Professor Zamorra 1296 - Michael Mühlehner - E-Book

Professor Zamorra 1296 E-Book

Michael Mühlehner

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Beschreibung

Da war sie wieder, diese kaum sichtbare Bewegung am Himmel, dieses körperlose Streichen über Luft, Wind, Hagel und Blitzleuchten. Etwas drang in die reale Welt vor!
Und wo es Kontakt mit der Realität bekam, zerbröckelte sie! Die Welt erstarrte, fror ein und zerfiel.
Die Zero-One wurde von einem eitrigen Leuchten verschlungen. Von einem Moment zum anderen war das Luftschiff verschwunden. Der Spalt vergrößerte sich. Senkrecht teilte er die Atmosphäre und stieß immer heftigere Energiewirbel aus. Blitze zuckten daraus hervor, schlugen in die kochende See, tanzten über Wellenkämme und aufschießende Gischt. Überschütteten das Deck der Marie Curie mit knisternden Entladungen ...


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Inhalt

Cover

Personenliste

Para-Mutanten

Leserseite

Vorschau

Impressum

Die Hauptpersonen des Romans sind

Professor Zamorra deMontagne: Der Meister des Übersinnlichen, furchtloser Kämpfer gegen die Ausgeburten der Hölle und Wissenschaftler für parapsychologische Phänomene

Nicole Duval: seine Sekretärin sowie Lebens- und Kampfgefährtin

Dr. David Winfield: Koryphäe auf dem Gebiet der Paramechanik

Lazarus More: Gründer von More Solutions

Gabriel More: sein Sohn

Crowmen Fate: Spezialagent des Pentagon

Para-Mutanten

von Michael Mühlehner

Ein Fauchen und Pfeifen fegte über den Kommandoturm hinweg, über die Antennen und Schornsteine. Elmsfeuer tanzten im düsterblauen Glosen.

Am Himmel kämpfte das Luftschiff gegen die entfesselten Naturgewalten. Blitze zuckten, als wollten sie alle Moleküle in Brand stecken. Das Firmament kochte. Gewaltige Wasserwirbel entstanden in der tosenden See. Am Horizont hoben sich mächtige Windtromben aus dem Meer, stiegen rotierend in den Himmel. Titanische Luftwirbel, die gierig das Wasser aus dem Ozean aufsaugten und daraus gigantische Säulen formten.

»Runter von der Nock!«, donnerte Zamorra. Ein weiterer Stoß ließ alle taumeln ...

Vergangenheit, 2013

Bermuda-Dreieck, zwischen 25. und 30. Grad nördlicher Breite, an Bord des Forschungsschiffs Marie Curie

Flach wie ein Spiegel präsentierte sich die See. Der Himmel war strahlendblau, wolkenlos und klar. Eine leichte Brise wehte. Keine Spur von 30-Meter-Wellen, Gewittern, Hagel oder rotierenden Wassertromben.

Schöner hätte der Tag nicht sein können, trotzdem blieb Professor Zamorra unruhig. Das Schiff lag ruhig im Wasser, hielt Position, unterstützt von zwei 2000 PS starken Dieselmotoren. Am Wetter lag Zamorras Unrast nicht. Eher an der Gesamtsituation.

Die Gruppe von Wissenschaftlern, zu der auch er gehörte, hatte sich am Rand des Flugdecks versammelt. Alle blickten nach achtern und zugleich hoch. Dort schwebte, von einem Schleppseil mit dem Schiff verbunden, in fünfzig Metern Höhe ein Prallluftschiff. Senfgelbe Aluminiumhülle, mit einer silbern glitzernden sieben Meter langen Gondel darunter. Besetzt mit vier Mann. Dem Airforce-Piloten Jeremiah Dare sowie den Wissenschaftlern John Ronson, Derek Jazman und Floyd Vanenburg. NASA-Spezialisten auf dem Gebiet der angewandten Physik, Magnetfeldforschung und subatomarer Thermodynamik.

Bei dem zwanzig Meter langen Luftschiff handelte es sich um einen Prototyp der Weltraumorganisation unter Mitwirkung der Airforce.

Dass das Militär hier seine Finger mit im Spiel hatte, verursachte Zamorra leichtes Bauchgrimmen. Er misstraute den Eierköpfen vom Pentagon, aber ein rein privates Unternehmen hätte niemals die Kosten stemmen noch die nötigen Ressourcen aufbringen können. Es war More Solutions hoch anzurechnen, dass dieses Projekt hauptsächlich zivile Forschungsaufgaben verfolgte.

Im Gegensatz zu den anderen Wissenschaftlern am Flugdeck trug Zamorra keinen blauen Overall, sondern Chinos, Hemd und ein helles Sakko. Der französische Professor mit dem Aussehen eines Top-Athleten fungierte lediglich als hinzugezogener Berater.

Doctor David Winfield hatte darauf bestanden, dass der Parapsychologe das Team unterstützte. Winfield, selbst eine führende Koryphäe auf dem Gebiet der Paramechanik, sollte sich um mögliche übernatürliche Phänomene kümmern, die bei dem Experiment unter gewissen Umständen auftreten konnten.

Das Bermuda-Dreieck war bekannt für Unerklärliches und Übernatürliches. Zamorra wusste das nur zu gut. Die Grenzen zum Jenseits waren gerade in diesem Gebiet instabil. Immer wieder kam es zu Aufrissen im Äther, zeigte sich die Membran zu anderen Sphären brüchig. Knickte die Struktur der Zeit ein. Erklärungen gab es viele, doch keine traf zwingend den Punkt.

Die heutige Expedition befasste sich mit der Erforschung der Magnetfeldlinien und der Dichte der Gluonenteilchen. Dazu hatten die Wissenschaftler eine Quantenmaschine entwickelt, unter Führung von More Solutions.

Zamorra spürte unwillkürlich ein Kribbeln zwischen den Schulterblättern, als er an das Gerät dachte. Er hatte die Maschine nicht gesehen, sie war schon im Luftschiff verbaut. Ein Geheimprojekt, bewacht von einem Trupp Marines. Acht Mann, die jetzt strategische Positionen auf dem Schiff bezogen hatten.

Die Anspannung wollte nicht weichen, der Meister des Übersinnlichen blieb aufmerksam.

»Wir schreiben hier Geschichte, Zamorra«, zeigte sich David Winfield überzeugt. Das breite Gesicht des fünfzigjährigen Wissenschaftlers wurde von einem grauen Bart halb verdeckt. Die Nase darin war leicht gekrümmt, unter eisgrauen Brauen blitzten intelligente Augen. »Und ich bin froh, dass du dabei bist.« Sie kannten sich von etlichen Vorlesungen in den Staaten. Winfield neigte leicht zu Übergewicht, er liebte lange Diskussionen und gutes Essen. Außerdem war ein angenehmer und sehr belesener Zeitgenosse. Und er war ein Mann des bedächtigen Agierens. Einer der Gründe, warum er Zamorra mit an Bord haben wollte.

»Ich rechne zwar nicht damit, dass etwas Unvorhergesehenes passiert, aber wenn es so sein sollte, bist du der Mann mit der meisten Erfahrung.«

Zamorra verzog humorlos den Mund. »Das Bermuda-Dreieck ist unberechenbar.« Er blickte den Wissenschaftler ernst an. »Eine Quantenmaschine. Seid ihr sicher, das Richtige zu tun?«

Ehe Winfield antworten konnte, betrat ein schlanker, durchtrainierter Mann das Flugdeck. Auf der marineblauen Montur glänzte im Sonnenlicht das Logo von More Solutions, ein silberfarbener Phönix, der sich aus Asche und Feuer erhob. Eine Abbildung, wie man sie oft in alchemistischen Büchern fand.

Obwohl der Mann nicht älter als vierzig sein konnte, schimmerte sein Haar beinahe alabasterweiß. Die hellblauen Augen beherrschten das schmale Gesicht und strahlten eine stählerne Vitalität aus. Lazarus More, Gründer von More Solutions. Eine Firma, die sich auf unkonventionelle, zum Teil kuriose Lösungen spezialisiert hatte. Dabei wurde dem Gebiet der Parawissenschaften ein großes Spektrum eingeräumt.

More war nicht alleine auf Deck erschienen. Sein Sohn Gabriel begleitete ihn. Für einen Fünfzehnjährigen sehr hager, aber so groß gewachsen wie der Vater. Bis auf das dunkle Haar sah er ihm erstaunlich ähnlich. Die Haut sonnengebräunt, die Bewegungen lässig. Ein erwartungsvolles Grinsen lag auf seinen Zügen.

»Hey, Prof«, grüßte er Zamorra entspannt. Sie hatten sich gestern in der Messe unterhalten, Gabriel wollte an der Sorbonne studieren. Zamorra konnte ihm dazu nur gratulieren. Der Junge schien bereits feste Pläne für sein Leben nach dem College zu haben.

»Wir haben beste Bedingungen für unser Experiment«, sagte Lazarus More nach kurzer Begrüßung. »Und die Position ist gut gewählt, Professor.«

Der Meister des Übersinnlichen verzog leicht den Mund. Winfield hatte ihn gebeten, drei Geo-Horoskope zu erstellen, die einen guten und sicheren Standort für das Experiment bestimmen sollten. Die Hochleistungscomputer von More Solutions waren zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt. Von den drei erarbeiteten Standorten gehörte dieser hier allerdings zum als am wenigsten geeigneten. Im Umkreis von fünfhundert Meilen war es hier schon zu unerklärlichen Phänomenen gekommen

»Wollen wir das Beste hoffen«, sagte Zamorra trocken, und fügte in Gedanken hinzu: Und auf das Schlechteste vorbereitet sein.

Dazu hatte Zamorra mit Doctor Winfield ein paar Vorbereitungen getroffen. An den Schiffsaufbauten befanden sich Matten aus Wolfram, magische Schutzzeichen zierten die Schotte. More hatte diese Maßnahmen interessiert verfolgt.

Der Firmenchef nickte Zamorra zu und machte einige Schritte auf die Mitte des Flugfeldes.

Sofort zog er alle Aufmerksamkeit auf sich. Die halblauten Gespräche der anderen Wissenschaftler verstummten. Der entscheidende Moment war angebrochen. More würde dem Luftschiff grünes Licht geben. Er griff sich seitlich an den Kopf, richtete noch einmal sein Headset und schaltete es auf Standby.

Mit angemessenem Ernst blickte er sein Forschungsteam an. Ein Meteorologe, ein Strahlenphysiker, ein Radartechniker.

»Meine Herren, ich bitte Sie ihre Plätze im Labor jetzt einzunehmen.« Die Kontrollräume befanden sich mittschiffs unterhalb der Brücke. »David, Professor Zamorra, würden Sie mich bitte auf die Brückennock begleiten. Von dort aus können wir alles bestens beobachten.«

Einen letzten Blick auf das Meer werfend, enterte Zamorra zusammen mit den anderen die Treppe hoch. Das Nock, der offene Teil des Ruderhauses und wie ein durchgängiger Balkon gestaltet, lag auf sechs Meter Höhe. Durch die schrägen Glasscheiben konnte Zamorra die verschiedenen Geräte und Bedienpulte der Brücke erkennen, sowie den Kapitän und seine drei Offiziere.

More lauschte in den Empfänger seines Headsets. Sein Team hatte Position bezogen.

Er atmete tief ein, strich seinem Sohn über die Schulter und aktivierte den Funkempfänger.

»Zero-One, hier spricht Lazarus More. Sie haben grünes Licht! Beginnen Sie mit der Operation!«, funkte er das schwebende Luftschiff an.

Die Antwort aus dem Empfänger hörte Zamorra nicht, dafür vernahm er ein kurzes Schnappen, als das Schleppseil gelöst wurde und das Luftschiff auf eine Höhe von vierhundert Metern anstieg.

Unwillkürlich drückte Zamorra seine Hand auf die Brust. Unter dem Hemd fühlte er das Amulett. Mit einem Atemzug versenkte er sich in eine Art Halbtrance und nahm geistige Verbindung zu der zauberkräftigen Silberscheibe auf. Er scannte die Umgebung, konnte aber keine übersinnlichen Aktivitäten ausmachen. Alles war ruhig. Nichts deutete auf eine Gefahr hin. Er hoffte, dass es so blieb.

»Zero-One, Resonator aktivieren!«

Die Quanten-Maschine nahm ihre Arbeit auf. Auf den Monitoren und Bildschirmen im Kontrollraum verfolgten die Techniker den Ablauf.

Grafische Darstellungen der Luftbewegung, Ladungszustände der Moleküle, Strahlungspartikel. Dann tiefer gehend, die Muster der Magnetfeldlinien. Noch tiefer gehend, die Struktur subatomarer Kraftfelder. Weitere thermische Feldschichten. Elementstrahlung. Exakt, prägnant, treffend.

Die Wissenschaftler waren begeistert.

Auf der Brückennock klebten Zamorras Blicke förmlich an der senfgelben Hülle des Luftgefährts. Sonnenlicht wurde von dem aufgemalten NASA-Symbol reflektiert. Seit drei Minuten arbeitete die Quanten-Maschine fehlerfrei, ihrer Programmierung gehorchend.

»Zero-One –wiederholen Sie! Ich habe Sie nicht verstanden. Interferenzen stören die Verbindung.« More neigte leicht den Kopf, als könne er so besser verstehen.

»Probleme?«, richtete Zamorra seine Frage an Winfield. Der Doktor für Paramechanik setzte gerade zu einer Antwort an, als sich der Himmel verfinsterte.

Es geschah schlagartig. Dämmerlicht senkte sich über die See. Von der Sonne und dem strahlend blauen Himmel war nichts mehr zu sehen. Zamorra spürte ein Vibrieren auf seiner Brust. Das Amulett schien plötzlich wie ein Steinklumpen an der Silberkette zu hängen. Das Schiff bewegte sich, das Meer war nicht mehr länger ruhig und flach wie ein Spiegel, sondern wogte wie ein lebender Körper. Als würde ein gewaltiger Organismus einen tiefen Atemzug machen. Wind kam auf, brachte Feuchtigkeit und Kälte mit sich.

Dieser plötzliche Wetterumschwung war nicht natürlich.

»Brechen Sie ab!«, rief Zamorra Lazarus More zu. »Brechen Sie sofort ab!«

More blickte den Parapsychologen konsterniert an. Er wollte etwas sagen, aber dann wurde ihm bewusst, wie blitzartig sich die Umwelt verändert hatte. Erste Hagelkörner prasselten gegen den Decksaufbau. Zamorra fröstelte unter einer Sturmböe. Das Schiff hüpfte über einen Wellenkamm. Die schweren Dieselmotoren begannen zu stampfen. Die Position ließ sich nicht mehr halten. Hinter den schrägen Glasscheiben sah der Meister des Übersinnlichen die hektischen Bewegungen der Brückencrew.

»Zero-One!« schrie More in das Mikro. Die nächsten Worte riss ihn der Wind von den Lippen. Die Marie Curie legte sich quer. Wasser schäumte über das Deck. Die Männer auf der Nock wurden gegen die Brüstung gedrückt. Gischt sprühte bis zu ihnen hoch. Das Wasser war eisig kalt.

»Gabriel, geh unter Deck«, wies Zamorra den Jugendlichen an. »David, du begleitest ihn!«

»Aber – ...«

»Runter von der Nock!« donnerte Zamorra. Ein weiterer Stoß ließ alle taumeln. Das Metallgitter unter ihren Füßen war aalglatt. Hagelkörner fegten gegen die riesigen Scheiben der Brücke, prallten wie Schrapnellsplitter davon ab.

Ein Fauchen und Pfeifen fegte über den Kommandoturm hinweg, über die Antennen und Schornsteine. Elmsfeuer tanzten im düsterblauen Glosen.

Am Himmel kämpfte das Luftschiff gegen die entfesselten Naturgewalten. Blitze zuckten, als wollten sie alle Moleküle in Brand stecken. Das Firmament kochte. Gewaltige Wasserwirbel entstanden in der tosenden See. Am Horizont hoben sich mächtige Windtromben aus dem Meer, stiegen rotierend in den Himmel. Titanische Luftwirbel, die gierig das Wasser aus dem Ozean aufsaugten und daraus gigantische Säulen formten.

Zamorra suchte nach dem Luftschiff. Er musste sich die Nässe aus den Augen blinzeln. Wie Nadelstiche malträtierten ihn die Hagelkörner. Noch keine zwei Minuten waren vergangen, seit das Unwetter aufgezogen war, und trotzdem hatte sich die Welt komplett verändert.

Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen. Verlief die Zeit in einem anderen Takt? Hatte sich ihr Rhythmus geändert?

Ein grelles Leuchten blitzte am Himmel auf, verdrängte kurz die Dunkelheit. Blaues Licht, intensiv und blendend. Und darin die Zero-One, ein hüpfender, springender mattgelber Fleck. Hilflos den Gewalten des Sturms ausgeliefert. Aber da war noch mehr. Krachend schien sich die Luft zu spalten, die Atmosphäre aufzureißen. Eine tiefe, senkrechte Kluft entstand inmitten von Hagel und Wind. Und darin das Luftschiff. Umgeben von pulsierenden Energieströmen und flackernden Kraftfeldern. Dahinter die Fetzen einer aufgerissenen Raum-Zeit-Struktur.

Ein Loch tat sich inmitten der Wirklichkeit auf!

Wieder die Reflektion von Bewegung, die körperlose Kontur eines berghohen Schattens. Weder zwei- noch dreidimensional. Unbegreiflich, unbeschreiblich. Zamorra stockte der Atem. Instinktiv hatte er längst Merlins Stern gerufen. Die Silberscheibe drohte sich in seine Hand zu brennen, dabei vibrierte das Amulett so stark, dass es ihm die Haut zerschnitt. Aus dem Drudenfuß im Zentrum der Scheibe glühte es sonnenhell. Ebenso die zwölf Tierkreiszeichen, die das Pentagramm wie einen Ring umschlossen. Die fremdartigen Hieroglyphen, die den äußeren Kreis bildeten, glosten wie stark erhitztes Eisen.

Das Amulett bebte so stark, dass es Zamorra fast nicht halten konnte.

»Was – was ist das?« rief David Winfield und deutete zu dem klaffenden Spalt am Himmel. Weder der Doktor noch Gabriel waren Zamorras Aufforderung bisher gefolgt, Sicherheit im Inneren des Schiffes zu suchen.

Eine neue Welle spülte querab über den Bug. Schwallwasser flutete gegen die Aufbauten. Die Zeit lief in verschiedenen Bahnen ab, Wahrnehmung und Bewegung passten nicht zusammen. Wirkten zugleich ineinander verdreht.

Da war sie wieder, diese kaum sichtbare Bewegung am Himmel, dieses körperlose Streichen über Luft, Wind, Hagel und Blitzleuchten. Etwas drang in die reale Welt vor!

Die Zero-One wurde von einem eitrigen Leuchten verschlungen. Von einem Moment zum anderen war das Luftschiff verschwunden. Der Spalt vergrößerte sich. Senkrecht teilte er die Atmosphäre und stieß immer heftigere Energiewirbel aus. Blitze zuckten und schlugen in die kochende See, flackerten über Wellenkämme und aufschießende Gischt. Überschütteten das Deck der Marie Curie mit knisternden Entladungen. Die Wolfram-Platten an den Aufbauten platzten wie zerschmettertes Glas. Metall verbog sich. Zamorra hörte Menschen schreien. Eine Energieentladung traf einen Soldaten und ließ ihn mit dem Boden verschmelzen. Die Moleküle seines Körpers wurden zu Eisen- und Stahlatomen. Sein Blut zu Quecksilber. Neben Zamorra schlug ein weiterer Blitz ein. In seinen Ohren gellte ein Schmerzschrei. Ein Körper wirbelte durch die Luft, über die Reling der Nock hinweg.

Er hörte Lazarus More brüllen.

»Gabriel!«

Vom Himmel senkte sich das Unsichtbare herab. Die Decksplatten verformten sich unter einem tonnenschweren Gewicht. Eine schreckliche, kosmische Kälte strich über das Schiff. Die Hagelkörner schienen in der Luft zu erstarren. Der Sturmwind nahm die Konsistenz von Eisen an. Die Luft war plötzlich nicht mehr atembar. Schwer und massiv.

Mit einem Keuchen riss Zamorra das Amulett hoch. Entfesselte mit einem Gedankenstoß die Mächte, die darin schlummerten. Die unvergleichliche Kraft einer entarteten Sonne!

Gegenwart, Château Montagne, Loire-Tal

Während durch das große Fenster das Licht der Nachmittagssonne strahlte, hätte Professor Zamorra am liebsten laut geflucht.

Er saß grummelnd hinter dem Computer in seinem Arbeitszimmer, tippte auf die Tastatur und starrte mürrisch auf den Bildschirm.

Bilanzen, Rechnungen, Ausgaben.

Ein Wust an Zahlen und Texten, die nur eines im Sinn hatten; die Devisen des Professors zu schmälern. Alleine schon die Renovierungsarbeiten am Château, die Umbaumaßnahmen der Kellergewölbe, die Verlegung neuester Technikstandards für Heizung, Klimatisierung und Kommunikation ...

Die Ausgaben nahmen kein Ende. Hinzu kamen noch die zahlreichen Flugreisen und Auslandsaufenthalte. Kosten, Kosten, Kosten! Aber unerlässlich für ihre Arbeit als Dämonen- und Höllenjäger. Tja, wenn man Druidenkräfte hätte und per zeitlosen Schritt die Entfernungen überbrücken könnte ... Ach, was waren das für Zeiten, als Zamorra und sein Team noch die Teleport-Kräfte der Regenbogenblumen nutzen konnten.

Das Vermögen schmolz geradezu dahin. Und dem gegenüber standen sinkende Einnahmen aus Verpachtungen und Weinverkäufen. Außerdem war sich Zamorra nicht zu schade, den Einwohnern von St. Cyriac Kredite zu geben und finanziell unter die Arme zu greifen. Mit den Rückzahlungen sah es nicht so gut aus. Vielleicht musste der Parapsychologe einmal ein ernstes Wort mit den Dorfbewohnern sprechen.

Zamorra lehnte sich zurück und rieb sich die Augen. Er hasste Buchhaltung. Wie jeder Franzose stand er auf Kriegsfuß mit dem Finanzministerium. Wofür bezahlte er eigentlich seinen Steuerberater? Warum kümmerte der sich nicht darum.

Die Tür öffnete sich, und das Sonnenlicht tauchte Nicole Duvals Gestalt in magisches Glimmern. Wie eine Elfe erschien sie Zamorra, und er fühlte sich sofort etwas besser.

»Weißt du«, sagte die schöne Französin und setzte sich auf die Schreibtischkante. »Ich habe mir etwas überlegt!«

Das blumige Cocktail-Kleid stand der schönen Französin ausgezeichnet. Sie trug die Haare halblang, blond und modern. Der Pony unterstrich das Funkeln ihrer braunen Augen. Die goldenen Sprenkel darin schimmerten übergroß, ein Zeichen, dass Nicole aufgeregt war. Sie fuchtelte wild mit den Armen, auf ihrer hübschen Stubsnase saß eine Brille mit Fensterglas. Keck sah sie damit aus.

»Was ist dir denn eingefallen?«, fragte Zamorra mit einem Grinsen. Unwillkürlich musste er an ihr Liebesspiel heute Vormittag denken. Nicole sah zum Anbeißen aus.

Seine Gefährtin schob sich die Brille halb auf die Nase und blickte ihn über den Rand hinweg an.

»Ich sehe dir den Stress an, den die Buchhaltung des Châteaus dir bereitet, cheri. Übrigens: Der Bart steht dir gut ...«

Zamorra strich sich über den 7-Tage-Bart, den er sich hatte wachsen lassen.

»Oder bist du vor lauter Arbeit nicht zum Rasieren gekommen?«

Zamorra seufzte tief. »Tja ...«

»Jedenfalls bist du zwar ein begnadeter Parapsychologe und Dämonenjäger, aber die profane Seite des Wirtschaftslebens ist nicht dein Ding. Gerade der Unterhalt des Châteaus verschlingt Unsummen. Du brauchst professionelle Hilfe, Liebling. Und was liegt da näher, als mich als Kastellanin anzustellen. Eine Burgverwalterin, die dir die ganze Arbeit abnimmt.«

Zamorra wusste nicht, was er sagen sollte. »Das – das ...«

»Das ist genial«, unterbrach Nicole und machte eine Handbewegung wie zur Bestätigung. »Eine notariell beglaubigte Kastellanin mit Einkommen. Kannst du leicht von der Steuer absetzen. Außerdem kommen wir damit leichter an Fördergelder und können bestimmt so manches absetzen. Ich sehe schon jetzt die verzweifelten Mienen der Finanzbeamten.«

»Kastellanin?«, stammelte Zamorra. »Mit Gehalt? Aber Nici, ich habe dir doch schon lange Vollmacht über meine, äh, unsere Konten ausgestellt. Das war doch noch nie ein Problem für uns.«