Rückwärts laufende Hunde - Jesko Wilke - E-Book

Rückwärts laufende Hunde E-Book

Jesko Wilke

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Beschreibung

Die Geschichte eines Jungen, der zu einem Sternekoch wird, obwohl er weder riechen noch schmecken kann. 1975, Joe erlebt eine Offenbarung: Ein bunt bemalter VW-Bus voller Hippies hält vor der Schönheitsfarm seiner Mutter. Onkel Fred, ein langhaariger Jazzpianist, kehrt zurück aus San Francisco. Mit ihm halten Love, Peace & Flower-Power Einzug in das Leben des 16-jährigen. Doch mit Fred kommt eine ungeheure Wahrheit ans Licht. Ein Meisterkoch, der nicht riechen und schmecken kann? Undenkbar! Außer bei Jesko Wilke, dem ein kultiger Roman über die 70er Jahre gelungen ist. (3-Sterne-Koch Christian Jürgens, Restaurant Überfahrt am Tegernsee) Dieses Buch ist ein Muss für alle, die in den 70er Jahren groß geworden sind und für jeden anderen ebenfalls! (Kai Rake, radio ffn)

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Seitenzahl: 521

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Inhaltsverzeichnis

1972

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

1975

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

Christiania

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

46. Kapitel

47. Kapitel

48. Kapitel

49. Kapitel

50. Kapitel

51. Kapitel

52. Kapitel

53. Kapitel

54. Kapitel

1979

55. Kapitel

56. Kapitel

57. Kapitel

58. Kapitel

59. Kapitel

60. Kapitel

61. Kapitel

62. Kapitel

63. Kapitel

64. Kapitel

65. Kapitel

66. Kapitel

67. Kapitel

68. Kapitel

69. Kapitel

70. Kapitel

71. Kapitel

72. Kapitel

73. Kapitel

74. Kapitel

75. Kapitel

76. Kapitel

77. Kapitel

1980

78. Kapitel

79. Kapitel

80. Kapitel

81. Kapitel

82. Kapitel

83. Kapitel

84. Kapitel

Wer Geduld hat, kann wahrnehmen, wie Steine aus dem Boden wachsen. Selbst tonnenschwere Findlinge werden so auf magische Art aus der Erde geboren. Das Einzige, was es dazu braucht, ist Zeit. Es handelt sich nämlich um kein übernatürliches, sondern auf starkem Frost beruhendes Phänomen. Steine leiten die Temperatur besser als das vergleichsweise lockere Erdreich. Sobald die Kälte des Winters in den Boden kriecht, leiten Steine sie nach unten, wo sich bald eine gefrorene Schicht bildet. Da sich Wasser beim Gefrieren ausdehnt und das darüber liegende Erdreich noch nicht gefroren ist, wird der Stein auf diese Weise ein paar Millimeter nach oben gedrückt. Über die Jahre und Jahrzehnte sorgt die sogenannte Kryoturbation für die Geburt immer neuer Findlinge.

Groß und schwer wie eine ungeheuerliche Wahrheit, die das Schicksal für viele Jahre im Dunkeln vergessen hat, stehen sie dann in der Welt. Denn die Zeit bringt früher oder später alles ans Licht.

1972

1.

Als mein Vater starb, war ich minus fünf Monate alt. Er ist am Morgen des 12. Februar 1959 kurz hinter Hedemünden von der Werratalbrücke gestürzt. Er hatte an einer Unfallstelle gehalten, um zu helfen, wurde von einem Kleintransporter erfasst und von der Brücke geschleudert. Die Autobahn verläuft dort in etwa 57 Meter Höhe. Ich habe ausgerechnet, wie lange er dafür gebraucht hat: Knapp drei Sekunden. Angesichts des bevorstehenden Todes läuft noch einmal das ganze Leben wie im Film an einem vorüber, heißt es. Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig – Schluss. Wenig Zeit für ein ganzes Leben. Wenn Leute hören, dass ich Halbwaise bin, fragen sie manchmal, wie mein Vater gestorben ist. Ich sage dann, dass er Pilot war und ein paar Monate vor meiner Geburt abgestürzt ist. Das stimmt zwar nicht, ist aber keine schlechte Lüge. Lügen sollten immer einen wahren Kern enthalten, dann klingen sie glaubhafter.

Ich lag im Bett und lauschte den Geräuschen, die das Haus machte. Den Geräuschen von über zwanzig Zimmern, den dazugehörigen Türen, Fußböden und Heizkörpern, einem winzigen Fahrstuhl und einer großen Küche, diversen Behandlungsräumen und einem Speisezimmer, das manchmal auch als Festsaal fungierte. Dann waren da noch Sachen, die man nicht sehen konnte, die aber trotzdem Geräusche machten. Ich hörte das Rauschen eines Fallrohrs, weil im Zimmer über mir jemand die Klospülung betätigt hatte. Wahrscheinlich Lisa, die von Montag bis Freitag in unserer Schönheitsfarm arbeitete und dort ein kleines Zimmer bewohnte. Jetzt hörte ich, wie sich der Spülkasten wieder mit Wasser füllte.

Mein Wecker hatte gerade geklingelt, aber ich gönnte mir noch ein paar Minuten, bevor ich die Bettdecke aufschlagen und aufstehen würde. Ich lag da, lauschte weiter und fragte mich, wann eigentlich genau der Impuls zum Aufstehen kommt und wer oder was in mir das dann entschieden hat. Draußen wurde ein Motor gestartet. Es war der Käfer unserer Nachbarin, die jetzt zur Arbeit fuhr. Ich wartete, auf den Impuls aufzustehen, und die Vogelstimmen drangen in mein Bewusstsein. Die waren die ganze Zeit da gewesen, ich hatte sie nur nicht wahrgenommen. So wie das leise Dauersummen, das die Ölheizung verbreitete, weil sie für das ganze Haus heißes Wasser erzeugte. Und dann war da noch ein Geräusch, das von mir kam. Mein eigenes Grundrauschen, sehr leise, aber doch hörbar, besonders, wenn ich mir die Finger in die Ohren steckte. Ich schob die Decke weg und stand auf.

2.

Vor ein paar Tagen hatte ich, Joe Anders, im Alter von knapp 14 Jahren die Peepshow erfunden. Zugegeben, der Zufall spielte dabei eine entscheidende Rolle. Mirella, unsere Köchin, hatte mich in den Vorratskeller geschickt, um Kartoffeln zu holen. Als ich den Flur zurücklief, ging plötzlich das Licht aus. Ich wollte mich gerade beschweren, welcher Idiot das Kellerlicht ausgemacht hat, als ich einen feinen Lichtstrahl bemerkte. Ich stellte den Drahtkorb ab und näherte mich dem Regal mit Vorräten. Ich schob ein paar Konservendosen zur Seite und entdeckte einen winzigen Spalt im Mauerwerk neben einer Stahltür, die stets abgeschlossen war, weil sich dahinter der Umkleidebereich für die Sauna befand. Mein Blick landete auf dem Hintern einer unserer Damen, auf Bikinistreifen, die sich auf gebräunter Haut abzeichneten. Dann drehte sie sich um und ich konnte für einen winzigen Moment ihre Scham erblicken, bevor diese hinter einem Frotteebademantel verschwand. Ich spürte mein Herz klopfen. Es war die erste Frau, die ich nackt gesehen hatte – abgesehen von meiner Mutter. Das Aufregende daran war, dass die Frau nichts ahnte und sich entsprechend unbefangen bewegte, während ich diese Intimität missbrauchte. Dafür schämte ich mich, aber gleichzeitig verlieh es mir ein Gefühl von Überlegenheit und Macht.

Später am Tag kam ich wieder und kratzte den Putz zwischen den Ziegeln heraus, bis ich eine passable Aussicht auf den Umkleidebereich und den Vorraum zur Sauna hatte. Ich konnte sogar den ersten von drei Duschplätzen einsehen, die sich im Hintergrund befanden. Anschließend verschloss ich die Stelle mit einem Stück Kalksandstein, das ich mir von einer nahe gelegenen Baustelle besorgt hatte, und stellte die Konservendosen wieder davor. Der Stein passte so perfekt, dass ich selbst eine Weile brauchte, bis ich die Stelle im Dunkeln wiederfand.

Am Freitagnachmittag trafen die neuen Damen in der Schönheitsfarm Viktoria ein, eine Tatsache, die mich zuvor nicht besonders interessiert hatte. Ab sofort war der Freitag das Highlight meiner Woche. Zur Verwunderung meiner Mutter gesellte ich mich zum Hofstaat unseres Unternehmens, der die Ankömmlinge in Empfang nahm. Eingereiht zwischen der Chefin, der Visagistin Lisa und unserer Köchin Mirella gab ich mich der stillen Vorfreude hin, die mir mein neu gewonnenes Privileg garantierte. Ich schenkte jeder Dame ein freundliches Lächeln und erstellte dabei ein spontanes Ranking, noch ohne zu wissen, dass mein eingeschränktes Blickfeld die Zuordnung von Gesicht und Körper bisweilen schwierig machte. »Wahre Schönheit kommt von innen«, pflegte meine Mutter gern zu verkünden, wenn sie nach Ablauf von ein oder zwei Wochen überschwänglich für unsere Schönheitsfarm gelobt wurde, was in diesen Jahren häufig vorkam.

Unsere Gäste waren zum Glück ausschließlich weiblich. Die eine Hälfte kam aus den umliegenden Großstädten Hamburg, Hannover und Bremen, die andere von überall aus der Republik. Bei uns logierten Schauspielerinnen, die sich für das nächste Engagement aufmöbeln lassen wollten, junge Frauen aus gutem Haus, die sich für die anstehende Heirat herausputzten (manchmal in Begleitung ihrer Mütter), ledige Chefsekretärinnen, die sich mal etwas leisten wollten und Millionärsgattinnen, die das jederzeit konnten. Am liebsten waren meiner Mutter jene, die sich für einen Seitensprung ihres Gemahls entschädigten. Sie buchten alle verfügbaren Extras, investierten zusätzlich ein Vermögen für Kosmetik-Artikel und gaben gutes Trinkgeld. Speziell für dieses Klientel hatte meine Mutter im Foyer eine kleine Boutique eingerichtet. Dort gab es eine exquisite Auswahl von Designermode, diverse Accessoires und Modeschmuck von Langani, einer Marke, die so lange schick und italienisch klingt, bis man erfährt, dass deren deutsche Erfinderin Anni Lang heißt.

Zu unseren Stammgästen gehörten die erste und zweite Frau eines Reeders, eine Filmdiva, die inkognito bleiben wollte (jedoch tief beleidigt reagierte, wenn man sie nicht erkannte), die Frau eines Hamburger Senators und die Dauergeliebte des Vorstandsvorsitzenden einer Privatbank. Über die angebliche Erbin einer Hotelkette, die stets in einem gelben Lotus Europa erschien, erfuhren wir erst Jahre später, dass es sich um eine Edelprostituierte handelte, die sich von ihrem stressigen Berufsleben erholen und für ein paar weitere Jahre fit machen wollte. Irgendwann vertraute sie meiner Mutter an, dass sie ihre Rechnungen erfolgreich bei der Steuer absetzte. Bedauerlicherweise vertrug sie keine Hitze.

Meine Mutter schob einen Stapel Papiere von sich weg und begann sich mit den Fingerspitzen über die Schläfen zu streichen. Dann schloss sie die Augen, legte ihren Kopf in den Nacken und seufzte. Ich durchquerte das Büro, trat von hinten an sie heran und legte meine Hände auf ihre Schultern.

»Soll ich dich massieren?«

»Ach, das wäre schön.«

Sie richtete sich auf, machte einen geraden Rücken und legte ihre Arme auf den Lehnen ihres Bürostuhls ab. Ich rieb meine Hände aneinander und begann ihren Nacken und ihre Schultern zu kneten. Ich mochte das, es gab mir das Gefühl, erwachsen zu sein, ihr zur Seite zu stehen. Außerdem fand ich, dass sie eine schöne Frau war, und war stolz darauf, dass sie die Farm aufgebaut hatte. Ich bearbeitete ihre verspannte Muskulatur und schaute über ihre Schulter hinweg auf den Stapel Mahnungen.

»Ich kann das Heizöl nicht bezahlen, dieses teure stinkende Zeug«, sagte sie. »Es reicht gerade noch für die große Hypothek und mit der darf ich auf keinen Fall wieder in Rückstand geraten.«

Heizöl war im Herbst 1973 infolge der Ölkrise immer teurer geworden. Von nun an würde der Preis steigen und steigen. Ich wusste, dass meine Mutter Profi in dem war, was sie »jonglieren« nannte. Am Ende ging es zwar immer gut, aber die chronische Geldnot schwebte in diesen Jahren wie ein Damokles-Schwert über uns, und es beunruhigte mich jedes Mal aufs Neue, wenn so eine Krise nahte, was mit unschöner Regelmäßigkeit geschah. Alle drei Monate, wenn die »große Hypothek« bedient werden musste, war es so weit.

Manchmal stellte ich mir vor, dass ich einen Koffer voll Geld fand, zum Beispiel aus einem Bankraub. Geld, das die Ganoven auf der Flucht nur unzureichend verstecken konnten und das mir auf einem meiner Streifzüge durch den Wald in die Hände fiel. Dann träumte ich mich in die Rolle des anonymen Retters, der heimlich Kuverts mit je 10.000 Mark im Posteingang des Büros versteckte und sich zusammen mit meiner überglücklichen Mutter über den rätselhaften Gönner wunderte.

»Immer, wenn die große Hypothek fällig ist!«, würde meine Mutter rufen und sich in meine Arme werfen.

Als meine Mutter, Viktoria Anders, vor vier Jahren die Schönheitsfarm kaufte, musste sie zwei Hypotheken aufnehmen. Eine monatliche über 800 Mark und eine dreimonatliche über 2.200 Mark. Sie konnte etwas Eigenkapital aus einer Erbschaft beisteuern und musste den restlichen Kaufpreis plus Umbaukosten über die Bank finanzieren. Es grenzte an ein Wunder, dass ihr das als alleinstehender Unternehmerin und Mutter gelungen war. Irgendwie hatte sie den Filialleiter unserer Sparkasse davon überzeugen können, dass das Beauty-Business eine Goldgrube sei.

»Herr Leuschner, kennen Sie sich mit Schönheit und Mode aus?«, hatte sie ihn gefragt, was dieser naturgemäß verneinen musste. »Dann möchte ich Ihnen das gern erklären ...«

Ende der Sechzigerjahre brummte die Wirtschaft wie ein VW-Motor, der Nachkriegsboom bescherte den Banken satte Gewinne. Und die Bau- und Immobilienfinanzierung stand dabei ganz oben. Meine Mutter hatte an diesem Tag eines ihrer entzückenden Kostüme getragen, mit knielangem Rock und halblangen Ärmeln. Ich stelle mir vor, wie sie sich nach ihrem Vortrag ein wenig nach vorn beugt, den Zigarettenrauch zur Seite bläst und dem Leuschner direkt in die Augen schaut. Der Filialleiter kann diesem Blick natürlich nicht standhalten, doch als er ihn senken will, prallt er von ihrem wohlgeformten Busen ab und landet wieder im Gesicht meiner Mutter, die jetzt nachsichtig lächelt. Leuschner fingert am Saum seines mausfarbenen Sakkos herum und steht schließlich auf.

»Na gut«, stöhnt er, bereits halb geschlagen, »ich werde es mir überlegen, Frau Anders.«

Doch mit derart vagen Aussichten hatte sich meine Mutter nicht abspeisen lassen. Keine halben Sachen! war einer ihrer Lieblingssprüche. In meiner Phantasie startete Leuschner einen letzten Versuch:

»Ist Ihnen überhaupt klar, worauf Sie sich einlassen? Eine Schönheitsfarm aus dem Boden stampfen, als Frau, ganz allein?«

»Wer sollte das sonst machen, als eine Frau?«, entgegnet sie mit einem bösen Funkeln in ihren blauen Augen. Spätestens jetzt begriff Herr Leuschner, dass Bedenkenträger gegen Viktoria Anders keine Chance hatten.

»Das hat gutgetan, mein Großer.«

Sie tätschelte meine Hände, die noch auf ihren Schultern ruhten.

»Ich würde vorschlagen, wir machen für heute Feierabend. Für das blöde Heizöl wird mir schon eine Lösung einfallen. Und du musst jetzt dringend schlafen gehen.«

Ich lag im Bett und lauschte den Geräuschen, die das Haus machte. Am Abend hörte es sich anders an. Es schien, als atmete das Haus tief durch, um selbst zur Ruhe zu kommen. Kein Türenschlagen, keine Stimmen auf Zimmern und Fluren. Ich hörte, wie ein Fenster geschlossen wurde, dann ein paar Schritte, Stille. Von der Heizung war nur noch ein leises Rauschen zu vernehmen. Ein Rauschen, das mit dem Verbrauch von Heizöl einherging, dem teuren, stinkenden Zeug, das stellvertretend für meine beiden Probleme stand: für die Geldsorgen meiner Mutter und dafür, dass mit mir etwas nicht stimmte. Schade, dass mein Vater nicht mehr lebte, mit ihm würde es gewiss keine finanziellen Probleme geben. Väter arbeiteten viel und verdienten gut. Das war in den Familien meiner Freunde so und so wäre es bestimmt auch bei uns.

Was, wenn mein Vater wieder auftauchen würde? Einfach so. Es hatte eine Verwechslung gegeben, ein anderer Mann seiner Statur war von der Brücke gestürzt. Aber warum hatte er sich dann nicht gemeldet? Klarer Fall: Mein Vater war Agent! Als er aufzufliegen drohte, musste sein Tod fingiert werden, damit die Russen ihn nicht ausschalten konnten. Inzwischen war Gras über die Sache gewachsen und er kam zurück. Mit neuer Identität natürlich. Daher durfte ich ihn nicht Papa oder Vater nennen. Als ehemaliger Top-Spion hatte er finanziell selbstverständlich ausgesorgt und würde als Erstes die große Hypothek ablösen. Blieb noch das zweite Problem: Egal wie intensiv etwas stank – zum Beispiel Heizöl –, ich konnte es nicht riechen. Es war am vierzigsten Geburtstag meiner Mutter gewesen. Ich war sechs Jahre alt und hatte ihr ein Wachsmalkreidebild geschenkt. Es zeigte die Schönheitsfarm und eine Reihe dünnbeiniger Figuren, die meine Mutter, meinen Onkel Fred und mich darstellten. In der linken Ecke strahlte eine leuchtend gelbe Sonne und auf der Rückseite befand sich mein Name. Ich hatte jeden Buchstaben in einer anderen Farbe geschrieben und so groß, dass das Wort »Joachim« gerade eben auf die Rückseite des Bildes passte. Wir frühstückten draußen in der Sonne. Auf dem Tisch befand sich ein kleiner Strauß mit Rosen, die ich in unserem Garten geschnitten hatte. Meine Mutter beugte sich vor, schloss die Augen und steckte ihre Nase zwischen die Blüten. »Mmh, wie die duften«, sagte sie und öffnete die Augen, »willst du auch mal?« Bis dahin hatte ich es für eines dieser undurchschaubaren Erwachsenen-Rituale gehalten, die Nase in Blumensträuße oder Weingläser zu halten. Kinder lernen durch Nachahmung und im Vertrauen, dass sich der Sinn bestimmter Handlungen früher oder später schon erschließen wird. Zur Begrüßung die Hand geben und einen Diener machen zum Beispiel oder dass man das Besteck nicht einfach in der Faust halten soll. Es gab Regeln, die man befolgte, ohne sie zu hinterfragen. Ich beugte mich vor und hielt meine Nase in den Strauß.

»Und? Was riechst du, Joachim?«

Ich sog die Luft ein. Nichts.

»Wunderbar, wie zart sie duften, nicht wahr?«

Es war ihr Geburtstag und ich wollte ihr die Freude nicht verderben. Also nickte ich und lächelte dazu. Ihr Lob galt ja auch mir, schließlich hatte ich ihr die Rosen geschenkt. Deren wunderbaren Duft nicht wahrzunehmen, betrachtete ich als persönliches Versagen. Ich würde mir in Zukunft mehr Mühe geben müssen. Vielleicht konnte man riechen ja lernen, wie Fahrradfahren, bloß, dass ich es bisher versäumt hatte, mich darum zu kümmern.

3.

Sobald ich mit den Schulaufgaben fertig war, was wie heute, selten länger als zehn Minuten in Anspruch nahm, ging ich runter und schaute, ob alles lief. Ich guckte kurz im Büro vorbei, winkte der Sekretärin und sah, dass der Platz meiner Mutter leer war. Dann hörte ich ihre Stimme und lief den Flur mit den Behandlungsräumen entlang. Als ich an dem ersten von drei Perserteppichen vorbeikam, spürte ich, dass ich einen Rückfall bekam: Ich sah die zerzausten Teppichfransen und hörte ihr verzweifeltes Rufen »sieh nur, wie strubbelig wir aussehen! Hilf uns, bevor wir völlig verfilzen, nur dieses eine Mal noch, bitte, bitte!« Mein Verlangen war so unbändig, dass ich mich sofort hinknien musste. Ich begann die Fransen mit leicht gespreizten Fingern zu kämmen, und sofort wich mein schlechtes Gewissen einem vertrauten Wohlgefühl. Tief befriedigt und in dem Bewusstsein, ein wenig Ordnung in diese komplizierte Welt gebracht zu haben, ließ ich meinen Blick über die sauber gekämmten Teppichfransen gleiten. Dann wurde mir schlagartig bewusst, dass ich mir gerade das Rauchen und Biertrinken beibrachte, in wenigen Wochen vierzehn werden würde und an Sunny dachte, während ich die Damen im Saunakeller beobachtete. Ich schwor mir, nie wieder auf das Gejammer der Teppichfransen hereinzufallen.

Sunny – die Tragik unserer Beziehung bestand darin, dass ich fast zwei Jahre jünger war. Mein Schlüsselerlebnis fand unter einem mächtigen, alten Kastanienbaum statt, der sich in einem kleinen Wäldchen unweit von Sunnys Elternhaus befand. Ich erinnere mich nicht daran, wer hoch oben in seinen Ästen eine Schaukel angebracht hatte, aber es war die beste Schaukel der Welt. Allerdings hing sie in Sunnys Hoheitsgebiet. Ich ging trotzdem ab und zu hin. Das Ereignis, das sich wie ein Fußabdruck in den feuchten Zement meiner Erinnerung einprägte, fand an einem Nachmittag im August statt.

»Halt mal an«, sagte sie.

Die Kastanienblätter rauschten über uns und warfen ein Muster aus fleckigem Licht auf den Boden. Ich bremste ab, kam zum Stehen. Sie muss etwa zehn Jahre alt gewesen sein und trug ein weißgrundiges Kleid mit einem Muster aus blauen und roten Blüten darauf. Schon damals verfügte sie über ein erstaunliches Spektrum an weiblichen Gesten. Sie hatte ein Bein angewinkelt, den Arm in die Hüfte gelegt und griff mit der freien Hand nach dem Schaukelseil. Sie schaute mir verwirrend lange in die Augen und sagte dann:

»Küss mich, Darling.«

Dabei kam sie ein Stück näher, hielt mir ihr Gesicht hin und schloss die Augen. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich nahm an, wir spielten eine Szene aus einem Hollywood-Film nach. Dann öffnete sie die Augen wieder und sagte:

»Na los, du musst aufstehen und deine Lippen auf meine legen!«

Obwohl sie zwei Jahre älter war, waren wir gleich groß.

»Mach schon«, forderte sie und schloss die Augen erneut. Ich schubste sie weg und lief nach Hause. Verstört, wie ich war, ahnte ich bereits, dass mit Sunny eine Reihe ernsthafter Probleme in mein Leben kommen würde.

Als ich wieder aus meinen Gedanken auftauchte, hörte ich die leise, aber eindringliche Stimme meiner Mutter aus Behandlungsraum Nummer zwei. Ich näherte mich der angelehnten Tür. Die Behandlungsliegen waren zum Fenster ausgerichtet, so dass der Blick unserer Damen in den Buchenwald fiel. Meine Mutter saß neben der Liege.

»Vertrauen Sie meiner Intuition«, sagte sie gerade mit sanfter Stimme. Sie hatte einen winzigen Sprachfehler. Dabei handelte es sich um die Andeutung eines zarten Lispelns, das in krassem Gegensatz zu ihrem dominanten Naturell stand. Bei manchen s-Lauten konnte man ihre Zunge zwischen den Zähnen sehen. Es klang dann wie ein Wispern und erinnerte mich an die Schlange Kaa aus dem Dschungelbuch, wenn sie Vertraue mir säuselte.

Alles klar, wenn sie ihre Intuition ins Spiel brachte, konnte es sich nur um eine Typberatung handeln. Typberatung war das Kernelement im Behandlungskonzept meiner Mutter. Und für neue Kundinnen gehörte die »große Typberatung« zum Standardprogramm. Alles lief natürlich auf den Vorher-Nachher-Effekt hinaus. Ich glaube, meine Mutter hat diese Typveränderungsmasche erfunden. Kein Wunder, ihre Überzeugungskraft glich einem Fliegenstrip. Klebte man erst einmal daran, machte jeder Versuch der Gegenwehr die Sache nur noch aussichtsloser.

Die magische Formel war der Satz »Vertrauen Sie meiner Intuition«. Wenn sie eine Intuition hatte, war das Gesetz. Deshalb handelte es sich bei der Typberatung genau genommen um eine sanfte Gehirnwäsche inklusive Pflegespülung. Meine Mutter verdrehte den Frauen erst den Typ und anschließend würde sich der Charakter schon anpassen, so sah sie das. Wie bei Corinna Hertel, einer zurückhaltenden, konservativ eingestellten Versicherungsfachangestellten mittleren Alters. Nachdem meine Mutter ihr gründlich den Typ verändert hatte, passte die Frau nicht mehr in ihr altes Leben. Zur flotten Biene mutiert, ersetzte sie ihren cremefarbenen Opel Kadett gegen ein Fiat-Spider-Coupé in Ferrari-Rot, machte Urlaub auf Mallorca statt Borkum und landete ein paar Jahre späte bei den Hippies auf Ibiza, wo sie mit einem Bhagwan-Jünger von selbstgefertigtem Silberschmuck und indischen Baumwolltüchern lebte – bis heute!

Meine Mutter war wirklich gut darin, andere zu manipulieren, und ihre Intuition sagte ihr, mit wem sie derartigen Schabernack veranstalten konnte. Bei mir hatte das auch lange funktioniert. Bis zu dem Wintertag, an dem sie mir weismachte, dass eine Wollstrumpfhose unter einer Sportshorts getragen, ein prima Ersatz für eine lange Trainingshose darstellte, die ich aus Kostengründen nicht bekam. Die gesamte Fußballmannschaft plus Trainer lachte sich schlapp über meinen Aufzug, und ich schwor, mir nie wieder einreden zu lassen, was gut für mich sei.

»Glauben Sie wirklich, dass Sie das Beste aus Ihrem Typ machen?«, fragte meine Mutter jetzt. Es folgte ein tiefer Blick in die Augen des Opfers, begleitet von einer Kombination aus mitleidigem Lächeln und – die Augen kurz geschlossen – leichtem Kopfschütteln.

Was sollte die Frau machen? Versuchen, sich gegen das Kosmetik-Know-How meiner Mutter zu behaupten? Besser nicht!

»Was würden Sie mir denn raten?«

Das wars! Ab sofort hatte meine Mutter leichtes Spiel. Wenn die große Typberatung nach ein paar Sitzungen schließlich abgeschlossen war und meine Mutter ihre Schöpfung vor dem bodentiefen Spiegel betrachtete, sagte sie etwas wie: »Ich bewundere Ihren Mut, liebe Frau Soundso! Sie haben sich völlig neu erfunden.«

»Hallo mein Schatz, kann ich was für dich tun?«

»Nichts, alles in bester Ordnung. Ich wollte gerade die Sauna einschalten.«

Als Juniorchef einer Schönheitsfarm musste man täglich Präsenz zeigen, sonst lief das nicht. Außerdem war heute Mittwoch – Saunatag! Ab 16 Uhr musste die Sauna heiß sein, und den Elektroofen zum Vorheizen einzuschalten war seit Kurzem Chefsache.

4.

»Schön, dass Sie uns einmal wieder beehren, Frau Spielhagen! Wir haben Sie schon vermisst.«

Ich mochte es nicht, wenn meine Mutter dieses Brimborium um einen besonderen Gast veranstaltete. Ich fände es besser, wenn sie alle Damen mit der gleichen Höflichkeit behandeln würde. Doch das war bei Weitem nicht der Fall. Frau Spielhagen war die Frau eines Hamburger Senators und hatte triple V. I. P.-Status.

»Ich bin so erschöpft, meine Liebe. Sie glauben ja nicht, wie anstrengend das ist, diese ganzen Empfänge, das ständige Repräsentieren. Ich fühle mich völlig ausgelaugt.«

Die Spielhagen ging auf die Sechzig zu und sah alles andere als ausgelaugt aus. Die häufigen Bankette warfen bereits Falten im Bereich ihrer Hüften und Oberschenkel. Jeder anderen hätte meine Mutter einen Vortrag über das Problem vermehrter Fetteinlagerung und Übergewicht bei Damen fortgeschrittenen Alters verpasst und sie anschließend auf Diät gesetzt.

»Und diese Staatsbesuche, die geben mir den Rest. Letzte Woche der Konsul von Sierra Leone und seine Gemahlin. Sie können sich nicht vorstellen, was da alles dranhängt, das ganze Protokoll, die Unterbringung und die Speisefolge. Wenn ich nicht auf alles ein Auge hätte!«

Meine Mutter seufzte. Sie konnte sich sicher gut vorstellen, wovon die Spielhagen redete, weil auch sie auf alles ein Auge haben musste. Doch das sagte sie nicht, sondern schüttelte nur den Kopf und meinte:

»Meine Güte, wie anstrengend das alles für Sie sein muss!«

Sie gab ihr das Gefühl, außerordentlich erfreut darüber zu sein, dass sie uns an ihrem superwichtigen Leben teilhaben ließ. Und die Spielhagen genoss es, genau diese Rolle zu spielen.

»Keine Sorge, wir kümmern uns ja jetzt um Sie. Wie soll Ihre Erholungswoche denn dieses Mal aussehen? Haben Sie besondere Wünsche?«, fragte meine Mutter, die den Damen für gewöhnlich ein Programm nach Gutsherrinnenart verpasste.

»Nun«, sagte die Senatorengattin und warf einen Blick auf die frisch lackierten Nägel, die ihre Wurstfinger zierten, »als Erstes benötige ich eine Konsultation bei Dr. Bärenbeuger. Wenn Sie morgen gleich für einen Termin sorgen würden.«

»Selbstverständlich, ich werde den Doktor sofort informieren.«

Dr. Friedhelm Bärenbeuger fungierte als unser Kurarzt. Der Senior, der schon seit Jahren nicht mehr praktizierte, war für spezielle Verordnungen zuständig, die ausgewählten Damen vorbehalten waren. Ich sollte darüber eigentlich nichts wissen, was ich als Juniorchef ziemlich unpassend fand. Immerhin hatte ich herausbekommen, dass es um die Behandlung von nervösen Zuständen ging, die für ältere Damen offenbar typisch waren und eine Prozedur erforderlich machten, die als manuelle Handhabung zur Verjüngung und Stimulation bezeichnet wurde. Ein Verfahren, das auf früheren Forschungen von Dr. Bärenbeuger aufbaute und bei korrekter Anwendung tiefenwirksame Entspannung garantierte. Frau Spielhagen wollte während ihres Aufenthalts täglich manuell gehandhabt werden.

»Und dann Gesichtsbehandlungen, und zwar bei Lisa.«

Als ich noch jünger war, habe ich mich darüber gewundert, dass ich unsere Buchhalterin, Frau Braun, und Lisa, die Visagistin, nie zusammen gesehen habe. Nicht in der Mittagspause, nicht beim Kommen oder Gehen und nicht bei der Weihnachtsfeier. Kein Wunder, es handelte sich um ein und dieselbe Person! Obwohl die meisten Gäste früher oder später mitbekamen, dass Lisa Braun nicht nur für die Gesichtsbehandlungen, sondern auch für die Erstellung der Rechnungen zuständig war, bestand meine Mutter darauf, dass sie sich einer Verwandlung unterzog, sobald sie von einem Job in den anderen wechselte. Im Büro trug Frau Braun ihren Kurzhaarschnitt mit Rollkragenpulli und knielangem Rock. Zur Visagistin und damit zu Lisa wurde sie, indem sie sich eine blonde Perücke aufsetzte und den Pulli gegen eine Bluse mit weißem Kittel darüber tauschte. Mutter war der Überzeugung, dass es der Glaubwürdigkeit abträglich war, wenn eine Büroangestellte ein Peeling durchführte. Das Gleiche galt für den umgekehrten Fall: »Man wird ja wohl einer Visagistin nicht zutrauen, sich um die Buchhaltung unseres Hauses zu kümmern.«

Als Visagistin war Lisa außerdem für das Anrühren diverser Kosmetikartikel zuständig, die anschließend in Originalverpackungen umgefüllt wurden – um Kosten zu sparen. Ich selbst hatte das Rezept für eine Peeling-Creme beigetragen. Sie bestand aus Joghurt, reifen Bananen und original Vogelsand, den ich aus dem Vorrat für unsere beiden Wellensittiche abzweigte. Ich hatte lange gebraucht, um das optimale Verhältnis zwischen den drei Zutaten herauszufinden, weshalb es hier auch unerwähnt bleiben muss. Nur so viel: Die Geheimzutat bestand aus zwei Esslöffeln Zitronenessenz, wegen der Haltbarkeit.

Ich mochte Lisa. Vor allem, weil sie mich wie einen Erwachsenen behandelte, wie einen Kollegen. Sie war Anfang dreißig und hatte mir das Schachspielen beigebracht. Manchmal klopfte ich nach dem Abendbrot an ihre Tür und, wenn sie nicht zu müde war, spielten wir eine Partie. Soweit ich weiß, lebte sie allein. Ihre Eltern waren bei einem Unfall ums Leben gekommen, über den Lisa nicht sprach. Der Rest der Familie lebte in der DDR und Lisa fuhr regelmäßig nach drüben, um ihre Schwester und eine Tante zu besuchen. Meine Mutter konnte nicht verstehen, wie sich jemand freiwillig in ein Land begab, das seine Bürger einsperrte und auf Landsleute schoss, die sich das nicht gefallen ließen. Lisa fuhr eine rote Ente und war Stones-Fan.

Die Weiterentwicklung unserer hauseigenen Antifaltencreme war allerdings ins Stocken geraten. Lancôme hatte gerade ein innovatives Produkt mit Kollagen auf den Markt gebracht, das das Bindegewebe zwar spürbar straffte, jedoch sehr teuer war. Lisas Aufgabe bestand darin, unser Produkt entsprechend aufzuwerten. Die Lancôme-Chemiker, das hatten wir über einen Insider erfahren, den meine Mutter aus ihrer Zeit als Avon-Beraterin kannte, verwendeten Kollagene aus Kalbs- oder Schweinehäuten gegen Falten und feuchtigkeitsbindende Hyaluronsäure aus Hahnenkämmen. Die Verarbeitung von Kalbs- und Schweinehäuten brachte unser Labor bereits an seine Grenzen. Unsere Experimente mit Hahnenkämmen gerieten zu einem Desaster. Erst mein Vorschlag, stattdessen über Nacht eingeweichte Gummibären zu verwenden, führte zu einem Durchbruch, zumindest was die Konsistenz betraf. Anschließend kamen die klinischen Tests an die Reihe. Tierversuche waren selbstverständlich tabu, was unsere Möglichkeiten etwas einschränkte. Wir konzentrierten uns auf drei Phasen: In Phase eins cremten Lisa und ich uns das jeweilige Produkt auf den linken Unterarm, ließen es einziehen und warteten circa eine halbe Stunde (gegebenenfalls auch kürzer, falls es stark juckte oder brannte). Anschließend wuschen wir uns gründlich und beurteilten die Wirkung auf unsere Haut. In Phase zwei bestrichen wir die Blätter eines Rhododendrons und ließen die Substanz für 24 Stunden einwirken (das mit dem Rhododendron war meine Idee, weil wir reichlich davon hatten und die Büsche ganzjährig Blätter trugen). Der Test galt als bestanden, wenn das Blatt am nächsten Tag noch dranhing. Phase drei war die klinische Phase, bei der wir unsere Neuentwicklung an den Damen testeten. Selbstverständlich ohne deren Wissen. Phase drei galt als bestanden, falls es in einem Studienzeitraum von einer Woche keine Beanstandungen gab. Kam es zu negativen Hautveränderungen, die eindeutig auf den Gebrauch des neuen Produktes zurückzuführen waren, war es durchgefallen, da legten wir strenge Maßstäbe an. Nach erfolgreichem Abschluss aller drei Phasen galt die Wirksamkeit und Verträglichkeit unserer Neuentwicklung als bewiesen und es erhielt die uneingeschränkte Zulassung. Im letzten Schritt wurde unser Produkt mit einem Hauch der entsprechenden Originalkosmetik verrührt. Vor allem wegen des Dufts, sowie aus moralischen und rechtlichen Gründen. Schließlich sollte niemand behaupten können, dass es sich bei unserer Kosmetiklinie um Fälschungen oder Plagiate handelte. Die Sachen waren höchstens etwas gestreckt.

5.

»Ich überlege, Yoga-Kurse für die Damen einzuführen. Was hältst du davon?«

»Yoga? Was ist das noch?«

»Eine Art Gymnastik, das kommt aus Indien.«

»So Übungen?«

»Körper- und Atemübungen, die Leib und Seele in Harmonie bringen sollen«, dozierte meine Mutter.

»Ist es das, wo man im Schneidersitz sitzt?«

»Es nennt sich Lotussitz.«

Ich verknotete meine Beine zum Lotussitz und legte die Handflächen aneinander. Die Fingerspitzen berührten mein Kinn. Ich zog den Bauch ein und versuchte, einen möglichst geraden Rücken zu machen:

»So?«

»Könnte sein ...«, sie schaute auf. »Ja, gar nicht schlecht.«

»Und wer soll den Kurs geben?« Blöde Frage, meine Mutter natürlich. Sie würde sich ein Buch mit Anleitungen besorgen.

»Wir müssen unsere Damen beschäftigen. Außerdem kommt das gerade in Mode. Yoga, Meditation, Astrologie und diese ganzen Sachen.«

»Und Uri Geller!«, rief ich. Ich war schwer beeindruckt von den Löffeln und Gabeln, die er bei Drei mal Neun verbogen hatte und sofort nach der Sendung in unsere Küche geschlichen. Wie viele Zuschauer, hatte auch ich meine telekinetischen Fähigkeiten entdeckt. Ein rabenschwarzer Tag für die Löffel und Gabeln in unserem Land.

»Uri Geller? Dem traue ich nicht über den Weg. Jede Wette, dass der die Löffel manipuliert!«

»Aber da war doch dieser Typ, der die Sachen kontrolliert hat!«

»Dann stecken sie unter einer Decke.«

Meine Mutter durchschaute sofort, wenn jemand versuchte, sie mit irgendwelchem Hokuspokus zu beeindrucken. Musste an der Wesensverwandtschaft liegen.

»Es soll allerdings tatsächlich Leute geben, die sich von Licht ernähren.«

»Wie Pflanzen?«, fragte ich.

»Keine Ahnung, wie die das machen.«

»Menschen können aber keine Photosynthese«, sagte ich.

Meine Mutter bezog mich gern in ihre Überlegungen mit ein. Das bedeutete jedoch nicht, dass ich mitreden durfte. Es war mehr so, dass ihr ein Gegenüber fehlte, vor dem sie ihre Ideen ausbreiten konnte. Einwände oder Kritik waren eher unerwünscht.

»Wenn wir Lichtnahrung anbieten würden, könnten wir viel Geld sparen.«

Die Küche war nach den Hypotheken und dem Heizöl unser größter Kostenfaktor.

»Wenigstens am Wochenende. Wenn sich unsere Damen am Samstag und Sonntag von Licht ernähren würden, könnte Mirella auch ein paar Überstunden abbauen.«

Mirella arbeitete sieben Tage die Woche. Nur Sonntag Vormittag hatte sie frei, da kümmerte sich unsere Putzfrau um das Frühstück für die Damen. Aus unerfindlichen Gründen hatte Mirella stets gute Laune und verrichtete ihre Arbeit zuverlässig und genau. Manchmal half ich ihr. Denn aus Gründen, die ich mir nicht erklären konnte, hatte ich Spaß an allen Arbeiten, die in unserer Küche anfielen. Selbst Kartoffeln oder Möhren schälen fand ich ziemlich befriedigend. Neulich hatte sie mir gezeigt, wie man einen Hefeteig ansetzt, um anschließend einen Streuselkuchen damit zu backen. Mirellas Hobby waren zwei Patenkinder aus Biafra, mit denen sie einen regen Schriftwechsel führte und deren Schulgeld sie zahlte. Unsere Köchin war die einzige Angestellte, an der meine Mutter nie herummeckerte. Über Menschen wie Mirella sagte sie gern die braucht das. Womit sie kundtun wollte, dass die jeweilige Person nicht anders konnte. Das eigentlich Bewundernswerte wurde so zu einer Manie herabgestuft und belächelt. Ihr konnte so etwas natürlich nicht passieren, niemals würde sie Kuchen für den Kirchenkaffee backen oder sich ehrenamtlich in einem Verein engagieren – das brauchte sie nicht.

»Aber ich fürchte, wir dürfen den Bogen nicht überspannen. Diät ja, aber ausschließlich Licht essen? Wozu haben wir unsere Zähne?«

Trotz chronischer Geldsorgen fehlte es meiner Mutter nicht am nötigen Pragmatismus. Wenngleich es ihr vermutlich gelingen würde, einige Damen zu überzeugen, so war ihr dennoch klar, dass sie mit Lichtnahrung letztendlich nicht durchkommen würde. Die Spielhagen zum Beispiel würde meine Mutter zum Teufel jagen. Ich dachte an die Meuterei, die es gegeben hatte, als im letzten Winter die Heizung ausgefallen war. Offiziell ein Defekt an einer Pumpe, die angeblich nicht sofort lieferbar war, inoffiziell lag es daran, dass der Öltank leer war. Unser Händler weigerte sich, zu liefern, solange die letzte Rechnung nicht bezahlt war. Am Morgen nach der zweiten unbeheizten Nacht hatte meine Mutter den Damen erklärt, dass das Schlafen in eiskalten Zimmern im Grunde einer Schönheitsbehandlung gleichkam. Durch das Frieren würde der Kalorienverbrauch erhöht, was ganz automatisch zu einem Verschlankungseffekt führe, und die Gänsehaut würde zu einer spürbaren Straffung des Gewebes beitragen.

»Frieren ist ein natürlicher Jungbrunnen«, hatte sie erklärt, wobei ein weißlicher Atemhauch ihren Worten folgte. Zwei Damen hatten ihre Koffer gepackt und unter Protest das Haus verlassen. Am Nachmittag war endlich das Heizöl gekommen, nachdem meine Mutter die Rechnung im Voraus und in bar bezahlt hatte. Das Geld stammte aus einer geheimen Reserve. Ich hatte die beiden Nächte im Speisesaal verbracht. Dort gab es einen Kachelofen, der im Notfall mit Holz befeuert wurde.

»Dieses Mal ist es ernst. Leuschner hat angerufen. Ich muss hin und um Aufschub bitten. Ich kann die große Hypothek nicht bezahlen, wir sind schon vier Wochen im Rückstand.«

Meine Mutter wirkte zerknirscht.

»Wenn Geld reinkommt, muss ich sofort andere Löcher stopfen. Der Einkauf für die Küche, Strom, Telefon und Kosmetika. Mit Mirellas Gehalt sind wir auch im Rückstand. Mir wächst gerade alles über den Kopf.«

»Von irgendwoher kommt doch immer was«, sagte ich, weil sie das immer sagte, und legte meine Hand auf ihre Schulter. Sie drückte sie:

»Du hast ja recht, ich sollte mir nicht so viele Sorgen machen. Ich werde den Leuschner schon rumkriegen.«

Ich ahnte, dass es dieses Mal anders kommen würde. Leuschner hatte offenbar Druck von oben bekommen. Komisch – auch, wenn einer Bankdirektor war, gab es offenbar immer noch jemanden, der ihm Vorschriften machen konnte. Ich strich Bankdirektor von der Liste möglicher Berufe. Genaugenommen lief es so: Wenn wir der Bank das geliehene Geld nicht in den verabredeten Raten zurückzahlten, kündigte die den Kredit und die Summe wurde auf einen Schlag fällig. Da wir die natürlich erst recht nicht zahlen konnten, würde Leuschner für die Zwangsversteigerung der Schönheitsfarm sorgen, um doch noch an seine Kohle zu kommen. Ich hatte erst überlegt, Leuschners Tochter oder wenigstens den Hund zu entführen und auf diese Weise mafiamäßig Druck auszuüben. Da der Typ jedoch einen Chef hatte und der wiederum auch einen und ich die alle nicht kannte, würde das Ganze wenig Sinn ergeben. Außerdem hatte ich zu wenig Erfahrung mit solchen Sachen. Ich musste die drohende Katastrophe auf andere Art abwenden.

Ich lag im Bett und lauschte den Geräuschen, die das Haus machte. Ein Haus, das demnächst zwangsversteigert würde, wenn mir keine Lösung einfiele. Im Gegensatz zu meinem zweiten Problem bestand wenigstens theoretisch die Chance, dass von irgendwoher Geld kommen würde. Mein Geruchssinn hingegen funktionierte nicht, kein bisschen, das war mir heute einmal mehr klar geworden. Ich war der einzige Junge, der vor dem Sportunterricht ganz in Ruhe in der Umkleidekabine gesessen und sich sein Turnzeug angezogen hatte. Ich hatte getrödelt und wunderte mich daher nicht, dass die anderen schon in der Halle waren. Sie hatten dafür allerdings einen guten Grund. Irgendein Idiot hatte eine Stinkbombe geworfen und für den, der riechen konnte, stank es unerträglich nach faulen Eiern. Ich merkte nichts, absolut nichts. Dann war Ralle hereingestürmt. Mit einer Hand hielt er sich die Nase zu, mit der anderen zog er mich in den Flur zur Turnhalle. Er knallte die Tür zu und schrie: »Wo bleibst du denn? Bist du wahnsinnig, bei dem Gestank hier rumzusitzen?« Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich begriff, dass ich mitspielen musste. »War doch gar nicht so schlimm,« behauptete ich. »Nicht so schlimm? Ich muss gleich kotzen! Los, komm mit, ich will dich in meiner Mannschaft haben.« Ralle war beim Völkerball mit Wählen dran und ein ungeschriebenes Gesetz sah vor, dass wir uns gegenseitig in die Mannschaft holten. Beste Freunde eben.

Am nächsten Morgen erzählte ich meiner Mutter die Geschichte, doch sie ging nicht so richtig darauf ein. Wir saßen wie immer an dem kleinen Tisch in der Küche und tranken Kaffee. Sie schwarz, ich mit sehr viel heißer Milch. Vor mir lag ein halbes Brötchen mit Bierschinken, aber ich hatte keinen Hunger. Meine Mutter aß morgens nie etwas. Mirella war im Speisesaal und versorgte die Damen. Der große Kühlschrank hatte gerade wieder angefangen, zu brummen. Ich mochte dieses Geräusch, es klang gemütlich. Meine Mutter reagierte erst, als ich meine Hand auf ihren Unterarm legte und verlangte, sie solle mir jetzt bitte mal zuhören.

»Mama, ich kann nicht riechen! Das ist echt nicht normal!«

»Jetzt beruhige dich mal, Joachim. Das ist doch nicht so schlimm. Sieh es positiv: Du hast diesen Gestank im Umkleideraum schließlich nicht riechen müssen. Ich glaube, du steigerst dich da in etwas hinein.«

Sie tätschelte meine Hand, schob sie von ihrem Arm und stand auf.

»Manche Menschen verfügen über einen sehr guten, andere über einen eher schwachen Geruchssinn. Ich würde mir da wirklich keine Sorgen machen.«

»Aber ich rieche gar nichts! Nichts!«

»Tu mir einen Gefallen, Schatz, und mach mich nicht verrückt damit. Ich habe im Moment wirklich andere Probleme.«

Es war zwecklos, sie nahm mich nicht ernst.

Später ging ich in die Bibliothek, bei der es sich im Grunde nur um ein kleines Lesezimmer für unsere Damen handelte, und schlug im Brockhaus nach. Ich erfuhr, dass der Geruchssinn als olfaktorisches System bezeichnet wird und aus zwei etwa vier Quadratzentimeter großen Schleimhäuten besteht, die im oberen Nasenbereich, der sogenannten Riechzone sitzen. Darin befinden sich Millionen hochempfindlicher Rezeptoren, an denen die Duftstoffe beim Atmen vorbeigeleitet werden. Dockt ein Duftmolekül an einen dieser Rezeptoren an, werden elektrische Impulse an eine ganz bestimmte Stelle im Gehirn weitergeleitet und da entsteht dann die Duftwahrnehmung. Fragte sich nur, was bei mir nicht funktionierte. Entweder waren die Rezeptoren im Eimer oder die Reizleitung irgendwo unterbrochen oder ich hatte einen Hirnschaden, der darin bestand, dass die ankommenden Signale nicht verarbeitet werden konnten. So ähnlich wie bei Ralle mit Mathe. Dem konnte man die Sachen noch so oft erklären, es ging einfach nicht in seinen Schädel. Ich schaute beim Geschmackssinn nach. Da lief es ähnlich, nur dass die Rezeptoren direkt auf der Zunge liegen. Außerdem ist der Geschmackssinn lange nicht so genau. Viel weniger Rezeptoren. Die Zunge hat Bereiche für süß, sauer, salzig und bitter. Schärfe ist wieder was anderes, die nimmt man als Schmerz wahr. Mein Geschmackssinn war zwar auch ziemlich hinüber, ich konnte jedoch minimale Unterschiede wahrnehmen.

Ich beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. Im Selbstversuch. Sofort! Ich ging in die Küche und begann mit süß: Ich nahm einen Teelöffel Zucker in den Mund, kaute knirschend, schluckte – nichts. Zur Sicherheit noch ein Löffel Honig, Fehlanzeige. Sauer: Ich schnappte mir eine Zitrone, presste eine Hälfte aus und nahm einen Schluck. Tatsächlich: Da tat sich etwas. Ein spitzes, reizendes Gefühl. Das war also sauer! Juchhu, ich schmeckte was! Salz: Ich nahm einen Teelöffel, kaute, schluckte – würg! Halskratzen und irgendwie chemisch, voll eklig! Bitter: Ich guckte bei den Backzutaten, fand das Bittermandelaroma und tropfte mir was davon auf die Zunge. Alles klar, das kannte ich von Bier. Es zieht hinten im Gaumen zusammen und geht so schnell nicht wieder weg. Fazit: Ja, ich konnte minimale Unterschiede schmecken. Betonung auf minimal.

6.

Ich schlich in den unbeleuchteten Keller, zog vorsichtig den Stein heraus und beobachtete die Szene. Die Sauna war vorgeheizt, jeden Moment konnte die Tür aufgehen, Timing war jetzt alles! Wenn die Damen in mein Blickfeld gelangten, hatten sie meist einen unserer Frotteebademäntel an. Was dann geschah, war schwer einzuschätzen. Ich wartete. Und wartete. Dann hatte ich die geniale Idee: Was, wenn ich ein paar Freunde mit hierher nahm und Geld dafür verlangte, dass sie einen Blick auf unsere nackten Ladys werfen durften? Sagen wir zwei Mark pro Minute. Wenn ich das straff organisierte, konnte ich locker zwanzig Mark pro Saunatag machen.

Endlich, die Tür ging auf. Sie schlüpfte aus ihren Sandalen und löste den Knoten an ihrem Bademantel. Sesam öffne dich! Ich hatte völlig freie Sicht. Dann drehte sie sich um, präsentierte ihren Rücken und hängte den Mantel an der gefliesten Wand auf, die den Duschbereich vom Saunakeller abtrennte. Mist, schon war sie aus meinem Sichtfeld verschwunden. Ein leises Rauschen verriet, dass sie jetzt unter der Dusche stand. Ich stellte mir vor, wie sie sich einseifte, was mich voll anmachte, weil ich dabei an Sunny dachte. Ich begegnete ihr manchmal in der großen Pause, bevor sie auf den Raucherhof verschwand, zu dem ich keinen Zugang hatte. Sie war schon sechzehn und sah unglaublich sexy aus. Meistens ignorierte sie mich. Wenn sie mir doch mal ein Lächeln schenkte, fühlte es sich an, als würden wir ein Geheimnis teilen.

Das Rauschen verstummte. Die Dame hatte kein Handtuch in den Duschbereich mitgenommen, also würde sie gleich wieder in mein Blickfeld kommen, tropfnass und auf dem Weg zu ihrem Bademantel. Plötzlich blendete mich grelles Licht. Ich blinzelte. Jemand öffnete die Tür und kam die Treppe zum Vorratskeller hinunter. Verdammt, ich saß in der Falle. Auf dem Flur gab es keine Deckung, kein Versteck, nichts. Ich schloss die Lücke im Regal mit einer Dose Ravioli und hielt die Luft an.

»Huch, was machst du denn hier?«

Mirella hatte zwei Töchter und drei Söhne großgezogen, ihr Blick verriet, dass ich jetzt keinen Fehler machen durfte.

Ich zuckte mit den Schultern.

»Äh, eigentlich nichts.«

Ich versuchte an ihr vorbeischlüpfen, doch sie griff nach meinem Arm und zog meine unter dem Pulli verborgene Hand hervor. Ich guckte so zerknirscht wie möglich und zeigte ihr die Tüte Treets. Mirella schob das Kinn vor, kniff die Augen zusammen und kam meinem Gesicht gefährlich nahe. Es war der Versuch einer von Natur aus gutherzigen Person, Strenge zu zeigen, einer Person, die mir gerade auf den Leim gegangen war. Mirella schüttelte den Kopf:

»Das nächste Mal fragst du, bevor du was aus meinem Vorratskeller stibitzt, verstanden?«

Ich wechselte von zerknirscht auf dankbar, während Mirella mir die Treets mit leichtem Schwung in die Rippen drückte. Das nächste Mal musste ich unbedingt Ralle mit hernehmen.

7.

»Herein mit dir«, rief Lisa meist, wenn ich am Abend bei ihr klopfte. Offenbar ging sie davon aus, dass ich es sein musste.

»Ich nehme an, du hast Lust auf ne Runde Denksport«, sagte sie, nachdem ich die Tür geschlossen hatte. Wenn ich ehrlich war, ging es mir nicht so sehr um das Schachspielen. Also, ich mochte es schon, aber ich unterhielt mich auch gern mit Lisa. Sie sagte interessante Sachen und hatte zu vielen Themen eine ungewöhnliche Meinung.

»Schach oder Backgammon?«, fragte Lisa und drehte die Musik leiser. Auf ihrem Plattenspieler, einem Koffergerät in Knallorange, liefen die Stones. Ich mochte die Scheibe nicht besonders, aber das Cover war echt abgefahren. Es zeigte eine Jeans von Nahem. Das Geile war der echte Reißverschluss! Den konnte man sogar auf- und zumachen. Ich zuckte mit den Schultern:

»Entscheide du!«

Backgammon war auch ganz in Ordnung und nicht so langwierig wie Schach.

Lisa hatte sich auf ihrem Bett aufgesetzt und fuhr sich mit beiden Händen durch ihr kurzes Haar. Sie trug einen blauen Trainingsanzug und Wollstrümpfe. Das sah gemütlich aus und erinnerte mich daran, dass ich noch immer keine Trainingshose besaß. Auf dem kleinen Tisch, an dem wir normalerweise spielten, lagen ein Stapel Nylon-Strumpfhosen, mehrere Pullover und zwei Jeans.

»Fährst du am Wochenende zu deiner Schwester?«

Lisa blähte ihre Wangen und ließ die Luft in einem Stoß entweichen.

»Nur wenn die Einreisepapiere morgen ankommen. Ach ja, und ich muss unbedingt tanken. Ich fahr schon auf Reserve.«

Lisas Schwester lebte in der DDR und musste jedes Mal einen Antrag stellen, damit Lisa sie besuchen durfte. Sie musste Gründe nennen, zum Beispiel, dass eine von beiden Geburtstag hatte, jemand aus der Familie heiratete oder beerdigt wurde. Umgekehrt ging gar nichts. DDR-Bürger durften höchstens in den Westen, wenn sie uralt waren. Hatte Lisa endlich die Papiere, musste sie an der Grenze für jeden Urlaubstag 20 Westmark gegen Ostmark wechseln. Zwangsumtausch. Bei jedem dieser Besuche brachte sie ihrer Schwester Klamotten mit, die man in der DDR nicht kaufen konnte.

»Warum ist deine Schwester nicht mit dir in den Westen gegangen?«, fragte ich und nahm die Holzkiste mit den Schachfiguren aus dem Regal. Lisa räumte die Sachen auf das Bett und reichte mir das Schachbrett, das an der Wand gelehnt hatte. Ich setzte mich an den Tisch und fing an, aufzubauen.

»Sie glaubt an den Sozialismus. Als ich in den Westen bin, war sie gerade mit dem Studium fertig und wollte helfen, den jungen Staat aufzubauen.«

Ich wusste, dass Helga Lehrerin an der Polytechnischen Oberschule in Rostock war. Ich nahm je einen weißen und schwarzen Bauern vom Brett und zeigte ihr meine beiden Handrücken. Sie deutete auf den rechten und bekam den Weißen. Ich drehte das Brett so, dass jeder seine Farbe vor sich hatte.

»Warum ist es so umständlich, sie zu besuchen, und warum darf sie nicht hierher, wo sie doch gern dort lebt und mit Sicherheit zurückgehen würde?«

»Gleich zwei Fragen! Also, wie ich das sehe, will die Führung den Kontakt zu den kapitalistischen Nachbarn erschweren. Die befürchten, dass unser Wohlstand bei DDR-Bürgern Begehrlichkeiten weckt. Und wenn wir da ständig mit unseren tollen Westautos, Jeans und Nylons aufkreuzen, wird den Ossis natürlich klar, dass hier einiges besser läuft und dass der Kapitalismus doch nicht so furchtbar sein kann, wie der Kader immer behauptet.«

Ich fragte mich, ob eine Ente drüben tatsächlich Begehrlichkeiten weckte. Lisa zündete sich eine Zigarette an.

»Zweitens: Republikflucht ist nach wie vor ein großes Problem. Da wird nicht drüber gesprochen, aber es gibt eine Menge DDR-Bürger, die sofort verschwinden würden, wenn das möglich wäre. Deshalb sind die bei jedem misstrauisch, der einen Reiseantrag stellt. Selbst wenn das linientreue Genossen sind, man kann ja nie wissen.«

Sie zog den Bauern vor dem rechten Springer ein Feld nach vorn. Ich überlegte kurz und bewegte meinen Bauern vor dem König zwei Felder vor.

»Mich würde es total nerven, wenn ich nicht reisen dürfte. Ich will unbedingt mal nach Frankreich oder Spanien oder Italien.«

Sie hob eine Augenbraue und zog ihr Pferd.

»Einiges funktioniert ganz gut drüben«, sagte Lisa mit Blick auf das Spielfeld und aschte neben eine leere Blechdose.

»Was denn?«

Ich schob den Bauern ein Feld weiter, so dass er ihren Springer bedrohte.

»Chancengleichheit zum Beispiel.«

Sie wich mit dem Springer aus.

»Handwerker und Bauern verdienen das Gleiche wie Ärzte oder Ingenieure, und deren Kinder gehen alle auf die gleiche Schule. Es gibt keine Gymnasien, erst recht keine teuren Internate.«

Ich deckte meinen gefährdeten Bauern, indem ich einen weiteren vorzog.

»Außerdem gibt es keine Arbeitslosigkeit und die Gleichberechtigung von Frauen steht nicht nur auf dem Papier, sondern findet tatsächlich statt. Zum Beispiel im Berufsleben, weil die Kinder schon früh in die Krippe gehen und beide Eltern die Möglichkeit haben, zu arbeiten oder eine Ausbildung zu machen.«

»Aber was ist mit der Reisefreiheit? Und außerdem will ich den Kriegsdienst verweigern. Ich bin nämlich Pazifist.«

Ich schlug ihren Bauern.

»Manchmal geht es nicht ohne Gewalt, Umsturz, Revolution«, sagte Lisa und schlug meinen Bauern mit ihrer Dame – Angriff! Gleich würde sie ihren rechten Läufer in Position bringen. Ich zog mein Pferd, um den verbliebenen Bauern zu decken.

»Wieso Umsturz? Es geht uns doch ziemlich gut ...«

»Weil wir zulassen, dass Großkonzerne wie Shell, ITT und die Großbanken nach der Macht greifen.«

»Kann man das denn verhindern?«

Ich dachte an die große Hypothek und daran, dass die Bank uns die Schönheitsfarm wegnehmen würde, wenn wir weiter im Rückstand blieben. Lisa hob den Kopf und schaute mir in die Augen.

»Ich glaube, der ungebremste Kapitalismus wird den Menschen am Ende noch viel weniger Freiheit lassen als der Sozialismus. Und deshalb sollte er gebremst werden.«

»Darf ich dich daran erinnern, dass du in einer Schönheitsfarm arbeitest?«

»Alles Tarnung«, sagte Lisa und grinste. Dann drückte sie die Zigarette aus und zog den Läufer aus der Deckung. Ich überlegte, was sie mit Tarnung meinte, und konterte mit meinem Läufer – Schach! Jetzt wurde es spannend. Das liebte ich an dem Spiel: Es war wie unter einer Kuppel, die alles andere abschirmte. Nur wir beide, unsere Gedanken und die Figuren. Ungeteilte Aufmerksamkeit. Schachspielen ist eine ziemlich intime Angelegenheit, hatte Lisa mal gesagt. Sie hatte mir gezeigt, wie man eine Strategie aufbaut, wie man sich verteidigt, um aus der Defensive anzugreifen, wie man seine Figuren entwickelt und als Team in die Schlacht führt. Oft ist es am Ende nur ein einziger Zug, der über das Spiel entscheidet.

Zwanzig Minuten später war ich geschlagen. Im Mittelteil hatte es ziemlich gut ausgesehen, aber dann hatte ich mich zu sicher gefühlt und meine Gegnerin mal wieder unterschätzt. Im Schnitt verlor ich vier von fünf Partien.

Ich verabschiedete mich, schlenderte die breite Treppe zum Foyer hinunter und beschloss, das mit dem Tanken für Lisa zu regeln. Wenn man im Physikunterricht einmal das Prinzip der kommunizierenden Röhren kapiert hatte, eines der seltenen Themen, die einen praktischen Bezug zur Realität boten, war es nicht besonders schwierig, Sprit von einem vollen in einen leeren Tank umzufüllen.

Ich schlich über den Parkplatz und schaute mich um. Glück gehabt, Lisa: Neben deiner Ente steht ein Opel Admiral. Ich schob den Gartenschlauch in den Tank der Limousine, saugte den Sprit an und steckte das andere Ende in den Tankstutzen der Ente. Ich horchte. Kurz darauf hörte ich es gluckern. Ich spuckte den Sprit aus und freute mich an der Vorstellung, wie Lisa mit fast vollem Tank an der nächsten Station hält und der Tankwart blöd guckt, weil so gut wie nichts reinpasst. Als ich im Bett lag, war ich Lisa ganz nah. Es war fast wie eine körperliche Nähe, so als hätten wir uns in einem Ringkampf befunden. Ich war für einen Moment über ihr gewesen, hatte ihre Schultern fest im Griff gehabt, aber am Ende hatte sie mich mit einer überraschenden Beinschere doch noch in die Matte gedrückt.

8.

»Ich könnte das Klavier verkaufen. Immerhin ein Bechstein, angeblich hat es mal einem Neffen von Richard Wagner gehört. Es müsste wenigstens zehntausend Mark wert sein.«

Sie sagte das eher beiläufig, so wie wenn man eine Bemerkung fallen lässt, deren Inhalt nicht so wichtig ist oder wenn man, wie in diesem Fall, etwas herunterspielen möchte, um kein großes Aufsehen zu riskieren.

Meine Mutter hatte bei Leuschner vorgesprochen und war abgeblitzt. Ich fand es ziemlich angeberisch, wenn Leute im Nachhinein behaupteten, sie hätten etwas geahnt. Das war etwas für Klugscheißer. Dieses Mal stimmte es jedoch, leider. Das Klavier war heilig und stellte den Endpunkt einer Reihe von Spar- und Geldbeschaffungsmaßnahmen dar. Wenn das Klavier geopfert werden sollte, stand uns das Wasser wirklich bis zum Hals. Meine Mutter hielt sich von Haus aus für etwas Besseres und das Bechstein-Klavier war Ausdruck davon. Es stammte aus dem Nachlass meiner Großeltern, einer Konzertpianistin und einem Notar, die bis kurz vor Ende des Krieges in Ostberlin gelebt hatten. Sowohl meine Mutter als auch mein Onkel Fred hatten an diesem Instrument Klavierspielen gelernt. Fred hatte später Musik studiert und lebte seit ein paar Jahren in Kalifornien.

Ich erinnere mich dunkel daran, wie mein Onkel mir den Unterschied zwischen den weißen und schwarzen Tasten erklärt hatte. Ich war vielleicht vier oder fünf Jahre alt und saß auf mehreren Kissen, damit ich überhaupt an die Tasten herankam. Dann ging Fred nach Amerika und für Klavierunterricht war kein Geld da. Eine Zeit lang hatte ich mich immer mal darangesetzt und improvisiert doch das gefiel meiner Mutter nicht. »Entweder richtig oder gar nicht«, hatte sie gesagt. Und: »Fürs Rumklimpern ist das Instrument zu schade. Deine Großmutter würde sich im Grabe umdrehen.«

In dem Alter hatte ich gern auf solchen Redewendungen herumgedacht und stellte mir vor, wie meine Großmutter versuchte, sich im Grab umzudrehen. Falls der Sarg groß genug war, könnte das klappen. Aber wie sollte sie mich von da unten gehört haben? Wenn sich meine Mutter mal wieder über mich geärgert hatte und tödlich genervt war, rief sie: »Du bist ein Nagel zu meinem Sarg.« Ich überlegte daraufhin, wie viele Nägel man brauchte, um einen Sargdeckel korrekt zu verschließen, und für welche Anzahl ich bereits gesorgt hatte. Sinnvoll wäre, wenn man gewarnt würde: Noch sieben Nägel, dann hast du sie ins Grab gebracht, oder so. Abgesehen davon fand ich den Spruch ziemlich empörend – wer will schon für den Tod seiner Mutter verantwortlich sein? –, aber so war sie nun mal.

Meine Mutter trommelte mit ihren Fingernägeln auf der Titelseite einer Frauenzeitschrift herum.

»Ich möchte zumindest wissen, was es genau wert ist. Daher habe ich veranlasst, dass das Klavier geschätzt wird.«

Ich war nicht sicher, ob dazu ein Kommentar von mir erwartet wurde. Aber ich wusste ohnehin nicht, was ich sagen sollte. Außer vielleicht, dass mich die ganze Sache ziemlich beunruhigte. Dann fragte ich mich, ob ich auch so an dem Klavier hing und beschloss, mich mal wieder daran zu setzen. Wer weiß, wie lange das noch möglich sein würde. Außerdem mochte ich den weichen, vollen Klang.

Ich liebte es, spät am Abend in unserer Schönheitsfarm herumzuschleichen. Dem Juniorchef stand es jederzeit zu, seine Runde zu machen und nach dem Rechten zu schauen. Schön und schwarz stand es vor mir, untergebracht in einer Nische des Speisesaals und symbolisierte Weltläufigkeit, Kultur und Wohlstand. Ich fischte den Schlüssel aus seinem Versteck und schloss den Klavierdeckel auf. Dann zog ich den Hocker hervor und spielte so leise, wie ich konnte. Vielleicht war es die letzte Gelegenheit. Erstaunlicherweise erinnerten sich meine Finger sofort daran, wie es funktionierte. Es fiel mir sogar besonders leicht an diesem Abend, vielleicht, weil meine Hände inzwischen etwas größer geworden waren.

»Das klingt schön, was ist das?«

Ich hatte bereits bemerkt, dass jemand in den Raum gekommen war. Die Tür knarrte und ich hatte in der Spiegelung des Lacks eine Person hinter mir wahrgenommen. Zunächst fürchtete ich, es könnte meine Mutter sein und war nun froh, dass ich nicht erwischt worden war.

»Ach, ich konnte nicht schlafen und klimpere hier nur ein bisschen herum«, sagte ich. Ich spielte noch ein paar Akkorde und drehte mich um.

»Ich kann auch nicht schlafen und wollte ein paar Schritte vor die Tür gehen. Dann hab ich hier Licht gesehen und war neugierig. Warum spielst du nicht weiter?«

Sie hatte den Bademantel um sich geschlungen und lächelte. Ich starrte sie an. Wäre ich dazu in der Lage gewesen, hätte ich gesagt: »Sie müssen das nicht tun«, denn ich wusste in diesem Moment genau, was passieren würde. Sie löste den Gürtel, griff mit beiden Händen den Saum und öffnete sehr langsam den Bademantel. Sie sagte: »Du siehst überrascht aus. Dabei weißt du doch genau, wie es hier drunter aussieht, nicht wahr?«

Ich blinzelte, verscheuchte meine Phantasie und kam wieder an die Oberfläche.

»Äh, was haben Sie gesagt?«

»Ich fragte, warum du nicht weiterspielst.«

Sie lächelte.

»Ich habe früher auch ein bisschen Klavier gespielt. Aber vor allem Geige. Hausmusik mit den Eltern und meinen Geschwistern.«

Ich drehte mich zurück an das Piano und spielte weiter. Ich erinnerte mich daran, dass sie in einem weißen Opel Manta angereist war, eines meiner Lieblingsautos, und stellte mir vor, wie sie mir den Autoschlüssel hinhält, um mich zu einer Probefahrt einzuladen. Du kannst doch fahren, oder? Es ist ein schöner Sommertag, wir fahren in sanften Kurven an einem See entlang. Sie sitzt neben mir und schaut mich über die leicht heruntergezogene Sonnenbrille hinweg an. Sie lächelt. Statt des Bademantels trägt sie ein buntes Sommerkleid und einen Seidenschal in passendem Design. Als ich mich nach ein paar Minuten wieder umdrehte, war sie verschwunden.

Auf dem Weg in mein Zimmer dachte ich an Lisa und dass ich mich gern mit ihr unterhalten würde. Vielleicht war sie noch wach und hatte eine Idee, wie ich das Klavier retten konnte. Ich ging die Treppe hoch, schlich den Flur entlang und blieb vor ihrem Zimmer stehen. Da war eine Stimme. Vielleicht hörte sie eine Radiosendung. Zumindest würde ich sie nicht wecken. Ich klopfte und lauschte. Die Stimme war weg.

»Bist du das?«, fragte Lisa. Dann hörte ich Schritte. Die Tür ging einen Spalt auf und ihr Gesicht erschien. Es wirkte fremd.

»Heute nicht mehr, ich bin müde«, sagte sie und schon war die Tür wieder geschlossen.

Auf dem Weg in mein Zimmer fragte ich mich, ob das Leben in der Schönheitsfarm Viktoria immer so aussehen würde. Bisher hatten wir jede Krise überstanden, bestimmt würde es dieses Mal auch gut gehen, hoffte ich, vor allem, weil ich mir etwas anderes gar nicht vorstellen konnte. Eine Gewissheit, die mir ungefähr so viel Halt bot wie die feuchten Holzdielen auf dem Weg zu unserem Gartenhaus.

Auf lange Sicht konnte nur ein wohlhabender Mann helfen. Genug Kohle mit den Peepshows im Saunakeller zu machen, war unrealistisch, zumal ich das Problem Mirella nicht lösen konnte. Das würde mein kleines Privatvergnügen bleiben. Ein Witwer musste her. Menschen starben, wieso nicht die Ehefrau eines reichen Industriellen? So ein Typ brauchte sehr bald jemanden, der sich um die Villa, die Bediensteten und alles kümmerte. Ich musste nur einfädeln, dass er meine Mutter kennenlernte und sich in sie verknallte. Aber wer käme infrage? Ideal wäre jemand aus der Nachbarschaft. Zum Beispiel die Bornemanns. Er war Direktor von irgendeinem Hamburger Unternehmen im Hafen. Die Autos und der große Bungalow deuteten auf soliden Wohlstand hin. Seine Frau machte allerdings einen recht fitten Eindruck und Tennis war nicht gerade eine Risikosportart. Reiten wäre besser gewesen, da hatte man schon von tragischen Unfällen gehört. Das Hauptproblem war jedoch der Zeitfaktor. So etwas ließ sich nicht von heute auf morgen regeln. Ich brauchte eine Idee, die uns kurzfristig ein paar Tausend Mark einbrachte.

9.