Revolution? Ja, bitte! - Andreas Buhr - E-Book

Revolution? Ja, bitte! E-Book

Andreas Buhr

4,8

Beschreibung

Die Digitalisierung rückt den Menschen in den Mittelpunkt. Technologischer Fortschritt eröffnet jedem neue und ungeahnte Möglichkeiten. Das wird unsere Wirtschaft und die Führung in den Unternehmen revolutionieren. Führungskräfte sind herausgefordert. Sie müssen ihren Führungsstil entweder von Grund auf ändern oder zumindest radikal um neue Verhaltensweisen erweitern. Das ist eine der zentralen Thesen dieses Buches. Andreas Buhr und Florian Feltes haben fast fünf Jahre recherchiert, um zu verstehen, was es heißt, in digitalen Zeiten Menschen zu führen. Sie haben mit jenen gesprochen, die in der digitalen Welt als Pioniere gefeiert werden, und sie haben sich Informationen über die neuesten Entwicklungen weit über das Silicon Valley hinaus verschafft. Zusammen mit der University of Luxembourg hat Florian Feltes eine Studie zum Führungsverhalten der Digital Natives durchgeführt. Die Ergebnisse räumen mit Vorurteilen auf und öffnen den Blick für die Revolution, die auf die Unternehmer zukommt. Dabei diskutieren die beiden, der eine Babyboomer, der andere Digital Native, die Ergebnisse ihrer Recherchen höchst strittig miteinander. Gemeinsam haben sie einen neuen Führungskompass entwickelt, der Führungskräfte sicher durch den Digitalisierungsdschungel navigiert. Sie erhalten in diesem Buch konkrete Tipps, wie Sie eine digitale Unternehmensstruktur parallel zur analogen Betriebsstruktur aufbauen und beide miteinander verweben. Methoden, die die Ängste der älteren Mitarbeiter neutralisieren und den Exodus der Gen Y aus Ihrem Unternehmen stoppen. Das alles macht das Buch zu einem fundierten Handbuch, das Sie bei der digitalen Umgestaltung Ihres Unternehmens ständig begleiten wird.

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Andreas Buhr / Florian Feltes

Revolution? Ja, bitte!

Wenn Old-School-Führungauf New-Work-Leadership trifft

Externe Links wurden bis zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buchs geprüft.

Auf etwaige Änderungen zu einem späteren Zeitpunkt hat der Verlag keinen Einfluss.

Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-862-7

ISBN epub: 978-3-95623-812-3

Lektorat: Ulrike Hollmann, Hambergen

Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de

Titelfoto: SFIO CRACHO / Shutterstock

Autorenfoto Andreas Buhr: Dominik Pietsch

Autorenfoto Dr. Florian Feltes: privat

Satz und Layout: Das Herstellungsbüro, Hamburg | www.buch-herstellungsbuero.de

© 2018 GABAL Verlag, Offenbach

Das E-book basiert auf dem 2018 erschienenen Buchtitel "Revolution? Ja, bitte!" von Andreas Buhr und Dr. Florian Feltes, ©2018 GABAL Verlag GmbH, Offenbuch

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

www.gabal-verlag.de

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Inhalt

Vorwort

1. Alles ist möglich

Die Zukunft voraussagen

Erweiterte Realität

Virtuelle Welten

Drohne statt Postbote

Papierdrucker sind langweilig

Geld aus Algorithmen

TONI LANE CASSERLY: »Bitcoins verändern die Welt«

Roboter helfen alten Menschen

Moonshots

Künstliche Intelligenz

DIANNA YAU: »Facebook hat eine einzigartige Unternehmenskultur«

2. Mittelstand in der digitalen Pubertät

Ergebnisse der Studie über Mitarbeiterführung und Social-Media-Nutzung

STREITGESPRÄCH: »Ihr kneift, wenn es darauf ankommt«

DANIEL KRAUSS: »Busfahren ist wieder in«

ELISA NARANJO: »Wirtschaft neu denken – sozial, digital, profitabel«

JUBIN HONARFAR: »Hochglanz-Imagefilme will niemand mehr«

Wie führen Professionals unterschiedlicher Generation?

3. Die Digitalisierung verändert unser Verhalten

ROLF SCHRÖMGENS: »Ständige Disruption verhindert Lernprozesse«

Minimierung der Bedeutung von Raum und Zeit

Permanenter Wandel

KAI DIEKMANN: »Raus aus der Routine«

Exponentielle Geschwindigkeit

Transparenz des Wissens

PHILIPPE VON BORRIES: »Frauen(versteher) sind die besseren Führungskräfte«

Die enorme Bedeutung des Sozialen

STREITGESPRÄCH: »Spring, wenn unten ein Netz gespannt ist«

4. Die digitale Parallelwelt

AMY C. EDMONDSON: »Im hochinnovativen Umfeld brauchen wir viele Meinungen«

Alte Strukturen aufbrechen

Barrieren überwinden

Soft Skills sind nicht mehr soft

In fünf Schritten zum digitalen Unternehmen

PASCAL FINETTE: »Du musst im Voraus wissen, wo der Puck landet«

Übungen zum Wertekompass

PEPE VILLATORO: »Sprich über dein Scheitern«

Anleitung zur Revolution

Anhang

Dank

Literaturverzeichnis

Die Autoren

Vorwort

Revolution bedeutet die grundlegende Neuerung und den nachhaltigen strukturellen Wandel eines oder mehrerer Systeme. Die erste große Revolution der Menschheit fand statt, als der Mensch, bislang Jäger und Sammler, zu Ackerbau und Viehzucht überging. Der nächste große Einschnitt in der Entwicklung der Menschheit war die erste industrielle Revolution, die sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zumindest in der Vorbereitungsphase befand (ihre genaue Datierung ist umstritten). Die Einführung mechanischer Produktionsanlagen, angetrieben durch Wasser und Dampfkraft, sorgte für die Voraussetzungen des Übergangs von der Agrargesellschaft in Richtung Industriegesellschaft. Es entwickelte sich die erste arbeitsteilige Massenproduktion durch den Einsatz elektrischer Energie. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schließlich kam es durch Elektronik und IT zu tief greifenden Automatisierungsprozessen in der Verarbeitung und Produktion. Innerhalb kürzester Zeit sind wir inzwischen an einen Punkt gelangt, an dem ein Teilbereich der Informatik, die künstliche Intelligenz, den Menschen zur nächsten, nämlich der digitalen Revolution führt.

Diese vierte Revolution hat schon vor Längerem begonnen und nimmt gerade richtig Schwung auf. Autonomes Fahren, virtuelle Realität, Machtverschiebung durch Transparenz und Dezentralisierung sind bereits heute Realität. Durch soziale Netzwerke, E-Commerce und Sharing-Economy hat sich unser Informations-, Kommunikations- und Nutzungsverhalten stark verändert. Der private Alltag ist für viele ohne Onlineverbindung kaum noch vorstellbar. Diese neuen Bedingungen übertragen sich verstärkt auf den beruflichen Alltag. Unternehmen müssen Anforderungen und Ansprüche, die sie bisher eher oder sogar nur von Kunden gewohnt waren, auch bei ihren Mitarbeitern erfüllen.

Von absoluter Transparenz über unmittelbares Feedback bis hin zum Wunsch nach besonderen Erlebnissen müssen Unternehmen sich etwas einfallen lassen, um gute Mitarbeiter zu finden und zu binden. Die von Buhr & Team beauftragte Studie zum Führungsverhalten der Generation Y, durchgeführt von Dr. Florian Feltes und Professor Charles Max von der Universität Luxemburg, die diesem Buch unter anderem zugrunde liegt, zeigt, dass gerade junge Führungskräfte ein anderes, digital geprägtes Verständnis mit ins Unternehmen bringen. Eine Schlüsselrolle für die schleppende Digitalisierung in Unternehmen spielen veraltete und starre Strukturen, die die Akzeptanz neuer Ansätze behindern. Die digitale Revolution verändert nicht nur das private Verhalten der Menschen, sie erfordert auch ein Umdenken im Führungsstil der Unternehmen.

Führung findet immer zwischen Menschen statt, egal ob digitale Technologien zwischengeschaltet werden oder nicht, egal wie alt oder jung eine Führungskraft oder ein Mitarbeiter ist. Die Studie der Universität Luxemburg liefert hierzu wichtige Erkenntnisse. Die Digitalisierung bietet Führungskräften neue Möglichkeiten, transparenter, effizienter, agiler und direkter mit Mitarbeitern zu kooperieren. Notwendig hierzu ist ein Aufbrechen verkrusteter Hierarchien und Strukturen. In einer komplexeren, schnelleren und globalisierten Welt wird es schwieriger, sämtliche Entscheidungsoptionen als Einzelperson zu überblicken und zu bewerten. Es gilt, das Wissen der Mitarbeiter richtig einzusetzen und zu nutzen. Die neuen Technologien machen dies möglich. Diese Veränderung muss gewollt sein und bewusst eingeleitet werden.

Denn eines ist klar: Wenn die Revolution nicht im eigenen Unternehmen stattfindet, werden die besten Leute zuerst gehen und die Revolution an anderer Stelle mit größeren Aussichten auf Erfolg umsetzen. Wie diese Revolution gemeistert und Führung zukunftsfähig gestaltet werden kann, erklärt sich nicht mit einem Standardrezept. Andreas Buhr und Dr. Florian Feltes liefern sehr pragmatische Ideen und Einblicke, wie dieser Wandel gelingen kann. Sie behandeln das Thema Führung aus der Sicht eines Babyboomers und eines Gen-Yers und beleuchten es aus verschiedenen Perspektiven. Sie lassen dabei gleichermaßen praktische Erfahrungen wie wissenschaftliche Erkenntnisse einfließen. So finden sie Lösungen, wie moderne Führung im digitalen Zeitalter aussehen und umgesetzt werden kann.

Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hermann Simon

Founder und Honorary Chairman, Simon-Kucher & Partners

Adenin. Thymin. Guanin. Cytosin. Kurz: ATGC. Das sind die vier Basen, aus denen der menschliche Code, die biologische DNA, besteht. Die Grundbausteine der digitalen DNA sind noch simpler: Null und Eins. Etwas ist oder es ist nicht. So wie bereits Shakespeare seinen Hamlet im dritten Akt sagen lässt: »To be or not to be.« Sein oder Nichtsein.

Null und Eins. Mit diesen zwei Ziffern sind alle Codes des digitalen Lebens geschrieben. Damit lässt sich alles digital sagen. Das ist erstaunlich, zumal die Informationsflut, die digital auf uns einstürmt, unendlich zu sein scheint. Unendlichkeit, erzeugt aus zwei Ziffern. Mit der Digitalisierung scheint alles möglich zu sein, was vorher nicht ging. Beispielsweise in der Archäologie. Gerade bei dieser historischen Disziplin würden die wenigsten vermuten, dass es die Digitalisierung war, die in den letzten Jahren zu entscheidenden Wissenssprüngen verholfen hat. Nicht durch Grabungen und den fein geführten Pinsel gewissenhaft arbeitender Archäologen konnten einige der ganz großen Rätsel der Menschheitsgeschichte gelöst werden, sondern mithilfe der Null und der Eins. Troja beispielsweise, jene legendäre Stadt, die der Dichter Homer in seinem weltberühmten griechischen Epos Ilias beschreibt, hat es vermutlich tatsächlich gegeben. Aufgrund digitaler Satellitenaufnahmen wurde die Stadt, die zu den historischen Beschreibungen passt, in der Türkei geortet.1 Ohne die digitalen Fotos wären die Grabungen niemals in der Provinz Çanakkale vorgenommen worden. Nicht wenige hatten die Erzählungen über Troja schlicht für einen Mythos gehalten.

In der Medizin ist es nicht anders. Die Digitaltechnik hat den Operationssaal revolutioniert, wenn auch auf sanfte Art und Weise.2 Denn die digitale 3-D-Technik liefert uns dreidimensionale Bilddarstellungen, die minimalinvasive Eingriffe erst möglich machen. Bei der Methode genügen kleinste Schnitte, um etwa einen Herzkatheter oder eine Herzklappe einzufügen. Die Erholungszeit des Patienten nach solch einem Eingriff ist erheblich kürzer als bei der traditionellen Operationsmethode. Chirurgen operieren heute mit Unterstützung digitaler Roboter Tumore im Gehirn, die früher als inoperabel galten. In etwa fünf Jahren werden sie sogar mit einer Art Schlangenroboter noch flexibler im Kopf des Patienten operieren können.3

Ob wir ins Weltall schauen oder in die Tiefen des Meeres – digitale Roboter senden uns Daten, die unser Wissen über die Welt und den Kosmos revolutionieren und uns besser und mehr verstehen lassen. Oder aber unsere Vorurteile entlarven. So weiß die Meeresforschung heute, dass es kein Seemannsgarn war, als Matrosen von Seeungeheuern berichteten mit riesigen Tentakeln, die aus den Tiefen des Meeres emporstiegen, von dort, wo sich kein Mensch aufgrund des enormen Wasserdrucks aufhalten kann. Heute wissen wir: Es gibt sie wirklich.4 Wir wissen es, weil die digitalen Roboter uns Bilder ihrer Existenz liefern: Riesenoktopusse. Sie senden uns aber nicht nur Aufnahmen von 100 Kilo schweren blinden Riesentintenfischen, sondern auch Daten über Methanvorkommen, die relevant für unsere zukünftige Energieversorgung sind, Daten über Mikrobakterien, die fähig sind, unseren Müll zu zersetzen, und Informationen über die Entwicklung des Planktons,5 das voraussichtlich für die stetig weiter wachsende Bevölkerung in der Zukunft ein Grundnahrungsmittel sein wird.

Selbst der Marianengraben im Pazifischen Ozean, der tiefste Graben der Welt, der mit rund 11 000 Metern tiefer ist als der Mount Everest hoch, wird mithilfe von digitalen Robotern erkundet.6 Dabei ist das Meer, das 70 Prozent der Erdoberfläche bedeckt, weniger erforscht als die Mondoberfläche, weil der enorme Druck von rund 1000 Bar, die ewige Finsternis, die Kälte und der mangelnde Sauerstoff ein Forschen nahezu unmöglich machten. Jetzt aber ist es möglich. Dank der Null und der Eins können intelligente Roboter in die Meerestiefen vordringen und dort operieren.

Aus der Weltraumforschung ist die digitale Technik ebenfalls nicht mehr wegzudenken. Was im Weltraum los ist, was es mit unserem Sonnensystem auf sich hat, wie die schwarzen Löcher zu verstehen sind, ob wir Menschen auf dem Mars leben könnten7 – zu all diesen Fragen senden uns digitale Roboter die Daten.

Auch in der Kunst bahnt sich eine Revolution an. Die britische Sängerin Imogen Heap8 singt auf der Bühne zu einer Musik, die sie digitalen Musikhandschuhen entlockt. Töne, die unsere Ohren noch nie vernommen haben. Musikingenieure basteln an weiteren ungewöhnlichen Instrumenten, um digitale Klangteppiche zu erzeugen, die unsere Hörgewohnheiten radikal verändern werden. Geräusche, die erst in unserem Kopf zu Musik werden.

Das alles geschieht bereits heute. Das Tempo der Veränderungen wird weiter anziehen, denn die Digitalisierung bringt exponentielles Wachstum, und zwar in allen Bereichen, die mit der Digitalisierung in Berührung kommen. Sich dieses exponentielle Wachstum vorzustellen, fällt schwer, es sprengt unsere Denkgewohnheiten. Ein Experiment macht deutlich, worum es geht. Probanden sollten das für sie attraktivste Angebot aus zwei möglichen Varianten auswählen. Angebot A verspricht den Kandidaten jeden Tag 1000 Euro, 30 Tage lang, am Ende werden also 30 000 Euro aufs Konto gebucht. Variante B dagegen hört sich bescheiden an: Der Kandidat erhält einen Cent am ersten Tag, am zweiten zwei Cent, am dritten vier Cent und so weiter, denn wir sprechen über exponentielles Wachstum. Am Ende, also am 30. Tag, sind dies nicht etwa wenige Cent, wie die meisten Probanden vermuteten und sich daher für Variante A entschieden, sondern 536 870 912 Millionen Euro.9

Wir müssen verstehen, dass wir mit der Digitalisierung kein lineares Wachstum mehr vor uns haben, also ein Wachstum, bei dem in gleichen Abständen die konstant gleiche Menge hinzukommt, sondern ein exponentielles Wachstum, bei dem sich in den jeweils gleichen Zeitabständen die Menge jeweils verdoppelt.

Besonders deutlich zeigt sich das in der Genomforschung. Glaubte man 1990 zu Beginn des Projektes, zur Entschlüsselung des Erbgutes bis zum Jahr 2010 zu benötigen,10 war man bereits 2003 damit fertig, sieben Jahre früher. Dabei mussten immerhin drei Milliarden Basenpaare sequenziert werden. Nicht gerade wenig. Ohne die Fortschritte in der Digitaltechnik, die immer größere Datenkapazitäten bietet, hätte das nicht funktioniert. Das drückt auch die Kosten. So verursachte die Sequenzierung im Jahr 2000 noch 100 Millionen Dollar an Kosten, 15 Jahre später nur noch 1000 Dollar11 und bald soll die Entschlüsselung des Erbgutes sich auf rund 100 Dollar beziffern. Das macht die Erforschung vieler Erbkrankheiten erst in diesen Tagen möglich. Die Kombination von stetiger Steigerung der Rechenleistung einerseits und sinkenden Kosten andererseits erlaubt erst den exponentiellen Verlauf der Digitalisierung – im Fall der Gensequenzierung bedeutet dies eine exponentielle Verringerung der Analysekosten. Dieses Beispiel macht deutlich, dass erst durch die fortschreitende Digitalisierung große Datenmengen erzeugt und auch verarbeitet werden können, denn im Kern geht es bei der Digitalisierung um Daten, egal um welche Daten es sich handelt, und diese Daten werden mit immer weiter ansteigender Geschwindigkeit erhoben, verarbeitet und vernetzt. Das Ergebnis sind verbesserte oder komplett neue Möglichkeiten der Kommunikation und Interaktion.

Deswegen potenziert sich nicht nur in der Genomforschung das Wissen exponentiell. Ganz allgemein gilt: Die Sprünge in Bezug auf Wissen und Umsetzung desselben werden aufgrund der Digitalisierung immer größer, die Zeitabstände immer kürzer. Verdoppelte sich das Wissen vor zehn Jahren etwa alle fünf bis sieben Jahre, ist dies heute bereits alle zwei Jahre der Fall, und das Tempo steigt weiter rasant an.12

So rasant, dass das, was wir Zukunft nennen, nicht mehr so undurchsichtig ist wie die Vorhersagen des Orakels von Delphi; stattdessen werden die Vorhersagen dank der gesammelten Daten immer präziser. Das betrifft fast alle unsere Lebensbereiche: Gesundheit, Verkehr, Job und Freizeit, sogar Naturkatastrophen wie Erdbeben und Tsunamis. Aber auch: was wir morgen im Kühlschrank benötigen, welche Hemden und Anzüge wir kaufen, wohin wir in Urlaub fahren und was das Hotel kosten darf, damit wir es buchen. Die Cookies auf unserem iPhone wissen es. Sie haben uns zugeschaut, wenn wir Flüge buchten, Autopreise verglichen und Bücher in unseren Warenkorb legten. Die Cookies kennen uns besser als wir uns selbst und bieten uns die Produkte genau zu jenem Preis an, bei dem wir zuschlagen müssen, weil sie genau auf unsere Gewohnheiten zugeschnitten sind. Alle diese Informationen fließen zusammen zu jenem Gebilde, das Big Data genannt wird. Informationen, die in einer Fülle erhoben werden, die vor der Digitalisierung gar nicht möglich gewesen war, und nun auch noch miteinander verknüpft werden und so Predictions, jene vorausschauenden Datenanalysen, möglich und damit die Zukunft berechenbarer machen.

Die Zukunft voraussagen

Menschen, die sich seit vielen Jahren professionell mit Big Data beschäftigen, sagen, dass Big Data nicht einfach nur ein Mehr an Daten ist, die wir nur vernünftig strukturieren müssen, um sie zu verstehen, sondern dass damit unser ganzes Wissenschaftssystem auf den Kopf gestellt wird. Die Verknüpfung von immer mehr Daten ist nicht nur ein quantitativer Sprung. Es ist ein qualitativer Sprung, die Transformation unseres Denkens und Handelns. Es wird unsere Denkgewohnheiten und unser Verhalten grundlegend verändern. Zuerst in der Wissenschaft. Denn Big Data macht Theorien und wissenschaftliche Modelle überflüssig.13 Das jedenfalls behaupten die Experten. Um das, was ist oder passieren wird, zu verstehen und daraus Handlungsoptionen abzuleiten, brauchen wir in Zukunft keine Denkmodelle mehr.14 Es genügen Korrelationen, gewisse Auffälligkeiten oder erkennbare Strukturen in den Wechselbeziehungen zwischen zwei oder mehr Faktoren. Bisher galten solche Korrelationen in der Wissenschaft als bloße Indizien, Kausalitäten durften daraus nicht abgeleitet werden. Doch die Big-Data-Experten sagen: Kausalitäten brauchen wir nicht mehr.

Die Frage nach dem Warum ist obsolet. In Zukunft genügt die Frage nach dem Was, um handeln zu können.15

Und dieses Was beschreiben die Korrelationen, gestützt auf eine Unmenge an Daten, immer genauer.

Ein Beispiel zeigt, was das bedeutet. Früher starben nicht wenige Frühchen an Infekten. Heute lässt sich das verhindern. Dank der Datenfülle, die inzwischen vorliegt, wissen die Ärzte, dass genau dann, wenn Atmung und Kreislauf bei den Frühchen äußerst stabil sind, nicht Entwarnung, sondern rasches Handeln dringend geboten ist. Denn immer dann, wenn die Vitalfunktionen sich besonders stabil zeigten, erfolgte in den nächsten 24 Stunden eine oft lebensbedrohliche Infektion.16 Die Ärzte handeln heute allein aufgrund dieser empirischen Daten, ohne Antworten auf das Warum zu haben. Zeigen sich die Funktionen von Lunge und Herz übermäßig stabil, sind sie alarmiert und verabreichen Medikamente, bevor eine Infektion auftreten kann. Das hat vielen Frühchen das Leben gerettet. Doch warum die Vitalfunktionen vor einer Infektion sich derart stabil zeigen, wissen wir immer noch nicht. Brauchen wir auch nicht, sagen die Big-Data-Experten. Es reicht, dass wir es wissen. Was Big Data für unsere zukünftige Gesundheitsvorsorge bedeuten wird, lässt sich an diesem Beispiel exemplarisch ablesen. Lebensrettend ist auch der Einsatz der Digitaltechnik im Hinblick auf Naturkatastrophen, etwa bei drohenden Tsunamis und bevorstehenden Erdbeben. Mithilfe der Null und der Eins können diese immer besser vorhergesagt und Hilfsmaßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden. Verkehr und Wetter sind ebenfalls Bereiche, die von Big Data in Zukunft noch mehr profitieren werden, als sie es ohnehin schon tun. Immer mehr Bereiche werden erfasst und das führt zu grundlegenden Umwälzungen in unserem Leben. So wird auch das menschliche Verhalten mithilfe von Big Data kein Geheimnis mehr bleiben. Wie wir als Person auf bestimmte Dinge reagieren, wie wir handeln werden, wie wir wählen werden, wird bald kein Buch mit sieben Siegeln mehr sein. Aus den Tweets, die wir liken, den Webseiten, die wir besuchen, den Blogs, die wir regelmäßig lesen, lässt sich viel, sehr viel ablesen. Die Cookies auf unserem PC oder unseren mobilen Endgeräten verraten es, und irgendwo in den Tiefen des Netzes wird dies gespeichert, verarbeitet und bei Vorhersagen, die politische oder wirtschaftliche Auftraggeber nutzen, abgerufen. Doch nicht nur die Zukunft wird immer genauer entschlüsselt, auch das Hier und Jetzt verändert sich radikal aufgrund der Digitalisierung unseres Lebens. Dank der erweiterten und der virtuellen Realität.

Erweiterte Realität

Damit ist gemeint: einerseits die Realität, wie wir sie kennen, andererseits etwas Virtuelles, das heißt eine in Echtzeit computergenerierte Wirklichkeit. Beides zusammen wird bald in der Augmented Reality, der erweiterten Realität, ineinanderfließen.

Wie das? Dazu müssen Sie sich in Zukunft nur eine digitale Brille, die Virtual-Reality-Brille, aufsetzen. Eine Brille, die Sie und Ihre Vorlieben genau kennt, denn die Cookies haben es auch der Brille verraten. Die Brille weiß, was Sie gerne essen, welche Kleidung Sie kaufen, wohin Sie in Urlaub fahren, welche Frau oder welchen Mann Sie attraktiv finden.

Wenn Sie also mit dieser interaktiven Brille durch die Stadt gehen und Sie gerade am Supermarkt vorbeikommen, blendet die Brille Ihnen den Einkaufszettel ein und teilt Ihnen mit, welche Lebensmittel im Kühlschrank fehlen. Wenn Sie ein Sportgeschäft passieren, erinnert die Brille Sie daran, dass die Sportschuhe, mit denen Sie zweimal in der Woche joggen, dringend durch neue ersetzt werden müssen, weil die Sohlen schon reichlich abgelaufen sind. Wenn ein Handyladen auf Ihrer Wegstrecke liegt, teilt Ihnen die Brille mit, dass Sie Ihren Vertrag dringend kündigen sollten, weil es bereits bessere Angebote für Ihr Mobilfunkgerät gibt. Ein kurz eingeblendetes Bild Ihrer Tochter erinnert Sie daran, noch schnell das Geschenk für sie zu kaufen, denn sie hat morgen Geburtstag. Wenn Sie an Starbucks vorbeischlendern, weist Sie die Brille darauf hin, dass in dem Café eine Frau sitzt, die genau Ihrem Typ entspricht, und Sie die Frau über Lovoo oder Tinder, mobile Dating-Apps, ansprechen können, weil auch sie dort angemeldet ist.

Zukunftsmusik? Nein, das alles ist bereits in greifbare Nähe gerückt. Denn wenn Ihr mobiles Smart Phone, mit dem Sie sich im Internet bewegen, und Smart Home, jene Software, die Haushaltsgeräte und Multimediageräte miteinander verbindet, mit der Digitalbrille gekoppelt werden, ist das geschilderte Szenario Realität. Dann haben wir das, was auch als Internet der Dinge bezeichnet wird: Computer kommunizieren ohne unser aktives Zutun miteinander.

Bis dahin ist es gar nicht mehr so weit, weil es die genannten Geräte bereits gibt: Smartphone, Smarthome, Digitalbrille. Alle sind in Gebrauch. Zweifellos führen Smartphones bei der flächendeckenden Verbreitung die Hitlistean. Durch den permanenten Gebrauch sind sie fast schon Teil unseres Körpers. Aber auch der millionenfache Einsatz von Smarthome17 steht kurz bevor, denn Konzerne wie Amazon werben aggressiv für den von ihnen entwickelten Sprachassistenten Echo. Dabei ist der Sprachassistent, dem wir sagen, was wir wünschen, nur eine von vielen Möglichkeiten, wie Smarthome funktionieren kann. Schließlich handelt es sich bei Smarthome um lernfähige Software, die erfunden wurde, um unsere Lebensqualität in den eigenen vier Wänden zu erhöhen. Software, die in Zukunft unseren Kühlschrank überwacht und rechtzeitig neue Bestellungen aufgibt, die Heizung hochfährt, damit wir nicht frieren, wenn wir heimkommen, die Garage öffnet, ohne dass wir aussteigen müssen, und unser Essen vorwärmt, damit wir nach der Arbeit nicht lange auf unser Abendessen warten müssen. Nur bei der technischen Vernetzung all dieser Geräte miteinander hapert es noch. Doch auch das ist nur noch eine Frage der Zeit.

Virtuelle Welten

Neben dieser erweiterten Realität gibt es virtuelle Welten (Virtual Reality), die vollständig von der realen Welt entkoppelt sind. Dank der Virtual- Reality-Brille (VR-Brille) können wir in diesen künstlichen Welten eine Menge Spaß haben. Die Spielmesse gamescom hat uns gezeigt, wie tief wir in diese aufregenden Welten eintauchen können. Es gibt Spiele, die mithilfe der VR-Brille unserem Gehirn etwa die Illusion vermitteln können, zu fliegen wie ein Adler. Sie sind derart gut konstruiert,18 dass wir während des Spiels das Gefühl haben, wirklich in dieser virtuellen Welt zu leben. Deshalb rast unser Puls, wenn wir während des Spiels Gefahren ausgesetzt sind und kämpfen müssen. Kein Wunder also, dass die Fahrt mit dem Autoscooter oder mit der Geisterbahn vielen nur noch ein müdes Lächeln entlockt. Gegen die virtuellen Geisterwelten, die uns das Grauen in Echtzeit erleben lassen, können sie nicht konkurrieren.

Ist das Betrachten der virtuellen Bilder in den VR-Spielen schon gruselig, wird es noch gruseliger, wenn zu der Optik das Tasten, Hören, Schmecken und Riechen hinzukommt. Wenn alle fünf Sinne angesprochen werden, wird das Spielerlebnis noch intensiver, noch realitätsnäher. Wir dürfen gespannt sein, denn daran arbeiten hochbezahlte Ingenieure. Sie basteln auch daran, noch besser die Probleme der VR-Brillen – zwickende Headsets, verhedderte Kabel oder eine schlechte Bildauflösung – in den Griff zu bekommen, damit die Realität der virtuellen Realität nicht in die Quere kommt.

Sie meinen, die Ingenieure sollten lieber an der Lösung echter Probleme arbeiten? Auch das geschieht. Klimaforscher wissen seit Langem, dass es sehr schwierig ist, Menschen zu einem anderen, umweltschonenderen Verhalten zu bewegen. Denn die Klimakatastrophe kann man nicht sehen, riechen, schmecken. Hier kommen die VR-Brillen ins Spiel.19 Mit ihrer Hilfe können Menschen in Szenarien geschickt werden, in denen die Klimakatastrophe ihre Wirkung längst entfaltet hat. Wenn die Auswirkungen auf Natur, Mensch und Tier detailliert gezeigt werden, schaffen sie jenes Aha-Erlebnis, das Menschen benötigen, um emotional betroffen zu sein.

Verhaltensforscher wissen: Wir brauchen Gefühle, um Wissen in Verhalten umzusetzen.20 Die virtuellen Spiele haben dabei eine wichtige Funktion: Sie machen die Klimakatastrophe erlebbar. Das hilft mehr als jede Ermahnung.

VR-Brillen lassen sich aber auch ganz pragmatisch bei der Urlaubsplanung einsetzen: Sie zeigen uns, wie das Feriendomizil in Südfrankreich aussieht, inklusive Hotel-Suite, in der wir wohnen werden.21 Unangenehme Überraschungen im Urlaub mit schimmeligen Badezimmern oder einem ausgetrockneten Pool gehören zukünftig wohl der Vergangenheit an; zumindest dann, wenn die Bilder zeitnah aktualisiert werden.

Virtual Reality soll kein konsumierendes Schauen sein, sondern ein interaktives Agieren. Mit den VR-Brillen sind wir nicht mehr Zuschauer, sondern selbst Akteur. Die Brille reagiert auf unser Tun, produziert Bilder, die sich unserem Verhalten anpassen, etwa dann, wenn wir durch die Ferienanlage oder das Kreuzfahrtschiff »spazieren gehen«. Noch kosten solche Brillen zwischen 700 und 900 Euro.22 Je günstiger sie werden, desto mehr Menschen werden sie nutzen. Die Zeiten, in denen wir zwischen Realität, erweiterter Realität und virtueller Welt hin und her pendeln können, sind nicht mehr fern. Denn hinter diesen Ideen stehen große Konzerne, die die Sache vorantreiben: SAP, Google, Samsung, Intel.23

Drohne statt Postbote

Gute Nachrichten gibt es auch für all jene, die in entlegenen Dörfern wohnen. Sie müssen in Zukunft nicht mehr Däumchen drehen, bis Päckchen und Briefe irgendwann eintrudeln. Denn die Zukunft der Logistik gehört der digital gesteuerten Drohne. Nicht der Postbote kämpft sich dann morgens durch Feld, Wald und Wiese zu den Briefkästen durch, sondern die Drohne. Sie bringt die Post und braucht dafür noch nicht einmal festes Schuhwerk. Ein Flug ohne Stress, wenn auch ohne Plauderstündchen zwischen Postbote und Kunde. Die pünktliche Zustellung ist nicht nur für private Kunden interessant, sondern auch für Unternehmen, denn die können in Zukunft bleiben, wo sie sind. Sie müssen nicht mehr teure Mieten in der Stadt oder in Gewerbeparks bezahlen, nur um erreichbar zu sein. Die Drohne macht’s möglich. Eingesetzt werden solche Paketkopter bereits von der Deutschen Post. So wird die Insel Juist regelmäßig von einem solchen Kopter angesteuert, der Medikamente bringt.24 Auch in Bergregionen wie Reit im Winkl gab es schon erfolgreiche Testflüge.25 Wenn die Genehmigungen vorliegen, wird das Projekt von DHL auch auf Städte ausgedehnt;26 allerdings müssen zuvor noch einige administrative und technische Fragen gelöst werden.

Papierdrucker sind langweilig

Sie wollen ein Haus bauen?

Warum drucken Sie es nicht?

Drucken? Ja, Sie haben richtig gelesen. Mithilfe von digitalen 3-D-Druckern, die Sand und Beton Schicht für Schicht aufeinanderfügen, können Sie Ihr Eigenheim in Zukunft selbst bauen. Darüber denkt man auch bei der UNO-Flüchtlingshilfe nach. Denn solche Häuser aus dem 3-D-Drucker können innerhalb von 24 Stunden gebaut werden, Fenster und Türen inklusive. Kosten: rund 10 000 Euro.27

Die runden Häuser aus dem Drucker könnten eine enorme Hilfe sein bei dem Versuch, Flüchtlinge menschengerecht unterzubringen. Kälte und Hitze könnten ihnen dann nichts mehr anhaben. Auch nicht der übergriffige Nachbar. Sicherer als Zelte wären die Häuser allemal. Auch die Privatsphäre der Flüchtlinge, die in Heimen oder in Zeltstädten immer bedroht ist, wäre gewahrt. Von solchen Häusern im Schnelldruckverfahren könnten nicht nur Menschen in Not profitieren, sondern auch Menschen in Deutschland, denen bisher der Bau eines Eigenheims zu teuer war.

Die 3-D-Drucker können aber noch mehr: von der Beinprothese bis zum Kabelbinder fast alles. Revolutionär an den 3-D-Druckern ist, dass dank ihnen niemand mehr auf die industrielle Produktion angewiesen ist. Die Produktion wird mit dem 3-D-Drucker dezentralisiert. Jeder kann in Zukunft produzieren: sein eigenes Haus genauso wie sein Traumauto.28 Da tauchen ganz neue Fragen auf, etwa die, was das generell für die Industrieproduktion in Deutschland bedeutet. Genauso grundsätzlich ist die Frage nach Papiergeld und Münzen, die wir nicht mehr brauchen werden, wenn wir in Zukunft mit Bitcoins, jenem digital erzeugten Geld im Netz, bezahlen.

Geld aus Algorithmen

Wenn Island nicht so kalt wäre, wäre das Angebot an Bitcoins, der virtuellen Kryptowährung, die das Geld ersetzen soll, deutlich geringer. Denn die Computer, die neue Blöcke in der sogenannten Blockchain und damit den Wert der Bitcoins erzeugen, brauchen Kühlung. Viel Kühlung. Diese braucht wiederum viel Strom und ist damit sehr teuer. Zum Glück aber hat Island sehr viel kalte Luft und durch die heißen Quellen sehr günstigen Ökostrom. Dennoch muss Marco Streng, einer der Bitcoin-Pioniere, rund eine Million Euro an Stromkosten monatlich zahlen.29 Für ihn ist das günstig. Deswegen befinden sich dort, irgendwo in den tiefen Erdschichten der Wikingerinsel – die exakte Lage der Mine ist ein Geheimnis –, die Computer, die die Bitcoins digital herstellen. Bitcoins, das muss man wissen, sind, obwohl digital erzeugt, endlich. 21 Millionen Einheiten dieser zufälligen Zeichenfolgen werden irgendwann erreicht sein und dann ist Schluss. Die virtuelle Geldmenge ist also begrenzt. Gerade das aber macht die Bitcoins so wertvoll, denn dadurch sind sie inflationsunabhängig, so wie Gold und Silber. In Zeiten, in denen die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank seit Jahren die Inflation anheizt, ist das kein unwichtiges Argument.

Doch für die Währung aus dem Netz sprechen noch mehr Gründe. Der wichtigste: Der Geldtransfer ist unabhängig von Banken und geht wesentlich schneller über die Bühne, weil keine Institution zwischengeschaltet ist. Wer sich fragt, warum er sein Konto digital selbst verwaltet, also alle Tätigkeiten macht, die zuvor die Bank für ihn gemacht hat, er aber die Kontoführungsgebühren weiterzahlen soll, findet mit Bitcoins vielleicht einen Weg, sich diese Fragen nicht mehr stellen zu müssen. Eine Welt ohne Banken ist möglich. Dank der Null und der Eins. Das lässt auch viele Finanzdienstleister aufhorchen. Ihr Ziel ist es, einzelne Dienstleistungen anzubieten, die heute noch von Banken erledigt werden, etwa Überweisungen. Die Universalbank, die alle Bankgeschäfte tätigt, ist bald nur noch ein Relikt. Voraussichtlich wird es Banken irgendwann nicht mehr geben.

TONI LANE CASSERLY:

»Bitcoins verändern die Welt«

(Copyright: M. Kathleen Kelly)

Toni Lane Casserly ist Bitcoin- und Blockchain-Expertin. 2011 trat sie in die Bitcoin-Welt ein. Seitdem wird sie in der Branche als »Jeanne d’Arc der Bitcoins« gefeiert. Casserly ist Mitbegründerin von Cointelegraph, einem der größten Medien-Netzwerke der Blockchain-Branche. Sie berät zurzeit mehrere Organisationen, unter anderem SingularityU, HBSC sowie die Vereinten Nationen. Darüber hinaus beschäftigt sie sich auch mit humanitären Fragen; so hat sie sich für die Bekämpfung des Ebola-Virus in Sierra Leone eingesetzt.

Andreas & Florian: Guten Morgen, Toni. Bei uns ist es Mitternacht, bei dir in San Francisco ist es erst 15 Uhr. Wir wissen, dass es momentan einen riesigen Hype um Bitcoins gibt und du daher wenig Zeit hast. Danke, dass du dir trotzdem Zeit für uns nimmst.

Toni: Kein Problem. Ich rede wahnsinnig gerne über diese vielen positiven Entwicklungen und hoffe, dass wir durch das Gespräch auch andere für dieses Thema begeistern und überzeugen können!

Florian: Dann haben wir richtig Glück gehabt!

Toni(lacht): Genau!

Andreas: Dann legen wir direkt mit den ersten Fragen los: Viele Menschen finden Bitcoins und Blockchains geheimnisvoll. Was ist das Geheimnis, Toni? Kannst du es uns erklären?

Toni: Es gibt keins. Im Gegenteil: Bitcoins und Blockchains leben von der Transparenz, nicht vom Geheimnis. Es ist eigentlich ziemlich simpel: Bitcoins sind virtuelles Geld, das entsteht, wenn ASIC-Chips komplexe mathematische Aufgaben lösen. Ihr könnt es euch so vorstellen: Wird ein solches Problem von einem Computer gelöst, applaudieren die anderen Computer und bestätigen somit die Richtigkeit der Lösung. Als Belohnung werden die Bitcoins dem »Sieger-Computer« zugeteilt. Wenn dies geschieht, spricht man von Mining, als ob man in einer Mine Gold »schürfen« würde. Die Blockchains sind die Technologie, die dahintersteckt. Sie sind eine Art Register, in dem die Bitcoin-Transaktionen, also der Transfer von einem zu einem anderen Nutzer, protokolliert sind. Da jeder Nutzer ein Protokoll dieser Transaktionen besitzt, sind alle diese Transaktionen nachvollziehbar. Das schafft Vertrauen und Sicherheit. Ihr seht: Bitcoins und Blockchains sind das Gegenteil von einem Geheimnis. Es ist auch für alle Nutzer sichtbar, wie viel Geld ein bestimmter Nutzer besitzt, ohne jedoch den konkreten Namen dieses Nutzers zu kennen. Die Privatsphäre bleibt trotz aller Transparenz geschützt.

Florian: Trotzdem finden viele Menschen Bitcoins geheimnisvoll …

Toni: Diese Wahrnehmung teile ich mit dir! Ich denke, dass Veränderung und Transformation immer etwas Mysteriöses haben, weil sie auch immer ein Stück unvorhersehbar sind. Virtuelles Geld ist etwas Neues für die meisten Menschen, unabhängig von ihrer Bildung oder ihrem Status. Doch Papiergeld war irgendwann auch einmal völlig neu. Genau wie beim Papiergeld wird es erst dann zu einem akzeptierten Zahlungsmittel, wenn möglichst viele Menschen diesem Geld einen Wert zuschreiben und Vertrauen in dieses Zahlungsmittel haben. Der Unterschied ist jedoch gravierend, denn der Wert des Geldes entsteht bei Bitcoins durch seine Nutzung und die Nutzer selbst, statt von zentralen Institutionen bestimmt zu werden. Wer das seltsam findet, sollte sich vergegenwärtigen, dass es mit dem Bargeld nicht anders ist. Eine 20-Dollar-Note ist vom Material her keine 20 Dollar wert. Das wissen wir alle, dennoch bezahlen wir damit. Wir sind es, die der Dollarnote diesen Wert zuschreiben. Es ist ein allgemein akzeptiertes Währungsmittel.

Andreas: Lange Zeit hat sich kaum jemand für das Thema Bitcoin interessiert.

Toni: Das ist auch gar nicht so schlimm oder verwunderlich. Viele Menschen verstehen nur die Welt, die sie kennen. Es schadet jedoch nicht, auch mal über den Tellerrand zu schauen! Habt ihr mal das Modell gesehen, das die Entwicklung eines Produkts von der Einführung bis zur Marktreife skizziert? Wenn wir dieses Modell auf die Entwicklung der Bitcoins anwenden, erkennen wir recht schnell, dass wir uns noch in einer absoluten Anfangsphase befinden, in der nur ein paar wenige sich mit dem Thema beschäftigen. Bei der frühen Entwicklung radikal neuer und innovativer Technologien ist es nur natürlich, dass sich zunächst nur eine kleine Gruppe von Insidern sinnvoll einbringt. Gerade für die Innovatoren und Early Adopters zeigt sich in dieser Phase eine sehr steile Lernkurve, bevor Produkte dann für die breite Masse reif sind.

Finanzexperten haben die Kursentwicklung in verschiedenen Formen der digitalen Währung mit Faszination beobachtet. Wir alle wissen, dass der Mensch ein Herdentier ist und sich mit der Masse bewegt. Wenn nun diejenigen, die eigentlich Spezialisten in anderen Bereichen sind, sich mit dem Thema Bitcoins befassen und erkennen, dass Bitcoins exponentiell an Wert gewonnen haben, dann wird aus einem Buzzword auf einmal eine Technologie, ein Thema, das für die breite Masse interessant ist. Wenn es so weitergeht, dann werden wir 2019 bei hunderttausend Dollar pro Bitcoin stehen. Virtuelles Wachstum ist exponentielles Wachstum, da Daten und Wissen mit beispielloser Geschwindigkeit und Dichte ausgetauscht und generiert werden können.

Wusstet ihr eigentlich, dass es eine sehr spannende Science-Fiction-Geschichte über die Entwicklung des Bitcoin gibt, die 2013 auf Reddit erschienen ist?

Andreas & Florian: Nein! Worum geht es in der Story?

Toni: Die Geschichte wurde von Luka Magnotta geschrieben und heißt »I am a time-traveler from the future, here to beg you to stop what you are doing«. Der Triumph der Bitcoins wird in der Geschichte genau vorhergesagt. Die Realität holt die Fiktion ein! Ich finde das total faszinierend!

Ich zitiere mal: »Ich sende diese Botschaft aus dem Jahr 2025. (…) Ich will nicht eure Zeit verschwenden, also werde ich nur erklären, was passiert ist.

Im Durchschnitt ist der Wert von Bitcoin bisher jedes Jahr um etwa den Faktor zehn gestiegen. Von 0,1 Dollar im Jahr 2010 über 1 Dollar im Jahr 2011 und 10 Dollar im Jahr 2012 bis 100 Dollar im Jahr 2013. Von nun an gibt es eine leichte Verlangsamung, da der Wert alle zwei Jahre um den Faktor zehn auf 1000 Dollar im Jahr 2015, auf 10 000 Dollar im Jahr 2017, 100 000 im Jahr 2019 und 1 000 000 im Jahr 2021 gestiegen ist. Von nun an gibt es keine gute Möglichkeit mehr, den Wert von Bitcoin in Dollar auszudrücken, da der Dollar nicht mehr verwendet wird und auch keine Zentralbankwährung mehr ausgegeben wird. Es gibt zwei Hauptformen von Reichtum in der heutigen Welt: Land und Kryptowährung.«

Wenn Mt. Gox und andere Ereignisse zur künstlichen Manipulation des Preises nicht stattgefunden hätten, wäre der Preis genau der von Luka Magnotta beschriebenen Kurve gefolgt. Faszinierend!

Andreas: Und warum ist der Hype gerade jetzt so groß?

Toni: Institutionen, die vorher Angst vor Bitcoins hatten, erkennen jetzt, dass man mit ihnen Geld verdienen kann! Also investieren sie. Das wiederum animiert auch andere Institutionen, in Bitcoins zu investieren. Sie investieren selbst dann, wenn gezielt falsche Gerüchte über Bitcoins gestreut werden, um das Vertrauen in sie zu erschüttern. Ich nenne euch ein Beispiel: Als der Chef der größten amerikanischen Bank J. P. Morgan, Jamie Dimon, Bitcoins Betrug nannte und die Leute, die Bitcoins kaufen, als »dumm« bezeichnete, kaufte am nächsten Tag die Bank JPMorgan Chase – interessanterweise eine Tochter von J. P. Morgan – Bitcoins in großen Mengen! Nach dem Motto: Jetzt erst recht! Wie gesagt, der Mensch ist ein Herdentier, also haben mittlerweile andere nachgezogen wie beispielsweise Goldman Sachs, die nun Lösungen auf Blockchain-Technologie und Bitcoin integriert haben. Dadurch gewinnen wiederum andere Institutionen und institutionelle Investoren Vertrauen und ein Gefühl von Sicherheit in die neue Technologie.

Andreas & Florian: Wie interpretierst du diese Vorgänge?

Toni: Ganz einfach: Das war der Durchbruch. Als es passierte, wussten wir, dass in Zukunft niemand mehr Bitcoins ignorieren wird! Die Leute haben verstanden, was es mit dem virtuellen Geld auf sich hat. Gezielte Desinformationen können im Informationszeitalter nicht mehr die gleiche Wirkung entfalten wie zuvor, denn echte Informationen sind heute genauso mächtig wie eine Strategie der Desinformation – sie führen heute zu einer Wertsteigerung. Der eigentliche Hype aber brach aus, als Bitcoin sich wirklich entlang der eigenen Preisschätzungen entwickelte. Das hat alle beeindruckt. Das war es, was den entscheidenden Umschwung in der Branche verursacht hat. Und es ist doch immer so: Geld folgt dem Geld.

Florian: Du sagst immer wieder, dass die Bitcoins helfen, den Wohlstand gerechter zu verteilen. Wie soll das funktionieren?

Toni: Zunächst einmal: Bitcoins verändern die Finanz- und Wirtschaftswelt grundlegend. Viele Menschen in vielen Ländern dieser Erde haben kein oder kaum Geld. Das aber braucht man, um zu kaufen, zu verkaufen und vor allem: um zu investieren. Mit Bitcoins kann in Zukunft jeder an Geld herankommen, alle Vermögenswerte dieser Welt sind dann zugänglich. Bitcoins können als das Internet des Geldes verstanden werden. Der Vorteil liegt auf der Hand. Das System basiert auf Daten, und Daten sind in der heutigen Zeit eine nicht endende Ressource. Mit dem souveränen Besitz der eigenen Daten, Informationen und dem Wert, der daraus generiert werden kann, verändert sich das ganze System der Wertschöpfung. Ein Handy reicht, um dabei zu sein!

Florian: Das hört sich sehr cool an!

Toni: Das ist es auch! Deswegen brenne ich ja auch so für das Thema! Nationale Grenzen oder die Frage, ob wir ein Bankkonto haben, spielen in Zukunft keine Rolle mehr. Der Geldtransfer läuft zwischen den Usern direkt ab. Eine Bank brauchen wir dafür auch nicht mehr. Das wird die wirtschaftlichen Machtverhältnisse grundlegend ändern! Nun können auch ärmere Bevölkerungsschichten mitspielen. Die sind jetzt dabei! Sie können Geschäfte aufbauen, Geld verdienen und investieren. Das wird die Wirtschaft ankurbeln, aber auch die Verteilung von Wohlstand gerechter machen. Unser Mindset ist das Einzige, was uns tatsächlich bremst, dieses System wirklich zu leben, weil wir es erst verstehen müssen.

Andreas: Dann müssen sich die Armen aber mächtig beeilen, denn du sagst voraus, dass bereits nächstes Jahr ein Bitcoin 100 000 Dollar wert ist. Wie sollen die einen Bitcoin kaufen können?

Toni: Es gibt unzählige Wege. Ich würde empfehlen, eine Art Schenkungsprotokoll mit dem ausdrücklichen Zweck der Umverteilung von Reichtum durch Umverteilung des aus »Gebühren« gewonnenen Wertes zu erstellen. Klingt vielleicht auf den ersten Blick sehr komplex und technisch, ist es aber eigentlich nicht. Es wäre in etwa so, als wenn wir bei allen Banküberweisungen immer eine Transaktionsgebühr in einen Topf werfen würden und diese Gebühren dann nutzen, um Wohlstand neu zu verteilen.

Bitcoins können in sogenannten Wallets gespeichert werden, dafür bedarf es noch nicht mal eines Bankkontos. Die bekanntesten Wallets sind aktuell Coinbase, Xapo, Breadwallet, Jaxx und mein persönlicher Favorit Exodus.io. Vielleicht müssen es auch keine Bitcoins sein, sondern andere digitale Währungen, obwohl die Bitcoin-Blockchain aktuell die sicherste und vertrauenswürdigste Lösung auf dem Markt ist.

Florian: Gut, okay, aber wer bringt diesen Menschen das nötige Wissen bei?

Toni: Das Internet. Ich bin ein Kind des Internets. Der Zugang zu stundenlangem Spielen in absoluter Freiheit hat mich von klein auf fasziniert und wird auch die Kinder der kommenden Generationen in seinen Bann ziehen. Überlegt mal, was mit der ganzen Technologie wie Virtual Reality schon heute möglich ist! Das Internet ist der Ort, an dem die nächste Generation, ohne Zugang zu oder Bedarf an Ivy-League-Universitäten, lernen und wachsen wird. Neben dem Internet spielen aber auch lokale Gemeinschaften eine wichtige Rolle. Wenn wir uns in dynamische Gemeinschaften integrieren, die über Ressourcen und Lernmöglichkeiten verfügen, werden wir neue Fähigkeiten erlernen und diese Fähigkeiten nutzen können, um einen sinnvollen Beitrag für die Welt um uns herum zu leisten.

Diese neue Art des Lernens und der Wertschöpfung wird zu einem globalen Imperativ werden; die Menschheit beginnt bereits, sich neu zu organisieren. Es gibt 25 Millionen Flüchtlinge, mehr Menschen, als in New York, Los Angeles, San Francisco und ganz Singapur zusammen leben. Dabei handelt es sich nur um diejenigen Flüchtlinge, die erfasst worden sind! Es gibt wahrscheinlich noch viel mehr. Darüber hinaus haben wir noch nicht einmal begonnen, die Auswirkungen der durch Klimawandel bedingten Wanderungsbewegungen zu quantifizieren. Auch andere Nomadenpopulationen entstehen, wobei die Zahl der digitalen Nomaden bis 2035 auf 25 Millionen geschätzt wird. Der Planet organisiert sich unbestreitbar neu. Unsere Aufgabe in diesem globalen Wandel sollte es sein, allen einen integralen Zugang zu Wohlstand, Gemeinschaft und Chancen zu bieten. Deshalb habe ich CULTU.RE gegründet: eine Bewegung, die Technologie und Menschlichkeit verbinden und dazu nutzen will, Wohlstand zu erzeugen und globalen Frieden herzustellen. Ja, ich gebe zu, das ist ein sehr hohes Ziel, aber wir haben heute die Technologie und das Wissen, um einen Riesenschritt in diese Richtung machen zu können.

Florian: Wow!

Toni(lacht): Ja, finde ich auch cool.

Andreas: Toni, du bist nicht nur von Bitcoins begeistert, sondern auch ein politisch denkender Mensch. Du beschäftigst dich mit Fragen über Demokratie und der gerechten Verteilung von Wohlstand. Sind Bitcoins auch politisch relevant?

Toni: Und ob! Bitcoins verändern die Welt! Das hört sich bombastisch an, ist aber ganz simpel: Wer wirtschaftlich mitspielt, kann auch politisch mitreden. Bisher sind viele Entwicklungsländer auf die Spenden aus anderen Ländern oder auf das Geld von internationalen Organisationen angewiesen. Mit diesem Geld sind immer auch Auflagen verbunden, die meistens den jeweiligen Geldgebern nützlich sind. Die Spielregeln können jetzt geändert werden. Bitcoin hat schon jetzt eine Marktkapitalisierung von über 160 Milliarden Dollar (Stand 1. Quartal 2018). 160 Milliarden Dollar – stellt euch das mal vor! Das ist mehr als das geschätzte Vermögen von 85 % der Nationen, wobei Bitcoin nach weniger als zehn Jahren des Bestehens zwischen Finnland (Platz 28) und Tschechien (Platz 29) rangiert.

Andreas: Das hört sich nach Revolution an!

Toni: Das ist es auch. Aber keine, die auf der Straße stattfindet mit Menschen, die Plakate schwenken. Diese Revolution findet im Internet und in den Köpfen der Menschen statt. Die Revolution wird auch nicht über Nacht kommen, sondern wachsen. Die Menschen haben genügend Zeit, sich darauf einzustellen.

Andreas: Sind Bitcoins denn auch etwas für die Reichen und Wohlhabenden dieser Welt?

Toni: Aber ja, die können damit richtig viel Geld machen! Deswegen sollten die Banken auch nicht weinen, dass es sie irgendwann nicht mehr gibt, sondern einfach in die Kryptowährung einsteigen. Es gilt: Wer mitmacht, kann Geld machen. Ich kenne einen Postboten, der hat in 14 Tagen mehr Geld gemacht als in seinem ganzen bisherigen Leben.

Andreas: Die Kursschwankungen aber sind enorm …

Toni: Ja, da muss man cool bleiben. Das lohnt sich aber. Wenn mich Leute fragen, wie sie mit Bitcoins Geld machen können, sage ich immer: kaufen und halten. Mehr braucht es nicht. Wer es ruhiger mag, sollte in die Technik dahinter investieren, in die Blockchains. Wie schon der Börsenguru André Kostolany gesagt hat: Wer mit Gold Geld machen will, sollte nicht ins Gold, sondern in die Schaufel investieren. Das ist immer eine sichere Nummer.

Florian: Letzte Frage: Wann hast du deine erste Bitcoin gekauft?

Toni: Ich habe meine erste Bitcoin nicht gekauft. Ich habe sie geschenkt bekommen! Ich hielt einen Vortrag darüber, wie wenig echte Demokratie wir in unserem Alltag haben. Danach kam ein Zuhörer auf mich zu und überreichte mir einen silberfarbenen USB-Stick. Auf dem war meine erste Bitcoin! Er meinte, das, was da drauf wäre, würde mehr Demokratie in die Welt bringen als alles andere. Und er hatte recht!

Florian: Hast du den Stick noch?

Toni: Nein. Und das ärgert mich sehr! Denn die Bitcoin auf dem Stick ist heute einiges wert! Also, wenn du irgendwo einen silbernen USB-Stick findest, lass es mich bitte wissen! (lacht)

Die Zeiten, in denen Unternehmer von einer Bank zur nächsten tingeln mussten, um neue Geschäftsideen finanzieren zu können, und am Ende dann doch eine Absage kassierten, neigen sich dem Ende zu. Denn nun gibt es Crowdfunding. Crowdfunding, auch Schwarm- oder Gruppenfinanzierung genannt, heißt übertragen auf die Finanzierung von Projekten: Viele Menschen sind von einem Projekt überzeugt und entschließen sich deshalb, es durch einen eigenen Beitrag mitzufinanzieren. Damit wird die Finanzierung zugleich zu einem Markttest, denn nun entscheidet nicht mehr ein einzelner Bankangestellter über die Verwirklichung des vorgestellten Projekts, sondern viele Einzelpersonen, die manchmal nur wenige Euro spenden, in der Masse aber die Finanzierung ermöglichen, weil das Produkt oder die Dienstleistung sie überzeugt. Crowdfunding gibt es auch in der Politik: Barack Obama, der erste schwarze US-Präsident, hat zu großen Teilen seinen Wahlkampf mit Crowdfunding finanziert. Obama, nicht zu Unrecht »König des Crowdfundings« genannt, hatte als Person überzeugt. So haben viele Wähler für seinen Wahlkampf Geld gespendet. Auch Filmprojekte, die von der Filmförderung abgelehnt werden, müssen heute nicht mehr in staubigen Schubladen der Vergessenheit anheimfallen; sie finden ihren Weg dennoch ins Kino. Finanziert werden sie heute einfach von den Zuschauern selbst, wie etwa die beliebte Fernsehserie Stromberg, die den Büroalltag vieler Menschen auf die Schippe nimmt und enorm viele Fans für den Kinofilm mobilisieren konnte.30 Kein Wunder also, dass Crowdfunding-Plattformen wie Pilze aus dem Boden schießen.31

Roboter helfen alten Menschen

Japan hat – mehr noch als Deutschland – ein Problem mit der Bevölkerungsentwicklung. Es gibt mehr alte als junge Menschen. Das schafft Probleme in der Altenpflege und in der Landwirtschaft. Niemand ist da, der die Ernte einholt. Für die Alten ist es irgendwann zu beschwerlich. Was tun? Technikverliebt, wie die Japaner sind, setzen sie bei der Lösung lieber auf Roboter als auf die Einwanderung ausländischer Arbeitskräfte.32 So unterstützt ein speziell angefertigter Roboteranzug, der über der Kleidung getragen wird, die alte Bäuerin beim Pflücken des Obstes. Federn, Griffe und Stützapparate, die in den Roboteranzug integriert sind, helfen bei der mühsamen Arbeit.33 Auch digital gesteuerte Traktoren werden in der japanischen Landwirtschaft vermehrt eingesetzt. Selbst in der japanischen Altenpflege setzt man auf die digitalen Helfer.34