sie mehrmals über die Schulter zu ihm zurück.

»Bis dann«, murmelte Tiko erschöpft. Seine Freundin würde ihm fehlen. Aber nicht so sehr wie sein Zwillingsbruder.

»Ich kann immer noch mitkommen«, schlug Boyle vor. »Teela und Dr. Shushmo kommen sicher auch ein paar Tage ohne uns beide aus.«

Einen kurzen, schmerzhaften Moment lang war Tiko versucht, das Angebot anzunehmen. Traurig legte er erneut die Hand gegen das Glas. Er verfluchte die Barriere. Sie machte den Abschied umso schwerer.

Dann gab er sich einen Ruck und schüttelte den Kopf, obwohl der Schwindel ihn dabei in die Knie zwang. »Die Vertragsfrist läuft ab. Wenn wir bis zum Stichtag kein Ergebnis in Form eines auswertbaren Patentes liefern, erhalten wir kein Honorar. Einer von uns beiden muss hierbleiben und die Arbeit fortsetzen.« Erschöpft stützte er sich gegen Anande, der ihm hilfsbereit den Arm hinstreckte. Das Reden kostete Tiko Kraft.

»Hast recht«, antwortete Boyle wortkarg. »Dann bis in ein paar Tagen.«

»Klar hab ich recht. Hau schon ab, bevor einer von uns anfängt zu flennen.« Es sollte ein Witz sein, doch Tikos Stimme zitterte.

Schwermütig senkte Boyle den Kopf und folgte Teela über das Landefeld zur Siedlung zurück.

Der Hydrauliklift hob die Quarantänekapsel mit Tiko und Anande in den Bauch des Rettungskreuzers und die Bodenschleuse schloss sich unter ihnen. Wenig später hob sich die Ikarus