Rhapsodie Und Rebellion - Aubrey Wynne - E-Book

Rhapsodie Und Rebellion E-Book

Aubrey Wynne

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Beschreibung

Ein schottisches Vermächtnis ... Eine politische Rebellion ... Zwei Herzen, die dazu bestimmt sind, sich zu treffen ...
Der Earl of Stanfeld, der nach dem Ebenbild seines Vaters aufgezogen wurde, ist pragmatisch und diszipliniert. Es gibt keine grauen Linien, die Gideons schwarz-weiße Welt stören. Bis seine Mutter einen Traum hat und darum fleht, in ihr Zuhause in den Highlands zurückzukehren.
Alisabeth wurde von der Wiege an verlobt. Mit siebzehn heiratet sie ihren besten Freund und findet Glück, wenn auch keine Leidenschaft. In weniger als einem Jahr macht sie eine politische Rebellion zur Witwe. Der gut aussehende englische Graf kommt einen Monat später und erweckt ihre Begierde und schreckliche Schuldgefühle.
Beim Überqueren der Grenze nach Schottland stellt Gideon fest, dass seine vorhersehbare Welt auf den Kopf gestellt wurde. Folklore, Legenden und politische Unruhen verflechten sich mit einer unerwarteten Anziehungskraft zu einer beherzten Highland-Schönheit. Als der Graf von einer englischen Verschwörung erfährt, die die Schotten zur Rebellion anstacheln soll, muss er sich für sein Land entscheiden oder den Clan und die Frau retten, die seine Seele rührt.

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Seitenzahl: 259

Veröffentlichungsjahr: 2024

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RHAPSODIE UND REBELLION

ES WAR EINMAL EINE WITWE

BUCH DREI

AUBREY WYNNE

Übersetzt vonCAROLIN KERN

INHALT

Rhapsodie und Rebellion

Ohne Titel

Lob für die »Once Upon a Widow«-Reihe

Prolog

1. Kapitel Eins

2. Kapitel Zwei

3. Kapitel Drei

4. Kapitel Vier

5. Kapitel Fünf

6. Kapitel Sechs

7. Kapitel Sieben

8. Kapitel Acht

9. Kapitel Neun

10. Kapitel Zehn

11. Kapitel Elf

12. Kapitel Zwölf

13. Kapitel Dreizehn

14. Kapitel Vierzehn

15. Kapitel Fünfzehn

Historische Anmerkung

Über Die Autorin

Mehr Historische Liebesromane Von Aubrey Wynne

RHAPSODIE UND REBELLION

VON

Aubrey Wynne

Übersetzung von Carolin Kern

Titel im englischen Original: »Rhapsody and Rebellion«

Copyright © 2018 by Aubrey Wynne

Bearbeitung durch The Editing Hall

Endredaktion von Paula Proofer

Cover von Sweet N Spicy Designs

Für die deutsche Ausgabe:

Übersetzung ins Deutsche Copyright © 2024 Carolin Kern

Herausgegeben von Tektime.

Alle Rechte vorbehalten

Kein Teil dieses Buchs darf ohne schriftliche Zustimmung der Autorin reproduziert werden, weder durch elektronische noch mechanische Mittel, Datenspeicherung eingeschlossen, außer es handelt sich um kurze Zitate in Buchrezensionen.

Erstellt mit Vellum

OHNE TITEL

Rhapsodie und Rebellion ist #3 in der »Es war einmal eine Witwe«-Reihe.

Dieses Buch war ursprünglich Teil der »The Enduring Legacy«-Reihe. Jedes Buch erzählte die Geschichten der Nachkommen einer Familie, die auf dem Höhepunkt der Hexenprozesse in Schottland verfolgt wurde. Diese Familie ist nicht real und ein Werk der Fiktion, aber was mit ihnen passiert, ist den einzelnen Menschen im 16. Jahrhundert und darüber hinaus sehr ähnlich widerfahren.

Die besonderen Vermächtnisse werden den MacNaughtons durch drei Geschwister in Schottland 1590 weitergegeben und umfassen die Gabe des Sehens, die Gabe der Empathie und die Fähigkeit, die Wahrheit zu sehen. Sie werden wegen ihrer Gaben und ihres Wunsches, anderen zu helfen, verfolgt. Ihre Kinder werden jedoch gerettet und ihr Vermächtnis lebt weiter.

In »Rhapsodie und Rebellion« erfährt Gideon, dass er das Vermächtnis der Wahrheit geerbt hat, während seine Mutter heimlich die Gabe des Sehens besaß.

LOB FÜR DIE »ONCE UPON A WIDOW«-REIHE

»Historisch korrekt mit ergreifenden Charakteren, die sich mit so herzzerreißenden Konflikten auseinandersetzen, dass ich mir nicht einmal vorstellen kann, wie ich reagieren würde. Packende Geschichte mit einem explosivem Ende.«

N.N. Light Book Heaven Reviews

»Aubrey Wynnes epischer historischer Liebesroman ist ebenso verblüffend wie er den Leser atemlos sein lässt! Ihre aufwändigen Details überschütten den Leser mit malerischen Landschaften, fabelhaftem Dialog und lassen nichts zu klein, um es zu bestimmen.«

InD’tale Magazine

»Irgendwo zwischen Austin und Heyer. Eine gute Lektüre.«

Rezension

»Die Szenen sind so grafisch detailliert und anschaulich, dass sie einen eleganten Hintergrund bilden, der die Handlung zum Strahlen bringt.«

Rezensent

»Dieses gut geschriebene Stück bietet eine Balance aus Trauer und Glück. Es wird dich zum Weinen, Lächeln und vielleicht sogar vor Freude zum Springen bringen. Ich kann dieses bezaubernde Stück sehr empfehlen.«

Vine Voice Rezension

»Aubrey schwingt ihre Worte so geschickt und präzise wie ein Chirurg sein Skalpell.«

Rezensent

»Ich empfehle es sehr.«

Jersey Girl Book Lover

PROLOG

»Rebellion gegen Tyrannen ist Gehorsam gegenüber Gott.«

BENJAMIN FRANKLIN

4. Juni 1792

King’s Birthday Riots

Edinburgh, Schottland

Der Lärm draußen wurde immer lauter, bis Maeves Mutter Peigi die Vorhänge zuschnappen ließ. Staubkörner tanzten in den Streifen des Sonnenlichts und forderten Maeve auf, den gedämpften Rufen nach Gerechtigkeit, dem Zerspringen von Glas und dem splitternden Holz vor dem Fenster nachzugehen. Das chaotische Durcheinander auf den Straßen der Stadt war erschreckend und fesselnd. Es erinnerte sie an das erste Mal, als sie Zeugin einer Hirschjagd geworden war und dem sterbenden Tier nicht zusehen hatte wollen, aber nicht in der Lage war, wegzuschauen.

In der feuchten, stillen Luft des Esszimmers bedeckte Mas Gesicht ein Schweißfilm. Maeve streckte ihre Hand aus und drückte beruhigend ihre Finger. »Er wird bald hier sein.«

Bei Da wären sie in Sicherheit. Er war größer und stärker und scharfsinniger als jeder andere, den sie in ihren fünfzehn Jahren gekannt hatte. Das Geräusch von Hufeisen und Kutschenrädern knirschte in der Einfahrt. Einen Moment später wurde die schwere Eichentür aufgerissen. Calum MacNaughton füllte den Türrahmen, wilde schwarze Locken klebten an seinem Hals und seinem kräftigen Kiefer, eine Peitsche in der Hand.

»Lasst uns gehen, meine Lieben. Wir wissen nich’, wie lange dieser Aufruhr anhalten wird.« Saphirblaue Augen glitzerten vor Dringlichkeit. »Ich hab’ ’ne Droschke gemietet, um uns außerhalb der Stadtgrenze zu bringen. Die Kutsche ist zu verlockend für den Mob.«

Maeve hob mit einer Hand ihre schweren Röcke an, ergriff mit der anderen ihren Pompadour und eilte zur Tür. Der Lakai warf Gepäck auf das Dach des Hansom und kam dann zurück, um Maeve zu helfen. Ihr Herz schlug schnell, als sie sich auf der abgenutzten gepolsterten Bank niederließ. Weit entfernt vom weichen Samt ihrer eigenen Kutsche. Maeve war entzückt gewesen, ihre Eltern nach Edinburgh zu begleiten. Jetzt betete sie für die Sicherheit ihres Zuhauses in den Highlands.

»Was, wenn sie die Kutsche anhalten? Ich habe Angst, Calum.« Panik fügte der Stimme ihrer Mutter eine schrille Note hinzu.

»Sie sind einfach hungrig und sind’s leid, nich’ gehört zu werden. Ich werde nich’ zulassen, dass euch etwas zustößt.« Der ruhige Ton ihres Vaters beruhigte beide Frauen. »Jetzt rauf mit dir, Peigi, meine Liebe. Wir werden im Handumdrehen hier raus sein.«

Er setzte sich ihnen gegenüber, klopfte mit den Fingerknöcheln gegen das Dach, und das Fahrzeug machte einen Satz vorwärts. Die Pferde wieherten protestierend und wichen Männern aus, die durch die Straßen rannten, und Trümmern, die ihnen in den Weg flogen. Jemand versuchte, sich zum Mitfahren seitlich an das Fahrzeug zu hängen. Calum fluchte vor sich hin, lehnte sich aus dem Fenster und schlug dem Mann ins Gesicht. Der Eindringling fiel mit dem Hintern in den Schlamm, wedelte wütend mit der Faust und hielt sich die Nase.

Der Fahrer steuerte in eine enge Gasse, um der Menge der Randalierer auszuweichen. Maeve spähte aus dem Fenster, um den Platz zu betrachten, der brechend voll von Hunderten Menschen war, die von allen Seiten hereinströmten. Auf einer schlampig errichteten Plattform hing eine Schlinge, mit einer Gruppe von Arbeitern, die etwas auf deren Schultern balancierten, das wie ein Mann aussah. Sie banden ihm die Schlinge um den Hals. Einer seiner Arme schwang unnatürlich an seiner Seite, und sie seufzte erleichtert, als Strohstücke vom Ärmel des Mantels fielen.

Der Kutscher ließ seine Peitsche knallen, schlitterte in die Gasse und brach von der Menge los. Als der Lärm nachließ, hörte Maeve zu, wie ihre Eltern über die politische Situation stritten, die zum Aufstand geführt hatte. Sie lehnte ihren Kopf gegen die harte Bank, jede Furche warf ihren Hals hin und her. Es war ein so langer Tag gewesen, mit wenig Schlaf in der Nacht zuvor. Ihre Augenlider wurden schwer und sie gab einem unruhigen Schlaf nach.

Die Horde von Männern johlte und stieß mit brennenden Fackeln nach dem Fahrer und dem Pferdegespann. Ihre Kleidung war schmutzig und sie wirkten wie Männer, die es gewohnt waren, sich zu nehmen, was sie brauchten. Ein wohlhabender Mann steckte seinen Kopf aus der glänzenden Kutsche, sein hoher Hut schlug gegen den Fensterrahmen und purzelte auf den staubigen Boden.

»Was habt ihr Straßenlümmel vor?«, forderte er. »Ich befehle euch, beiseitezutreten und uns die Brücke überqueren zu lassen.«

Einer der Männer lachte, seine gelben Zähne ragten aus seinem kalten Lächeln hervor. Er schien der Anführer zu sein. »Tut mir leid, Mylord, aber das können wir nich’ tun. Tatsächlich denken wir, dass es an der Zeit ist, dass Sie genauso reisen wie der Rest von uns.«

»Schau an, ich bestehe darauf –«

Zwei aus dem Mob zerrten den Edelmann von seinem gepolsterten Sitz und warfen ihn der Länge nach über die unbefestigte Straße. Die steife Brise erfasste die Schmutzwolken, die sich zu kleinen, gräulich braunen Strudeln aufwirbelten. Ein weiterer Mann berührte an mehreren Stellen mit seiner Fackeln die Holzbrücke. Glimmende Stücke erglühten, breiteten sich dann aus, knisterten, als die Flammen begannen, an den trockenen Brettern zu lecken.

»Sieht so aus, als würden Sie den Strom heute nich’ überqueren, es sei denn, es macht Ihnen nichts aus, diese Reitstiefel zu versauen.« Die Gruppe lachte, als der Anführer den Hut aufhob und ihn sich selbst auf den Kopf setzte.

»Ihr alle werdet dafür bezahlen. Denkt nicht, dass dieser Angriff ungestraft bleibt.«

»Ich bitte um Verzeihung, Mylord, aber dieser Zylinder hier könnte meine Familie einen Monat oder länger ernähren. Ich kann mir nich’ vorstellen, dass Ihre Familie jemals hungern muss.«

»Und um ehrlich zu sein, die Unruhen in Edinburgh halten die Polizisten ein wenig auf Trab.«

Der Graf erhob sich und klopfte sich ab, nur um auf den Kiefer geohrfeigt und wieder in den Schmutz zurückgeschickt zu werden. Gerade als er es schaffte, sich auf alle Viere zu erheben, ließ ihn ein Tritt in den Bauch wieder zu Boden fallen, wobei er seinen Bauch umklammerte und vor Schmerz stöhnte.

Ein Schuss erklang. Einer der Schurken sackte zu Boden. Der Fahrer stand da, eine zitternde Hand noch immer eine rauchende Pistole haltend.

»Nun, das war nich’ sehr höflich.« Der Anführer nahm seinen neu erlangten Hut ab, setzte ihn vorsichtig auf den toten Mann und krempelte die Ärmel hoch. »Ich fürchte, ich muss dir eine Lektion in Manieren erteilen, bevor du Zeit hast, das Ding nachzuladen.«

Eine Klinge blitzte auf und landete mit einem dumpfen Geräusch in der Brust des Fahrers. Der Graf schrie auf, als ihm das Halstuch von der Kehle gerissen und dann wieder um seinen Hals geschlungen wurde. Seine gepflegten Finger gruben sich in die provisorischen Schlinge. Sein Gesicht wurde violett, ein gurgelndes, hustendes Geräusch entfloh seinem aufgerissenen Mund und sein Körper sank langsam zu Boden.

»NEIN!« Maeve saugte einen Atemzug ein und setzte sich auf.

»Was is’ los, Tochter?« Ihre Mutter strich eine kastanienbraune Locke zurück, die an ihrer Wange klebte. »Du hast wie ein ruheloser Geist am Samhain geschlafen.«

»Wir können diese Straße nich’ nehmen. Vor uns sind Straßenräuber, die auf Reisende losgegangen sind und die Brücke in Brand gesteckt haben.«

»Still, jetzt«, beruhigte Ma. »’S war nur ein Traum. Bei dem Tag, den wir hatten, bin ich nich’ überrascht.«

»Nein, du musst zuhören. Sie haben einen Edelmann und seinen Fahrer ermordet.« Sie kniff die Augen zusammen und rieb sich die Schläfen, versuchte, das Bild zurückzuholen und den pochenden Schmerz in ihrem Kopf zu verdrängen. »’S is’ zu spät, ihnen zu helfen, aber wir werden die nächsten Opfer sein, wenn wir diesen Weg fortsetzen.«

Calum hämmerte auf das Dach und steckte seinen Kopf aus dem Fenster. Die Kutsche hielt an und er ließ die Frauen drinnen, während er mit dem Fahrer sprach. »Jetzt erzähl mir genau, was in diesem Traum passiert is’«, sagte er, als er sich erneut ihnen gegenüber niedergelassen hatte.

Eine Stunde später blieben sie vor einem kleinen Wäldchen stehen. Hinter ihnen stieg Rauch in die Luft. Der Fahrer schrie von oben: »’Ne gute Idee, eine weniger befahrene Straße zu nehmen, Sir. ’S sieht so aus, als stünde die Brücke in Flammen. Das müssen Diebe sein, die Ärger machen. In Zeiten der Unruhe nutzt der Pöbel gern seinen Vorteil aus. Ich denke nich’, dass es uns Freude machen würde, deren Bekanntschaft zu machen.« Mit einem Knall der Peitsche machte die Kutsche einen Satz vorwärts.

Ihre Mutter wechselte einen besorgten Blick mit Da. Dann lehnte er sich vor und umfasste ihr Kinn mit seinen Fingern. Seine sanfte Stimme täuschte über die Besorgnis in seinen tiefblauen Augen hinweg. »Hattest du diese Visionen in der Vergangenheit?«

Maeve nickte, ihre Unterlippe bebte. »Als die Scheune brannte, hab’ ich in der Nacht zuvor davon geträumt.«

»Du hast das Familienvermächtnis geerbt, Mädel. Eine der Fähigkeiten, die in schwierigen Zeiten über Jahrhunderte hinweg weitergegeben wurden.«

»Eine der Fähigkeiten?« Sie schauderte und fragte sich, welche anderen Geheimnisse in ihrer Vergangenheit verborgen waren.

»Deine Großmutter hatte die Gabe der Empathie, die sie zu einer natürlichen Heilerin machte. Es war praktisch für die Kleinen oder bewusstlose Patienten, die nich’ sagen konnten, was ihnen fehlte. Sie sprach auch von einer dritten Fähigkeit, die Wahrheit in der Seele eines Mannes zu sehen. Wir wissen nie, wann ein Kind mit solchen Kräften geboren wird.«

Maeve schüttelte den Kopf. »Aber ich will dieses Vermächtnis nich’. Warum ich?«

»Die Visionen kommen nur, wenn’s ’ne Chance gibt, das Ergebnis zu ändern, die Zukunft unseres Clans zu schützen. Wie du’s gerade getan hast.« Er ließ seine Ellbogen auf seinen Knie ruhen und schloss ihre Hände in seine. »’S is’ ’ne Ehre und ’ne schwere Bürde. Und ich wünsche mir von allen Heiligen, dass ich dich vor beidem retten könnte.«

KAPITEL EINS

»Wer tagsüber träumt, ist sich vieler Dinge gewahr, die denen entgehen, die nur nachts träumen.«

EDGAR ALLEN POE

16. August 1819

Stanfeld Estate

County of Norfolk, England

Gideon berührte mit seinem Stiefel die Flanke des Pferdes und ging in einen sanften, schaukelnden Galopp über, während er sich auf die entfernte Steinmauer konzentrierte. Sein muskulöser Körper bewegte sich mit dem Wallach, seine Schenkel umklammerten den Sattel und seine Hände ruhten leicht auf den Zügeln. Noch in der Ausbildung, war Verity jeden Pfund wert gewesen. Er hatte Herz und Mut und würde über eine Klippe galoppieren, wenn man ihn darum bat.

Das Pferd, das bei Tattersall’s Auktion als schurkisch und Knocheneinrichter bewertet war, hatte sich offenbar geweigert, sich bei der Ausbildung zu beugen oder auf die Peitsche zu hören. Aber die Augen des Wallachs hatten Intelligenz enthalten, als Gideon seine wellige dunkle Stirnlocke streichelte und sanft in seine Nase blies. Es stellte sich heraus, dass das »Biest« mehr gesunden Menschenverstand hatte als die meisten dieser groben Reiter, die meinten, den Geist eines Tieres durch Angst und Dominanz zu brechen. Der Dreijährige wollte gefallen, hatte aber gegen ungerechtfertigten Schmerz rebelliert. Die verblassenden Narben, die das ebenholzfarbene Fell von scharfen Sporen und unzähligen Peitschenhieben zeichneten, bewiesen, dass es nicht der richtige Anreiz gewesen war. Verity genoss eine Herausforderung und lernte rasch, wenn man freundlich darum bat. Tiere unterschieden sich eigentlich nicht viel von Menschen, außer vielleicht, dass sie vertrauenswürdiger waren.

Das Paar näherte sich der Hecke. Gideon lehnte sich vor und packte mit seiner Hand eine Faustvoll Mähne. Ein subtiler Hinweis und das Pferd segelte über den Busch, landete anmutig auf der anderen Seite. Der Wind zog an der Öffnung seines Hemdes, und es blähte sich mit flatterndem Geräusch um ihn herum. Er klopfte Verity auf den Hals und brachte ihn sanft zum Traben. »Guter Junge!«

Die kühle Morgenbrise strich Gideon die Haare aus dem Nacken und kühlte den Schweiß, der ihm über den Rücken lief. Der süße Geruch von frisch geschnittenem Heu erfüllte die Luft und er atmete tief ein. Seine Augen schweiften über die grünen Weiden und gesprenkelten Hügel, die als Kind seine Fantasie beansprucht hatten. Mit den Dorfkindern spielen und auf uralten Ponys gegen Drachen kämpfen, nach vergrabenen Schätzen suchen oder in den Krieg gegen die Dänen oder die Franzosen ziehen – je nach der letzten Geschichtsstunde. Wohin war dieser abenteuerlustige Heranwachsende verschwunden?

Veritys Ohren richteten sich nach vorne. Gideon gluckste über den ungepflegten kleinen braunen Köter, der den Hügel hinauf sprang. »Dir einen guten Morgen, Little Bit.«

Der Hund bellte als Antwort und wedelte mit dem Schwanz so schnell, dass er verschwommen wirkte. »Ein Rennen, sagst du?« Little Bit bellte sein Einverständnis. »Ich sag dir was. Ich werde ihn im Trab halten, um es gerecht zu machen.«

Das Dreiergespann schlenderten nach Westen, mit dem Rücken zur Sonne. Sie erklommen einen Hügel und der Anblick seines Elternhauses in der Ferne, das als Wache über dem Land stand, erfüllte Gideon mit Stolz. Die zahlreichen Fenster des imposanten dreistöckigen mittelalterlichen Herrenhauses glitzerten und blitzten wie Juwelen in einer Krone aus grauem Sandstein. An jeder Ecke, am Giebel und am Eingang befanden sich Miniaturtürmchen, die wie Pfeile in den Himmel zeigten. Umgeben vom ursprünglichen Wassergraben erinnerte es die Besucher an längst vergangene Ritter, holde Maiden und Ritterlichkeit. Eine breite, gewölbte Brücke überspannte den Graben, deren Mauersteine der Farbe des Herrenhauses entsprachen und einen weiten Zugang zum Anwesensgelände ermöglichten. Sanfte Hügel und Weidegründe umgaben das Herrenhaus auf drei Seiten, entlang der Rückseite Morgen von Wald. Von diesem Hügel aus war es ein beeindruckender Anblick, und Gideon genoss es immer, die Reaktion der Menschen zu beobachten, wenn sie es zum ersten Mal sahen.

Little Bit bellte, wedelte mit dem Schwanz und scharrte mit den Füßen nach seinem Steigbügel. »Mein Vater hat ein ziemliches Erbe hinterlassen, nicht wahr? Jetzt liegt es an mir, es aufrechtzuerhalten und zu verbessern.«

Er beugte sich nach unten, um den Hund ein letztes Mal zu kraulen, dann steuerte er in leichtem Kanter den Hügel hinunter und hakte im Geiste die Korrespondenz ab, auf die er nach dem Frühstück antworten würde. Der Verwalter des Anwesens wollte ihn auch über einige neu erworbene Tiere auf den neuesten Stand bringen. Nächste Woche gab es in London einen Termin mit dem Anwalt bezüglich der Textilfabrik in Glasgow. Das Unternehmen war das persönliche Projekt seines Vaters gewesen, daher war Gideon begierig darauf, mehr über die Details dieser besonderen Investition erfahren. Es war der einzige Zipfel des Stanfeld-Besitzes, um den der verstorbene Graf sich selbst gekümmert hatte.

London. Der Besuch wäre ein zweischneidiges Schwert. Einerseits freute er sich auf ein paar Abende voller Spiele und Kameradschaft mit guten Freunden. Vielleicht ein Stopp bei Tattersall’s, um zu sehen, was auf dem Versteigerungspodest war. Andererseits diese unersättlichen, nach Titeln strebenden Mütter mit ihren affektierten, alleinstehenden Töchtern … Zumindest waren die Familien zu dieser Zeit des Jahres spärlicher. Mit fünfundzwanzig genoss er noch immer seinen Junggesellenstatus und versuchte, die Stadt im Frühling und Frühsommer so sorgfältig zu meiden wie Pferdehaufen auf einer belebten Straße.

Kurz bevor er die Brücke überquerte, stieg er ab. Little Bit stürmte voran und warnte bellend, dass sein Herrchen zu Hause sei. Gideon hielt unter einer der Eiben neben der Brücke inne, steckte sein Hemd in die Hose und krempelte die Ärmel herunter. Die rotbraune Rinde schimmerte violett im Morgenlicht und die tief hängenden Äste wiegten sich sanft im Wind. Er ging über die Brücke, knöpfte seine Manschetten zu, während seine Stiefelabsätze auf den Mauersteinen klackten. Das Wasser unten funkelte, während Lilien träge dahinschwammen und ab und zu ein Fisch platschte. Auf den Stufen wartete ein Stallknecht und hielt dem Hund eine Brotkruste hin.

»Reiben Sie ihn schön lange ab. Er hat heute Morgen hart gearbeitet.« Gideon klopfte dem Pferd noch einmal auf den muskulösen Hals und übergab die Zügel.

»Ja, Mylord.« Der Mann führte das Tier weg, der schmuddelige Welpe an seinen Fersen.

Sanders, der Butler, begrüßte ihn an der Tür. »Guten Tag, Mylord. Lady Stanfeld wartet auf Sie.« Seine grauen Augen, die zu seinem schütter werdenden Haar passten, tanzten vor Humor, als er die Weste, die Gerte und die Handschuhe seines Herrn einsammelte. »Sie scheint eine Liste zu erstellen.«

Gideon ächzte. »Von Frauen?«

»Ja, Mylord, ich fürchte schon.«

»Danke, Sanders.« Gideon ignorierte die Familienporträts und die Rüstung, die stoisch Wache hielt, als er durch den Eingang schritt. Mit der Absicht, sich umziehen, bevor er seine Mutter begrüßte, sprang er zwei Stufen auf einmal die Wendeltreppe hinauf.

Gideon betrat seine Gemächer, nahm ein schnelles Halbbad und wischte sich mit einem sauberen Leinenhandtuch trocken. Er zog frische Wildlederhosen, ein weißes Batisthemd und eine brandyfarbene Weste an und band sein Halstuch fertig, während er die Treppe hinuntereilte.

»Guten Morgen, liebe Mama«, murmelte er, während er sich tief beugte, um sie auf die Wange zu küssen. »Du siehst bezaubernd aus in diesem tiefen Lavendelton. Ich freue mich zu sehen, dass du endlich aus diesem Schwarz herausgekommen bist. Es passt nicht zu dir.«

»Ich bin der englischen Tradition der Trauer zu Ehren deines Vaters gefolgt. Aber ich bin froh, wieder etwas Farbe zu haben. Es hellt die Haut auf.« In ihren Worten war noch immer die geringste Spur eines schottischen Akzents zu erkennen. Maeve strich ihren Krepprock glatt und lächelte. »Ich habe auf dich gewartet.«

»So wurde es mir gesagt. Vielleicht einen Kaffee, bevor du mich mit deiner Liste bombardierst?« Gideon schmunzelte über ihren überraschten Blick, bis diese dunkelblauen Augen vor Entschlossenheit blitzten. Er hielt eine Hand hoch. »Sobald ich eine Tasse ausgetrunken und etwas gegessen habe, höre ich interessiert zu.«

Maeve sah verwirrt und schweigend zu, wie ein Diener die dampfende schwarze Flüssigkeit in eine Porzellantasse goss. Gideon strich dick weiche Butter auf eine dicke Scheibe frisches Brot und schaufelte etwas Kirschmarmelade darauf. Mit einem entzückten Stöhnen kaute er mit geschlossenen Augen und endete mit einem Schmatzen seiner Lippen. »Die Kirschen dieser Saison waren hervorragend.«

Maeve öffnete den Mund und schloss ihn dann, als er nach seinem Kaffee griff. Sie verzog das Gesicht.

»Und richtet sich dieser Unmut gegen mich, Mama?«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie man dieses schreckliche Getränk Tee vorziehen kann. Und auch nur ohne einen Tropfen Milch oder ein Stück Zucker.«

Er grinste und spießte mit seiner Gabel ein Stück kaltes Rindfleisch auf. »Ich habe das mürrische Gebaren meines Vaters und bevorzuge das Bittere gegenüber dem Süßen. Nun, wer steht auf deiner Heiratsagenda?«

Sie runzelte die Stirn. »Es ist keine Agenda oder betrifft Heirat. Ich habe beschlossen, eine kleine Abendgesellschaft zu veranstalten, und habe ein paar Namen aufgelistet, die von Interesse sein könnten.«

Das Letzte, was Gideon wollte, war, von lästigen jungen Ladys umgeben zu sein, die auf der Suche nach einem Ehemann waren. Aber als er das Leuchten in den Augen seiner Mutter sah, behielt er seine Gedanken für sich. Es war über ein Jahr her, seit sie eine Einladung angenommen oder einen Gast empfangen hatte. Er war willens, das Opferlamm zu sein, um sie wieder in die Gesellschaft eintreten zu sehen.

»Ich bin gerne Gastgeber für jedwede Veranstaltung, die du arrangieren möchtest. Nun, wegen dieser Liste …«

Sein Geist schweifte ab, als sie ihm von den Familien erzählte, die eine Einladung erhalten würden. Sein Vater hatte diese gesellschaftlichen Affären wie selbstverständlich ertragen. Immer der korrekte Gentleman, immer der gesittete Aristokrat, immer der teilnahmslose Engländer. Das Leben bestand aus einer Reihe von Regeln, und man befolgte diese Grundsätze im Privatleben, in sozialen Kreisen und im Geschäftsleben buchstabengetreu. Nach Aussage des seligen Grafen war die Welt schwarz und weiß.

Die Ausnahme war seine Frau, die lebhafte und freimütige Maeve aus dem berühmten Clan MacNaughton. Der Graf hatte eine Abneigung gegen die abergläubischen und rebellischen Highlander gehabt, sich aber in eine der Töchter des Oberhaupts verliebt. Sie schien die einzige Schwäche in seiner unflexiblen Welt gewesen zu sein, die einzige Person oder Sache, der er erlaubte, ihn von den starren Regeln der Gesellschaft abweichen zu lassen. Gideon hatte gesehen, wie sie ihm die Stirn bot und sich behauptete, gelegentlich sogar einen Streit gewann. Diese Vorfälle hatten mit einem sündhaften Funkeln in den Augen seines Vaters und einem selbstgefälligen Lächeln auf den Lippen seiner Mutter geendet. Dann versteckten sich die beiden für den Rest des Tages in ihrem Schlafgemach.

»Ich habe letzte Woche einen Brief von Marietta erhalten. Sie würde uns gerne noch vor dem Winter besuchen. Daher werde ich es als Willkommensessen im September planen. Sie ist endlich schwanger, weißt du. Es kann einige Zeit dauern, bis sie wieder reisen kann.«

Die letzten Worte klangen wehmütig und brachten Gideon wieder zum Gespräch zurück. Marietta, die älteste Schwester, war weniger als zwei Jahre jünger als er. Dann kamen Charlotte, vier Jahre jünger als er, und Helen, mit neunzehn die Jüngste. Mit Ausnahme von Helen hatten alle nach Meinung ihres Vaters gut geheiratet. Sie hatte einen wohlhabenden Iren von niedriger Geburt geheiratet. »Es wird schön sein, Etta wiederzusehen. Ich bin überrascht, dass Lord Burnham sie aus den Augen lässt. Ich schwöre, der Mann wirkt nach drei Jahren noch immer wie frisch verliebt.«

»Es ist nichts Falsches daran, verliebt zu sein. Und er wird das Mädchen mit Sicherheit genau im Auge behalten.« Maeve lachte. »Sie ist noch immer ein bisschen ungestüm, aber die Mutterschaft wird sie bremsen.«

»Ich hoffe, dass etwas das tut.« Er stand vom Tisch auf und küsste Maeve erneut auf die Wange. »Dann überlasse ich dich deinen Vorbereitungen. Ich werde den Rest des Tages beim Verwalter sein.«

* * *

Nachdem die Geschäftsbücher für das Quartal abgeschlossen waren, bewunderten Gideon und Jethro Birks die Schafe, die den grasbewachsenen Hügel übersäten. Es handelte sich um einen guten Bestand und sein Verwalter hatte im Vorjahr einen hervorragenden Preis herausgeholt. »Hervorragende Arbeit. Ich bin beeindruckt von den Ergebnissen der Frühjahrsscherung. Verdammt gute Wolle und verdammt gute Gewinne.«

»Es hat einiges Gerede gebraucht, Mylord, aber ich habe Euren Vater schließlich davon überzeugt, dass ich diese Schafe aus Gower herbringen darf. Viel bessere Qualität als die Vale-Langwollschafe und bringt den zweifachen Preis.« Die Sommersonne hatte Jethros Haare fast weiß gebleicht, was seine braunen Augen und seine gebräunte Haut noch dunkler wirken ließ. Er zeigte in Richtung einer südlichen Weide. »Ich würde gerne versuchen, die Rinder genauso zu weiden wie die Schafe. Holen Sie die Tiere aus den Höfen und wir werden bessere Milch und besseres Rindfleisch sehen.«

»Angesichts Ihrer bisherigen Bilanz bin ich geneigt, Ihrem Urteil hierbei zu vertrauen. Bei Gott, Sie haben diesen Sommer sogar einen zweiten Heuschnitt geschafft. Für den Winter wird es reichlich Futter geben.«

»Ich kann mir nicht den ganzen Verdienst anrechnen, Mylord. Das Wetter hat ein bisschen geholfen.«

Gideon schaute mit einem zufriedenen Lächeln über die Ländereien, als ihm die Worte seines Vaters in den Sinn kamen. Umgib dich mit kompetenten Männern, behandle sie gut und dein Land und deine Finanzen werden gedeihen.

Dies war ein Beweis für diese Philosophie. Er kannte Jethro, seit sie Jungen waren, als sie mit Schleudern Eichhörnchen jagten und im Pferdeteich schwammen. Er war die dritte Generation der Birks, die die Stanfeld-Anwesen verwaltete, und Gideon war dankbar, einen so großartigen Verwalter zu haben.

»Ich werde ein paar Tage in London sein und mich beim Anwalt melden. Angemessene Warnung«, er räusperte sich, »Lady Stanfeld ist aus der Trauer heraus und plant für September eine Landfeier. Was sie als kleines Abendessen beschrieben hat, wird zweifellos zu einer Woche voller Gesellschaft werden.«

»Ja, Mylord. Betrachten Sie mich als auf die kommenden Anfragen vorbereitet.«

»Grüßen Sie Ihre bezaubernde Frau von mir.« Gideon wandte seinen Wallach wieder dem Herrenhaus zu. Es war ein produktiver Tag gewesen und er war bereit für ein Glas Sherry und eine gute Mahlzeit.

* * *

Die Countess of Stanfeld ließ sich in ihrem Lieblingssessel in der Nähe des Kamins der Bibliothek nieder. Sie hielt ein kleines Gedichtbuch in der Hand und las ein paar Seiten, bis ihre Augen müde wurden. Ihre Gedanken wanderten zu ihrem seligen Ehemann Charles und der Herzerkrankung, die in den letzten Jahren seine Stärke aufgezehrt hatte. Es hatte ihn körperlich, aber nicht geistig geschwächt. Er war bis zum Schluss klar und pragmatisch geblieben, wusste, dass ihm der Tod bevorstand und blickte dem Schnitter in die Augen. Maeve hatte immer seinen überragenden Willen bewundert und sah die gleiche Stärke in ihren Kindern.

Aber er war in gewisser Weise auch ein engstirniger Mann gewesen, dessen rationale Ansichten es ihm nicht erlaubten, etwas anderes zu sehen als das, was vor ihm lag. Wenn es nicht sachlich oder quantifizierbar war, war es nicht real. Er hatte über ihre erste Vision eines sinkenden Schiffes, in das er vorhatte zu investieren, gelacht und sich ihrer Erzählung hingegeben, als wäre es eine amüsante Geschichte. Bis es wahr wurde. Es hatte die Grundfesten von allem erschüttert, was er für Wahrheit hielt. Anstatt zu tief in die Situation zu blicken, scheute er das Unerklärliche. Flüchtete davor, als wäre der Teufel selbst hinter seiner Seele her.

Seine Reaktion war flink und unwiderruflich gewesen. Ihr weiblicher Geist ließ sich zu leicht von der Folklore des Heimatlandes beeinflussen. Maeve würde nicht in die Highlands zurückkehren, solange noch Atem in ihm war. Sie würde in England bleiben, eine anständige Gräfin werden und den mystischen Unsinn ihrer Kindheit vergessen. Zu dieser Zeit liebte sie ihn so sehr, dass die Angst in seinen Augen auch sie erschreckte. Er verstand es nicht, hatte nicht das Vermögen, sich etwas so Ungreifbares vorzustellen, abgesehen von Gott. Und er hatte mit dieser allwissenden Präsenz zu kämpfen. Also erzählte sie ihm nie von einer weiteren Vision und tat stattdessen, wann immer möglich, was sie konnte, um eine Tragödie zu vermeiden. Sie gab für ihn bereitwillig ihr Haus der Kindheit auf, weigerte sich jedoch, ihre Familie aufzugeben.

Der Graf hatte mit seiner Frau und seinen Schwiegereltern einen Kompromiss geschlossen, indem sie zweimal im Jahr in die schottischen Lowlands reisten und sich in Glasgow trafen. Das Paar war einander zum ersten Mal in dieser Stadt vorgestellt worden, als Charles und ihr Vater Calum MacNaughton sich getroffen hatten, um den Kauf einer Textilfabrik zu besprechen. Ihr Vater bestand noch immer darauf, dass die Papiere erst unterzeichnet worden seien, nachdem Maeve seiner Werbung zugestimmt hatte. Die Reisen erfüllten den Wunsch ihrer Kinder, den MacNaughton-Clan kennenzulernen. Gideon stand seinem Großvater immer besonders nahe und wuchs von Jahr zu Jahr mit Calums muskulösem Körperbau, seinen schwarzen Haaren und seinen durchdringenden blauen Augen seinem Vorbild ähnlicher heran.

Sie lächelte, schloss die Augen und gab einem angenehmen Mittagsschlaf nach.

Er drängte sich gegen die Menschenmenge aus Männern, Frauen und Kindern, um den Gentleman auf der Bühne zu hören. Der Gestank ungewaschener Körper und ein aufgeregtes Summen erfüllten die Luft. Er zog seine Weste aus, als sich der Schweiß unter seinem Kragen sammelte. Die Worte von Reform und Wahlrecht des Redners hallten in seinem Kopf wider und erfüllten ihn mit Bestimmung.

Eine Frau, die ein kleines Kind hielt, trat mit einem Lächeln auf den Lippen neben ihn. Das Paar ließ ihn an seine eigene Frau und die Familie denken, die sie haben würden. Das kleine Mädel hatte die gleichen Grübchen wie ihre Mutter. Das Kindlein winkte in seine Richtung und er ergriff ihre pummeligen Finger mit seinen. Das Kindlein ergriff mit der anderen Hand den Zopf seiner Mutter, saugte kräftig daran und begann dann zu weinen, als der Lärm zunahm. Sie kreischte, als die Menge das Paar anstieß, und streckte eine Hand nach ihm aus. Der Druck von Körpern hinter ihnen wurde stärker und die Haare in seinem Nacken stellten sich auf. Etwas stimmte nicht.

Schreie durchbohrten die Luft und er drehte sich um, um nach der Ursache dieser Panik zu sehen. Berittene Husaren stürmten die Versammlung, das rhythmische Rauschen von die Luft zerschneidenden Klingen. Ein glänzendes schwarzes Biest machte mit verdrehten Augen einen Satz nach vorne, bäumte sich dann auf. Fliegende Hufe scharrten nach den sich drängenden Körpern und trafen den Säugling am Kopf. Die Mutter schrie, ihre Arme griffen nach dem fallenden Kind.

Er stieß die verzweifelte Frau vom Schwert des Soldaten weg und warf sich dann auf die winzige, leblose Gestalt. »Ihr verfluchten Mistkerle«, rief er laut, als das Pferd sich wieder aufbäumte.

Dieses Mal landete sein volles Gewicht auf seinem Rücken. Das Knacken von Knochen hallte in seinen Ohren wider. Entsetzliche Schmerzen explodierten durch seinen gesamten Körper. Vom Boden aus sah er ein Durcheinander von Füßen und Hufen, die sich alle in verschiedene Richtungen bewegten. Das Gesicht eines Mannes – schmerzverzerrt – zertrampelt von den hektischen Füßen, die dem Massaker entkamen. Er versuchte, sich über das noch unter ihm liegende Kind zu kauern, um es vor der Massenpanik zu schützen, aber sein Körper war plattgedrückt worden. Ein Bild blitzte auf, wie der örtliche Metzger ein zähes Stück Fleisch klopfte.

Ein Hieb gegen seinen Kopf … ein durchdringendes Pochen … Dann drehte sich die Welt in Zeitlupe. Die schrillen Schreie der Opfer und die barschen Rufe der Soldaten kamen nun von weit her. Noch ein Bild. Das Gesicht seiner süßen Frau.