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Die Ärztin Sophia Papoutsakis kehrt nach Kreta zurück, um die hochverschuldete Hausarztpraxis ihres demenzkranken Vaters zu übernehmen. Um finanziell über die Runden zu kommen, nimmt sie zusätzlich eine Stelle als Hotelärztin im Meraki Beach Club an, wo Eleni Mavridakis weiterhin als Managerin wirkt. Dort trifft sie auf die Rettungsschwimmerin Ria Petridis. Sophia und Ria fühlen sich sofort zueinander hingezogen. Doch Sophia, die mit emotionalen Konflikten und finanziellen Problemen kämpft, kann sich Ria nicht wirklich öffnen – die aufkeimende Beziehung droht zu scheitern. Währenddessen muss Eleni gegen die Intrigen ihres ehemaligen Stellvertreters Giorgos ankämpfen, der alles daransetzt, um den Meraki Beach Club und die Tanzschuleröffnung zu sabotieren – und so kämpfen sie an allen Fronten: Eleni um das Hotel, Johanna um ihre Tanzschule und Ria um Sophias Liebe ...
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Seitenzahl: 310
Veröffentlichungsjahr: 2025
Band 2 der SerieVerliebt auf Griechisch
© 2025édition el!es
www.elles.de [email protected]
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN 978-3-95609-399-9
Sophia Papoutsakis atmete tief durch, bevor sie den Schlüssel ins Schloss der alten Holztür steckte. Die abgenutzte Messingklinke fühlte sich kühl unter ihren Fingern an. Der scharfe Geruch von Desinfektionsmittel, vermischt mit dem muffigen Aroma alter Akten, schlug ihr entgegen, als sie die Praxis ihres Vaters betrat.
Es war ein warmer Nachmittag Mitte Mai. Erst eine Woche war vergangen, seit sie von Deutschland nach Kreta zurückgekehrt war. Und nun stand sie hier, an dem Ort, an dem sie so viele Nachmittage in ihrer Jugend verbracht hatte.
Ihr Blick glitt durch den Empfangsbereich. Alles wirkte kleiner und verstaubter, als sie es in Erinnerung hatte. Die Aktenstapel hinter dem Tresen waren chaotisch verteilt, der Computer schien aus dem letzten Jahrzehnt zu stammen. Ein Hauch von Nostalgie mischte sich mit einem Anflug von Verzweiflung.
»Sophia? Bist du das?« Das vertraute Knarren der Behandlungszimmertür kündigte Chrysa Sergakis an, die Arzthelferin der Praxis. Ihr Gesicht hellte sich auf. »Wie schön, dich zu sehen. Ich meine . . . Frau Dr. Papoutsakis.«
Sophia musste unwillkürlich lächeln. Sie kannte Chrysa seit ihrer Kindheit. Früher hatte sie Sophia heimlich Bonbons zugesteckt, wenn sie nach der Schule in der Praxis auf ihren Vater gewartet hatte.
»Bitte, Chrysa, Sophia reicht völlig. Wir kennen uns schließlich schon ewig.«
Die Anspannung in Chrysas Schultern löste sich sichtbar. »Ich wusste nicht, wie förmlich ich sein sollte. Es ist so gut, dass du hier bist. Die letzten Monate waren . . .« Sie verstummte, ihr Blick glitt unsicher zu den chaotischen Aktenbergen. »Nun ja, nicht einfach.«
»Lass uns später in Ruhe reden, ja? Ich möchte mich erst einmal umsehen«, erwiderte Sophia.
Mit schwerem Herzen betrat sie das Behandlungszimmer ihres Vaters. Der alte Schreibtischstuhl, das abgewetzte Leder, die vertrauten Gerätschaften. Alles war noch genau dort, wo es immer gewesen war.
Sofort sah sie ihren Vater vor sich, wie er an seinem Schreibtisch saß, die Stirn in konzentrierte Falten gelegt. Hier hatte sie gelernt, was es bedeutete, professionell zu sein, keine Fehler zu machen. Aber auch, wie es sich anfühlte, nie gut genug zu sein.
Ein Geräusch aus dem Wartezimmer ließ sie aufhorchen. Gedämpftes Stimmengewirr drang durch die Wände, die tiefe Stimme eines Mannes schälte sich deutlicher heraus. »Ist der Doktor da? Ich bräuchte ein neues Rezept.«
»Tut mir leid, Herr Nikolaidis«, hörte Sophia Chrysa antworten. »Dr. Papoutsakis hat die Praxis an seine Tochter übergeben. Dr. Sophia Papoutsakis wird Sie ab jetzt betreuen.«
Eine bedeutungsschwangere Pause folgte. »Seine Tochter? Hmm. Kann die das denn genauso gut wie er?«
Die Worte trafen Sophia wie ein Schlag in die Magengrube. Die Skepsis in der Stimme des Patienten weckte all die alten Zweifel, die sie in Deutschland begraben zu haben glaubte.
Zu ihrer Überraschung hörte sie Chrysa jedoch mit fester Stimme antworten: »Herr Nikolaidis, ich versichere Ihnen, Frau Dr. Papoutsakis ist eine ausgezeichnete Ärztin. Sie hat jahrelang in Deutschland praktiziert und bringt viel Erfahrung mit. Heute ist zwar eigentlich keine Sprechstunde, aber wenn es dringend ist, bin ich sicher, Frau Dr. Papoutsakis würde Sie gern untersuchen.«
»Ach was«, brummte Herr Nikolaidis, seine Skepsis bereits einer leichten Verlegenheit gewichen. »Ich wollte eigentlich nur mal nach dem Rechten sehen. Mein Rezept hat noch Zeit bis nächste Woche.«
Eine Welle der Dankbarkeit für Chrysa durchflutete Sophia. Vielleicht war sie hier doch nicht so allein, wie sie befürchtet hatte.
Mit noch immer zitternden Händen begann sie, die Schreibtischschubladen zu öffnen. Jede Schublade bestätigte ihre schlimmsten Befürchtungen und erhärtete den Verdacht, den ihre Mutter schon vor Wochen geäußert hatte: Ihr Vater war in den letzten Monaten zunehmend überfordert gewesen.
Die Beweise stapelten sich vor ihr. Unbezahlte Rechnungen mit roten Mahnstempeln, eine chaotische Buchführung voller Lücken, ungeöffnete Briefe, deren Umschläge bereits vergilbt waren.
Zwischen all dem Chaos stach plötzlich ein auffälliges Logo hervor: Meraki Beach Club. Mit klopfendem Herzen öffnete Sophia den Brief. Es war eine Stellenausschreibung für die Position einer Hotelärztin.
Ohne lange nachzudenken, griff Sophia zum Telefon. »Guten Tag, mein Name ist Dr. Sophia Papoutsakis. Ich rufe bezüglich Ihrer Stellenausschreibung als Hotelärztin an. Ist die Position noch zu besetzen?«, begann sie das Gespräch.
Zehn Minuten später legte sie mit einem Lächeln auf. Sie hatte für den nächsten Tag ein Vorstellungsgespräch vereinbart. Vielleicht war das die Chance, die sie brauchte, um finanziell über die Runden zu kommen und gleichzeitig die Praxis zu sanieren.
Die Abenddämmerung tauchte den Raum in ein warmes Orange, als sich die Tür öffnete. Ihr Vater betrat die Praxis, sein Gesicht eine Mischung aus Stolz und Besorgnis. »Sophia? Bist du fertig für heute? Deine Mutter wartet mit dem Abendessen.«
Sophia zögerte. Doch sie musste ihren Vater mit ihren Erkenntnissen konfrontieren. »Papa, ich muss mit dir reden. Die Praxis, die Finanzen – es sieht nicht gut aus.«
Theodoris’ Gesicht verschloss sich augenblicklich. »Unsinn«, sagte er schnell, fast zu schnell. »Ich hatte alles unter Kontrolle. Du bist gerade erst angekommen, Sophia. Gib dir Zeit, dich einzuarbeiten.« Er wandte sich ab, deutlich signalisierend, dass das Gespräch für ihn beendet war.
Sophia seufzte leise. Sie wusste, dass dies nur der Anfang einer langen Reihe schwieriger Gespräche sein würde. Aber sie war entschlossen, sich dieser Herausforderung zu stellen. Für die Praxis, für ihre Patienten und für sich selbst.
Mit einem letzten Blick auf den Schreibtisch, auf dem der Brief des Meraki Beach Clubs lag, folgte sie ihrem Vater aus der Praxis.
Morgen würde ein neues Kapitel beginnen, und sie war bereit dafür.
Der Duft von gebackenen Auberginen, Zimt und geschmolzenem Käse hing in der Luft, als Sophia das Haus ihrer Eltern betrat. »Mama? Ich bin da!«, rief sie in Richtung Küche.
»Einen Moment, Schatz!« Die vertraute Stimme ihrer Mutter wurde vom metallischen Klappern eines Topfdeckels unterbrochen.
Sophia trat in den Flur und sah ihre Mutter Maria geschäftig in der Küche hantieren. Mit flinken Bewegungen zog sie einen überkochenden Topf vom Herd, während sie mit der anderen Hand nach einem frischen Zweig Oregano auf dem Fensterbrett griff. Die Ärmel ihres ausgewaschenen Baumwollkleides waren nachlässig hochgekrempelt, und auf ihren Wangen zeigten sich einige Mehlspuren.
Mit der Präzision jahrelanger Übung zerrieb Maria die Oreganoblätter zwischen ihren Fingern. Der intensive Duft der Kräuter vermischte sich mit dem würzigen Aroma der Moussaka.
Dann wischte sie ihre Hände an der Schürze ab und eilte auf Sophia zu. Ihr lockerer Zopf schwang dabei hin und her. »Schön, dass du da bist«, rief Maria erfreut und breitete die Arme aus. »Ich habe dein Lieblingsgericht gemacht.«
Als sie Sophia umarmte, spürte sie die Wärme und Kraft in den Armen ihrer Mutter, die von Jahren der Gartenarbeit und des Brotbackens zeugten.
Ihr Vater folgte Sophia ins Haus und setzte sich direkt an den gedeckten Tisch. Die Familienszene erinnerte Sophia schmerzlich an ihre Kindheit: ihre Mutter, immer liebevoll und Sophia zugeneigt, ihr Vater, distanziert und schwer zu erreichen.
Als Sophia sich ebenfalls setzte, spürte sie, wie sich ihr Magen zusammenzog. War es wirklich die richtige Entscheidung gewesen, ihr Leben in Deutschland aufzugeben? Auch wenn dieser Weg zurück nach Kreta eigentlich immer so vorbestimmt gewesen war?
»Wie war dein erster Tag in der Praxis, Sophia?«, fragte Maria, während sie die dampfende Moussaka vorsichtig auf dem alten Familientisch platzierte, der schon Hunderte solcher Mahlzeiten gesehen hatte.
Sophia zögerte kurz. »Es gibt viel zu tun«, antwortete sie vorsichtig. »Ich denke, wir müssen einiges modernisieren – die Buchhaltung, das Equipment, die Software. Das würde uns helfen, effizienter zu arbeiten.«
Theodoris’ Gabel klirrte laut auf dem Teller. »Modernisieren? Wozu? Die Praxis hat jahrzehntelang so funktioniert, wie sie ist. Was willst du denn noch effizienter machen?«
Sophia holte tief Luft. »Papa, die Zeiten ändern sich. Wir könnten viel Zeit und Geld sparen mit den richtigen Systemen. Außerdem . . .« Sie zögerte kurz. »Ich habe morgen ein Vorstellungsgespräch im Meraki Beach Club. Dort wird eine Hotelärztin gesucht. Wenn ich den Job bekomme, wird uns das helfen, die Schulden der Praxis abzubauen.«
Die Stille, die folgte, war erdrückend. Theodoris’ Gesicht verfinsterte sich. »Schulden? Wovon redest du? Und seit wann entscheidest du über zusätzliche Jobs, ohne mit mir zu reden?«
Maria legte beschwichtigend eine Hand auf den Arm ihres Mannes. »Theodoris, lass uns Sophia anhören. Sie ist erwachsen und kann ihre eigenen Entscheidungen treffen. Sie hat sicher gute Gründe dafür.«
Doch Theodoris schüttelte nur den Kopf. »Ich sehe keinen Grund für all diese Veränderungen. Es hat immer funktioniert, wie es war.«
Der Rest des Abendessens verlief in angespanntem Schweigen. Sophia starrte auf ihren halbleeren Teller, der Geschmack der Moussaka in ihrem Mund plötzlich fade. Unter dem Tisch ballte sie ihre freie Hand zur Faust. Sie hatte schon damit gerechnet, dass es nicht leicht werden würde, doch die Realität erwies sich noch als viel schwieriger als erwartet.
Nachdem das Essen beendet war, begann Maria, den Tisch abzuräumen. »Sophia, hilfst du mir beim Abwasch?«
Dankbar für die Ablenkung folgte Sophia ihrer Mutter in die Küche.
Sobald sie außer Hörweite ihres Vaters waren, fragte Maria leise: »Wie schlimm ist es wirklich in der Praxis?«
»Es ist . . .« Sophia seufzte tief auf. »Es ist nicht gut, Mama. Die Buchhaltung ist ein Chaos, die unbezahlten Rechnungen stapeln sich. Ich habe Angst, dass ich es nicht schaffen werde, alles wieder in Ordnung zu bringen.«
Maria nickte langsam, während sie einen Teller abspülte. »Ich hatte so etwas befürchtet. Sophia, ich muss dir etwas sagen.« Sie stellte den Teller in das Abtropfgitter. »In letzter Zeit . . .« Sie hielt inne, sah sich noch einmal um, um sicherzugehen, dass Theodoris sie nicht hörte. »Ich mache mir Sorgen um deinen Vater. Er vergisst Dinge, wird schnell verwirrt. Vielleicht eine beginnende Demenz.«
Die Worte trafen Sophia wie ein Schlag. Sie starrte ihre Mutter ungläubig an. »Demenz? Aber warum hast du mir das nicht früher erzählt?«
»Ich wollte dich nicht beunruhigen, bevor du hier bist«, antwortete Maria leise. »Und dein Vater will es nicht wahrhaben. Er weigert sich, zum Arzt zu gehen.«
Sophia lehnte sich gegen die Küchenzeile, plötzlich fühlte sie sich erschöpft. Die Herausforderungen, die vor ihr lagen, schienen mit einem Mal überwältigend. Doch als sie in das besorgte Gesicht ihrer Mutter blickte, wusste sie, dass sie keine andere Wahl hatte, als stark zu sein. Stark für ihre Familie, für die Praxis und für sich selbst.
»Wir werden einen Weg finden, Mama«, sagte sie schließlich, mehr um sich selbst zu überzeugen als ihre Mutter. »Irgendwie werden wir das alles in den Griff bekommen.«
Maria lächelte schwach und drückte Sophias Hand. In dieser Geste lag all die Unterstützung und Liebe, die Sophia in den kommenden Wochen so dringend brauchen würde.
Als sie später in ihrem alten Kinderzimmer lag, starrte Sophia lange an die Decke. Es blieb ihr nichts anderes übrig. Sie musste einen Weg finden, Ordnung ins Chaos zu bringen – in der Praxis, in ihrer Familie, in sich selbst.
Die aufgehende Morgensonne tauchte die Terrasse von Elenis Apartment in goldenes Licht. Eleni nahm ihren ersten Schluck Kaffee und ließ ihren Blick über die Hotelanlage des Meraki Beach Clubs schweifen. Vier Wochen waren seit der Wiedereröffnung des Hotels vergangen, und langsam kehrte das Leben in den Komplex zurück.
In der Ferne konnte sie die ersten Mitarbeiter sehen, die wie fleißige Ameisen über das Gelände wuselten. Sie bereiteten Sonnenliegen vor, überprüften die Poolanlagen und richteten die Terrasse des Frühstücksrestaurants her.
Hinter ihr öffnete sich die Terrassentür mit einem leisen Knarren. Barfuß und in ein viel zu großes T-Shirt gehüllt – Elenis T-Shirt, wie sie mit einem Lächeln bemerkte – trat Johanna heraus. »Kaliméra, agápi mou, guten Morgen, Schatz«, murmelte sie, ihre Stimme noch rau vom Schlaf. Die griechische Begrüßung klang charmant unbeholfen aus ihrem Mund. Sie beugte sich für einen sanften Kuss zu Eleni hinunter.
»Kaliméra«, erwiderte Eleni. Selbst nach zehn Monaten Beziehung fühlte sich jeder Morgen mit Johanna wie ein Geschenk an. »Gut geschlafen?«
Johanna nickte, während sie sich auf den Stuhl neben Eleni sinken ließ. »Wie immer, wenn ich bei dir bin.« Sie griff nach Elenis Hand und verschränkte ihre Finger miteinander. »Auch wenn ich langsam das Gefühl habe, dass wir uns eine richtige gemeinsame Wohnung suchen sollten. Dein Apartment im Hotel ist zwar schön, aber . . .«
»Ich weiß«, seufzte Eleni. »Es fühlt sich nicht wirklich wie ein Zuhause an, oder?« Sie drückte Johannas Hand. »Lass uns bald mal nach etwas Passendem suchen. Vielleicht finden wir ja etwas in Spili, das wäre perfekt zwischen Hotel und deiner Tanzschule. Oder in Plakias, in der Nähe meiner Familie.«
Johanna nickte, doch ein Schatten glitt über ihr Gesicht – kaum merklich, aber Eleni entging es nicht.
»Wie läuft es eigentlich mit den Umbauarbeiten in der Tanzschule?«, fragte sie sanft. »Gibt es etwas Neues?«
Johanna seufzte schwer, mit deutlicher Frustration in ihrer Stimme. »Die Innenarbeiten sind fast fertig, aber die Abnahme vom Bauamt steht noch aus. Ich verstehe nicht, warum das so lange dauert. Wir warten jetzt schon seit Wochen auf diese Genehmigung.«
Eleni runzelte die Stirn. »Schon wieder eine Verzögerung? Das kann doch nicht sein. Selbst für griechische Verhältnisse wird das langsam zu viel.«
»Ganz genau«, bestätigte Johanna, ihre Stimme eine Mischung aus Enttäuschung und Ärger. »Es fehlt nur noch dieses eine Dokument vom Bauamt. Alles andere ist fertig, aber ohne diese Abnahme kann ich nicht eröffnen. Das Bauamt scheint sich extra viel Zeit zu lassen.«
Eleni strich sanft über Johannas Arm. »Ich weiß, wie frustrierend das sein muss, Liebes. Soll ich versuchen, ein paar meiner Kontakte zu nutzen? Vielleicht können wir den Prozess ja etwas beschleunigen.«
Johanna lehnte sich in die Berührung. »Das wäre wunderbar. Ich hatte gehofft, in wenigen Wochen eröffnen zu können. Jetzt weiß ich nicht mal, ob es diesen Sommer noch klappt.«
Eleni zog Johanna in eine Umarmung. »Wir schaffen das schon. Gemeinsam.« Sie küsste Johanna auf die Stirn. »Was hast du heute noch vor?«
»Erst ein paar Personal Trainings, dann treffe ich mich mit den Handwerkern in der Tanzschule«, antwortete Johanna. »Und bei dir?«
»Ich habe heute ein Vorstellungsgespräch mit einer möglichen neuen Hotelärztin, Sophia Papoutsakis.«
Für einen Moment vermisste Eleni das vertraute Miauen, das sonst um diese Zeit ihre morgendliche Routine begleitet hatte. Aber sie wusste, dass die kleine Gataki – ein Kätzchen, das ihr im letzten Sommer direkt nach ihrer Ankunft zugelaufen war – bei ihrer Familie in Plakias ein liebevolles Zuhause gefunden hatte.
»Was hältst du davon, wenn wir zusammen frühstücken, bevor der Tag richtig losgeht?«, fragte Eleni.
Johanna lächelte. »Klingt gut. Ich springe nur schnell unter die Dusche.«
Während Johanna im Bad verschwand, blieb Eleni noch einen Moment auf der Terrasse sitzen.
Mit einem letzten Blick über die erwachende Anlage stand sie auf. Es wurde Zeit, den Tag zu beginnen.
Mit gerunzelter Stirn scrollte Eleni durch die E-Mails auf ihrem Bildschirm. In etwa einer Stunde hatte sie einen Termin mit Dr. Papoutsakis, und sie wollte vorher noch einige Berichte durchgehen.
Plötzlich blieb ihr Blick an einer neuen Nachricht hängen. Sie kam von einem potenziellen Geschäftspartner, mit dem sie schon seit Wochen in Verhandlungen stand. Der Inhalt ließ ihr Herz stocken.
Der Geschäftsmann zögerte, einen bereits geplanten Vertrag zu unterzeichnen. Der Ton der E-Mail war distanziert und vage, es wurde angedeutet, dass es »unangenehme Berichte« über das Hotel gäbe. Eleni las die Zeilen mehrmals, als könnte sich der Inhalt bei jedem Durchgang ändern.
Verwirrung machte sich in ihr breit. Es hatte keinerlei Beschwerden von Gästen gegeben, von Gerüchten hatte sie bisher auch nichts gehört.
Sie griff zum Telefon und wählte eine interne Nummer. »Nathalie? Könntest du bitte sofort in mein Büro kommen? Es ist dringend.«
Kurz darauf betrat Nathalie Bervert den Raum. Sie war Elenis rechte Hand und hatte nach der Entlassung von Giorgos Stammatakis im vergangenen Jahr dessen Position als stellvertretende Managerin übernommen.
Eleni und Nathalie kannten sich schon viele Jahre und waren mittlerweile beste Freundinnen geworden.
Nathalies sonst so ruhiges Gesicht war angespannt, als hätte sie Elenis Sorge durch den Telefonhörer gespürt.
»Was gibt es, Eleni?«, fragte sie, während sie die Tür hinter sich schloss.
Eleni zeigte auf den Bildschirm. »Hast du in letzter Zeit irgendwelche negativen Bewertungen oder Vorfälle mitbekommen, von denen ich nichts weiß?«
Nathalie zögerte kurz, ihre Finger spielten nervös mit dem Saum ihrer Bluse. »Na ja, tatsächlich. Ich wollte gerade zu dir kommen, als du angerufen hast. Ich habe heute Morgen neue Bewertungen entdeckt, die behaupten, dass im Hotel unhygienische Zustände herrschen würden.«
Eleni spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Ruhig bleiben. Atmen. Alles kontrollierbar, redete sie sich ein. Doch das beklemmende Ziehen in ihrer Brust sprach eine andere Sprache.
Die Gerüchte schienen aus dem Nichts zu kommen und keinen direkten Ursprung zu haben, was die Situation noch bedrohlicher machte.
»Zeig mir die Bewertungen«, verlangte sie.
Nathalie reichte ihr ein Tablet. Eleni las die Kommentare, ihre Gesichtszüge verhärteten sich mit jedem Wort. Die Beschreibungen waren detailliert, aber vage genug, um nicht direkt widerlegt werden zu können. Es war, als hätte jemand genau gewusst, wie man solche Gerüchte streut, ohne sich angreifbar zu machen.
»Das kann kein Zufall sein«, murmelte Eleni. Sie blickte zu Nathalie auf. »Wir müssen herausfinden, wer dahintersteckt. Kontaktiere die Bewertungsplattform und bitte um eine Überprüfung der Accounts. Ich will wissen, ob diese Bewertungen von echten Gästen stammen.«
Nathalie nickte. »Ich kümmere mich sofort darum.«
Als Nathalie den Raum verließ, lehnte sich Eleni in ihrem Stuhl zurück. Sie starrte aus dem Fenster auf die sonnige Landschaft Kretas, die in krassem Gegensatz zu der dunklen Wolke stand, die sich über dem Meraki Beach Club zusammenbraute.
Sie dachte an Giorgos und seine Drohungen, als sie ihn rausgeworfen hatte. Könnte er wirklich so weit gehen? Eleni schüttelte den Kopf. Sie durfte sich jetzt nicht in Spekulationen verlieren. Sie brauchte Fakten und einen klaren Kopf.
Mit einem tiefen Seufzer wandte sie sich wieder ihrem Computer zu. Sie musste einen kühlen Verstand bewahren und gleichzeitig schnell handeln. Das Schicksal des Hotels – ihr Schicksal – hing davon ab, wie sie mit dieser Krise umging.
Und sie war fest entschlossen, nicht kampflos aufzugeben.
Sophia betrachtete ihr Spiegelbild in der gläsernen Eingangstür des Meraki Beach Clubs. Der cremefarbene Blazer saß perfekt, und doch fühlte sie sich seltsam fremd darin, als hätte sie eine Rolle in einem Theaterstück angenommen. Zwischen den leger gekleideten Urlaubern wirkte sie fast deplatziert mit ihrer förmlichen Kleidung.
Aber heute ging es um mehr als nur ein Vorstellungsgespräch, es ging um einen Neuanfang.
Nervös strich sie ein letztes Mal den Stoff glatt, bevor sie die klimatisierte Lobby betrat.
»Frau Dr. Papoutsakis?« Eine freundliche Stimme riss sie aus ihren Gedanken. »Ich bin Dionysia Daskalakis, die Sekretärin von Frau Mavridakis. Die Hotelmanagerin erwartet Sie bereits. Folgen Sie mir bitte.«
Als die Sekretärin an Elenis Bürotür klopfte, begann Sophias Herz schneller zu schlagen.
»Herein«, ertönte Elenis Stimme von drinnen.
»Frau Dr. Papoutsakis ist hier«, erklärte die Sekretärin, während sie Sophia in das Büro ließ.
Sophia trat ein und wurde von Elenis warmem Lächeln begrüßt. »Frau Dr. Papoutsakis, willkommen im Meraki Beach Club. Bitte, setzen Sie sich.«
Elenis Büro war aufgeräumt, aber nicht steril eingerichtet. Auf dem Schreibtisch stand eine Vase voller frischer Wildblumen und ein gerahmtes Foto, das sie mit einer blonden Frau zeigte. Der Duft von frischem Kaffee hing in der Luft.
»Darf ich Ihnen eine Tasse anbieten?« Eleni deutete auf eine Kanne und eine noch leere Tasse.
»Sehr gern«, nahm Sophia das Angebot an.
Das Vorstellungsgespräch verlief besser als erwartet. Eleni war freundlich und professionell, und Sophia spürte, wie ihre anfängliche Nervosität langsam nachließ. Die Wärme in Elenis Stimme und ihr aufrichtiges Interesse an Sophias Karriere ließen sie sich zunehmend entspannen.
»Ihre Erfahrung in Deutschland wird für uns sehr wertvoll sein«, sagte Eleni, während sie Sophias Lebenslauf durchging. »Viele unserer Gäste kommen aus deutschsprachigen Ländern.«
Sophia nickte, ein Hauch von Stolz färbte ihre Wangen. »Ja, ich denke, das könnte sehr nützlich sein. Besonders wenn es um medizinische Fachbegriffe geht.«
Sie sprachen über Sophias Qualifikationen und ihre Erwartungen an die Stelle. Eleni erklärte die Anforderungen des Hotels und die Bedürfnisse der Gäste. Mit jeder Minute fühlte Sophia sich sicherer.
»Ich denke, wir sollten uns jetzt die Praxisräume ansehen«, schlug Eleni schließlich vor. »Folgen Sie mir bitte.«
Sie führte Sophia durch die weitläufige Hotelanlage. Überall um sie herum waren die Geräusche eines lebendigen Ferienresorts zu hören: das Lachen spielender Kinder, das Klappern von Geschirr aus den Restaurants, das Rauschen der Wellen in der Ferne.
Unterwegs erklärte Eleni die verschiedenen Einrichtungen und stellte Sophia einigen Mitarbeitern vor. Jeder Gruß, jedes freundliche Lächeln ließ Sophia sich ein bisschen mehr wie ein Teil dieses Ortes fühlen.
Die Praxisräume waren in einem separaten Gebäude untergebracht, etwas abseits vom Hauptgebäude, in dem es jedoch auch einige Hotelzimmer gab. Als Eleni die Tür öffnete, war Sophia überrascht.
»Das ist ja beeindruckend«, sagte sie und trat ein.
Der Unterschied zu der veralteten Praxis in Spili war frappierend. Alles war modern, hell und mit neuen Geräten, einem modernen PC und sogar einem Ultraschallgerät ausgestattet.
Es gab einen Behandlungsraum und sogar einen Wartebereich. Das war mehr als in den meisten anderen Hotels, wo sich der Arzt meistens in einer Art Mehrzweckraum aufhielt, der außerhalb der Sprechzeiten von anderen Mitarbeitern genutzt wurde.
»Wir legen großen Wert auf ein gute medizinische Versorgung unserer Gäste«, erklärte Eleni stolz. »Hier haben Sie alles, was Sie für die Grundversorgung brauchen.«
Sophia ging durch die Räume, ihre Finger glitten über die mit medizinischen Materialien ordentlich ausgestatteten Schränke. Sie spürte ein Kribbeln der Vorfreude in ihren Fingerspitzen. »Das ist wirklich erstklassig«, sagte sie. »Ich könnte mir gut vorstellen, hier zu arbeiten.«
Eleni lächelte, offensichtlich zufrieden mit Sophias Reaktion. »Freut mich, dass es Ihnen gefällt. Sollen wir zurück in mein Büro gehen und die Formalitäten klären?«
Sophia nickte zustimmend, und sie machten sich auf den Weg zurück.
In Elenis Büro angekommen, reichte sie Sophia einen Vertrag. »Wenn Sie einverstanden sind, können wir ihn gleich unterzeichnen«, sagte Eleni.
Sophia las den Vertrag sorgfältig durch, nickte mehrmals und griff schließlich nach dem Stift, den Eleni ihr hinhielt. Das kühle Metall in ihrer Hand fühlte sich wie der Schlüssel zu einem neuen Leben an.
Doch gerade, als sie ansetzen wollte zu unterschreiben, klopfte es laut an der Tür. Ohne auf eine Antwort zu warten, stürmte ein junger Mann herein. »Frau Mavridakis! Am Strand – ein Notfall! Ein Gast ist kollabiert!«, rief er panisch.
Die Worte schienen die Luft im Raum zu verdichten. Sophia spürte, wie ihr Herz einen Schlag aussetzte, bevor es mit doppelter Geschwindigkeit weiterpochte. Adrenalin schoss durch ihre Adern, schärfte ihre Sinne.
Eleni reagierte sofort, ihre Stimme ruhig, aber bestimmt. »Rufen Sie einen Krankenwagen!«, befahl sie dem Mann, bevor sie sich an Sophia wandte. »Frau Dr. Papoutsakis, ich weiß, Sie sind noch nicht offiziell eingestellt, aber . . .«
»Ich komme mit«, sagte Sophia, ohne zu zögern. Ihr Körper schaltete automatisch in den Notfallmodus, Jahre des Trainings übernahmen die Kontrolle. Im Laufschritt folgte sie Eleni.
Die Luft über dem Strand flimmerte vor Hitze, als sie den steilen Weg hinunterliefen. Sophias Schuhe rutschten auf dem losen Schotter, während sie versuchte, mit Eleni Schritt zu halten. Das Rauschen der Brandung wurde lauter, vermischte sich mit aufgeregten Stimmen und dem Knirschen ihrer Schritte im Sand.
Endlich waren sie am Strand angekommen. Sophia spürte, wie ihr Atem schneller ging, teils von der Anstrengung, teils von der Anspannung.
Ihre Augen suchten fieberhaft die Umgebung ab, versuchten, den Ort des Notfalls auszumachen. Dann entdeckte sie ein Gewirr aus besorgten Gesichtern und aufgeregten Stimmen.
Inmitten des Chaos kniete eine junge Frau neben dem bewusstlosen Gast. Ihre orangefarbene Uniform wies sie als Rettungsschwimmerin aus. Sie führte mit präzisen und kraftvollen Bewegungen eine Herzdruckmassage durch.
Sophia eilte zu ihnen. »Ich bin Ärztin«, sagte sie, als sie sich neben die Frau kniete. »Was ist passiert?«
Die Rettungsschwimmerin sah kurz auf. Ihre Blicke trafen sich, und für einen Moment vergaß Sophia die Hektik um sie herum. In den braunen Augen lag eine Intensität, die sie unwillkürlich an den starken griechischen Kaffee erinnerte, den ihr Vater jeden Morgen trank – dunkel, warm und seltsam vertraut.
»Er ist plötzlich zusammengebrochen«, erklärte die Frau, ohne ihren Rhythmus zu unterbrechen. Ihre Stimme war ruhig und kontrolliert, ein Ruhepol in dem Chaos um sie herum. »Kein Puls, keine Atmung. Ich habe sofort mit der Reanimation begonnen.«
Sophia nickte anerkennend. »Ausgezeichnet.« Sie sah hoch und blickte sich um. »Sie dort, kommen Sie her«, rief sie einem jungen, muskulösen Mann zu, der nur wenige Schritte entfernt stand. »Übernehmen Sie die Herzdruckmassage. Achten Sie auf eine Drucktiefe von mindestens fünf Zentimetern und eine Frequenz von hundert bis hundertzwanzig pro Minute. Singen Sie zur Not Staying Alive mit, das hat den richtigen Rhythmus.«
Der Mann wirkte zwar etwas überrumpelt, begann aber sofort mit der ihm angewiesenen Aufgabe.
Dann sah Sophia wieder zur Rettungsschwimmerin. »Gibt es hier einen Beatmungsbeutel und einen Laien-Defibrillator?«
»Ja, beides, auf meinem Rettungsstand. Ich hole es sofort.«
»Perfekt. Beeilen Sie sich, jede Sekunde zählt.«
Wenige Augenblicke später kehrte die Rettungsschwimmerin mit der Ausrüstung zurück.
Sophia griff sofort nach dem Beatmungsbeutel und überprüfte ihn kurz. »Sehr gut. Ich übernehme die Beatmung. Legen Sie den AED an und folgen Sie den Anweisungen des Geräts.«
Während der helfende junge Mann die Herzdruckmassage pausierte und die Rettungsschwimmerin die Elektroden des Defibrillators platzierte, positionierte sich Sophia am Kopf. Sie überstreckte vorsichtig den Kopf des Mannes, um die Atemwege freizuhalten, und begann mit der Beutel-Masken-Beatmung.
»AED ist bereit für die Analyse«, meldete die Rettungsschwimmerin. »Ich übernehme danach wieder die Herzdruckmassage«, wandte sie sich an den jungen Mann, dem der Schweiß von der gewaltigen Anstrengung auf der Stirn stand.
Das Gerät meldete, dass kein Schock empfohlen wird. Sophia und die Rettungsschwimmerin begannen sofort wieder mit der Herzdruckmassage und der Beatmung im Wechsel.
Die beiden arbeiteten wie ein eingespieltes Team. Sophia spürte eine unerwartete Verbindung zu der Fremden, eine Art stille Kommunikation, die über die Notfallsituation hinausging.
Die Sekunden dehnten sich zu Minuten. Sophia war sich der Menge um sie herum kaum bewusst, ihr ganzer Fokus lag auf dem Mann vor ihr und dem stetigen Rhythmus der Reanimation.
Dann endlich begann der Mann zu husten, und seine Augen flatterten auf.
Ein kollektiver Seufzer der Erleichterung ging durch die Menge. Sophia spürte, wie sich die Anspannung in ihrem Körper löste.
»Er atmet wieder«, sagte sie, ihre Stimme ruhig und professionell, obwohl ihr Herz immer noch raste. Sie drehte den Mann vorsichtig in die stabile Seitenlage. »Der Krankenwagen müsste auch gleich hier sein.«
Die Rettungsschwimmerin setzte sich zurück, Erleichterung und Erschöpfung zeichneten sich auf ihrem Gesicht ab. »Das war knapp«, murmelte sie.
Sophia nickte, sich der Nähe zwischen ihnen plötzlich sehr bewusst. »Sie haben hervorragende Arbeit geleistet. Ohne Ihr schnelles Eingreifen . . .«
Die junge Frau lächelte, ein warmes, offenes Lächeln, das Sophia für einen Moment den Atem stocken ließ. Es war, als würde die Sonne direkt aus ihrem Gesicht strahlen. »Ich bin Ria«, sagte sie. »Eigentlich Eleftheria, aber alle nennen mich Ria.« Sie streckte ihre Hand aus. »Ria Petridis.«
»Sophia Papoutsakis«, erwiderte Sophia und ergriff Rias Hand. Elefthería. Freiheit.
Der Händedruck war fest und warm, und Sophia spürte ein leichtes Kribbeln, das ihren Arm hinaufwanderte. Rias Hand war rau vom Salzwasser und der Sonne, aber irgendwie fühlte sich die Berührung vertraut an, als hätten sie sich schon hundertmal die Hand geschüttelt.
»Sie müssen die neue Hotelärztin sein«, sagte Ria, ihre Augen funkelten interessiert. »Ich habe gehört, dass heute das Vorstellungsgespräch sein soll.«
Sophia lächelte und spürte, wie sich eine leichte Röte auf ihre Wangen legte. »Nun, das war nicht ganz der Einstieg, den ich geplant hatte.«
Ria lachte, ein helles, ansteckendes Lachen. »Willkommen im Meraki Beach Club. Hier ist es selten langweilig.«
In diesem Moment traf der Krankenwagen ein, das Heulen der Sirene übertönte für einen Moment alle anderen Geräusche. Sophia gab den Sanitätern einen kurzen Bericht über den Zustand des Patienten, während Ria half, den Mann auf die Trage zu heben. Sophia beobachtete, wie Rias Muskeln sich unter ihrer gebräunten Haut anspannten, bewunderte ihre Kraft und Geschicklichkeit.
Als der Krankenwagen davonfuhr, blieben sie am Strand zurück, beide noch leicht außer Atem von der Aufregung. Die Menge begann sich zu zerstreuen, das normale Strandleben kehrte langsam wieder ein.
»Was hältst du davon, wenn wir morgen einen Kaffee trinken gehen?«, sagte Ria plötzlich. Sie hatte einfach zum Du gewechselt, aber Sophia störte das nicht. Dafür fühlte sich ihr Verhältnis nach dieser intensiven Zusammenarbeit bereits vertraut genug an.
Als Sophia nicht gleich antwortete, fügte Ria hinzu: »Ich könnte dir ein paar Insider-Tipps über das Hotel geben.«
Sophia zögerte, überrascht von der unerwarteten Einladung. Eine Mischung aus Neugier und Unsicherheit breitete sich in ihrem Bauch aus. Die Sonne schien plötzlich noch intensiver auf ihre Haut zu brennen.
»Ich weiß nicht«, sagte sie schließlich, ihre Stimme leiser als beabsichtigt. »Ich muss sehen, wie voll mein Tag wird.«
»Kein Problem«, erwiderte Ria mit einem Lächeln, das nicht ganz die Enttäuschung in ihren Augen verbergen konnte. »Das Angebot steht. Wir sehen uns bestimmt bald wieder.«
Sophia nickte, unfähig, den Blick von Rias dunkelbraunen Augen abzuwenden. Sie spürte ein seltsames Ziehen in ihrer Brust, als hätte sie gerade eine Chance verpasst, deren Bedeutung sie noch nicht ganz erfassen konnte.
Eleni trat zu ihnen. »Frau Dr. Papoutsakis, das war wirklich beeindruckend. Vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte sie. »Ich denke, wir sollten zurück ins Büro gehen und den Vertrag fertig machen.«
Während sie zu Elenis Büro gingen, konnte Sophia nicht aufhören, an Ria zu denken. An ihr warmes Lächeln, ihre selbstsichere Art, die Art, wie sie zusammengearbeitet hatten. Es war eine Anziehung, die sie nicht ganz einordnen konnte.
Sie schüttelte den Kopf, um diese Gedanken zu vertreiben.
Das kühle Innere des Hotels bildete einen starken Kontrast zur Hitze draußen, und doch fühlte Sophia eine innere Wärme, die nichts mit der Temperatur zu tun hatte.
Im Büro unterzeichnete sie den Vertrag. Ihre Hand zitterte kaum merklich, während sie ihren Namen schrieb – jeder Buchstabe ein unwiderruflicher Schritt fort von ihrer Vergangenheit hin zu einer ungewissen, aber aufregenden Zukunft. Sie wusste, dass dieser Job eine Herausforderung darstellen würde, aber nun, nach dieser ersten Erfahrung, fühlte sie sich seltsam optimistisch.
Vielleicht war die Rückkehr nach Kreta doch die richtige Entscheidung gewesen.
Sophia betrat den Empfangsbereich des Meraki Beach Clubs. Es war ihr zweiter Arbeitstag, eine Woche nach dem Vorstellungsgespräch, und doch fühlte sich alles bereits seltsam vertraut an.
Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen. Nur wenige Meter entfernt stand Ria. Die leuchtend orangefarbene Uniform der Rettungsschwimmer hob sich deutlich von ihrer gebräunten Haut ab, die Sonnenbrille lässig auf dem Kopf.
Konzentriert beugte sie sich über den Empfangstresen und trug etwas in einen Kalender ein, der vor ihr lag.
Sophias Herzschlag beschleunigte sich. Die vergangene Woche hatte sie immer wieder an Ria denken müssen, an ihre ruhige, kompetente Art während des Notfalls, an das selbstverständliche Miteinander. Und an dieses Lächeln, das sich in ihre Gedanken eingebrannt hatte.
Als wären sie unsichtbar miteinander verbunden, hob Ria den Kopf. Ihre Züge hellten sich auf, als sie Sophia erkannte. Sie nickte dem Rezeptionisten kurz zu, legte den Stift beiseite und kam mit einem warmen Lächeln auf Sophia zu.
»Sophia, wie schön, dich zu sehen!«, rief sie. In ihrer Stimme lag eine Freude, die Sophia überraschte. »Wie war dein erster Arbeitstag gestern? Ich freue mich so, dass wir uns jetzt öfter sehen werden.«
Eine verräterische Wärme stieg Sophia in die Wangen. »Es war gut, danke der Nachfrage«, antwortete sie, erstaunt über die Leichtigkeit in ihrer Stimme. »Alle sind sehr freundlich und hilfsbereit. Ich fühle mich fast schon wie zu Hause.«
Ria nickte verständnisvoll. »Das freut mich. Der Meraki Beach Club hat wirklich etwas Besonderes, findest du nicht? Und wie gefällt dir die Umgebung? Konntest du dich schon ein wenig umsehen?«
Sophia lächelte. »Tatsächlich kenne ich die Gegend ganz gut. Ich bin in Spili aufgewachsen und war als Kind oft hier in Triopetra. Es ist schön, wieder hier zu sein – und doch fühlt es sich ein wenig surreal an. In den letzten Jahren hat sich so viel verändert.«
»Ach, wirklich?«, fragte Ria und beugte sich interessiert vor. »Dann musst du mir unbedingt all die geheimen Ecken zeigen, die Touristen nie entdecken.«
Sophia lachte leise. »Ich fürchte, nach so vielen Jahren in Deutschland bin ich selbst fast eine Touristin.«
Ria schüttelte den Kopf, ihre Augen funkelten. »Das glaube ich nicht. Manche Dinge verlernt man nie.« Sie zögerte kurz, dann fügte sie hinzu: »Weißt du was? Wenn du Lust hast, könnten wir mal zusammen den Sonnenuntergang am Strand ansehen. Ich kenne da ein paar Plätze mit atemberaubender Aussicht.«
Die Direktheit und der Charme von Rias Einladung überrumpelten Sophia. Ein Kribbeln breitete sich in ihrem Bauch aus, als wäre ein Schwarm Schmetterlinge plötzlich erwacht.
»Das . . . das klingt wunderbar«, sagte sie mit einem schüchternen Lächeln. »Ich denke darüber nach.«
Ria nickte, ohne sich von Sophias Zurückhaltung beirren zu lassen. »Natürlich. Lass es dir durch den Kopf gehen. Melde dich einfach, wenn du Lust hast.«
Als Sophia sich von Ria verabschiedete und zu ihren Praxisräumen ging, fühlte sich der Weg länger an als sonst – und gleichzeitig leichter.
Sie hatte Angst vor dem Unbekannten. Angst davor, sich zu verlieben. Sie hatte nicht geplant, hier jemanden kennenzulernen – erst recht nicht so schnell.
Fast außer Sichtweite drehte sie sich noch einmal um. Ria stand noch immer in der Lobby und winkte ihr zu. Sophia erwiderte den Gruß, und ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen – eines, das sie schon lange nicht mehr gespürt hatte.
Vielleicht, dachte sie, war es an der Zeit, dem Schicksal eine Chance zu geben.
Das leise Surren der Klimaanlage bildete ein monotones Hintergrundgeräusch zu Elenis konzentriertem Tippen. Ihr Blick war fest auf den Bildschirm gerichtet, während sie die Zahlen des letzten Quartalsberichts analysierte.
Ein leises Klopfen an der Tür unterbrach ihre Konzentration.
Nathalie trat mit Sorgenfalten auf der Stirn ein. »Eleni, ich habe schlechte Nachrichten.« Die Worte kamen hastig, fast gepresst. »Es sind weitere negative Bewertungen aufgetaucht.«
Eleni lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und schloss für einen Moment die Augen. Sie hatte in den letzten Nächten kaum geschlafen, denn die Sorge um ihr Hotel nagte an ihr. »Zeig her.«
Nathalie reichte ihr ein Tablet. Eleni überflog die Kommentare. Die Beschwerden waren vielfältig: angebliche Hygienemängel, unfreundliches Personal, minderwertige Ausstattung. Es wirkte, als versuchte jemand, systematisch den Ruf des Hotels zu ruinieren.
»Das kann kein Zufall sein«, murmelte Eleni, eher zu sich selbst als zu Nathalie. Sie blickte auf, ihre Stimme nun fest und entschlossen. »Hast du eine Antwort von der Bewertungsplattform erhalten?«
Nathalie schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Sie sagten, es könne ein paar Tage dauern, bis die Echtheit der Accounts überprüft ist.«
»Ein paar Tage.« Elenis Finger trommelten auf die Tischplatte. »Die wir wahrscheinlich nicht haben.« Sie richtete sich auf. »In der Zwischenzeit müssen wir proaktiv sein. Ich möchte, dass du persönlich mit jedem Gast sprichst, der abreist. Frag nach ihrer Erfahrung, ob es Probleme gab. Wir müssen wissen, ob an den Beschwerden etwas dran ist.«
Nach einer kurzen Besprechung weiterer Maßnahmen verließ Nathalie das Büro, und Eleni beschloss, selbst einen Rundgang durch das Hotel zu machen, um sich ein Bild von der Lage zu verschaffen.
Die Hotellobby pulsierte vor Leben, als Eleni sie betrat. Gäste checkten ein, Kinder rutschten über den polierten Marmorboden, und das vertraute Klingeln des Aufzugs erfüllte den Raum. Nichts deutete auf die angeblichen Missstände hin.
Sie ging weiter, doch dann erstarrte sie plötzlich mitten in der Bewegung.
Giorgos Stammatakis stand in einer Ecke des Foyers, vertieft in ein Gespräch mit einem Gast, als gehörte er hierher. Der Mann, den sie vor einem Jahr entlassen hatte. Der Mann, der versucht hatte, ihren Posten zu untergraben.
Eleni spürte, wie sich ihre Muskeln anspannten, ihr Körper sich in Alarmbereitschaft versetzte. Seit seiner Entlassung hatte sie Giorgos nicht mehr gesehen. Seine Präsenz wirkte wie ein Giftstachel in der sonst so harmonischen Atmosphäre des Hotels.
Als hätte er ihre Anwesenheit gespürt, drehte Giorgos den Kopf. Ihre Blicke trafen sich – und ein schmales, herablassendes Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. Dasselbe Lächeln, das sie schon damals so gehasst hatte.
Er wandte sich von seinem Gesprächspartner ab und kam direkt auf Eleni zu. Seine Haltung war selbstsicher, beinahe provokant.
»Was machst du hier?« Die Worte klangen schärfer, als Eleni beabsichtigt hatte.
Giorgos’ Lächeln wurde breiter, doch seine Augen blieben kalt. »Eleni, schön, dich zu sehen. Ich wollte nur ein paar alte Erinnerungen auffrischen. Immerhin war das hier lange Zeit mein zweites Zuhause.«
»War«, entgegnete Eleni kühl und verschränkte die Arme. »Du hast hier nichts mehr zu suchen. Geh.«
Er neigte den Kopf leicht zur Seite, seine Augen funkelten gefährlich. »Oh, ich glaube schon, dass ich einen Grund habe, hier zu sein. Ich habe nämlich gehört, es gäbe ein paar Schwierigkeiten, vor allem bei der Hygiene. Sehr bedauerlich.«
Elenis Puls beschleunigte sich. Sie zwang sich zur Ruhe, während ihr Geist fieberhaft arbeitete. »Unser Hotel erfüllt höchste Standards. Alles andere sind Gerüchte.«
Giorgos trat einen Schritt näher. Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Du warst schon immer naiv, Eleni. Hast du wirklich geglaubt, ich würde einfach verschwinden?« Er grinste. »Ich habe mir geschworen, dich genauso zu zerstören, wie du mich zerstört hast. Stück für Stück.«
Die Worte trafen Eleni wie ein Schlag. Doch sie hielt seinem Blick stand – die Augen voller Entschlossenheit.
In diesem Moment näherten sich zwei Sicherheitsleute, offenbar von der Rezeptionistin verständigt. Einer von ihnen legte Giorgos eine Hand auf die Schulter. »Ich muss Sie bitten zu gehen.«
Giorgos’ Grinsen verschwand nicht, als er sich widerstandslos zur Tür führen ließ. Über die Schulter rief er zurück: »Wir sehen uns wieder, Eleni. Früher, als du denkst.«
Eleni wartete, bis sich die Türen hinter ihm geschlossen hatten, dann atmete sie tief durch. Ihre Hände zitterten, als sie ihr Handy zückte.
»Nathalie? Komm bitte gleich in mein Büro.«