Rettungskreuzer Ikarus 88: Heiße Fracht nach Seiros - Michael Mühlehner - E-Book

Rettungskreuzer Ikarus 88: Heiße Fracht nach Seiros E-Book

Michael Mühlehner

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Beschreibung

Er träumt vom Krieg und sehnt sich nach glorreichen Schlachten. Fürst Kleimo von Ammerich sieht endlich seine Stunde gekommen und stürzt den Planeten Seiros in einen tödlichen Konflikt. Als Sonja DiMersi sich aus den Händen des zwielichtigen Geschäftsmanns Wauk Nurgant befreien kann, wird ihre Flucht zu einer dramatischen Odyssee durch den Maragone-Sektor. Dabei ahnt sie nicht, dass sich ihr Schicksal auf Seiros entscheiden soll.

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Inhalt

Impressum

Prolog

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Impressum

Eine Veröffentlichung des Atlantis-Verlages, Stolberg Januar 2023 Alle Rechte vorbehalten. © Dirk van den Boom & Thorsten Pankau Druck: Schaltungsdienst Lange, Berlin Titelbild und Umschlaggestaltung: Timo Kümmel Endlektorat: André Piotrowski ISBN der Paperback-Ausgabe: 978-3-86402-876-2 ISBN der E-Book-Ausgabe (EPUB): 978-3-86402-877-9 Besuchen Sie uns im Internet:www.atlantis-verlag.de

Prolog

Der Rettungskreuzer Ikarus des Freien Raumcorps wird dafür eingesetzt, in der besiedelten Galaxis sowie jenseits ihrer Grenzen all jenen zu helfen, die sich zu weit vorgewagt haben, denen ein Unglück zugestoßen ist oder die anderweitig dringend der Hilfe bedürfen. Die Ikarus und ihre Schwesterschiffe sind dabei oft die letzte Hoffnung bei Havarien, Katastrophen oder gar planetenweiten Seuchen. Die Crew der Ikarus unter ihrem Kommandanten Roderick Sentenza wird dabei mit Situationen konfrontiert, bei denen Nervenstärke und Disziplin alleine nicht mehr ausreichen. Man muss schon ein wenig verrückt sein, um diesen Dienst machen zu können – denn es sind wilde Zeiten …

Die Geschichte der Völker der Maragone-Zone ist eine lang anhaltende Aneinanderreihung blutiger Konflikte und barbarischer Kriege.

Nicht unerheblich scheint in diesen Zusammenhang die kosmische Nähe zum unsteten Pulsar Polyphems Auge zu sein. Nach neuesten, doch nicht gesicherten Erkenntnissen emittiert der Neutronenstern bei seinen Ausbrüchen eine psionische Strahlung, die Psyche und Bewusstsein der ansässigen Völker beeinflusst.

Im Allgemeinen wird den Zivilisationen des Maragone-Sektors eine gewisse Rückständigkeit nachgesagt. Es gibt Spuren einstiger Hochkulturen, doch löschten sich diese in erbarmungslosen Kriegen gegenseitig aus. Welche Gründe dazu führten, blieb bisher im Dunkel der Geschichte verborgen.

Gegenwärtig werden acht Sonnensysteme von raumfahrenden Völkern bewohnt. Jeder Planet steht für ein abgesondertes Regierungssystem. Eine gemeinsame politische Struktur gibt es nicht. Verbindendes Glied im Maragone-Sektor ist eine Organisation, die sich »die Gilde« nennt. Sie hat das Monopol auf Transport und Raumfahrt, und sie betreibt auch das einzige Sprungtor des Sektors.

Bis auf stellare Handelsbeziehungen verwaltet sich jede besiedelte Welt autark. In wirtschaftlicher Hinsicht spielt der Maragone-Sektor keine Rolle auf den großgalaktischen Handelsmärkten. Einzig und allein das hohe Vorkommen an verunreinigten Hyperkristallen zieht das Augenmerk von Konzernen, Firmengesellschaften und Konsortien immer wieder an. Doch die Gewinnmarge nach Abschluss der kostenintensiven Reinigung der Kristalle ist gering. Um die Ausgaben niedrig zu halten, werden Prospektoren und Zwangsarbeiter eingesetzt. Über die Art der Bezahlung und des sozialen Versorgungswesens entscheiden grundsätzlich die Kapitalgesellschaften.

Erwähnenswert ist auch eine starke Konzentration religiöser Glaubensgemeinschaften. Eine Vielzahl von Sekten ist hier anzutreffen; über fünfzig Prozent davon vertritt eine entropische oder endzeitliche Ausrichtung.

Der Maragone-Sektor befindet sich in einem abgelegenen Seitenarm der Milchstraße und durchmisst einen relativen Kubus von achthundert Lichtjahren.

Aus den ›Volksgeschichtlichen Aufzeichnungen‹ des Galaktohistorischen Museums auf Estona

Eine gespenstische Stille hatte von den Hallen und Sälen des Galaktohistorischen Museums auf Estona Besitz ergriffen. Einzig ein Geräusch geisterte durch die hohen Gänge, verklang in den weiträumigen Fluchten des Gebäudes wie das ersterbende Seufzen eines Spuks. In der Luft hing noch der schale Geruch von Feuer und Rauch, von ionisierten Molekülen abgefeuerter Strahlenwaffen, von verbranntem Fleisch und von zerschmolzenen Materialien. Der Geschmack von Blut schwebte wie ein feines Gespinst in den Räumen, unsichtbar, doch allgegenwärtig. Der Hauch des Todes durchwob das Museum.

Von einer Galerie blickte Gildemeister Elohim auf die leer geräumte Vorhalle, in der das Massaker geschehen war.

Sichtbare Spuren gab es nicht mehr, nur die eingebildeten Geister der Sterbenden und Kämpfenden, des Amok laufenden Satoi und der zahlreichen Opfer.

Neben der schweigenden Gestalt des Gildemeisters flimmerte die Luft in leichten Gelbtönen und zeichnete eine Kontur nach, die der Erscheinung Elohims ähnelte. Ein zweieinhalb Meter großer Riese mit kantigem Schädel und einem goldfarbenen Auge in der Mitte der Stirn.

Die holografische Projektion des Hauscomputers.

»Einer Neueröffnung stünde nichts mehr im Wege«, sagte die weiche Computerstimme. »Alle Spuren des Vorfalls wurden beseitigt. In den Lagerräumen warten Exponate, um die zerstörten Ausstellungsstücke zu ersetzen. Die Schäden an den Versorgungsleitungen wurden behoben. Das museumseigene Informationsnetz ist repariert.«

Daten, die Elohim nicht neu waren. Daher zeigte er nur wenig Interesse daran.

Das neu gebaute Museum hatte die Gilde noch nie gekümmert. Für die Zyklopmiden war die Einrichtung eine Verschwendung von Geld und Ressourcen. Die Organisation hatte das diesbezügliche Vorhaben der acht Planetensysteme des Maragone-Sektors kaum unterstützt, sondern nur für den reibungslosen Transport von Gütern gesorgt. Außerdem, und dies war der Hauptgrund der Zurückhaltung, war der Gilde an einer Vernetzung der verschiedenen Planeten nicht gelegen. Welten, die autark und sich selbst überlassen blieben, waren leichter zu kontrollieren und zu steuern. Die Gilde kam für den Umschlag der Waren auf und hielt somit faktisch das Handelswesen und die Nachrichtenpolitik in den Händen. Letztendlich beherrschte sie damit die besiedelten Sonnensysteme. Diesen Zustand zu erhalten, war oberste Prämisse.

Ein Galaktohistorisches Museum, das eventuell auf Zusammenhänge aufmerksam machte, die besser unerkannt blieben, passte daher nicht in das Konzept der Organisation.

»Über eine Neueröffnung wird zu gegebener Zeit entschieden«, sagte der Gildemeister mit seiner rauen Stimme, die an das Zermahlen von Steinen erinnerte. Es gab andere Punkte, die Anlass zur Besorgnis gaben.

Die Aktivitäten des unsteten Pulsars Polyphems Auge passierten gerade zu einer Unzeit. In vier Sonnensystemen stand die Ernte an, die eingebrachten Güter warteten in Lager- und Kühlhäusern auf den Abtransport durch Frachter. Doch die hochfrequente Neutronenstrahlung des Pulsars beeinträchtigte die Raumfahrt, beeinflusste den Hyperfunkverkehr und sorgte auch sonst für zahlreiche Probleme. Herausforderungen, die es zu meistern galt. Die Gilde hatte Erfahrung darin und Elohim war zuversichtlich, dass sich der Ernteausfall in Grenzen hielt.

Anders stand es um die Gerüchte, die seit ein paar Tagen auf Estona grassierten.

Spitzel und Spione der Gilde hatten sie aufgeschnappt.

Angeblich wäre das Archiv der Sterne gefunden und zerstört worden. Der Rettungskreuzer Ikarus hätte dabei eine nicht unerhebliche Rolle gespielt. Eine letzte Sichtung des Kreuzers war aus dem Tara-System gemeldet worden. Von da an blieb das Schiff spurlos verschwunden. Es war auch zu keinerlei Kontakt mehr gekommen. Steckte Absicht dahinter? Ignorierte Captain Sentenza die Order des Raumcorps, mit der Gilde zusammenzuarbeiten?

Raumcorps und Gilde war gleichermaßen an einer lückenlosen Aufklärung des Attentats gelegen; beide hatten viel zu verlieren.

Elohim musste sich eingestehen, dass die Crew des Schiffes gute Polizeiarbeit abgeliefert hatte. Deshalb ließ der Gildemeister die Ikarus-Besatzung an der langen Leine agieren, leider unterschätzte er dabei die Gewieftheit Sentenzas. Jetzt war das Schiff verschwunden und Elohim blieb nichts anderes übrig, als die Ikarus zur Fahndung auszuschreiben. Die Crew sei unter Arrest zu stellen. Es waren zu viele Fragen offen und Elohim konnte nicht riskieren, ins Hintertreffen zu geraten. Nach wie vor musste die Gilde alle Fäden in den Händen halten.

Da die Hyperfunkübertragungen zum Teil gestört wurden, blieb es bis jetzt ungewiss, ob der Fahndungsaufruf alle Planetensysteme erreicht hatte. Sobald die Hyperstürme im Weltraum abflauten, wollte Elohim Kuriere ausschicken. Die Schiffe der Gilde und das Sprungtor waren instruiert. Momentan blieb dem Gildemeister nichts anderes übrig, als abzuwarten und der Dinge zu harren.

»Man könnte …«, blieb die Holoprojektion des Museumscomputers hartnäckig.

»Nein«, unterbrach der Zyklopmide barsch. »Computer, Hologramm löschen, in Stand-by-Modus gehen. Energiesparmodus für das ganze Museum.«

Mit einer ruppigen Bewegung fuhr der zweieinhalb Meter große Riese herum und stampfte auf seinen Säulenbeinen den Arkadengang zurück. Das dreieckige Auge in dem kantigen Gesicht glühte dabei wie flüssiges Gold.

»Passt mir bloß mit den Bohrköpfen auf. Die Teflonidbeschichtung war extrem teuer. Geht behutsam damit um!« Elmer Trasks angespannte Stimme drang überlaut aus den Funkempfängern der Raumhelme.

Mit einem Codewort regulierte Jericho die Lautstärke nach unten.

»Ich habe euch die Koordinaten auf die Anzugsysteme überspielt. Ihr müsstet die Position in zehn Minuten erreichen.« Obwohl Trask ein alter und erfahrener Prospektor war, bekam er seine Nervosität nicht ganz in den Griff.

Das hatte wohl damit zu tun, dass ihre Unternehmung nicht ganz legal war.

Das Schürfgebiet, das man ihnen zugewiesen hatte, lag im Sektor Segment siebzehn, abgelegen auf der anderen Seite des planetenlosen Sonnensystems. Der Asteroid MJ-310521, ein dreißig Kilometer langer und zwölf Kilometer dicker Brocken, gehörte zur Trümmerwolke in Segment sieben, einer Zone, in der sie nichts verloren hatten. Wenn das KAI-Konsortium ihnen auf die Schliche kam, würde das unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen.

Umso vorsichtiger mussten sie agieren. Beinahe antriebslos schwebte die Auntil, ein fünfundzwanzig Meter langes, kantiges Boot, neben dem kartoffelförmigen Asteroiden. Der Abstand betrug knapp zweitausend Meter. Im Cockpit hatte Elmer Trask alle Hände voll zu tun, um die unmittelbare Umgebung im Auge zu behalten. Immer wieder näherten sich andere Trümmerbrocken gefährlich dem Standort der Auntil. Zwar hatte das Schiff den Prallschirm aktiviert, sozusagen als letzte Sicherheitsmaßnahme, doch wollte Trask nach Möglichkeit Kollisionen vermeiden.

Die Trümmerwolke bestand aus Zigtausenden von unterschiedlich großen Gesteins- und Eisbrocken, Überreste der Planetenfamilie, die ihr Dasein beendet hatte, als die Sonne kollabierte und in einem Energieinferno alle ihre Kinder zerstörte. Ein Vorgang, der sich vor Jahrzehntausenden ereignet hatte und nicht ungewöhnlich im Maragone-Sektor war.

Der Sternenbezirk zählte zu den ältesten Bereichen in der Milchstraße, ein abgelegener Seitenarm der Galaxis mit hyperphysikalischen Anomalien. In kosmischen Maßstäben betrachtet, waren die Sonnen und Gestirne alt, ausgebrannt, verbraucht, umgeformt zu Quasaren und Neutronensternen, das Kontinuum der Raum-Zeit-Struktur zerfressen von hyperdimensionaler Strahlung, von den Kräften planetarer Nebel und den Energieemissionen explodierender Supernovae. Hyper-Gamma-Extensionen perforierten die Grundlagen naturphysikalischer Regeln. Und trotzdem hatte das Leben seinen Platz in diesem kosmischen Sektor gefunden.

Ein immerwährender Kampf um die Existenzberechtigung des Daseins – mit oftmals unvorhersehbarem Ausgang.

In jenem Sonnensystem hatte das Leben diesen Kampf vor Jahrtausenden verloren.

Jericho feuerte seine Nitrogenpistole ab und nutzte den Rückstoß zur Annäherung an den Asteroiden.

Im Licht der langsam erkaltenden Sonne glänzte die Oberfläche anthrazitfarben. Eiskristalle spiegelten sich darin wie glühende Dämonenaugen.

Die Ausrüstung der Prospektoren bestand zum großen Teil aus selbst gebauten Gerätschaften und Hilfsmitteln. Auch die Raumanzüge zeigten Spuren deutlicher Überarbeitung. Es waren nicht die neuesten Monturen, die Betriebssysteme lieferten nur elementare Anzeigen, von Hightech konnte keine Rede sein. Jerichos Anzug war etwas moderner.

Der hochgewachsene Mann gehörte erst seit wenigen Wochen zum Team. Das vormals vierte Mitglied der Gruppe war erkrankt und Jericho hatte die Chance genutzt, die sich ihm bot.

Der Pitcairner führte ein ruheloses Nomadenleben, ständig auf der Suche nach Abenteuern und Abwechslung. Um sein Vagabundenleben zu finanzieren, nahm er alle möglichen Arbeiten an. Diesmal war es der Job eines Prospektors, auch wenn er nur die Hälfte seines Anteils bekam. Die andere Hälfte würde für Hasan Wuns Behandlung zurückgelegt werden. Jericho hatte sich auf den Deal eingelassen; alles war besser, als auf einer der Welten des Maragone-Sektors zu versauern.

Das Prospektorteam bestand aus vier Mann: Elmer Trask, die Gebrüder Stalmen und Hasan Wun sowie Pjetr Kossok – und jetzt Jericho. Sein Vorgänger Hasan Wun befand sich in einem Hospital, wo man seine Strahlenvergiftung mit mäßigem Erfolg behandelte. Für ein besser ausgestattetes Krankenhaus reichte das Geld nicht. Deshalb hatte sich das Team dazu entschlossen, sein Glück auf MJ-310521 zu versuchen.

Man sagte Trask ein gewisses Gespür nach, was das Auffinden von seltenen Erzen und Elementen anging. Vielleicht hatte der alte Prospektor im Laufe der Jahre eine Paragabe entwickelt, einen mutierten Sinn. Vielleicht traf aber nichts dergleichen zu. Die nächsten Tage würden es zeigen.

Keiner der Raumanzüge verfügte über ein modernes Flugsystem. Deshalb benutzten die drei Prospektoren Nitrogenpistolen. Plumpe Geräte, die kalten Stickstoff verschossen und mittels des Rückstoßprinzips in der Schwerelosigkeit einen Flugtornister ersetzten. Dosiert wurde der Nitrogenausstoß mit dem Abzug. Die Ladung einer Kartusche reichte für ungefähr zehn Schübe. Jeder der Prospektoren hatte zwei Pistolen. Der Umgang mit diesem System musste wohlüberlegt und trainiert sein. Zu leicht konnte es passieren, dass man in eine Eigenrotation geriet und sich überschlug. Seinen Flug dann zu stabilisieren, bedurfte eines gewissen Geschickes.

Bisher hatte Jericho keine Probleme damit. Es war nicht das erste Mal, dass er mit Nitrogenpistolen arbeitete. Trotzdem durfte man nicht nachlässig werden. Noch einmal betätigte er kurz den Abzug. Der Rückstoß beförderte ihn direkt auf den Asteroiden zu. In einer leichten Parabel setzte er mit den klobigen Stiefeln auf. Sofort aktivierte er die Magnetsohlen und blieb wie eine Statue im aufgewirbelten Eisstaub stehen. Das Betriebssystem meldete Kontakt; die Magnetverbindung zum Boden bestand.

Die Stiefel waren unerlässlich für eine Fortbewegung auf dem Asteroiden, da dieser über so gut wie keine eigene Gravitation verfügte.

»Nun sieh sich einer unseren Grünschnabel an«, erklang Stalmen Wuns Stimme. »Das war ja eine Bilderbuchlandung, Jericho. Ich habe ja gleich gesagt, dass wir einen wie dich gebrauchen können.«

»Haltet nicht lange Palaver, sondern setzt die Bohrsonden! Und achtete darauf, dass ihr die Bohrer nicht zu hoch dreht. Unser Baby hier verfügt über eine eisenharte Hülle verschmolzener Erze. Und die ist gut sechs Meter dick. Geht es langsam an, aber trödelt nicht!«

»Schon okay, Elmer«, meldete sich Pjetr Kossok mit seiner rauen Stimme. »Wir machen das ja nicht zum ersten Mal.«

Während die Prospektoren mit seltsam steifen Schritten die Stelle erreichten, wo ein Stapel Kisten auf einer flachen Transporteinheit gelandet war, nahm Jericho den Mark-IV-Karabiner von der Schulter und kümmerte sich um die Sicherung. Es gehörte zu den Routineaufgaben, dass einer aus dem Team die Sicherung der anderen übernahm. Manchmal kam es vor, dass bereits andere Prospektoren einen Claim auf einem Asteroiden abgesteckt hatten, und dann waren Streitereien vorprogrammiert. Schlimm wurde es, wenn Roboter zur Absicherung zurückgelassen worden waren. Diese kannten kein Pardon und handelten rein nach ihrer Programmierung.

»Okay, Elmer«, hörte Jericho aus dem Funkempfänger. »Wir haben die Plattform erreicht und beginnen mit dem Aufbau.«

Die Lastenplattform hatte Elmer per Funkfernsteuerung abgesetzt. Der einzige Luxus, den sich die Prospektoren leisteten.

Jericho hätte den beiden Männern gern geholfen, doch die Aufgaben waren klar verteilt.

Vor dem Pitcairner streckte sich die Oberfläche des Asteroiden flach aus. Keine Erhebung versperrte die Sicht. Im Weltraum kreisten dunkle Schatten, Brocken aus Eisen, Staub und gefrorenen Eis.

Jericho musterte den Boden, es gab wenig Einschlagspuren. Ein paar Kratzer im dünnen Eispanzer. Fast keine Spuren im Metalluntergrund. Ein gutes Zeichen dafür, dass MJ-310521 nicht oft von anderen Meteoriten getroffen wurde.

In der Ferne erhoben sich bizarre Strukturen, geschaffen aus Gestein und Erzen, eckig, kantig. Mineralische Elemente. Die Aufschichtungen erreichten eine Höhe von bis zu dreißig Metern, projizierte der Anzugcomputer auf die Innenseite der Helmscheibe die Daten.

Jericho blickte kurz zu den zwei Prospektoren. Sie arbeiteten ruhig und konzentriert, ein eingespieltes Team. Ihre Atemzüge klangen gedämpft aus dem Funkempfänger. Nach fünfzehn Minuten hatten sie ein brusthohes Gestell errichtet. Darin hing zentriert der klobige Körper eines Bohrgeräts.

»Okay«, meldete Stalmen Wun. »Bereit, die erste Sonde zu setzen.«

»Dann mal los!«, forderte Elmer Trask.

Aber ehe die beiden Prospektoren den Bohrer starten konnten, ging eine heftige Erschütterung durch den Asteroiden.

Ohne die Magnetstiefel wäre Jericho wie ein Blatt davongewirbelt worden.

»Was war das?«, rief Pjetr Kossok keuchend. Er schwitzte in seinem Raumanzug, das Kühlaggregat arbeitete manchmal unzuverlässig. Vermutlich musste der Kondensator mal gewechselt werden. Pjetr blickte sich nervös um. »Ist da ein Asteroid eingeschlagen? Elmer, hast du irgendetwas angemessen?«

Im Funkempfänger hörte Jericho nur ein Brummen. Er suchte die Gegend nach einer Einschlagstelle ab, nach aufgewirbeltem Staub und Eissplittern.

Da wurde der Asteroid ein weiteres Mal erschüttert.

Und diesmal sah Jericho in der Ferne ein helles Schimmern. Der Schein brach sich auf der vereisten Oberfläche anderer Gesteinsbrocken. Ein unheimliches Glühen, das wieder verlosch und jenseits des Horizonts in der Dunkelheit verschwand.

»Verdammt, Elmer! Sag etwas!«

Der Prospektorführer kam nicht mehr dazu, irgendetwas zu sagen. Ein riesiger Schatten huschte über die Oberfläche von MJ-310521. Lautlos, schnell und tödlich. Energiefeuer umhüllte die Auntil, zerfetzte in Sekundenschnelle den Prallschirm und zerschmolz die Hülle des Schiffes. Eine Explosion zerriss den kleinen Raumer, eine Glutwolke breitete sich nach allen Seiten aus. Glühende Trümmer regneten auf MJ-310521 herab.

Das gegnerische Raumfahrzeug verschwand so schnell, wie es aufgetaucht war, ein riesiger Trimaran, kobaltblau mit grellgelben Symbolen. Die Triebwerkseinheiten am Heck der zeppelinförmigen Ausleger glosten in einem tiefen Höllenrot.

Aus Jerichos Helmempfänger dröhnte das Geschrei der Gefährten. Es verstummte, als ein Gleiter über dem Horizont erschien und das Feuer eröffnete.

Ein armdicker Laserstrahl atomisierte Stalmen Wun.

Pjetr Kossok stand keine zwei Meter neben ihm. Ein Energiestoß verdampfte seinen Anzug und ihn selbst.

Der nächste Schuss galt der Transportplattform.

Wie der personifizierte Todesengel schwebte der Gleiter über der Bohrstelle. Gefechtssensoren suchten die Umgebung ab, tasteten nach Bewegung, Energieimpulsen, Funkemissionen.

Plötzlich beschleunigte der Gleiter, ein kupferfarbenes, gepanzertes Flugobjekt, stieg in den Himmel, drehte dann bei, näherte sich der anderen Seite und schwenkte in die Tiefe.

Er flog keine zweihundert Meter an Jericho vorüber, ohne von dem Pitcairner Kenntnis zu nehmen.

Der Raumfahrer hatte die einzige Möglichkeit genutzt, die ihm blieb. Er hatte seine Magnetstiefel gelöst und sich mit einem Sprung in den Weltraum abgestoßen. Bis auf das Lebenserhaltungssystem hatte er alle anderen Funktionen seiner Raummontur abgeschaltet.

Mit geringer Bewegung schwebte er von MJ-310521 weg, wurde ein Schatten unter vielen Brocken, ein Teil der kosmischen Trümmerwüste.

Und er blieb unentdeckt! Der Trick funktionierte.

Jericho schloss für einen Moment die Augen, hörte das harte Hämmern seines Herzens, fühlte das Blut in seinem Schädel rauschen. Wie eine Trommel schien der Puls in der Innenseite seines Helmes zu hallen.

Alles nur Einbildung, unmittelbare Folgen des Schocks. Er hatte überlebt, während seine Kameraden als Molekülwolken durch das All trieben.

Der Angriff war völlig überraschend erfolgt. Tödlich und konsequent. Unvorhergesehen.

Von einem Moment auf den anderen gab es nur noch den Tod.

Mit seinem Mark-IV-Laserkarabiner hätte er weder gegen das Raumschiff noch gegen den Gleiter etwas ausrichten können. Er hatte rein instinktiv reagiert. Der Asteroid bot keine Deckung, keine Versteckmöglichkeit. Die einzige Alternative hieß, sich tot zu stellen und alle Energieemissionen auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Hätte er einen Funkspruch gewagt, hätte er das Schicksal seiner Kollegen geteilt. Die Scanner der Fremden mussten ihre Funkgespräche angemessen haben.

Jericho war sich durchaus der Tatsache bewusst, dass er seinen Tod maximal um Stunden hinausgezögert hatte.

Ihm blieb nur die Luft im Tank des Raumanzugs. Er hatte kein Raumschiff, keine Rettungsboje: nichts. Selbst das Funkgerät würde ihm nicht helfen; dessen Reichweite war begrenzt. Trotzdem wollte er die Zeit sinnvoll nutzten. Warum hatte man sie angegriffen, woher waren die Fremden gekommen?

Schweiß brannte ihm in den Augen. Er atmete stoßartig ein und aus. Er hyperventilierte, schnappte nach Sauerstoff. Jericho hatte sich nicht halb so gut unter Kontrolle, wie er gedacht hatte. Ihm war heiß und kalt zugleich.

Reiß dich zusammen!, ermahnte er sich. Du hast nichts für deine Kameraden tun können.

Alles war so schnell passiert. Keiner hätte etwas ändern können. Für eine Warnung war keine Zeit geblieben. Aber der bittere Geschmack einer unausgesprochenen Schuld hing wie giftige Galle in seinem Mund. Ehe er es sich versah, hielt er eine Nitrogenpistole in der behandschuhten Faust und richtete sie aus, legte den Kursvektor fest und zog entschlossen den Abzug durch.

Wie viele Minuten waren seit dem Anschlag vergangen? Die Uhr im Helmdisplay zeigte es ihm. Er trieb seit dreißig Minuten durch den Weltraum. Einsam, allein und ohne Aussicht auf ein Überleben. Der Tod wich nicht von seiner Seite und wartete nur darauf, dass die Zeit für Jericho ablief.

Tausend Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Jeder einzelne davon beinhaltete einen Albtraum.

Etwa tausend Meter unter ihm glitt die Oberfläche von MJ-310521 dahin. Kalt, erstarrt, unempfindlich gegenüber den Befindlichkeiten eines Menschen. Vor namenlosen Äonen war dieser Gesteinsbrocken Teil eines Planeten gewesen, bewohnt von intelligenten Lebewesen. Von Männern, Frauen, Kindern. Ihr Lachen hing wie feiner Glockenschlag in der Luft. Ihre Fröhlichkeit wurde förmlich vom Boden aufgesaugt. Die Natur erfreute sich an der Harmonie des Lebens …

Verdammt, was dachte er da bloß? Jericho riss weit die Augen auf. In der Helminnenseite schienen Funken zu tanzen. Hastig überprüfte er die Anzeigewerte der Sauerstoffversorgung. Ein rotes Signal leuchtete und erst jetzt hörte er das leise Piepsen eines Alarms.