Professor Zamorra 1283 - Michael Mühlehner - E-Book

Professor Zamorra 1283 E-Book

Michael Mühlehner

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Beschreibung

Tief im Inneren der Hölle befand sich der Thronsaal der Finsternis. In einer gewaltigen Kaverne, deren Wände und Decke aus Flammen und Feuer bestanden, hielt Stygia Hof. Überall loderte und glühte es, tobten Flammenzungen, flossen Lavaströme über den brennenden Boden.
Es wurde Zeit, sich das Problem Zamorra endgültig vom Halse zu schaffen. Zwar erwies sich der Meister des Übersinnlichen manchmal als durchaus nützlich, aber letztlich überwogen die Schäden, die Zamorra der Hölle zufügte.
"Berichte mir alles!", wies Stygia den Irrwisch an. "Was genau ist passiert?"
Am ganzen faustgroßen Körper zitternd, begann der Hilfsdämon zu erzählen ...


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Inhalt

Cover

Vom Teufel entführt

Vorschau

Impressum

Vom Teufel entführt

von Michael Mühlehner

In den Gefilden der Hölle

»Professor Zamorra!«, kreischte der Irrwisch in den schrillsten Tönen. Verzweifelt wand sich das kleine magische Geschöpf in der Klauenhand der Fürstin der Finsternis.

In den schwarzen, pupillenlosen Augen der Höllenfürstin tanzten rote Feuerräder. Der mörderische Blick verbrannte fast das wimmernde Geschöpf.

»Er hat an allem schuld. Er ist plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht!«, fuhr der Irrwisch mit heulender Stimme fort.

»Zamorra«, grollte Stygia, die Fürstin der Finsternis und Herrin der Hölle. »Das Maß ist voll! Endgültig!«

Tief im Inneren der Hölle befand sich der Thronsaal der Finsternis. In einer gewaltigen Kaverne, deren Wände und Decke aus Flammen und Feuer bestanden, hielt Stygia Hof. Überall loderte und glühte es, tobten Flammenzungen, flossen Lavaströme über den brennenden Boden.

In diesem Inferno entfesselter Gewalten saß Stygia auf dem Knochenthron, die langen Beine leicht angewinkelt, den Oberkörper etwas vorgebeugt.

Der Widerschein des Höllenfeuers umspielte ihren schlanken, hochgewachsenen Körper mit den üppigen Brüsten, die fast aus den bis zum Bauchnabel reichenden Ausschnitt ihres roten Overalls hüpften. Das beinahe überirdisch schöne Gesicht war mit winzigen, purpurfarbenen Schuppen bedeckt, um die vollen Lippen spielte ein grausames Lächeln. Das mitternachtsschwarze Haar fiel wie eine Woge auf die Schultern. Jede einzelne Haarsträhne bewegte sich dabei, als würde sie eigenständig leben. Die Spitzen mündeten in winzige Schlangenschädel mit übergroßen Giftzähnen. Aus der Stirn der Dämonin wuchsen zwei in sich verdrehte Hörner, Insignien ihrer Macht als Höllenherrscherin.

Es wurde Zeit, sich das Problem Zamorra endgültig vom Halse zu schaffen. Zwar erwies sich der Meister des Übersinnlichen manchmal als durchaus nützlich, aber letztlich überwogen die Schäden, die Zamorra der Hölle zufügte.

»Berichte mir alles«, wies Stygia den Irrwisch an. »Was genau ist passiert?«

Am ganzen faustgroßen Körper zitternd, begann der Hilfsdämon zu erzählen.

Venedig, einige Zeit zuvor

Nicole Duval betrachtete angewidert die grobwollene Kutte, die sie sich übergestreift hatte. Unbewusst rieb sie sich dabei die Knöchel der rechten Faust. Der Mann, der in Unterwäsche vor ihr am Boden lag, rührte sich nicht, am Kinn begann sich ein dunkler Fleck zu bilden. Seinem Partner war es nicht anders ergangen.

»Du weißt schon, dass diese Aktion wenig durchdacht ist?«, richtete Nicole das Wort an ihren Lebenspartner und Gefährten.

Zamorra zupfte ein letztes Mal an der Kutte und zuckte die Schultern. »Improvisation heißt das Zauberwort der Stunde«, sagte der Meister des Übersinnlichen ruhig. Er vergewisserte sich, dass die Bewusstlosen noch einige Zeit in diesen Zustand bleiben würden.

Gemeinsam verließen sie das kurze Vestibül über eine doppelflügelige Tür und betraten einen leeren Saal.

Rötlich schimmerndes Mondlicht fiel durch hohe Bogenfenster auf den Parkettboden. Die Steinwände waren mit Bildern bemalt, graue Schatten verzerrten die Motive. Mehrere Türen zweigten zu beiden Seiten ab, alle von Stuckverzierungen eingefasst. Kein Möbelstück, kein Einrichtungsgegenstand schmückte den Raum. Der Saal und die Stille des Hauses erweckten in Zamorra das Gefühl von Verlassenheit. Ein kalter Hauch strich über sein angespanntes Gesicht. Irgendwo erklang ein knarzendes Geräusch.

Vorsichtig trat Zamorra tiefer in den Saal, dabei zog er langsam die Silberkette unter dem Hemd hervor, sodass sein Amulett frei auf der Brust hing, nur noch verdeckt von der Kutte. Noch scheute er davor zurück, es mit einem Gedankenimpuls zu aktivieren. Er wollte nicht, dass die übernatürlichen Kräfte im Palazzo Grimoiri zu schnell auf Merlins Stern aufmerksam wurden.

Als er einen weiteren Schritt machte, glaubte er ein Flüstern zu hören. Zu leise, zu fern, um etwas zu verstehen. War es nur eine Stimme oder deren zwei? Vielleicht mehrere, überlegte Zamorra stirnrunzelnd. Die Anspannung ließ seine Nervenenden vibrieren. Das leise Murmeln verklang, aber das Knarzen einer Tür blieb.

»Phänomene wie in einem Spukhaus«, raunte Nicole Duval an seiner Seite.

»Der Palazzo Grimoiri erscheint angeblich nur in Vollmondnächten in der Menschenwelt. Von daher sind Geistererscheinungen keinesfalls abwegig. Wir müssen mit allem möglichen rechnen«, stimmte Zamorra zu und suchte mit Blicken die Seitenwände ab. Dort, im Schatten eines Mauerbogens bewegte sich etwas. Und jetzt hörte er wieder das Flüstern, geisterhaft, ätherisch. Eine Tür klapperte. Schnell war er dort und öffnete das nur angelehnte Türblatt. Dunkelheit gähnte dahinter, eine Steintreppe führte in die Tiefe. Feuchter Kellergestank schlug ihm entgegen. Er lauschte, atmete kaum. Das Flüstern kam aus dem Abgrund. Zamorra stieg die ersten Stufen hinunter. Nebel wallte knöchelhoch über den abgetretenen Stein. Die Granitmauern rochen nach Nässe und Schimmel. Das Flüstern wies ihnen den Weg in die Finsternis.

Oben im Vestibül, unbemerkt von den beiden Dämonenjägern, geschah etwas Seltsames. Die beiden bewusstlosen Männer lösten sich auf, als hätten sie nie existiert. Scheinchimären, einzig für den Zweck geschaffen, ahnungslose Opfer in den Palazzo zu locken.

Einmal warf Zamorra einen Blick zurück über die Schulter, in stiller Erwartung, das hellere Rechteck der Tür zu sehen. Doch auch hier herrschte nur klamme Finsternis.

Gerade als er überlegte, die Taschenlampenfunktion des T-Gamma zu nutzen, vernahm er das Jammern eines Kindes. Zu weit, um festzustellen, ob es sich um einen Jungen oder ein Mädchen handelte. Zu undeutbar, um es als Geisterspuk oder Wirklichkeit zu definieren.

Es war Pierre Lafitte zu verdanken, der sie auf den Palazzo Grimoiri aufmerksam machte. Pierre durchforstete nicht nur akribisch alle Nachrichtenmedien und Social-Media-Plattformen nach übersinnlichen Vorkommnissen und unerklärlichen Erscheinungen, er konnte auch ein gut verzweigtes Netzwerk an Informanten sein Eigen nennen. Bei der Sichtung und Durcharbeitung von Berichten stieß Lafitte auf den Hinweis, dass in Venedig seit Jahren immer in einem gewissen Zeitraum Personen verschwanden. Menschen, die nie wieder auftauchten. Ein paarmal wurde in dem Zusammenhang die Legende des Palazzo Grimoiri erwähnt. Für Lafitte Grund genug, tiefer zu bohren. Als Konsequenz dieser Untersuchung reisten Nicole Duval und Professor Zamorra nach Venedig.

Da aus den Aufzeichnungen nicht genau hervorging, wo sich besagtes Spukhaus befand, musste Zamorra tief in die Trickkiste greifen. Erstmals erwähnt wurde der Palazzo 1544, erbaut im Auftrag eines Handelsherrn, der dem Rat der Zehn angehörte. Auch hier blieben die Informationen dürftig. Die beiden Franzosen suchten das Stadtarchiv auf, wo Zamorra einen Stadtplan aus jener Zeit studierte. Mit Hilfe eines Pendels und vier Nadeln aus Wolfram machte er den Standort ausfindig, wohlwissend dass der Palazzo angeblich nur in Vollmondnächten erschien. Als sie am Tage den Platz erkundeten, war von dem beschriebenen Gebäude nichts zu entdecken. Doch jetzt in der Nacht schlichen Zamorra und Nicole Duval eben durch jenen besagten Palazzo.

Endlich erhellte Lichtschimmer den langen, gemauerten Tunnel. In den Ziegelwänden gab es Nischen, in denen kleine Kohlebecken glühten. Sie schufen bewegte Schatten und unheilschwangeres Halbdämmer, aber besser als durch bodenlose Finsternis zu stolpern.

Von den Wänden und der Decke tropfte Feuchtigkeit, in unregelmäßigen Abständen stützten Mauerpfeiler die bogenförmige Decke. Auf dem Steinboden gab es große Lachen von Nässe. Die Luft war ein Miasma aus Schimmel, fauligem Wasser und Moder.

Zamorra blieb einen Moment stehen und versuchte sich in Gedanken zu orientieren. Endlos erstreckte sich der Tunnel im Schattenlicht der Kohlebecken. Hinter jedem der Pfeiler mochte ein Wächter lauern, um unliebsame Eindringlinge aufzuhalten.

Mit einem wortlosen Blick verständigte er sich mit Nicole und eilte wachsam weiter. Stimmen geisterten wie Nebelfetzen durch den Tunnel, der Schein der Kohlebecken zauberte phantastische Illusionen in die Schattenwinkel und narrte Zamorras Geist mit Spuk- und Trugbildern.

Endlich erreichten sie das Ende des Tunnels und den Beginn einer weiteren Treppe, deren Granitstufen nach oben führten. Dunst wallte wie ein Grabtuch über den Trittstufen. Plötzlich hatte Zamorra das Gefühl beobachtet zu werden. Doch niemand lauerte hinter ihm. Nicole nickte ihm beruhigend zu. »Schwarze Magie«, flüsterte sie. »Der Ort ist mit unseliger Zauberei angefüllt.«

»Hörst du auch die Stimmen und Geräusche?«, fragte Zamorra nervös.

»Ich glaube wir nehmen die Schwingungen unterschiedlich auf«, wisperte die Französin. »Offenbar reagierst du sensibler auf die magischen Einflüsterungen.«

Ein Geräusch ließ ihn abermals herumwirbeln. War dort oben eine huschende Bewegung, ein fliehender Schemen, der rasch seinen Augen entschwand? Oder narrte ihn nur weiterer Trug? Mit grimmigem Gesicht tauchte er in die Dunkelheit des Treppenschachts. Die Kutte klebte ihm schweißnass am Körper, während er gleichmäßigen Schritts die Stufen hinaufeilte. Ein granitener Torbogen markierte das Ende der Treppe. Dahinter lag ein gewölbeartiger Raum voll lastender Schatten. Mondlicht fiel auf der gegenüberliegenden Seite durch die schmiedeeiserne Gittertür und zerschnitt die Finsternis in purpurne Streifen.

In der Mitte des Gewölbes ruhte auf einem Podest ein mit Stuckarbeiten verzierter Sarkophag.

Die zwei Dämonenjäger standen in einem Mausoleum. Mit angehaltenem Atem lauschten sie, doch die einzigen Geräusche, die sie vernahmen, drangen von draußen herein.

Als Zamorra durch die Gittertür spähte, fiel etwas Helligkeit auf seine angespannten Züge. Wie tiefgefrorenes Gletschereis funkelten die grauen Augen.

Sprechgesang drang an seine Ohren. Fremd, doch rhythmisch, ausgestoßen von unmenschlichen Stimmen. Im Glanz des Mondes, dessen Licht an die Farbe des Blutes gemahnte, breitete sich vor Zamorra und Nicole Duval eine eigentümliche Landschaft aus. Ein verwilderter Garten war es, mit blattlosen kranken Ziersträuchern und dürren Hecken. Verwahrlost und ungepflegt, die Wege darin von Gras und Unkraut überwachsen. Dazwischen hoben sich gleich den Scherenschnitten wandelnder Geister die Umrisse von mannsgroßen Steinfiguren ab. Im ersten Moment hielt Zamorra die Statuen für Menschen, bis ihm ihre unnatürliche Starre bewusst wurde. Zweifellos hatte hier ein begnadeter Bildhauer ein Meisterwerk vollbracht.

Mit zusammengekniffenen Augen suchte er nach dem Ursprung der Stimmen. Im Mittelpunkt des Gartens gab es eine Senke, die sich nicht einsehen ließ, doch ein zuckender Lichtschimmer färbte den Bauch des Nachthimmels darüber in einem unheiligen Schein. Die Geisterstimmen, der rote Blutmond und die unheimliche Umgebung erinnerten ihn an einen Albtraum aus der Hölle. Er sah sich weiter um und musste feststellen, dass der Garten Teil einer kleinen Insel war. Jenseits des Kanals konnte er gerade noch die düsteren Schatten von Gebäuden im Nebel erkennen.

Mit zum Zerreißen gespannten Sinnen und einem Gefühl tiefer Beunruhigung folgten sie dem verwachsenen Weg zur Senke. Eine leichte Brise brachte den Geruch von Fäulnis und abgestandenen Wasser. In der Dunkelheit murmelten Stimmen, sie brauchten ihnen nur zu folgen. Zu beiden Seiten waberte Bodennebel, das leise Flüstern des Kanalwassers drang gedämpft an ihre Ohren. Immer wieder warfen sie den Steinfiguren scharfe Blicke zu. Leblos standen sie in der Nacht, wie in der Bewegung erstarrt, mit verzerrten Gesichtern und ausdrucklosen Augen. Beide hatten das Gefühl, als wollten sie ihnen etwas zurufen. Eine Warnung, möglicherweise?

Was war das für ein albtraumhafter Garten? Die Insel musste zum Besitz des Palazzo gehören. Der einzige Zugang schien über den unterirdischen Tunnel zu führen. Zusammengekauert am Rand der Senke beobachteten sie das Geschehen in der Grube.

Zwei riesige Feuerschalen sorgten für genügend Licht, der Glutschein spiegelte sich am wolkenlosen Firmament und übergoss alles mit dem flackernden Schein eines Höllenfeuers. Im Zentrum stand eine aufrecht stehende polierte Platte aus schwarzem Kristall, eingespannt in einem Rahmen aus Knochen und menschlichem Gebein. Ein flacher Altarstein ruhte davor auf der festgestampften Erde. Dunkle Flecken bedeckten die Oberfläche des Steinblocks. Etwas abseits davon kochte der Inhalt eines Messingkessels über einem Lagerfeuer. Blubbernd stieg giftig grüner Dampf aus dem Kessel. Das Herdfeuer spuckte knisternde Funken.

Vor dem schwarzen Kristallspiegel wiegten sich drei halbnackte Frauen im Singsang einer unhörbaren Melodie. Ihre Stimmen wehten wie das Geraune unheiliger Geister zu Nicole und Zamorra empor.

»Große Mutter Medusa! Höre unser Gebet! Heute ist die Nacht des Blutmondes! Das letzte Opfer soll dir dargebracht werden! Nur noch eine Seele, und du kannst die Ketten der Verbannung abstreifen!«

»Hexen«, flüsterte Zamorra grimmig.

Die Insel ist ein Tanzplatz der Hexen!

Er betrachtete die drei tanzenden Frauen näher. Manchmal schien es, als würde das Mondlicht durch sie hindurchleuchten. Und ihre nackten Fußsohlen – berührten sie überhaupt den Boden?

Noch während er die seltsame Versammlung beobachtete, verschwand eine der Frauen, als hätte es sie nie gegeben. Oder hatte er sich nur getäuscht?

Das Purpurlicht des Mondes und der Schattenschlag der Feuerschalen schufen ein trügerisches Licht. Die tanzenden Gestalten schienen mit der Nacht zu verschmelzen, während in dem schwarzen Kristallspiegel ein Lichtfunke aufflackerte. Mit angehaltenem Atem beobachtete Zamorra weiter. Ein Reflex huschte über die polierte Platte. Ein Flimmern kam direkt aus der Tiefe des Spiegels und wuchs mit lodernder Intensität an.

Die Hexen tanzten wie Furien, warfen die Arme in die Luft und stießen dabei heisere, barbarische Laute aus, die einer Sprache entstammten, die bereits alt war, als der erste Mensch das Feuer entdeckte.

Der Funke wurde zu einem Fleck, zu einem Schemen und dann zu einer Kontur. Zamorra krampfte es die Brust zusammen, als inmitten des mannshohen Spiegels ein hässlicher Schädel erschien. Ein Frauenantlitz war es, doch entsprungen einer nichtmenschlichen Rasse. Die Haut war schuppig und fahlgrün, die Augen pupillenlos und erfüllt von einer roten Höllenglut. Über die wulstigen Lippen zuckte eine gespaltene Zunge, und die Zähne waren scharf und spitz wie die eines Raubtieres. Auf dem Haupt schlängelte sich statt Haaren eine giftige Vipernbrut mit aufgerissenen Fängen.

Namenloses Grauen durchfuhr den Meister des Übersinnlichen beim Anblick des Gorgonenschädels. Unterhalb des Halses gab es keinen Körper. Aus der Halswunde tropfte noch immer toxisches Dämonenblut.

Gerade als er das dachte, stürzte Nicole mit einem Stöhnen ins Gras. Zamorra schnellte herum, doch es war zu spät. Etwas berührte ihn, und eisige, lähmende Kälte zuckte durch seinen Körper. Hexenmagie!

Eine körperlose Stimme flüsterte ganz nahe an seinem Ohr.

»Willkommen im Palazzo Grimoiri! Wir haben schon lange auf dich gewartet!« Zamorra prallte in das verdorrte Gras. Ein dürrer Körper schälte sich aus dem Nichts. Hager, und knochig, mit fleckiger Totenhaut und schwarzen, pupillenlosen Augen. Das graue Haar wehte wie abgestorbenes Laub in einem Geisterwind. Er hatte sich vorhin doch nicht getäuscht, als er im Purpurlicht des Mondes eine der Hexen verschwinden sah. Genauso wie sein Körper froren auch Zamorras Gedanken ein.

»Es ist Zeit«, wehte ihm die kalte Stimme entgegen, gleich einem Gifthauch umspülte sie sein Denken und raubte ihm den Willen. Die Hexe vollführte eine magische Geste, und Zamorras Körper erhob sich wie der einer Marionette. Ohne dass er es verhindern konnte, folgte er der schwebenden Hexengestalt den Lehmpfad in die Senke hinab.

Wie eine Marionette stapfte Zamorra an den Feuerschalen und dem Kochkessel vorüber. Die wartenden zwei Hexen stürzten sich auf ihn, zerrten ihm die Kutte vom Leib. Als sie des Amuletts ansichtig wurden, stießen sie ein zorniges Wutgeschrei aus und gerieten in wilde Rage. Eine zerriss mit einem wilden Schlag die Silberkette, und Merlins Stern landete irgendwo in der Dunkelheit. Dass sie dafür ihre halbe Hand einbüßte stachelte die Wut nur noch mehr an. Wie Furien schlugen sie auf ihn ein und brachten ihm Kratzer und Schnitte bei. Blut floss aus den geschlagenen Wunden. Die Schmerzen vertrieben einen Teil des betäubenden Schleiers über seinen Gedanken. Kalte Klauenhände stießen ihn weiter vorwärts auf den Altarstein zu.

»Herrin!« geiferten die Hexen. »Es ist so weit! Das letzte Opfer ist da! Die Seele des Sterblichen ist bereit!«

Zamorra starrte direkt auf das Gorgonenhaupt in dem Zauberspiegel. Die starren Augen fixierten den Franzosen mit brennender Intensität.

»Bereitet ihn vor«, raunte es durch seinen Kopf, als würde eine Schlange durch sein Gehirn kriechen. »Das letzte Opfer, dann kann Medusa den Zauberspiegel verlassen und wieder auf Erden wandeln! Wie lange musste ich auf diesen Moment warten!« Gift tropfte von den scharfen Zähnen des Schlangenhaars. »Auf den Altar mit ihm! Reißt ihm das Herz aus der Brust! Bringt es mir dar, auf das mein Kuss seine Seele zu Stein erstarren lässt!«

Plötzlich wurde sich Zamorra der Erkenntnis bewusst, welche Bewandtnis es mit den Steinfiguren auf sich hatte. Es waren die zu Stein erstarrten Seelen der Geopferten, in dem Moment, als die Lippen der Medusa ihre dampfenden Herzen küssten und die Seelen sich zur Flucht wandten. Das gleiche Schicksal erwartete jetzt den Parapsychologen. Alles war Teil einer Falle, dazu ausgerichtet, einen Menschen in das Haus und auf die Insel zu locken.