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Die Liste seiner Themen ist beeindruckend, die Breite seines Wissens stupend, während die Schar seiner Feinde wächst, explodiert die Zahl seiner Leser. Thomas Fischer, ehemaliger Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, Autor einer von Hunderttausenden verehrten Zeit-online-Kolumne, ist ein unermüdlicher Aufklärer. Er zählt zu den Juristen, seltene Vertreter ihrer Profession, die klug, transparent und pointiert Fragen des Rechts für lesende Laien aufarbeiten und dabei Leidenschaft für ihren Gegenstand vermitteln. Fischer setzt radikal klar und polemisch – scharfe Schnitte zwischen Tatsachen, Meinungen und rhetorischen Vernebelungsversuchen. Mit diesen intellektuellen und sprachlichen Tugenden stellt er sich in eine Reihe bedeutender schreibender Juristen, die von Cicero über Montaigne bis Tucholsky und Karl Kraus reicht.
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Seitenzahl: 179
Thomas Fischer
Richter-Sprüche
Knaur e-books
Die Liste seiner Themen ist beeindruckend, die Breite seines Wissens stupend, während die Schar seiner Feinde wächst, explodiert die Zahl seiner Leser. Thomas Fischer, ehemaliger Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, Autor einer von Hunderttausenden verehrten Zeit-online-Kolumne, ist ein unermüdlicher Aufklärer. Er zählt zu den Juristen, seltene Vertreter ihrer Profession, die klug, transparent und pointiert Fragen des Rechts für lesende Laien aufarbeiten und dabei Leidenschaft für ihren Gegenstand vermitteln. Fischer setzt radikal klar und polemisch – scharfe Schnitte zwischen Tatsachen, Meinungen und rhetorischen Vernebelungsversuchen. Mit diesen intellektuellen und sprachlichen Tugenden stellt er sich in eine Reihe bedeutender schreibender Juristen, die von Cicero über Montaigne bis Tucholsky und Karl Kraus reicht.
Die hier versammelten Richter-Sprüche sind weder Rechts-Sprüche noch gar Recht-Sprechung. Sie sind nicht mehr als Äußerungen einer Person, die im Zeitraum von 1988 bis 2017 meist den Beruf des Richters in Strafsachen ausgeübt hat.
Von Januar 2015 bis Mai 2017 erschien die Online-Kolumne »Fischer im Recht« auf der Internet-Seite von »ZEIT-Online«. Sie hatte 118 Folgen, etwa 1100 Druckseiten, erfreulich viele Freunde und erwartungsgemäß manch erbitterten Gegner.
Die »Richter-Sprüche« sind kein »Best-of«, erst recht keine Zusammenfassung dieser Texte. Sie greifen Themen, Bemerkungen, Aphorismen und Hinweise aus den Kolumnen auf, lösen sie aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang und stehen, wenn es gelingt, für sich selbst. Sie sind in einem Prozess der Verdampfung entstanden. Die Idee dazu verdanke ich Daniel Graf aus Berlin, dem ich dafür herzlich danke.
Alle Bemerkungen sind Zitate aus den Kolumnen. Sie sind meist, aber nicht gänzlich unbearbeitet: Gelegentliche Auslassungen sind nicht stets gekennzeichnet; in einer geringeren Zahl von Texten habe ich vorsichtige redaktionelle Änderungen vorgenommen, etwa indem Verweisungen weggelassen, Redundanzen gestrichen oder Bezüge verkürzt wurden. Denn die Richter-Sprüche sind keine historisch-kritische Grabung, sondern nicht mehr als der Versuch, dem je nach Geschmack gelobten oder verdammten Mäandern der Kolumnentexte ein paar Wellenkämme abzugewinnen, die des Nachdenkens wert sein mögen.
Daher stehen die »Sprüche« hier, jeder für sich, allein. Daher haben sie, jeder für sich, eine eigene, neue Überschrift. Und daher sind sie so geordnet, wie sie sind: alphabetisch. Die alphanumerische Ordnung der Welt ist, so scheint mir, die höchstmögliche Form der Distanzierung von der höchstmöglichen Weise der Begeisterung, des Interesses, der Neugier und des Leidens. Anklage folgt auf Abbitte und Zweifel auf Zuversicht: So ist das Leben.
Thomas Fischer
Eine »Knochenerweichung des Strafrechts« wurde früher denen nachgesagt, die die »Abartigkeit« als Entschuldigungsgrund aufnehmen wollten. Denn unter diesem Namen schlichen sich die sogenannten »Psychopathien« und die »Neurosen« und die »Persönlichkeitsstörungen« ein in das stramme Weltbild der Herren Bresser und Co., die den Verbrecher vom Irren mittels Röntgendiagnostik zu differenzieren und mittels Lobotomie oder Stereotaxie zu heilen wünschten, dabei freilich übersehend den Wahnsinn ihres höchstpersönlichen Selbst.
Wir haben die Ausrottung von fast 70 Prozent der europäischen Bevölkerung geschafft, zwei große und unzählige kleinere Kriege mit Hunderten von Millionen Erschlagenen. Wir haben es geschafft, halb Asien und ganz Afrika und Südamerika über Jahrhunderte im Elend zu halten, um uns deren Reichtümer anzueignen. Da werden wir es doch wohl schaffen, ein paar Millionen Hungerleider in deutschen Turnhallen durchzufüttern, bis ihnen und uns etwas Besseres einfällt.
Das Geständnis ist eine Währung, auf welche die Strafjustiz sich seit Jahrzehnten auf einer abschüssigen Bahn in bedenklich korruptivem Maß so weit eingelassen hat, dass sie davon abhängig geworden ist wie ein Junkie.
In der Geschäftsordnung des Bundesgerichtshofs von 1952 ist festgehalten, es stehe jedem Richter frei, eine abweichende Meinung »in einem verschlossenen Umschlag zu den Akten zu geben«. Das ist eine Regelung, die den Geist der Furcht atmet. Eine eigene, abweichende Ansicht gilt nicht als Leistung, Kritikfähigkeit nicht als Tugend, sondern beides als besorgnisbegründender Ausdruck von Schwierigkeit des Charakters.
Aktive Sterbehilfe ist strafbar, so steht es auf allen Websites und in allen Broschüren, auch in allen Strafrechtslehrbüchern. Das ist schon deshalb Unsinn, weil die sogenannte passive und die angeblich »indirekte« Sterbehilfe ebenfalls höchst »aktiv« sind, aber trotzdem erlaubt.
Zur Anregung Ihrer Assoziationen einige Stichworte: Wesensveränderung, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Gewalttätigkeit, Fehlzeiten, Unfallraten, Co-Alkoholismus, Kinderelend, Impotenz. 10000 alkoholgeschädigte Neugeborene pro Jahr. Geschrei, Gepöbel, Scheidungen, Erbrechen, Filmriss. Die Kosten für die kurzen Phasen der Begeisterung an der Welt und sich selbst: 100 Milliarden Euro. Stellten wir das Saufen ein, könnten wir vom Ersparten ganz Afrika ein Leben subventionieren, das unserem Standard von vor 100 Jahren entspricht.
Gib mir, sagen der Chinese in Peking und der Student in Passau, deinen Allgemeinen Teil! Dies ist, liebe Leserinnen und Leser aus dem nichtjuristischen Lager, ein opus maximum, eine Darstellung der »Allgemeinen Lehren« eines juristischen Fachs. Im Strafrecht gilt der »Allgemeine Teil« (sprich: AT; die Nähe zum Alten Testament ist zufällig, aber schicksalhaft) als die Krönung der Gelehrsamkeit. Honorarprofessoren dürfen niemals eine Lehrveranstaltung zum AT abhalten. Es ist einfach zu schwierig und zu verantwortungsvoll.
Bundesjustizminister Heiko Maas wurde von Wolfgang Schäuble unter anderem wegen Äußerungen betreffend den Fall Lohfink zum Rücktritt aufgefordert, was natürlich einer schallenden Ohrfeige gleichkam. Eine Sprecherin von Herrn Maas hat dem alsbald eine krachende Absage er- und ihrerseits mitgeteilt, die demnächst in Kraft zu treten habende Neuregelung des Sexualstrafrechts weise nach Ansicht des Ministers eklatante Regelungslücken auf, da am letzten Donnerstag in Heilbronn schon wieder etwas vorgefallen sein soll.
Fünf Sekunden nach dem Eintritt eines fremden Menschen in den Raum haben wir entschieden, ob er/sie ein Feind ist, ein Konkurrent, ein Objekt der Begierde, ein Schutzbedürftiger. Wir haben uns in seinen Körper hineingedacht, seine Kleidung, sein Gesicht; wir haben eine Hypothese über Alter, Stärke, Intelligenz, Dominanz, Feindseligkeit, soziale Schicht.
Angst und Besorgnis ist angeblich die Verfassung des Deutschen Ende 2016. Keine Zeitung, kein Sender, der diesem Schreckensphänomen nicht täglich sein Opfer bringt. Freilich: Dafür, dass Deutschland in Angst erstarrt, läuft das Weihnachtsgeschäft prima!
Das Volk blickt um sich und überlegt Tag und Nacht, wie man Gerechtigkeit herstellen und für Recht und Ordnung sorgen soll. Es kamen die Mühseligen und Beladenen, die Entrechteten und Gequälten, die Flüchtlinge und Verfolgten, die Gerechten und Ungerechten. Sie traten vor den König und flehten: Hilf mir, Herr! Gib mir, was ich verdient habe! Da sann der König lange nach, weinte bitterlich und sprach: »Lieber Patient! Hochverehrter Demenzkranker! Herzallerliebster Rentner! Gern würde ich dir geben, was du verdienst. Lange und oft hast du mich betrogen und wirst es weiter tun mit deinen erfundenen Krankheiten, deiner Hypochondrie und deinem endlosen Herumhocken in den Lesezirkeln der Wartezimmer. Aber ich will nicht Böses mit Bösem vergelten. Die Förderung deiner Pflegeversicherung will ich dir um 0,5 Prozent erhöhen, das macht 200 Blatt Klopapier oder zwei Windeln mehr pro Woche. Unermesslich, aufs Ganze gesehen!
Es gibt im Leben eines jeden Medizinstudenten einen magischen Moment, in dem er oder sie die Gewissheit gewinnt, Teil eines geheimnisvollen Ganzen zu sein, welches das Wesen des Menschen wirklich und wahrhaftig versteht. Man muss nicht versuchen, mir weiszumachen, dass dies an der Liebe des Einser-Abiturienten zum Menschen und seiner Schilddrüse liege. Es ist etwas anderes, Strahlendes.
Das Arzt-Patienten-Verhältnis! Es ist ein Wunder der Evolution. Ludwig XIV., Sonnenkönig, ließ sich von seinen Ärzten sämtliche Zähne samt einiger Teile des Kiefers entfernen, vorsorglich gegen Karies. Er saß dank steter Hilfe seiner Mediziner auf dem Thron in seinen Exkrementen, stank und litt wie ein Tier, formvollendet, zum Ruhme der Medizin, bis zum Ende. Hätte es die AOK gegeben, sie wäre stolz auf ihn.
Ja, das Vertrauensverhältnis! Dieses menschliche Miteinander! Zweiundzwanzig Jahre lang haben Sie sich, lieber Patient, in dieses beige tapezierte Wartezimmer geschleppt. Sie haben in den Illustrierten geblättert, die Vorsorgeplakate angestarrt und die Protestnoten gegen die sozialistische Vernichtung des freien Berufs. Sie sahen drei Sprechstundenhilfen kommen und gehen, die alle nur Vornamen hatten. Sie haben Ihrem Arzt alles erzählt. Er hat in Ihre Seele geschaut und in Ihre Vagina, in Ihren Kehlkopf und in Ihren Enddarm. Am Ende des gemeinsamen Wegs rufen Sie an, um ein neues Treffen zu vereinbaren. Und jemand sagt Ihnen, dass der Herr Doktor seit vier Monaten im Ruhestand auf Ibiza sei. Er hat Ihre Geheimnisse an den Nachfolger verkauft und Ihnen zum Abschied nicht einmal eine Postkarte geschickt.
Lassen Sie den Arzt Ihres zukünftigen Vertrauens eine kleine Erklärung unterschreiben, in der er versichert, im Zusammenhang mit Ihrer Behandlung von keiner Stelle oder Person zu irgendeinem Zeitpunkt irgendwelche geldwerten Vorteile erhalten oder fordern zu wollen, die mit den Regeln des Sozialgesetzbuchs V (Gesetzliche Krankenversicherung) nicht vereinbar sind. Das wäre ein ähnlich starkes Zeichen des Vertrauens wie die Formulare, die Ihr Arzt Sie selbst unterschreiben lässt. Vertrauen gegen Vertrauen.
An unseren Rechtsfakultäten finden noch immer schaurige Rituale der sadistischen Unterwerfung und der rückgratlosen Submission statt.
Es gibt anthropologisch wie sozial keine starren Grenzen zwischen Innen und Außen; ebenso wenig zwischen »Natur« und »Aufklärung«. »Moral« als Grundvoraussetzung von »Schuld« und daher auch von Rache ist kein Produkt einer reflektierten Gesellschaft, »Fassade« vor der wilden Natur, sondern deren Voraussetzung.
Täglich hören wir, der Rechtsstaat müsse aufrüsten im Kampf gegen die tödliche Bedrohung durch den Terror. »Unfassbar« fand die Deutsche Polizeigewerkschaft den Hinweis, man möge bitte bei der Verfolgung terrorismusaffiner Mohammed-Jünger »mit Augenmaß« vorgehen. Da sei, so sprach der gewerkschaftsvorsitzende Kriminalkommissar, aber schleunigst ein Machtwort der Bundeskanzlerin fällig. Eiligst schob die unfassbar Arme nach, sie habe das eigentlich anders gemeint, das sei ja alles ein schreckliches Missverständnis, jedenfalls habe der Bundesminister des Innern alles richtig gemacht. Sie habe das mit dem Augenmaß ja nur mal so sagen wollen. – Härte statt Augenmaß zu fordern, erscheint mir als eine skurrile Reaktion, die befördert, was sie zu bekämpfen vorgibt.
In dieser Zeit, da eine suizidal anmutende Theorie das Strafrecht als Freiheits-Gewährleistungsrecht an jeder neu erfundenen »Lücke« aufzugeben bereit zu sein scheint, dieweil seine Gegner eine Morgenröte des ganz und gar sicheren Staats herbeizufaseln suchen und als angebliche Vollendung einer »Technik« (vulgo: Digitalisierung) feiern, die ihnen als eine Erneuerung der Natur erscheint, ist es erforderlich, nicht nachzugeben. Man muss dem Sog zum Totalen, zum Sicherheitsstaat, zur Einheitsfront der tatsächlich und eingebildeten Reichen gegen die Armen widerstehen.
Die Deutschen wollten das Wort nicht kennen und nicht lernen. Ihr Führer hatte ihnen lange vor 1939 ausdrücklich ausgerichtet, der heraufziehende Krieg werde »unvermeidlich zur Vernichtung des Judentums in Europa« führen. Genau dafür hatten sie ihm millionenfach ihre Zustimmung zugeheult, sich alberne Arier-Ausweise besorgt und die Halb- und Vierteljuden aus ihren Schulen, Universitäten und Betrieben entfernt, ihnen die Wohnungen weggenommen und die Sparbücher, sie auf der Straße geschlagen und bespuckt und sich gefreut, dass sie sich nicht wehrten. Die deutschen Juden waren gute Deutsche: Weltkriegshelden, Bildungsbürger, Träger der Kultur. Trotzdem mussten sie verderben. Ganz tief drinnen im deutschen Traumgespinst. Unendlich weit entfernt. Fritten fressende Klassenfahrten auf dem Stelenfeld in Berlin. Selfies vor grauen Betonklötzen. Adolf Hitler: vermutlich ein früherer Bundeskanzler.
Der Mensch kann mit bloßer Rache nicht leben, denn sie erlaubt keine Orientierung und zerstört jeden sozialen Zusammenhalt.
Ist Internetkriminalität »ausländisch«? Wer sind »Ausländer«? Japanische Touristen, amerikanische Soldaten, diplomatisches Personal, illegale marokkanische Einwanderer: Darf man die alle gleich behandeln? Welche Ausländer gibt es bei uns überhaupt? Viele sagen »Ausländer« zu Menschen, die seit Jahrzehnten Deutsche sind, zu Kindern und Kindeskindern von Menschen, die in den 1960er-, 1970er-Jahren nach Deutschland eingewandert sind. Rechtsradikale Einfaltspinsel reklamieren für »Deutsche«, frisch eingereist aus Kasachstan, eine Vorherrschaft gegenüber den Enkeln der Arbeiter, die 1970 aus Anatolien ans Ende ihrer Welt gereist sind, um die amerikanische Automarke Ford in Köln groß zu machen. Nie geht es um Biologie, immer nur um Macht und Ohnmacht.
Pegida und AfD sind am Ende nichts anderes als unsere eigenen, deutschen Ausländer.
Man kann den Führern der großen deutschen Parteien einfach nur recht geben: Schluss mit der politisch motivierten Schonung von Ausländern! Knallharte Verfolgung von Verbrechern, die das Gastrecht in Ramstein missbrauchen! Konsequente Ermittlung gegen ausländische Täter, die gegen Recht und Gesetz die Telekommunikation deutscher Frauen abhören! Sofortige Entlassung der Innen- und Justizminister, die es aus politischer Opportunität unterlassen haben, mit der ganzen Härte des Rechtsstaats gegen die Taten von Ausländern einzuschreiten, die von deutschem Boden aus menschenrechtswidrige Entführungen oder Folterungen organisierten, anordneten oder durchführten! »Null Toleranz gegenüber kriminellen Ausländern!«, sprach Sigmar Gabriel. »Es geht darum, alle Möglichkeiten des internationalen Rechts auszuloten, um kriminelle Ausländer in ihre Heimat zurückzuschicken.« Besser kann man das gar nicht sagen.
Der Mallorquiner hält von käsefarbenen, Sangria kotzenden Frauenbelästigern aus Köln ungefähr so viel wie der Deutzer von schwarzhaarigen Handyräubern. Zwei Unterschiede gibt es. Erstens: Die deutsche Männergruppe lässt auf dem Ballermann ein paar Hunderter zurück. Zweitens: Der Ausländer ist im Inland auffälliger. Wenn also zum Beispiel 30000 blonde Männer mit durchschnittlicher Körpergröße von 1,82 Metern und Durchschnittsgewicht von 105 Kilogramm von Frankfurt nach Bangkok, Manila oder Saigon fliegen, um dort minderjährige Prostituierte zu erniedrigen und jede flüchtig lächelnde Verkäuferin im Andenkenladen anzugrapschen, dann mag dies dem kleinen thailändischen Mann als »unfassbar« auffallen. Der Deutsche sieht das aber naturgemäß anders.
In den Augen der Mehrheit erscheint der Außenseiter in einem bürokratischen System regelmäßig als Störenfried, dem, wenn er nicht großes Glück hat, von Faulheit bis Wichtigtuerei alles Böse nachgesagt wird. Dass die Mehrheit immer unrecht habe, ist gewiss falsch. Dass sie immer recht habe, ist noch falscher.
Das Automobil hat einen Entwicklungszustand erreicht, der dem roher Eier in einem Kristallpalast gleicht, mit der Außenwelt verbunden durch Bitströme unendlicher Sensibilität. Das gilt namentlich für jene Geräte, die speziell für die Büffeljagd ausgerüstet sind und dank hochgelegtem Luftfilter Wattiefen von einem Meter bewältigen.
Den Ehrenpreis des Kolumnisten für die Schlagzeile der Woche erhält heute Frau Margarete Stokowski für ihr Werk Wäre die Vagina doch ein Auto, veröffentlicht auf »Spiegel online« am 28. April 2016. Frau Stokowski hat Philosophie und Sozialwissenschaften studiert, kennt sich also im Strafrecht gut aus. Die Assoziation »Vagina – Auto« ist metaphorisch ungewöhnlich, um nicht zu sagen: innovativ. Sie stammt von Halina Wawzyniak, Abgeordnete der Linken. Diese sagt: »Wer gegen den Willen des Berechtigten ein Kraftfahrzeug fährt, macht sich strafbar. So einfach kann es sein.« Hieraus folgt: Wer unbefugt eine Vagina benutzt, muss strafbar sein. Ob die Benutzung unbefugt erfolgte, entscheidet das Opfer mit einer Anzeigefrist von 30 Jahren.
Bundes- und Landesministerien der Justiz bekämpfen das Unrecht in Gestalt der sogenannten Strafbarkeitslücke, wo immer eine solche ihr Haupt erhebt. Nehmen wir zum Beispiel Autorennen. Eine unerträgliche Vergeudung sozialer und ökologischer Ressourcen, eine den menschlichen Geist verhöhnende Infantilität der Motivation, eine ritualisiert-entmenschlichte Vollzugskultur von Kai Ebel im feuerfesten Schlafanzug bis zum Boxenluder im Babydoll. Nun könnte man auf die Idee kommen, die unerlaubten