ROSAROT war ihre Brille … - Anabella Freimann - E-Book

ROSAROT war ihre Brille … E-Book

Anabella Freimann

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Beschreibung

Regina Sehnert bekannt unter dem Pseudonym ›Anabella Freimann‹ schenkt uns mit ihrem neuen Buch »Rosarot war ihre Brille« 15 Geschichten – direkt aus dem Leben gegriffen. Eigentlich sogar direkt aus ihrem eigenen Leben gegriffen. In leichtem Plauderton – immer mit einem Augenzwinkern – lässt sie uns ganz bewusst teilhaben an ihren Betrachtungen in Yasni, Facebook und Secondlife über absolvierte Lektionen oder Begebenheiten, in welchem sie die sprichwörtliche »rosarote Brille« lieber im »Schubfach« hätte lassen sollen. Möchten Sie mehr Bücher von Regina Sehnert kennen lernen, dann stöbern Sie bei Amazon unter ›Anabella Freimann‹ und Sie werden fündig. Kontakt mit der Autorin ist unter anderem möglich über [email protected] oder ihre Website www.herbstfrau.de.

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Anabella Freimann

ROSAROT WAR IHRE BRILLE ...

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2017

Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und realen Handlungen sind rein zufällig.

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2017) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Titelbild © Frank Boston – Fotolia

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Wie alles begann

Ich bin eine ‚Tinnitussi‘

Leben ist Zeichnen ohne Radiergummi

Rote Rosen

Ein Wartezimmer

Ein Lächeltest

Obdachlos

Lächeln verboten?

Die Stunde ist kostbar

Die Begegnung

Es war einmal

Der Beginn und das Ende einer Freundschaft

Schulgeschichten

Sauna ohne Smartphone

Allein sein

Ein ganz normales Telefonat?

Rosarot war ihre Brille

Schlussakkord

Nimm ab deine Maske

Ein etwas anderer Lebenslauf

WIE ALLES BEGANN …

Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. Franz Kafka

Damals war’s. Im Sommer 2004. Ich lag im Wellnessbereich eines Hotels in Boltenhagen in einer Wanne. Sie war gefüllt mit warmem Wasser und stand in einem von Sonne durchfluteten Raum. Es handelte sich um eine besondere Wanne. Ihr Körper diente gleichzeitig als Lautsprecher und erzeugte faszinierende Vibrationen an meinem Körper bis hinein in meine Seele. Damals wurde die Idee zu meinem ersten Buch geboren. Mitten in der vollkommenen Entspannung wusste ich plötzlich: Ich muss endlich alles aus mir herausschreiben. Dann wird es mir besser gehen.

Zu Hause angekommen, setzte ich mich an den PC und begann. Das Buch nannte ich: „Darüber schreibt man nicht“. Mit der Veröffentlichung wartete ich allerdings, bis ich in den Vorruhestand gehen konnte. Nach dem Erscheinen des ‚schmalbrüstigen Büchleins‘ – so nannte es ein Buchhändler – erzeugte es in meinem damaligen Heimatort einigen Aufruhr. Auch eine Bekannte war schockiert und meinte: „Noch nie wurde hier in unserem kleinen Ort ein Buch veröffentlicht. Dich wird keiner mehr anschauen, du wirst von vielen gemieden werden. Auch, weil du über Erotik und Sex geschrieben hast und Lehrerin warst.“

Sie sollte zum Teil sogar Recht behalten. Auch jetzt noch, nach so vielen Jahren, spricht man über mich hinter vorgehaltener Hand, wenn ich mit meinem Mann unseren ehemaligen Wohnort besuche.

Im Vorwort meines ersten Buch-Kindes schrieb ich: Glaubt nicht, dass es in meinem Buch eine chronologische Reihenfolge geben wird. Ich bin die unruhige Zwillingsfrau. Und so unruhig und von Begebenheit zu Begebenheit springend, so erzähle und phantasiere ich auch. Liebe und Enttäuschung, Wahrheit und Phantasie, Realität, Legende und Märchen. Alles gehört zu mir, zur Herbstfrau, zu autumn woman.

Diese Herbstfrau, damals 59 Jahre alt, hat inzwischen das siebente Jahrzehnt überschritten. Ich begebe mich mit diesem neuen Buch auf eine spannende Reise. Ich schreibe nach all den Jahren ganz anders, mit neuen Erkenntnissen und ohne die rosarote Brille, die ich lange nicht gewillt war, freiwillig abzunehmen.

Vielleicht wird es für mich nicht immer angenehm sein, ach was, vielleicht – ganz sicher wird es nicht angenehm werden. Es werden Erinnerungen geweckt, die man lieber vergessen möchte. Denn die rosarote Brille war manchmal ganz praktisch. Mehr noch: Sie verschönerte und verschleierte die Wirklichkeit, sie ließ mich oft von etwas träumen, das es in der Realität nicht gibt. Ob es mir gelingt, sie für immer im Schubfach zu lassen? Ich kann es nicht versprechen. Weil ich nun mal eine Brillenträgerin und Träumerin bin.

ICH BIN EINE ‚TINNITUSSI‘

Viele Wege führen nach Rom … sagt ein altes Sprichwort. Ich möchte hinzufügen: Viele Dinge führen zu einem Tinnitus. Doch viele Wege führen auch zum Akzeptieren eines solchen Störenfriedes, ja, sogar zu einem Leben mit ihm!

Als ich die erste Version dieses Buches schrieb, war ich 59 Jahre alt und hatte noch ein Jahr als Grundschullehrerin vor mir.

Ich hatte vier Enkelkinder und ich besaß etwas, das den Namen Tinnitus trägt. Wobei dieser Besitz keiner ist, auf den wir unbedingt stolz sein können. Natürlich, Sie wissen, was oder wen ich meine, den Tinnitus.

Dieser Störenfried, diese Nervensäge, dieser Quälgeist, aber auch dieser Mahner, dieser Helfer, dieser nötige Begleiter!

Zu den ersten drei Bezeichnungen hätte ich vor Jahren noch hinzugefügt: Warum quälst du mich so? Lass mich doch endlich in Ruhe leben! Ich hasse dich! Du bist mein Feind!

Wie ist es möglich geworden, dass ich ihn, den Tinnitus, heute als meinen Schatten, meinen Begleiter ansehen kann? Ja, wie bloß? Irgendwann, als ich wegen dieser hässlichen Geräusche wieder einmal keinen Schlaf fand, kam mir die Erleuchtung: Wenn man schon solch einen unliebsamen „Untermieter“ im Haus sprich Ohr hat, der einfach nicht von allein gehen will, dann muss man sich notgedrungen mit ihm arrangieren.

Und so ging ich daran, mit ihm den „Mietvertrag“ zu überarbeiten.

Die ersten Impulse dazu erhielt ich durch die deutsche Tinnitus-Liga. Ein Bekannter gab mir einige Exemplare des „Tinnitus-Forums“ zu lesen. Und siehe, ich war nicht mehr allein. So viele andere hatten die gleichen Probleme. Schon allein diese Tatsache baute mich ungeheuer auf.

Doch das allein reichte natürlich auf Dauer nicht aus. Die nächsten Schritte ging ich mit Hilfe meiner Familie und meiner Freunde. Sie wurden mir aber auch erst möglich durch das Zusammenwirken fähiger Ärzte und Therapeuten, wobei jeder einzelne für den Erfolg der Therapie wichtig war. Besonders wirksam erwies sich für mich während einer Reha neben den übrigen wichtigen Anwendungen vor allem die Audiokommunikation. Denn schon immer war ich besonders ansprechbar, wenn es sich um die richtige Musik handelte.

Ich hatte eine Gefühlsmauer um mich errichtet, wie das viele Tinnitus-Menschen zu tun pflegen. Einfach, um allen Anforderungen gerecht werden zu können, um perfekt zu sein, um in allen Lebenslagen möglichst optimal zu „funktionieren“. Auf unsere ureigenen Wünsche, auf unser „Ich“ achten wir dagegen sehr wenig oder gar nicht. Ist es bei Ihnen ebenso? Oder vielleicht sind Sie schon einen Schritt weiter auf Ihrem Weg?

Die Musik, unter deren positivem Einfluss ich bei der Audiokommunikation stand, zeigte bei mir anfangs eine verheerende Wirkung. Sie brachte etwas zustande, wozu ein anderes Medium wahrscheinlich längere Zeit benötigt hätte. Ich möchte versuchen, das folgende Geschehen bildhaft darzustellen, aber nicht mit Pinsel und Farbe, sondern mit Worten: Meine „Mauer“ hatte schon die ersten kleinen Haarrisse bekommen, bevor ich die Klinik betrat. Denn der Hausarzt, die Fachärzte und der „Seelendoktor“ hatten vorgearbeitet. Als ich in der Empfangshalle der Klinik stand, bekam ich sofort das Gefühl, hier von allen Seiten weitere Hilfe zu erhalten. War ich darüber aber froh? Oh nein, ganz im Gegenteil, ich bekam es mit der Angst zu tun.

Es war wohl Angst vor einem eventuellen Zulassen, oder einfach die Angst vor Veränderungen.

Bei dieser ersten Audiokommunikationssitzung öffneten sich meine Tränenschleusen, die lange von mir zugestopft worden waren, wie von selbst. Die „Morgenstimmung“ von Edward Grieg war der Auslöser dafür.

Man sollte nach dem Anhören der Musik über seine aufkommenden Gefühle sprechen. Es schien allen anderen Patienten überhaupt nichts auszumachen. Und wie stand es mit mir? Einer nach dem anderen kam an die Reihe. Noch drei, noch zwei, noch einer vor mir. Jetzt schauten alle auf mich. Ich spürte, dass da etwas aus mir herauswollte, ohne auf meine Zustimmung warten zu wollen. Nein, das musste ich verhindern. Mit allen Mitteln. Aufstehen und das Zimmer verlassen? Meine Beine gehorchten mir nicht. Ich schien wie durch eine imaginäre Gewalt auf meinem Stuhl festgebannt zu sein. Also andere Variante. Oft genug hatte ich sie erfolgreich angewendet. Wenn die Tränen wieder einmal ungerufen kommen wollten, versetzte ich mich stets künstlich in eine Art Faschingsstimmung. Ich reimte dann sogar: „Regina singt, Regina lacht, die Tränen haben keine Macht!“

Doch es nützte diesmal nichts, rein gar nichts. Nichts war mehr mit Fasching, denn das Maß der ungeweinten Tränen war endgültig voll.

Ich weinte und weinte und konnte vor diesen fremden Menschen nicht mehr aufhören zu weinen. Schrecklich fand ich das. Kein einziges Wort bekam ich über die Lippen. Oder doch, mühsam quälten sich drei Worte aus meinem Mund: „Ich kann nicht!“, hießen sie. Nun, ich musste auch nicht können. Ich durfte nach der Therapie weiterweinen. Sehr einfühlsam ging die Therapeutin auf mich ein. Trotzdem fühlte ich mich wieder einmal als rechter Waschlappen, als Heulsuse.

In den weiteren Therapiestunden vertieften sich die kleinen Risse in meiner Gefühlsmauer schnell, und nach etwa zwei Wochen stürzte die „Mauer“ vollends ein. Meine Materialkenntnis erwies sich als ungenügend, zum Glück für mich.

Jeder Maurer weiß: Ohne richtiges Fundament hält kein Stein auf dem anderen. Und dieser Gefühlsmauer fehlte von Anfang an das entsprechende Fundament.

Ein Zugang zu meiner Seele wurde frei. Nun „schaufelten“ alle Ärzte und Therapeuten der Tinnitus-Klinik, später noch einmal die der Klinik in Arolsen, gemeinsam die Steinreste beiseite. Einen nach dem anderen. Hartnäckig versuchte ich jedoch immer wieder, mich hinter der Mauer, die gar nicht mehr vorhanden war, zu verstecken. Denn ich hatte Angst vor dem, was da Neues auf mich zukommen könnte. Ich hatte Angst vor einem Leben mit mir selbst. Angst vor dem „Etwas“, das mir zuraunte: Lasse den Beruf nicht mehr zur Hauptsache in deinem Leben werden! Tu doch einfach, was dir Spaß macht! Oder: Heul doch los, wenn du traurig bist!

Nein, nur das nicht! Tat man dies, könnte man ausgelacht, nicht mehr geliebt werden, es könnte schlecht über einen geredet werden, und man müsste sich wieder selbst beschimpfen. Diesen Teufelskreis kennen wir ‚Tinnitusmenschen‘ doch zur Genüge.

Wenn aber die Seele den Körper um Hilfe anfleht und der Körper darauf mit Kranksein reagiert, muss man plötzlich Zeit für sich haben. Unter Umständen sogar viel davon.

All diese Warnsignale wollte ich nicht hören. Aber gesund wollte ich doch werden! Lange dauerte es, bis ich selbst mithalf, die Steine meiner Mauer wegzuräumen. Zuerst nur kleine Stückchen, dann auch größere, schwerere. Ich musste es tun, sonst wäre ich nie gesund geworden. Ich war nun bereit für eine Neuorientierung in meinem Leben. Es musste sehr vieles bei mir anders werden.

Ich musste viel Geduld mit mir haben, bis ich meine ‚Belohnung‘ erhielt Meine Belohnung bestand darin, dass ich nach vielen Jahren plötzlich darangehen konnte, meinen Kindheitstraum zu verwirklichen: Ich wagte es einfach, ohne dass mir jemand half, Bilder zu malen. Nein, das wäre nur die halbe Wahrheit: Einer half schon, und das war der Tinnitus! Doch wie sah diese ‚Hilfe‘ aus? Nahm er mir meine Arbeit ab? Oh nein, er war unbequem, er ließ sich nicht verjagen, und er schwieg auch nicht auf Kommando.

Aber er brachte mich auf meinen Weg. Geduldig, hartnäckig, fordernd. Je nachdem …

Durch das Malen und jetzt auch durch das Schreiben habe ich meine eigene Therapieform gefunden: Gesund werden durch Schreiben und Malen.