Revolution des Denkens - Werner H. Heussinger - E-Book

Revolution des Denkens E-Book

Werner H. Heussinger

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Beschreibung

Eine neue Epoche hat begonnen: Künstliche Intelligenz, Biotechnologie und das anstehende Weltraumzeitalter verändern die Welt so schnell wie nie zuvor. Die Zukunft ist fantastisch und bedrohlich zugleich. Zwischen Pandemien, Klimawandel, Massenflut an Informationen und Konflikten geht der Blick für das Wesentliche verloren, der einzelne Mensch gerät aus dem Fokus. Wir verlieren uns zwischen Konsum und gesellschaftlichem Wandel. In diesem Spannungsfeld stellen sich die entscheidenden Fragen: Was macht uns als Menschen einzigartig? Was hat uns zu dem gemacht, was wir sind? Was sind wir morgen? Und: Wie bleiben wir frei und selbstbestimmt? Prof. Dr. Dr. Christoph Cremer, Werner H. Heussinger, Heike Görner und Ralph-Dieter Wilk geben einen Blick hinter die Kulissen der Menschheitsgeschichte und machen mit den geistigen Werkzeugen vertraut, die es braucht, um die Freiheit des Menschen aufrechtzuerhalten. Diese Freiheit ist das Lebenselixier, das die ganze Welt am Laufen hält. Nur mit ihr kann es echte Innovation, nachhaltigen Fortschritt und lebendige Demokratie geben. Die Reise der Menschheit hat erst begonnen ...

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Seitenzahl: 383

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CREMER | HEUSSINGER | GÖRNER | WILK

REVOLUTION DES DENKENS

Mensch bleiben im Zeitalter von Posthumanismus, Biotechnologie und Künstlicher Intelligenz

Dieses Buch ist Nikolaus von Kues1 gewidmet.

Er war sowohl Mystiker als auch erster moderner Denker.

Für vielfältige Anregungen richten die Autoren ihren ganz besonderen Dank an:

Mimoza Ahmetaj, Ministerin a.D.

Klaus Bettag

Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Borchmeyer

Prof. Dr. Frederic Fredersdorf

Hermann-Friedrich Kramer

Dr. Letizia Mancino

Dr. Uwe Matthes

Christian Meier

Dr. Jens Müffelmann

Henry Nold

Horst Reimann

Frank Schmalbach

Prof. Dr. Jan Snoek

Msgr. Dr. mult. Michael H. Weninger, Botschafter a.D.

Prof. Dr. Christof Wingertszahn

Sr. Dr. Maura Zátonyi OSB

CREMER | HEUSSINGER | GÖRNER | WILK

REVOLUTION DES DENKENS

Mensch bleiben im Zeitalter von Posthumanismus, Biotechnologie und Künstlicher Intelligenz

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

Originalausgabe, 1. Auflage 2023

© 2023 by FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Anja Hilgarth

Korrektorat: Dr. Manuela Kahle

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer

Umschlagabbildungen: Shutterstock.com/Janaka Dharmasena

Satz: Daniel Förster

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-95972-550-7

ISBN E-Book (PDF) 978-3-98609-044-9

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-98609-045-6

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de.

Inhalt

Geleitwort

Vorwort

Prolog: Revolution des Denkens, des Seins und der Technik

Kapitel 1: Die Menschheit macht einen Sprung

A. Tollkühne Astronauten in ihren fliegenden Kisten

B. Technik, die begeistert und jeden von uns verändert

C. Der mephistophelische Aspekt des Fortschritts

D. Technologie muss als Gehilfin des Menschseins verstanden werden

Kapitel 2: Revolutionäre Geister und der Griff nach den Sternen – Wir sind zurück im Weltraum

A. Wo revolutionäre Geister zu Hause sind

B. Aufbruch in eine neue Zeit – die Folgen der Mondlandung für den Individualismus

C. Steht uns ein Mayflower-Moment bevor?

D. Jeder Mensch ist ein revolutionärer Geist, der nach Freiheit strebt

Kapitel 3: Der Blick ins All ist der Blick in uns selbst

A. Von Mönchen, Teleskopen und Außerirdischen

B. Neue Perspektiven für die Menschheit und für den Einzelnen

C. Seid umschlungen, Billionen – die Freiheit, ein ganz besonderer Mensch im riesigen Universum zu sein

Kapitel 4: Unser Kulturelles Gedächtnis – der Unterschied zwischen Mensch und Affe

A. Menschen müssen das Rad nicht ständig neu erfinden – Affen schon …

B. Schluss mit dem ständigen Wandern – lasst uns Hütten bauen, Weizen ernten und Bier brauen

C. Meine Stadt, mein Viertel, mein Haus, meine Heimat

D. Bibel und griechische Philosophen prägen maßgeblich das europäische Kulturelle Gedächtnis

E. Von der Gottebenbildlichkeit des Menschen und seiner Verantwortung als Teil im Netz des Lebens

F. Alles nur geklaut? Bibel und Griechen interpretieren das Alte Ägypten

G. Die Achsenzeit – ein Plädoyer für einen kosmopolitischen Humanismus

Kapitel 5: Geld: Die geheime Staatsreligion oder: Geld regiert die Welt – aber wer regiert das Geld?

A. Geldsysteme fallen nicht vom Himmel – sie werden von Menschen gemacht

B. Geld hat zur Befreiung des Individuums geführt

C. Der moralische Fortschritt – zwingend notwendig …

D. Das Geheimnis der Geldschöpfung

E. Vertrauen in das Geld ist der entscheidende Faktor

F. Wie die Tempelritter das internationale Bankenwesen erfanden

G. Die Zeit der »ersten europäischen Renaissance«

H. Wie die Templer unser Wirtschaftssystem für immer veränderten

I. Seit Nixons TV-Ansprache ist der US-Dollar nur mehr eine Papierwährung

J. Die Entmaterialisierung des Geldes

Kapitel 6: Daten statt Öl: Der Kapitalismus hat sich verändert

A. Das Öl wird ins Feuer gegossen: Die Entstehung einer neuen Weltordnung

B. Reichtum und Ruhm – Superkapitalismus, Utopien und Dystopien

C. Der individuelle Mensch kann nur existieren, solange die Menschheit existiert

D. Bedroht die Digitalisierung das Menschsein?

E. Das Auseinanderdriften von Zivilisations-, Kultur- und Gesellschaftssphäre: der moderne Mensch wird heimatlos

F. Konsum als Identitätskonstruktion: Das Selbst wird durch Ansammlung und Konsum von Produkten definiert

G. Individuelles Denken statt Massenhypnose – Der digitalisierte Konsum verleitet uns zum Faulsein

H. Profite, Profite, Profite: Zunächst mit Produkten, dann aus Dienstleistungen, schließlich durch Spekulationen (Finanzkapitalismus) und jetzt mittels der Überwachung

Kapitel 7: Vom Homunculus zu Alexa – Geschichte und Perspektive der Künstlichen Intelligenz

A. Dichterische Vorwegnahmen Künstlicher Intelligenz

B. Ist die Vollsynthese einer künstlichen Intelligenz auf biologischer Grundlage möglich?

C. Künstliche Intelligenz auf »metallischer« Grundlage

D. Die Anfänge der Digitalisierung – der Geist in der Flasche

E. Wunderwerke der Technik – die ersten Rechenmaschinen

F. Das binäre System – die Muttersprache der Rechenmaschinen

G. Der Aufstieg der programmgesteuerten Rechenmaschinen zu globaler Bedeutung

H. Miniaturisierte Schaltkreise und Megaleistung

I. Das »Human Brain Project« – Computersimulation des menschlichen Gehirns

Kapitel 8: Ewiges Leben: Ist der Mensch eine unsterbliche Maschine?

A. Der Mensch – die schönste aller Erfindungen?

B. Ewiges Leben – ein vergiftetes Geschenk der Götter?

C. Die perfekte Mensch-Maschine – ewig jugendlich und unsterblich?

D. Nur weil wir die Mensch-Maschine verstehen, können wir sie noch lange nicht beherrschen oder kopieren

E. Kann sich die Mensch-Maschine selbst optimieren?

Kapitel 9: Vom ganzheitlichen Menschen zum einzelnen Molekülkristall: Wir brauchen eine Brücke zwischen den Wissenschaftswelten

A. »Hört auf die Wissenschaft!« – die Wissenschaft muss sich selbst auch zuhören

B. Von der Sprache Gottes – die Schönheit der kristallinen Grundelemente des Lebens

C. Der Mensch ist mehr als eine Anhäufung von Zellen und Reizen

D. Das Leben – eine universelle Wundermaschine

E. Das Menschsein bedarf eines besonders tiefen Blicks

F. Goethe hat den Menschen als Ganzes gesehen

Kapitel 10: Das Ändern der Perspektive und die Mystik als Initialzündung eines neuen Denkens

A. Die Revolution des Denkens – mehr als nur das Ändern der Perspektive

B. Der Weltraum: Unendliche Weiten – und andere Perspektiven: Die Schönheit und die Mystik

C. Vom Ändern der Perspektive zum Denken oder: Vom Entweder-oder zum Sowohl-als-auch

D. Vom Ändern der Perspektive zur Mystik

E. Über die Entstehung der Mystik

F. Mystisches Erfahren

G. Mystik als Initialzündung eines neuen Denkens

H. Mystik als Lösung

Exkurs und Denkanstoß: Freimaurerei war immer

A. Ist die Aufklärung ein Kind der Freimaurerei?

B. Revolution, Freiheit und Freimaurer

C. Die Freimaurerei als eine Institution des Brückenbaus zwischen Kulturen und zwischen Menschen braucht die freie individuelle Persönlichkeit

Literatur

Autoren

Geleitwort

Von Monsignore Dr. mult. Michael H. Weninger, Botschafter a. D.2

Gedanken über den Menschen als potenziell programmierbares Mischwesen aus Mensch und Technik – eine christliche Perspektive

Was ist der Mensch?

Diese Frage, die dem Wesen nach so alt ist wie das humane Reflexionsvermögen, zielt nicht mehr und nicht weniger denn auf die Frage nach der Identität des Menschen, also nach jenen Konstituenten, die den Menschen als Menschen definieren und ihn vom Tier und der übrigen geschaffenen Welt abheben. So weit, so gut. Allerdings erhebt sich gleichzeitig damit die ganz entscheidende Problematik, wer denn nun jene Konstituenten bestimmt, die den Menschen erst als einen solchen setzen. Solcherart determiniert der Fragende entsprechend seines je eigenen Seins- und Weltverständnisses gleichzeitig jene Parameter, die zur Beantwortung der von ihm gestellten Frage wegweisend sind. In der Philosophie wird dieses Dilemma mit dem Begriffspaar der subjektiven Objektivität und der objektiven Subjektivität umschrieben. Dabei handelt es sich jedoch nicht, wie oft genug missverständlich angenommen wird, um einen erkenntnistheoretischen Relativismus, sondern um die logische Herleitung der Antwort auf diese Frage entsprechend der ihr zugrundeliegenden Prämissen und Ableitungen dergestalt, dass sie nachvollziehbar überprüft werden kann.

Die Frage »Was ist der Mensch?« wird solcherart auf mannigfaltigste Weise und dennoch gültig beschieden. In Philosophie, Theologie, den verschiedenen Disziplinen der weiteren Geistes- und dann der Naturwissenschaften, aber auch in den Emanationen der Kultur und den existenziellen, vorwissenschaftlichen Riten. Jede Religion beispielsweise hat ihr je eigenes Menschen- und Weltbild. So auch die Technik, die Mathematik oder die Physik.

Christlich gesprochen und mit kurzen Strichen dargelegt: Gott schuf den Menschen nach seinem Abbild (Genesis 1,26a–27 und Genesis 2,7) und hat ihn nur wenig geringer gemacht als Gott selbst (Psalm 8,6). Aus dieser Gottabbildlichkeit des Menschen erwächst seine Menschenwürde, die wieder dessen Menschenrechte begründet. Als ein Ergebnis der europäischen Geistesgeschichte wurde auf dieser Grundlage der Katalog der geltenden Menschenrechte definiert, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die am 10. Dezember 1948 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurde (rechtlich allerdings nicht bindend), und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (für die EU und ihre Organe bindend; für die Mitgliedsstaaten ist sie dies ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union), ihren Niederschlag gefunden haben, um nur diese beiden prägenden Beispiele zu nennen.

Was bedeutet nun die Gottabbildlichkeit des Menschen im technischen Zeitalter? Auch hier hat das Christentum eine Antwort: Der Mensch ist Mitschöpfer an der Schöpfung. Und: Der Mensch soll sich die Schöpfung »untertan« machen (Genesis 1,28). Allerdings nicht als Usurpator, indem sich das Geschöpf Mensch an die Stelle seines Schöpfers setzt und dann folglich willkürlich in die Schöpfung eingreift. Wann immer sich der Mensch in Selbstherrlichkeit versucht hat, Gott als Schöpfer zu entthronen, ist dies mit der Folge der Katastrophe für ihn und die Welt einhergegangen. Sieht sich der Mensch als Geschöpf mit der Aufgabe betraut, Mitschöpfer an der Schöpfung zu sein, aber eben als Mitschöpfer, dann wird er entsprechend der Gesetzmäßigkeit der Schöpfung selbst kreativ tätig werden und nicht in Überheblichkeit in die Gesetze der geschaffenen Natur gegen ihre Gesetzlichkeit eingreifen. Mitschöpfer an der Schöpfung zu sein, heißt dann, richtig verstanden, Gott als den Schöpfer schlechthin anzuerkennen und gemäß seinem Willen und entsprechend der geschaffenen und dem Menschen vorausliegenden, diesem aber zur Verfügung überantworteten Gesetzmäßigkeiten einzugreifen. Biblisch gesprochen: Des Menschen Herrschaft über die Schöpfung gipfelt in der Sorge um die Bewahrung der Schöpfung insgesamt als seine Lebensgrundlage und in der kreativen Teilhabe am schöpferischen Wirken Gottes. Der Mensch ist solcherart, in voller Freiheit übrigens, rückgebunden an sich als Geschöpf und solcherart an den ihn vorgängig geschaffen habenden Schöpfergott.

Wie ist die alte Weisheit nun zu verstehen, nach welcher der Mensch das Maß aller Dinge sei? Diese kühne Behauptung geht bekanntlich auf den griechischen Philosophen Protagoras zurück und hat weitreichende Interpretationen ausgelöst. Die Exegese dieses Theorems oszilliert in der Geistesgeschichte des Abendlandes zwischen zwei Extremen: der Mensch als Maß aller Dinge, so wie es ihm von Gott als seinem Schöpfer gewollt in sein Wesen eingepflanzt ist, eben als MIT-Schöpfer, oder als Maßstab für ein Eingreifen in die Immanenz nach eigenem Gutdünken des Menschen, der alles seinem eigenen Willen unterwirft und losgelöst von Gott in selbsternannter Autonomie sich solcherart sogar anschickt, die Veränderung seines eigenen Wesens in Angriff zu nehmen, als autonomer Eigen-Schöpfer, der in der Folge sogar Gott agnostisch umformen oder atheistisch erledigen will. Dieses Seins-Verständnis des Menschen ist ein Merkmal der Neuzeit, und um mit Martin Heidegger zu sprechen, des Menschen der »Seins-Vergessenheit«. Der Mensch, im betäubenden Rausch des von ihm gewirkten technischen Fortschritts, setzt sich selbst an die Stelle des transzendenten, das heißt dem Menschen vorgängigen und diesen konstituierenden Seins. Findet sich der Mensch bei Protagoras als das Maß aller Dinge schöpferisch vorgängig vor, so kreiert der neuzeitliche Mensch nun autonom diese Stellung in der Immanenz, und ausschließlich innerhalb dieser, selbst. Der »Übermensch«, frei nach Friedrich Nietzsche, ist Wirklichkeit geworden. Diese Selbstermächtigung des Menschen sieht ihn dergestalt nicht mehr in einem System der Zusammengehörigkeit und Abhängigkeit von der Gesetzmäßigkeit einer von Gott weise geplanten und ins Werk gesetzten Schöpfung verortet, der er als Abbild Gottes und Mitschöpfer an der Schöpfung ohnehin in einer vorrangigen und privilegierten Weise angehört, sondern als ein alles Seiende, und dieses entsprechend seiner autonomen Selbstherrlichkeit, beherrschende Akteur gegenüber. Der neuzeitliche Mensch mit seinem »Willen zur Macht«, wie ihn Arthur Schopenhauer verstanden hat, anerkennt nicht mehr, dass seine schöpferische Macht ihm wesensgemäß von »außen«, seinem Schöpfer, zugeeignet wurde, sondern geht davon aus, dass sie nunmehr in der Selbstermächtigung des Menschen ihre Begründung erfährt. Mit der Folge, dass jegliches Maß menschlichen Handelns nicht mehr durch Gott als das allem vorgängigen und dieses begründeten Seins alles Seienden anerkannt, sondern durch den Menschen in seiner Selbstherrlichkeit als von ihm selbst als absolut gesetzt wird. Es gibt damit kein dem Menschen vorgängiges und diesen in seinem Machtanspruch ermächtigendes und solcherart diesen auch zur Ver-Antwortung ziehendes Sein mehr, welches man christlich gesprochen als Schöpfergott bezeichnet hat, sondern ausschließlich den Menschen als die sich selbst absolut setzende und auf sich selbst bezogene Macht.

Gerade an diesem Befund wird deutlich, dass der christliche Offenbarungsglaube und die daraus resultierende Schöpfungstheologie zur Überlebensstrategie für den Menschen und das Humanum rettenden Antwort wird.

Eine neue Herausforderung erwächst im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz und der im wissenschaftlichen Evolutionsprozess nach vorne hin offenen Möglichkeiten. Ist der Mensch unterwegs auf dem Wege des technischen Fortschritts, eine Intelligenz zu schaffen, die über diesen hinauswächst und diese »Intelligenz« in die Lage versetzen könnte, den Menschen als deren Urheber und Erst-Schöpfer zu usurpieren? Den Menschen wohlgemerkt, Gott ist schon längst eliminiert. Die potenziellen Möglichkeiten der technischen Vernunft ziehen keine Determinante ein! Vielleicht jedoch bietet die philosophische und christliche Sicht vom Wesen des Menschen das ihr eigene Korrelativ zur neuen technischen Vernunft unseres Zeitalters.

Um nichts weniger als um diese für das Überleben des Menschen und seine Existenz entscheidende Auseinandersetzung geht es im vorliegenden Werk.

»Revolution des Denkens – Mensch bleiben im Zeitalter von Posthumanismus, Biotechnologie und Künstlicher Intelligenz« ist der Titel und auch die Forderung dieses Buches. Letztlich geht es den Autoren um Freiheit, Demokratie und Menschenwürde und darum, die offensichtlichen Risiken und Chancen des (technologischen) Fortschritts erkennbar zu machen und gleichzeitig aufzuzeigen, was es benötigt, damit das Menschsein erhalten, unterstützt und gefördert werden kann. Ja, es geht darum, den Menschen neu in seiner Mitgeschöpflichkeit von allem Seienden zu denken und solcherart auch die technischen Errungenschaften in einem neuen Licht zu deuten. Es ist ein Buch von hoher Qualität, von namhaften Persönlichkeiten und Experten in ihren Fächern für wache und kreative Menschen geschrieben. Nicht für jeden, aber für den, der mehr erfahren, sich Erkenntnis erarbeiten und so dafür Sorge tragen möchte, den Fortschritt zu meistern, ohne darob das »Menschsein« aufs Spiel zu setzen. Fortschritt – ja, aber eben nicht als Schritt fort vom Menschen!

Das Buch leuchtet Bereiche der Menschheitsentwicklung aus, die in den Verflechtungen bislang so oder überhaupt nicht gesehen wurden. Man staunt beim Lesen, wird zum Mit-Denken angeregt, immer der Blick auf das große Ganze geweitet und solcherart motiviert, zu einem moralisch vertretbaren Fortschritt beizutragen. Das Buch stellt den Menschen ins Universum und weckt Lust auf Zukunft. Den Autoren geht es in diesem Zusammenhang auch darum, dem »Geheimnis des Lebens« und dessen Schönheit auf die Spur zu kommen. Für die Autoren gilt es, das Denken, Fühlen und Handeln wieder miteinander zu verbinden und in Einklang miteinander zu bringen, also dem Menschen in seiner »Ganz-Persönlichkeit« Geltung zu verschaffen.

Die Autoren sind mutig und treffen deutliche Aussagen. Ein Beispiel gefällig? Die Autoren schreiben: »Auf der Grundlage der komplexen raum-zeitlichen Geometrie der sogenannten »unbelebten« Natur hat sich das Leben nach bestimmten Gesetzen entwickelt. So sieht es bereits die biblische Tradition, so sahen es die griechischen Naturphilosophen, so sahen es Theologen des Mittelalters und so sehen es die Wissenschaftler in der heutigen Zeit.«

In diesem Buch wird die Einzigartigkeit des Menschen herausgestellt, mit seiner besagten Würde eben, den aus ihr resultierenden Menschenrechten und mit seinen schöpferischen Kräften. Seine Stellung in der Schöpfung ist solitär! Er ist durch nichts exakt zu kopieren und durch nichts zu ersetzen. Das macht unser Leben kostbar, bedeutungsvoll und zu etwas ganz Besonderem. Und das macht Mut. Jeder Mensch trägt den göttlichen Funken in sich. Und dieser Funke entzündet geistige und technische Revolutionen.

Zurück und in die Zukunft. Das Buch handelt vom Spannungsfeld zwischen Alt und Neu. Und: Die Autoren zeigen auf, dass die Fragmentierung der heutigen postmodernen Wissenschaften immer stärker den Bedarf offenbart, ganzheitlich zu denken. Übrigens, und ganz entscheidend, auch über sich selbst. Eine der großen Gefahren, diese Perspektive aus den Augen und den Gehirnen zu verlieren, führt zum »reduktionistischen« Menschenbild. Dieser Reduktionismus wird zur Bedrohung des Menschen in seinem Humanum und damit seiner Existenz dort, wo er beispielsweise auf die Qualität seiner Gene, auf seine ökonomische Leistungsfähigkeit, ihm seine Freiheit und sein Ich-Subjekt geleugnet und diese als bloß eine Illusion reduziert werden. Und dann, wenn einzelne Momente und Aspekte des Menschen isoliert und in selbstgesetzter Autonomie technisch so verändert werden, dass sie in ihrer Vereinzelung verabsolutiert sind, dann zeichnet sich der Weg in einen Transhumanismus ab, der jeden wachen Geist mit Sorge erfüllen muss.

In jedem Kapitel dieses sorgfältig gearbeiteten Werkes spürt der Leser auf unterhaltsame, spannende und informative Weise, wie sich die Welt angesichts der Gefahren zum Guten verwandeln lässt und was Menschsein als Neuschöpfung im besten Sinne dieses Wortes bedeutet. Das Denken der Hoffnung macht dieses Buch zur Orientierung für jene, die sich im Dschungel der veröffentlichten Meinung zu verlieren drohen und nach einem Ausweg suchen.

Die thematische Bandbreite des vorliegenden Werkes ist beachtlich. So wird eine begründete Ahnung vermittelt, warum sich die Welt in zweieinhalbtausend Jahren gerade in der christlich-abendländischen Kulturform so erfolgreich entwickeln konnte, dass sie zu einem globalen Maßstab für Ethik und Moral werden konnte. Auch das für diesen kreativen Prozess konstitutive Kulturelle Gedächtnis wird entsprechend gewürdigt.

Zum Fragenkomplex der sogenannten Künstlichen Intelligenz kommt der Mensch in seiner Ganz-Persönlichkeit zur Sprache, demnach als Einheit von Leib, Geist und Seele und gerade nicht in seiner machbaren Aufspaltung in einzelne Segmente seines menschlichen Existenzvollzuges. Ist alles, was technisch machbar ist, auch sittlich erlaubt zu tun? Eine allfällige Trennung der Körperlichkeit von der geistig-seelischen Sphäre des Menschen und umgekehrt ist nichts Neues und, wo aus medizinischer Sicht indiziert, die Grundlage für eine Heilung von Leiden. Wo diese Prämisse allerdings wegfällt, droht der Mensch sein Ganz-Personsein, seine Identität zu verlieren. Dies gilt im Besonderen auch für jene Wirklichkeit des Menschen, die einem jeden durch die Begriffe von Herz und Seele vertraut sind, das »Innenleben« des Menschen also. So wird ganz gezielt in diesem Buch die »Innerlichkeit« der menschlichen Person herausgearbeitet. Mit einer erstaunlichen Offenheit wird dargelegt, wie und dass sich Wissenschaft und Mystik ergänzen können und sollten. Von Karl Rahner stammt das hier abgewandelte Diktum, demzufolge der Mensch der Zukunft (auch) ein Mystiker sein wird oder er Gefahr läuft, nicht mehr zu sein. Diese Überzeugung gilt nicht nur für Christen oder Fromme im Allgemeinen, sie gilt für alle Menschen.

Die Beiträge im vorliegenden Werk verdeutlichen, dass die »innere« Sichtweise auf den Menschen Gefahr läuft, zugunsten der »materialistischen« in den Hintergrund oder überhaupt verdrängt zu werden. Das Auseinanderklaffen einer rein naturwissenschaftlich und/oder formal-soziologisch argumentierenden Anthropologie und einer biblisch grundgelegten Schöpfungstheologie ist nicht neu, provoziert jedoch im Heute eine radikale »Umwertung aller Werte« (Friedrich Nietzsche), nicht zuletzt dann folglich auch in ethischer und moralischer Hinsicht. Eine ausschließlich immanente Menschen- und Weltsicht, die solcherart die ihr zugrunde liegende transzendentale Wirklichkeit negiert, verneint ihre eigenen Wurzeln und entledigt sich damit ihrer Existenzgrundlage als Geschöpfe im Lichte ihrer wesenhaften Gottabbildlichkeit.

Das dem Menschen zu Recht innewohnende Vertrauen in die gottgewollten menschlichen Fähigkeiten und der Drang nach Selbstbestimmung, Autonomie und Freiheit in Selbstverantwortung, die ja nur solcherart echte Freiheit darstellt, wird dann zur Problematik, wenn sie sich anthropozentrisch absolut setzt. Diese neuzeitliche Anthropozentrik förderte in Abhebung von der Wahrnehmung des sich selbst als Mitte seiner eigenen Welt verabsolutierenden Menschen, gleichsam als logische Konsequenz die Versachlichung und Verzweckung der Natur, die darüber hinaus als Absetzung vom Menschen mit seiner »res cogitans« (René Descartes) als messbare, mechanische, »geistlosen« Gesetzen folgende nichtmenschliche Natur, dem »Objekt«. Der Mensch erhebt sich zum »Herrn und Eigentümer« der Natur, die er sich seiner Verfügbarkeit unterworfen ansieht, was ihn in seiner Selbsterhöhung schließlich zur Ausbeutung und Eingriffen in die »natürlichen« Abläufe verführt, die sich solcherart oft genug ihrer ihnen einwohnenden Zweckmäßigkeit und Sinnhaftigkeit gewaltsam beraubt sieht. Diese Feststellung hat nichts mit einer Fortschrittsverneinung zu tun, sondern muss als Warnung verstanden werden, angesichts der Gefahr eines drohenden Kollapses des globalen Gleichgewichts (vom Menschen verursachte Erderwärmung, Wetterkatastrophen, Erschöpfung lebensnotwendiger Ressourcen usw.). Wird dann auch noch der Mensch »verdinglicht« und wissenschaftlicher wie diktatorisch-regulativer Diktatur durch selbstermächtigte politische Eliten (Stichwort: »Social Scoring«) ausgesetzt, dann droht dem Menschen seine »Entmenschlichung«, seine »Entseelung« und wird zum Spielball durch von ihm selbst geschaffenen, jedoch von ihm nicht mehr zu kontrollierenden und seine Existenzgrundlage letztlich gefährdende Denk- und Handlungsweisen.

Das vorliegende Werk bietet eine grundlegende Analyse der Herausforderungen der »neuen Welt« mit ihren »transhumanistischen« Gefahren und legt durchdachte Lösungsvorschläge vor, wie eine menschfreundliche Welt aussehen könnte, die für den Einzelnen wie für die Gemeinschaft lebenswert ist, ja, ihm sein menschenwürdiges Überleben sichert, weil in ihr Mensch und Welt in ihrem Gesamtzusammenhang von Immanenz und Transzendenz in Acht genommen werden.

Vorwort

Von Dr. Uwe Matthes, Ordensmeister der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland (Freimaurerorden), gegründet 1770

Brauchen wir eine zweite Aufklärung? Brauchen wir gar eine Revolution des Denkens? Ja. Dafür gibt es viele Gründe, zumindest die beiden folgenden seien genannt.

Zum einen: Die Entwicklung von Wissenschaft, Technik, Wirtschaft, Politik und Kultur verändert jeden Einzelnen, die Menschheit insgesamt. Dies geschieht rasant, oft unbemerkt, vor allem kaum überschaubar. Die Fragen, was den Menschen ausmacht, ebenso wie die nach den Perspektiven der Menschheit stellen sich vor diesem Hintergrund neu und müssen vermutlich auch anders beantwortet werden als bisher.

Zum anderen: Zusammenhänge oder neue Denkweisen erschließen sich nur noch Gemeinschaften von Spezialisten, neue Erkenntnisse der Geistes- und Naturwissenschaften, technologische Trends, Marktentwicklungen, politische Ereignisse und deren jeweilige Ursachen dringen selbst in demokratisch verfassten Staaten nur gefiltert durch. Zu wem? Zu in Blasen gefangenen, von Fake News verunsicherten und sich somit immer stärker voneinander abgrenzenden »Normalbürgern«. In Autokratien und Diktaturen gelingt selbst dies kaum, und wenn, dann nur unter großen Opfern.

Gibt es die zweite Aufklärung? Ja. Ein gelungener Versuch liegt vor den Leserinnen und Lesern dieses Buches. Die Autorin und die Autoren versuchen Ordnung ins Chaos der Informationen zu bringen, erfreulicherweise in einer Sprache, die Teenies genauso erreicht wie deren Großeltern. Dabei gelingt Werner H. Heussinger, Christoph Cremer, Heike Görner und Ralph-Dieter Wilk nicht nur das systematisierende Erklären von Informationen und deren realgeschichtliche und geisteswissenschaftliche Herleitung. Sie stellen sich auch dem Anspruch, Altes und Aktuelles neu zu denken und zukunftsträchtige Denk- und Fühlmethoden vorzustellen.

Sind Aufklärer mutig? Ja. Sich die Freiheit zu nehmen, das Ganze zu denken, gegen detailverliebte Wissenschaftler, Mainstream-getriebene Medien, in der sozialisierten Rückwärtsverteidigung trainierte Kirchenleute und von Wahl zu Wahl sich verhaltende, mit oder ohne ideologische Scheuklappen begrenzte Berufspolitiker, ist mutig.

Eine Frau und drei Männer haben dieses aufklärende und mutige Buch geschrieben. Sie popularisieren damit einen interdisziplinären Dialog zu Menschheitsfragen. Diese bedeutsamen Fragen, die über Jahrhunderte, ja Jahrtausende immerfort gestellt wurden und nach deren Antworten man suchte und sucht.

In der Geschichte gab es Zeiten, in denen man die Menschheitsfragen häufiger und drängender stellte als in den Jahrzehnten oder Jahrhunderten davor oder danach. Dabei veränderte sich der Adressatenkreis für Fragen und Antworten und es fielen Letztere nicht selten anders aus als erwartet.

Eine der Phasen des Fragens, des Antwortens und des Erklärens war die europäische Aufklärung. Müßig scheint es, darüber zu streiten, ob sie ein Kind der Freimaurerei oder deren Mutter war. Fest steht: Die Freimaurer stellten zur Zeit der Aufklärung Fragen und gaben neue Antworten. Vielmehr jedoch: Sie klärten ihre Zuhörer über oft schwer durchschaubare Erscheinungen ihrer Zeit auf. Sie formulierten die von ihnen ausgemachten Ursachen der Entwicklung und sahen in die Zukunft. All dies oft in einer volksnahen Sprache.

Die Autorin und die drei Autoren, mehrheitlich Freimaurerin und Freimaurer, leben diese Tradition von alten Fragen und zeitbedingten sowie manchmal fast zeitlosen Antworten. Die im Buch geschilderten Fakten findet man sicherlich in der nächsten Auflage teilweise schon wieder aktualisiert. Jedoch die DNA der Geisteshaltung der Aufklärer wird bleiben. Dies auch, weil sie der Denk- und Gefühlswelt (heute sagt man der Denk- und Gefühlsfabrik, also dem Humankonzern) der Freimaurer entspricht. Die Autoren stehen in der Kette ihrer Freimaurerbrüder, die Dichter-Fürst oder nur Fürst, Philosoph, Theologe, die Politik karikierender Filmstar oder Präsident waren, als Komponisten oder Maler die Welt anders sahen als ein Astronaut, Kaufmann oder General.

Allen diesen Brüdern Freimaurern gedenken wir in unserer Großloge im November eines jeden Jahres. Dabei sind es manchmal »Riesen«, auf deren Schultern wir dankend stehen. Stets erinnern wir uns jedoch der Menschen, welche diese »Riesen« aufzogen, förderten und schützten – auch vor Mittelmäßigkeit in den eigenen Reihen.

Wie kommt es, dass die Freimaurerei immer wieder mutige Aufklärer hervorbringt? Vielleicht weil man in dieser Persönlichkeitsschule auch zur mutigen Aufklärerin und zum mutigen Aufklärer werden kann. Aber bleiben wir, bevor wir diese geheimnisumwobene Schule kurz besuchen, auf dem Teppich: Innovative Geister hatten und haben auch andere Heimatorte als die Persönlichkeitsschule der Freimaurer. Das formulierte schon der Freimaurerbruder Gotthold Ephraim Lessing, als er schrieb: »Freimaurerei war immer.« Damit nahm er den Logen und Großlogen ein Stück ihrer – manchmal nur eingebildeten – Exklusivität. Er gab diese ab, an eine zeitlose Geisteshaltung und Lebensweise. Die Art so zu denken, zu reden und zu handeln, wie es Freimaurer von sich verlangen sollten, ist nicht ausgestorben. Immer arbeiten weltweit Freimaurerinnen und Freimaurer an sich selbst. Üben die Königliche Kunst als optimale Persönlichkeitsschule aus. Warum dies so ist? Folgen Sie mir für wenige Zeilen bitte in die Freimaurer-Schule der Persönlichkeitsformung. Sie sollen dabei etwas erfahren über den Typus der Schüler, den Lehrplan, die Didaktik und Methodik seiner Vermittlung, über die Ziele der Ausbildung. Warum? So kann man vielleicht die Herangehensweise der mutigen Aufklärerin und ihrer Mitautoren an die heutigen Menschheitsprobleme besser verstehen.

Die Schülerinnen und Schüler wollen freie Menschen von gutem Ruf werden. Gemeint ist innerlich frei. Das scheint gelungen, wenn man es nach außen bemerkt. Ein Idealbild, dem jeder Mann und jede Frau nachstreben kann, wenn sie oder er es will. Das ist die einzige Aufnahmebedingung des Freimaurerbundes. Welch ein Glück, denn so finden sich in den Logen Menschen aus meist drei Generationen, mit unterschiedlicher Bildung und verschiedenen Berufen. Ihre sozialen Stellungen, politischen Meinungen, religiösen Überzeugungen sind nicht nur vielfältig, sondern zum Teil auch entgegengesetzt. Die Logenmitglieder haben unterschiedliche sexuelle Orientierungen, gehören unterschiedlichen Ethnien, Völkern und Staaten an. Charakterlich und damit auch vom Temperament her sind sie ein Abbild von Vielfältigkeit. Ihr Wertekanon betont Gerechtigkeit, individuelle Rechte, Toleranz, Fairness oder auch Loyalität, Respekt, Gemeinschaft, Familie. Die Schülerinnen und Schüler betrachten Gott und die Welt ganz verschieden: als Künstler, als Wissenschaftler, als Mutter und Vater, Tochter und Sohn. Übrigens: Auch die Autoren des Buches sind ein Abbild der Unterschiedlichkeit, beispielsweise der Berufswege: Ein nobelpreisverdächtiger Naturwissenschaftler, ein erfolgreicher Gründer einer börsennotierten Unternehmensgruppe und innovativ sozial Engagierte haben hier zusammengefunden.

Was eint die so ungleichen Schüler? Freimaurinnen und Freimaurer wollen an ihrer Persönlichkeit arbeiten. Eine Arbeit im Inneren, im Stillen, und doch ist die Loge als äußerer Platz optimal, weil man auf die anderen Schüler, die das gleiche Ziel haben, stößt. Man ist als Ungleicher unter Ungleichen mit gleichem Ziel unterwegs. Eine Lebensreise, die immer wieder neue Begegnungen, neue Anregungen, neues Wissen für den Einzelnen hervorbringt und sich als emotionale Gemeinschaft immer wieder neu konstituiert.

Wer bildet den Lehrkörper? Die Schülerinnen und Schüler. Besserwisserei und Umerziehungsabsichten bei Nebenbruder oder -schwester sind dabei verpönt. Auch der individuelle Anspruch, die Gesellschaft zu ändern, rangiert weit hinter dem, sich selbst zu ändern.

Somit ist maximale Toleranz das höchste Gebot in der Schule. Die Bemühung, sich selbst zu verändern, der Zweck der Schule, gibt den Lehrplan vor. Geübt wird demnach zuerst, in sich selbst hineinzuhören. Das funktioniert nur schweigend. Dann geht es bei der Übung darum, mit dem Nebenmenschen nicht nur auszukommen, sondern ihm auch zu helfen. Schließlich übt man, sich nicht als Mittelpunkt zu sehen, sondern nach fundamentalen Ursachen, nach umfassender Bewegung, ja nach dem Transzendenten zu suchen.

Gibt es spezifische Quellen, aus denen geschöpft wird? Nein, denn kaum etwas ist so eklektisch wie die Freimaurerei, welche auf Philosophien, Religionen, Geschichte, Kultur und Kunst zurückgreift und dies alles mit der Alltagserfahrung der Schüler konfrontiert.

Deutlich wird vielleicht, dass Ungleiche am gleichen Ziel mit vielfältigen Quellen arbeiten und sich dabei bemühen, tolerant zu sein. Das Ganze sowohl mit Verstand wie auch mit Gefühl. Für Ersteres eignen sich dabei besonders Symbole, von denen die Freimaurer viele erkunden und interpretieren. Für Zweiteres sind Rituale von großem Wert. Zum Teil über viele Jahrhunderte tradiert, werden sie Monat für Monat geübt.

Schließt man die Schule mit einem Zertifikat ab? Nein, man bleibt immer Schüler. Gibt es einen Leistungsnachweis? Ja, die Meinung der Mitmenschen.

Worin besteht das Geheimnis der Schule? Es gibt keines. Nur die Geheimnisse einer jeder Schülerin und eines jeden Schülers: die Selbstantwort auf die Frage, wie ich an mir arbeite.

Zu viel verraten über das, was Freimaurerei als Schule der Persönlichkeitsentwicklung ausmacht? Nein, vom Lesen eines Bauplanes und vom Studieren der Leistungen vieler Baumeister wird man nicht einmal Lehrling auf dem Bau. Das Lesen vieler Bücher über eine Schule, ihre herausragenden Schüler und deren Leistungen kann keinen jahrelangen Schulbesuch ersetzen. Man muss sich schon selbst auf die Schulbank begeben. Vielleicht treffen wir uns dort und erinnern uns, wie alles mit diesem Buch über Menschheitsfragen begann. Mich würde es freuen.

Prolog: Revolution des Denkens, des Seins und der Technik

»Sagt mir, was bedeutet der Mensch? Woher ist er gekommen? Wo geht er hin? Wer wohnt dort oben auf goldenen Sternen?«

Heinrich Heine (1797 – 1856)

Eine neue Epoche der Menschheitsgeschichte hat begonnen, und sie erfordert auch ein neues Denken. Es ist eine Revolution des Denkens, des Seins und der Technik. Heute trägt der Mensch nicht nur für seine Existenz als Individuum, sondern auch für die der Menschheit Verantwortung. Und das ist neu. Noch vor ein paar Tausend Jahren war der Mensch als Jäger und Sammler mit Holzspeeren unterwegs. Heute verändern Künstliche Intelligenz, Bio- und Gentechnologie, virtuelle Welten, Digitalkapitalismus und das anstehende Weltraumzeitalter das Menschsein in Rekordzeit. Der französische Schriftsteller und Mitbegründer der Science-Fiction-Literatur Jules Verne brachte es bereits vor 150 Jahren auf den Punkt: »Alles, was ein Mensch sich vorstellen kann, werden andere Menschen verwirklichen.« Oder wie es der Vater der US-Raumfahrt, Wernher von Braun, ausdrückte: »Ich habe gelernt, das Wort ›unmöglich‹ mit größter Vorsicht zu benutzen.« Die Zukunft ist fantastisch und bedrohlich zugleich. Zwischen Pandemien, Klimawandel und Konflikten gerät der einzelne Mensch aber auch immer öfter aus dem Fokus.

Wir sind zum Mond geflogen, wir haben den Code unserer Gene geknackt und wir haben mit dem Internet ein weltumspannendes Informationsnetz geschaffen, das jeden mit jedem und gleichzeitig mit allen zur Verfügung stehenden Informationen verbindet. Wie hat die Menschheit das alles und dazu noch in einer atemberaubenden Geschwindigkeit geschafft?

Von Holzspeeren und der Entdeckung des Feuers bis hin zur Landung auf dem Mond ist beachtlich wenig Zeit vergangen. Je weiter der Weg führt, desto mehr wird er uns verändern und offenbaren, was in der Menschheit noch alles veranlagt ist. Offensichtlich ist es tief in uns verwurzelt, nicht auf der Stelle zu verharren.

Eine Herausforderung jagt die nächste. Die nächsten Jahre werden sicher eine Bewährungsprobe: Wie gehen wir mit all diesen Herausforderungen, die zugleich auch Chancen sind, um? Verlieren wir uns dabei selbst? Wie können wir Freiheit und Individualismus bewahren? Es liegt an uns, dass daraus keine Zerreißprobe wird.

In der Gegenwart geht es zum Beispiel nicht mehr primär um die Industrialisierung und den Ersatz des Menschen als Arbeitskraft durch die Maschine, sondern immer mehr um den vermeintlichen Ersatz des Individuums, des Denkens selbst durch »Künstliche Intelligenz«. Der Mensch wird natürlich nicht von Computern oder Algorithmen unterworfen, sondern er unterwirft sich ihnen freiwillig. Wir vertrauen immer mehr auf eine Technik, die wir als Einzelne immer weniger verstehen.

Irgendwie hat man das Gefühl dabei, dass sich der Mensch seiner Selbst schämt angesichts der Technik, die er für maßlos überlegen hält. Das kann im äußersten Fall sogar so weit gehen, dass dies den Wunsch begründet, selbst so perfekt wie eine Maschine zu sein. Ein neuer Glaube an Götter, die wir selbst erschaffen, scheint zu entstehen – so könnte man das etwas ketzerisch zum Ausdruck bringen.

Wir sollten uns selbst ernst nehmen, aufrecht stehen und selbstbewusst Gestalter des Geschehens bleiben. Der Mensch ist Mittelpunkt des Seins und nicht eine ominöse Vorstellung von Technik oder Natur. Woher kommt der Mensch und wohin geht er? Was ist die Bestimmung des Menschen? Was macht das Menschsein aus? Auf der Spurensuche im Inneren und im Äußeren, auf dem Weg zum Wahren, Schönen und Guten. Dieses Buch soll hierzu durch anschauliche Beschreibungen Anregungen und Denkanstöße liefern.

Schönheit galt beispielsweise in der griechischen Philosophie als ein Beweismittel der Wahrheit. Die Fragen nach dem richtigen Leben und dem Glücklichsein stellen sich seit der Antike, eigentlich seit dem Beginn der menschlichen Zivilisation. Der Quantensprung des antiken Griechenlands, der anscheinend auf nur wenige kluge Köpfe zurückzuführen ist, bildet das Fundament dessen, was uns heute ausmacht, insbesondere im europäischen und amerikanischen Kulturkreis. Ohne dieses würde es so heute keinen Humanismus, keine Menschenrechte und keine Demokratie geben. Das Menschsein wird immer in Bewegung sein. Diese Bewegung trainiert und öffnet unseren Blick für das, was uns ausmacht und was unser innerstes und ureigenstes Bestreben ist. Das Bestreben, stets an sich zu arbeiten und morgen ein besserer Mensch zu sein als gestern, ist nichts anderes als das ewige Streben nach einem unerreichbaren Ideal. So wenig wie ein Mensch vollkommenes Glück erringen kann, so unmöglich ist es ihm, in allen Belangen perfekt zu sein. Beiderlei Streben sind jedoch der Weg, um glücklich zu leben.

Die Freiheit des Individuums – fruchtbringend mit der Freiheit der anderen verbunden – ist ein Ideal, ein Streben, eine Hoffnung, ein Versprechen, sprich: Sie ist das Lebenselixier, das die ganze Welt am Laufen hält. Nur so kann es echte Innovation, nachhaltigen Fortschritt und lebendige Demokratie geben. Nur so können wir uns als Einzelne selbst erkennen, unseren Platz und unseren Weg finden, um morgen besser zu sein als das, was wir heute sind, und so die Menschheit insbesondere zu moralischem Fortschritt befähigen. Wollen wir die Welt verändern, müssen wir mit uns beginnen.

Und natürlich leben wir heute in einer besonderen Zeit – eine Aussage, die allerdings jede Generation für sich beansprucht. Gefühlt scheint aber das, was wir »Individualismus« nennen, tatsächlich eine besondere Stufe erreicht zu haben. So möchte das Individuum heute maximale Freiheit genießen, und statt sich auf die Welt einzulassen, möchte es »geliked« und »gefollowed« werden. Kritik scheint dabei eher wenig bis gar nicht zu interessieren. Diesen Eindruck kann man so gewinnen. Gefällt die Wirklichkeit nicht, so werden alternative Fakten bevorzugt beziehungsweise erfunden und als Fake News verbreitet. Klicken, Zappen und Followen ist angesagt. Der Dialog mit dem Andersdenkenden verschwindet dabei zunehmend und man flüchtet in seine Community. Für den Begriff »Community« finden wir im Gabler Wirtschaftslexikon folgende Definition: »Community bezeichnet ein organisiertes und soziales Netzwerk von miteinander in Interaktion stehenden Individuen, die sich innerhalb eines spezifischen Zeitraums auf affektive sowie auf kognitive Weise wechselseitig beeinflussen und ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln. Die soziale Interaktion zwischen den Mitgliedern einer Community unterliegt dabei in der Regel einem gemeinsamen Ziel, geteilter Identität oder gemeinsamen Interessen.«3 Überspitzt formuliert: Ihre Mitglieder kaufen die gleichen Marken, konsumieren dieselben Medien und benutzen dieselben Plattformen. Sie vertreten die gleiche Meinung, die gleiche Moral und treffen sich gegebenenfalls auf den gleichen Veranstaltungen. Hierdurch entsteht die Gefahr, dass das ernsthafte Sich-Beschäftigen und die wirkliche Auseinandersetzung mit dem Fremden und das sich daraus bildende Potenzial einer möglich werdenden Aussprache mit dem anderen nur noch in geringem Maße vorhanden ist. Man nimmt dann überwiegend das wahr, was die eigene Meinung bestätigt; man konzentriert sich also auf Informationen, die im Einklang mit bereits vorgefassten Meinungen und Überzeugungen stehen. Dabei werden naturgemäß gegenteilige Informationen weitestgehend ignoriert – die selektive Wahrnehmung schlägt erbarmungslos zu. In solch einer Community bestätigt jeder jeden und jeder sich selbst. Auf diese Weise entsteht der vielzitierte »Herdentrieb«. Dissonanzen will man unbedingt vermeiden.

Die Meinungsäußerungen von anderen oder gar von mutmaßlichen Autoritäten werden vielfach unkritisch übernommen. Das fühlt sich gut an. Man lebt aber in einer Blase. Das Resultat ist bestenfalls Stillstand der eigenen Entwicklung, schlechtestenfalls sogar Rückschritt.

Schlimmer wird es nur noch dann, wenn man in seinen eigenen Vorstellungen feststeckt und dabei gleichzeitig anderen vorschreibt, was sie wie zu sagen haben. Am Ende steht oftmals eine ungesunde Mischung aus »Shitstorm«, »Häme« und »Cancel Culture«.

Eher unbemerkt zieht ein neuer Sturm auf: Die Konfliktlinien der Epoche der Digitalisierung sind in jedem Fall vielfältig. Die Freiheit ist dabei an vielen Fronten bedroht: Zum einen ist es die Digitalisierung selbst, die uns gläsern macht. Zum anderen ist es der Umgang mit der Digitalisierung, der uns Freiheit, Individualisierung und Demokratie streitig macht. Auch ist es die wirtschaftliche und soziale Teilhabe an der Digitalisierung, die einen Großteil der Weltbevölkerung zurückzulassen droht. Konflikte und Verteilungskämpfe sind vorprogrammiert. Es geht jedoch um mehr, als den Sturm nur irgendwie zu überstehen, denn er wird nicht so einfach an uns vorüberziehen. Es geht darum, die Segel richtig zu setzen und an Fahrt aufzunehmen, die Chancen und Potenziale zu nutzen, die uns zu Füßen liegen. Und sie sind enorm: Es besteht eine realistische Chance, die größten gegenwärtigen Probleme der Menschheit anzugehen, Gleichberechtigung zu schaffen und die Menschheit letztendlich zu einer »interplanetaren Spezies« zu machen, was im Übrigen das erklärte Ziel des »New Space Age« ist. Es ist davon auszugehen, dass die nächsten 200 Jahre tiefgreifendere Veränderungen für die Menschheit bedeuten werden als die vorherigen 2000 Jahre.

Betrachten wir das ganze »Treiben« noch aus einer anderen Perspektive. Im »Informationszeitalter« laufen wir Gefahr, an Informationen so gefesselt zu werden – »wir informieren uns zu Tode« –, dass sie, statt uns zu bereichern, uns Lebenszeit wegnehmen, wenn wir meinen, alles wissen zu müssen, was uns dargeboten wird.

Es braucht einige Zeit, um sich von solchen Gewohnheiten zu lösen, die zu Zwängen geworden sind, und ferner zu erkennen, dass Informationen per se nicht dasselbe sind wie heilsames Wissen oder gar Weisheit. Heute suchen viele Menschen wieder dieses verlorene Verweilen, die Zeit der Muße, die zugunsten einer angeblichen »schöpferischen Unruhe« aufgegeben worden ist. Diese endet, wenn sie nicht weiß, was sie tun soll, im Aktionismus. Da das Getane nicht sinnvoll ist und nur dafür sorgt, in Bewegung zu bleiben, ist es lediglich ein Rennen, ein Davonrennen, ein Rasen.

Es sind viel weniger die Sachzwänge als wir selbst, die uns hetzen, die uns zum Fortschritt zwingen. Fortschritt ist ein verkanntes und verräterisches Wort, denn hier wird nicht auf ein Ziel zugeschritten, sondern von etwas – wohl von der Mitte, die der Mensch im Grunde wieder sucht – »fort« geschritten. Die Ambivalenz dieses »Fortschritts« ist uns trotz aller hilfreichen Erfindungen langsam klar geworden. Aber die Ursachen, besser der Verlust jener Mitte, jenes Grundes, von dem wir uns dabei entfernen, sind noch lange nicht erkannt – und auch in der Tat schwer zu erkennen, wenn man sie zu Wort bringen will.

Sie liegen auch tief in der Wahrnehmung des technisch-naturwissenschaftlichen Denkens verborgen, das uns so viel Erfolge auf einer bestimmten Ebene gebracht hat, aber die Welt oft in einer Weise als vergegenständlicht, entseelt und entmenschlicht darstellt, dass sie als leer und öde erscheint – nicht nur gottlos, sondern »tote Materie«, eine Summe von »Stoffen und Kräften«, die wir glauben durch Erkenntnis der Ursachenketten nach Belieben berechnen und manipulieren zu können, sodass sie uns außer Zahlen und Fakten »nichts mehr zu sagen« haben und die Dichter4, die sie einst besangen, vermeintlich im Unwirklichen herumfantasieren, welt- und realitätsfremd sind. Unsere eigene Eingebundenheit in diese Welt dürfen wir nicht nur kognitiv verstehen, sondern wir müssen sie auch seelisch erfahrbar machen. Wir sollten unseren eigenen Erfahrungen trauen dürfen und uns dabei in unserem Inneren berühren lassen können. Auf diese Weise stillen wir auch unsere menschlichen Grundbedürfnisse nach Autonomie und Verbundenheit.

Um dem Geheimnis des Lebens und der Schönheit auf die Spur zu kommen, ist es bei Weitem nicht ausreichend, die Welt ständig weiter ohne »Geistiges Band« in ihre Einzelteile zerlegen zu können. Es gilt, auch unser Denken, Fühlen und Handeln wieder miteinander zu verbinden und in Einklang miteinander zu bringen.

Goethe äußerte sich zum Mysterium des Schönen einmal mit den Worten: »Das Schöne ist eine Manifestation geheimer Naturgesetze, die uns ohne dessen Erscheinung ewig wären verborgen geblieben.«5

Der Preis für die großartigen Erfolge und all die Macht, die wir heute durch Technik und Naturwissenschaft haben, ist hoch, sehr hoch, jedenfalls solange nicht deren Wesen erkannt wird und damit deren Grenzen gesehen werden, sodass man sie wieder in ein menschlicheres, nicht nur kausales und funktionales Weltverständnis von der »großen Weltmaschine« einbetten, also nicht leugnen oder »abschaffen« kann, was nicht geht – wir brauchen sie –, aber im Hegel’schen Sinne sollten wir sie »aufheben«, das heißt zugleich überwinden und bewahren.

»An den Scheidewegen des Lebens stehen keine Wegweiser.« So soll es Charlie Chaplin einmal formuliert haben. Unsere Überfluss- und Informationsgesellschaft bringt uns eine Vielzahl an Möglichkeiten mit, die in vielen von uns den Schein trügerischer Freiheit auslösen.

Heute werden wir mit immer mehr Informationen, Nachrichten, Kommentaren und Kolumnen konfrontiert und sind dabei kaum noch in der Lage, Wichtiges von Unbedeutendem zu unterscheiden. Es ist nicht übertrieben, von einem digitalen und kognitiven Overflow zu sprechen. Angefangen hat es mit Zeitungen, Radio und Fernsehen. Meldungen konnten sich massenhaft verbreiten.

Und im digitalen Informationszeitalter werden wir regelrecht überflutet mit widersprüchlichen Nachrichten, die uns oftmals den Mut rauben, eine eigene Meinung zu bilden und diese dann auch offen zu vertreten.

Leichter ist es natürlich, eine andere Meinung zu »liken« oder eben einfach nur stumm und »erschlagen« dazusitzen. Hinzu kommt noch das Dauerfeuer aus banalem Unsinn – online jede einzelne Sekunde. Alle wollen unsere Aufmerksamkeit wie auf einem billigen Jahrmarkt erheischen und das in einer Taktung, die uns krank zu machen scheint. Insbesondere Fake News und ihre inflationäre Verbreitung gefährden zunehmend auch unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Stabilität unserer Demokratie. Es ist dabei sicherlich auch nicht hilfreich, dass viele Menschen heutzutage allein vor ihren technischen Geräten wie Smartphone oder Laptop sitzen und in den sozialen Medien eine vermeintlich optimierte Version ihrer Selbst kreieren.

Grundsätzlich: Je mehr Optionen bestehen, desto mehr Entscheidungen stehen an. Und diese sind riskant, weil wir erst hinterher wissen, ob wir die richtige Entscheidung getroffen haben. So stehen wir ständig vor dem Problem, das Spannungsfeld zwischen gelebten und erträumten Möglichkeiten zu meistern. Solange wir für unsere Entscheidung überschaubare Anhaltspunkte haben, ist das kein Problem. Aber oft stehen wir vor einem Scheideweg, bei dem wir nicht mehr überschauen, was mit den vielen sichtbaren Möglichkeiten verbunden ist. Unsere Entscheidung können wir auf niemanden abwälzen. Das bedeutet Stress, oft lähmenden Stress. Hier kann einem die mittelalterliche Parabel von »Buridans Esel« in den Sinn kommen: Ein hungriger Esel steht zwischen zwei gleich weit entfernten Heuhaufen. Weil es für ihn, bei den zwei scheinbar gleichen Alternativen, keinen Anhaltspunkt für eine richtige Entscheidung gibt, verhungert er. Eine alte Geschichte, die nicht auf unsere Zeit anwendbar ist? Mitnichten, die mittlerweile unüberschaubare Vielfalt an Situationen, Informationen und Möglichkeiten lähmt oder verführt zu Ausweichhandlungen. Aber wir stehen heute an epochalen Scheidewegen in unsere Zukunft.

Vielleicht gibt es Werkzeuge, die uns dabei helfen, die Lebenswirklichkeit besser zu erkennen, und Orientierungshilfen für den richtigen Weg in die Zukunft an die Hand geben. Große Persönlichkeiten der Vergangenheit bedienten sich solcher geistigen Werkzeuge. An einigen Beispielen, die eine gewisse Stringenz erahnen lassen, lässt sich ein Blick in die Vergangenheit und Gegenwart werfen, um vielleicht schon hier die eine oder andere Anregung als Denkanstoß für unser Tun und Lassen in Gegenwart und Zukunft zu erlangen.

In Kapitel 1 geht es um den Sprung der Menschheit von der Erde auf den Mond im wörtlichen Sinn, den tollkühne Astronauten in ihren »fliegenden Kisten« vollzogen haben. Es wird dabei ersichtlich, dass sich der Mensch zwangsläufig durch die Technik, die er einsetzt, verändert. So ist es beispielsweise heutzutage in vielen Regionen der Welt einfacher, an ein Smartphone zu kommen als an sauberes Trinkwasser. Technologie sollte grundsätzlich als Gehilfin des Menschseins verstanden werden. Eine Technik um ihrer selbst willen entmenschlicht das Geschehen ebenso wie eine Technik, die nur zur Zerstörung erschaffen wird. Wir müssen Technologie so einsetzen, dass wir sie meistern, ohne uns vom Menschsein loszulösen. Der vielleicht wichtigste Aspekt des Apollo-Programms: Jeder Mensch, der heutzutage zum Mond hinaufsieht, weiß: Dort waren wir schon, und wir können noch mehr erreichen. Auch zeigt es auf eindrucksvolle Weise, wie sehr Fortschritt und Innovation nicht von kollektiven Gedankengängen und Handlungen abhängen, sondern von freien Individuen, die gemeinschaftlich handeln.

In Kapitel 2 wird die Frage aufgeworfen, wo revolutionäre Geister zu Hause sind. Es geht auch um den Aufbruch in eine neue Zeit. Soll der Mond »kolonisiert« werden? Steht uns hier ähnlich wie bei der europäischen Besiedelung Nordamerikas eine Art »Mayflower-Moment« bevor? Derartige innovative Möglichkeiten von Technik und Wirtschaft sind vor allem für die Perspektive wichtig, wie wir in Zukunft das Individuum und das Kollektiv betrachten wollen. Humankapital ist nicht das Ergebnis, sondern die Ursache für eine menschengerechte Gesellschaft und den sozialen Zusammenhalt. Es ist der Stoff, der den Betrieb am Laufen hält. Das eigene Denken muss dabei frei sein, informiert und selbstbestimmt in seiner Bildung, wenn es Innovationen hervorbringen soll; schließlich ist jeder Mensch auch ein revolutionärer Geist, der nach Freiheit strebt.

Kapitel 3 beschäftigt sich mit der Position des Individuums in der gewaltigen Schöpfung des Universums. Der wissenschaftlich-technische Weg, von Kopernikus – »Der Mittelpunkt der Erde ist nicht der Mittelpunkt der Welt« – über Giordano Bruno bis zum James-Webb-Teleskop, hat buchstäblich astronomische Ausmaße. Die Sicht auf den Ursprung des Universums verändert unser Selbstverständnis, woher wir eigentlich kommen. Der Blick auf die Struktur des Universums wiederum verändert unsere Selbstverortung und die Frage, wo unser Platz ist. Selbstverortung ist einer der wichtigsten Prozesse in der Identitätsfindung und Persönlichkeitsentwicklung. Sie hilft uns nicht nur, uns im Wirrwarr der Gesellschaft, des Berufs oder des Privatlebens zu orientieren. Sie gibt uns auch einen Punkt, von dem aus wir unser Leben planen und gestalten können. Wer nicht weiß, woher er kommt, weiß nicht, wo er ist und wohin er geht. Je besser wir uns also verorten können, desto leichter fällt es uns, unsere persönlichen Werte zu entwickeln und in erreichbare Ziele umzusetzen. Dazu brauchen wir den Diskurs. Nur der Diskurs schafft Inhalte. Inhalte schaffen Werte. Werte lassen uns Ziele setzen. Das Erreichen von Zielen hilft uns dabei, uns als Persönlichkeiten zu definieren. So einzigartig wie jeder Mensch unter allen hier lebenden Menschen ist, so einzigartig ist er auch sonst in der Schöpfung des Universums. Er ist durch nichts exakt zu kopieren und durch nichts zu ersetzen. Das macht unser Leben kostbar, bedeutungsvoll und zu etwas ganz Besonderem.

Kapitel 4