Sachmet Atons Erwachen - Katharina Remy - E-Book

Sachmet Atons Erwachen E-Book

Katharina Remy

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Beschreibung

2012 AD: Luxor Ist die leidenschaftliche Liebesbeziehung von Anna und Raphael am Ende? So scheint es, denn seit dem grausamen Erlebnis oben im Thebanischen Gebirge, in den Hügeln hoch über Deir el Medine, und dem Debakel in Raphaels Haus ist die deutsche Archäologin spurlos verschwunden ... 1358 v. Chr.: Uaset, Kemet Das Schwarze Land hat einen neuen Herrscher! Pharao Achanjati überläßt Uaset seinem Schicksal und widmet weit im Norden Aton - der Sonne - eine neue, funkelnde Hauptstadt. Kemet, von allen gütigen Göttern verlassen, ist dem Untergang geweiht! Sachmet hat ihre dunkle Seite entfesselt, verflucht Pharao und das Land, Hungersnot und Dürre drohen! Sahu-Re, die Hohepriesterin der Isis, versucht das Übel abzuwehren, begibt sich zusammen mit Ranofer auf eine gefahrvolle Reise nach Norden, um in Achet-Aton Hilfe zu erbitten. Denn allein auf sich gestellt kann Bent die zürnende Göttin nicht im Bann halten! Doch muß es ihr gelingen Die Mächtige für alle Zeiten zu bändigen, um das Leben des Königs zu schützen. Und dann begeht Bent, zurück in Uaset, den größten Fehler ihres Lebens ...

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2012 AD:

Luxor

Ist die leidenschaftliche Liebesbeziehung von Anna und Raphael am Ende? So scheint es, denn seit dem grausamen Erlebnis oben im Thebanischen Gebirge, in den Hügeln hoch über Deir el Medine, und dem Debakel in Raphaels Haus ist die deutsche Archäologin spurlos verschwunden …

1358 v. Chr.:

Uaset, Kemet

Das Schwarze Land hat einen neuen Herrscher! Pharao Achanjati überläßt Uaset seinem Schicksal und widmet weit im Norden Aton – der Sonne – eine neue, funkelnde Hauptstadt. Kemet, von allen gütigen Göttern verlassen, ist dem Untergang geweiht! Sachmet hat ihre dunkle Seite entfesselt, verflucht Pharao und das Land, Hungersnot und Dürre drohen! Sahu-Re, die Hohepriesterin der Isis, versucht das Übel abzuwehren, begibt sich zusammen mit Ranofer auf eine gefahrvolle Reise nach Norden, um in Achet-Aton Hilfe zu erbitten. Denn allein auf sich gestellt kann Bent die zürnende Göttin nicht im Bann halten! Doch muß es ihr gelingen Die Mächtige für alle Zeiten zu bändigen, um das Leben des Königs zu schützen. Und dann begeht Bent, zurück in Uaset, den größten Fehler ihres Lebens …

Die Autorin:

Ich bin im Saarland (Deutschland) geboren, lebe in der Nähe von Saarbrücken und bin verheiratet. Reisen - nicht nur nach Ägypten - sind unsere Passion. Das Land am Nil ist seit Jahrzehnten das Reich meiner Leidenschaften und Träume. Um diese versunkene Kultur, den Glanz der Pharaonen in all ihrer Pracht vor meinen Augen erstehen zu lassen, begann ich mit dem Schreiben. Die Lebens- und Denkweise der alten Ägypter, ihr unerschütterlicher Glaube an die Götter und an Maat, die alles im Gleichgewicht hält, ist das, was mich inspiriert und all meinen bereits erschienenen Romanen Leben einhaucht.

Als mein Bruder Nimmuria zu seinem Geschick gegangen war, rief man es aus.

Ich weinte an jenem Tage. In der Mitte der Nacht saß ich und fühlte Schmerz.

Als aber schrieb Naphuria, der große Sohn Nimmurias, an mich:

„Ich werde die Königsherrschaft ausüben!“, da sprach ich: „Nimmuria ist nicht tot! Jetzt hat Naphuria, sein großer Sohn, sich an seine Stelle gesetzt, und er wird fürwahr keine Dinge von ihrer Stelle, wie sie früher standen, verrücken“

Tuschratta, Fürst von Nehern, zum Tode von Amenhotep III.

Mein innigster Dank geht an Jürgen, der mir auch bei dieser Geschichte moralisch den Rücken gestärkt und viele tolle Ideen beigesteuert hat, stets an mich glaubt und mich immer wieder aufmuntert weiterzumachen!

Ein herzliches, liebevolles Dankeschön geht an Elke Bassler! Mit ihren zauberhaften 3D-Bildern für die Cover hat sie meine Romane von Anfang an begleitet, ist darüber hinaus meine treueste Leserin! Ab diesem Band gehe ich mutig neue Wege, gestalte meine Cover künftig selbst. Und so danke ich Elke von ganzem Herzen für die wunderschöne freundschaftliche und kreative Zusammenarbeit in all den Jahren!

Inhaltsverzeichnis

SO SPRICHT AMUN, DER KÖNIG DER GÖTTER: SOHN MEINES LEIBES, MEIN GELIEBTER NEB MAAT RE, MEIN LEBENDES ABBILD, MIR GEBOREN VON MUT, AUF, DASS DU DER EINZIGE HERR MEINES VOLKES WERDEST!

UASET, PEN TJEHEN ATON

MÖGE ES KOMMEN DAS FEUER DER WIEDERGEBURT DAMIT ICH ES ANBETE

PROLOG

ÄGYPTEN, LUXOR

WIE HERRLICH SIND DEINE PLÄNE, ATON! DU HERR DER EWIGKEIT!

KEMET, UASET

WEIßT DU NICHT, O ASKLEPIOS, DASS ÄGYPTEN DAS BILD DES HIMMELS UND DAS WIDERSPIEL DER GANZEN ORDNUNG DER HIMMLISCHEN ANGELEGENHEITEN HIENIEDEN IST?

ÄGYPTEN, LUXOR

SO SPRICHT AMUN, DER KÖNIG DER GÖTTER: SOHN MEINES LEIBES, MEIN GELIEBTER NEB MAAT RE, MEIN LEBENDES ABBILD, MIR GEBOREN VON MUT, AUF, DASS DU DER EINZIGE HERR MEINES VOLKES WERDEST!

(Inschrift in Kom el Hettan)

UASET, PEN TJEHEN ATON

Im letzten Jahre seiner Allerheiligsten Majestät Amenhotep Heqa Uaset Neb Maat Re In der Jahreszeit des Peret, im Mond Pa en Amenhotep

Dumpf polterten die Schläge an das große Tor, unheimlich hallte es in dem weiten Innenhof wider.

Bent schreckte aus ihrem unruhigen Schlaf hoch. Es war früh am Morgen – ein wenig Dunkelheit lag noch über dem Land und größte Stille. Die Wächter waren anscheinend gerade bei der Wachablösung, denn sie hörte weder die Männer noch Pesechet noch sonstwen, der die Pforte in dem Tor öffnete. Bent strampelte das Laken von den Beinen, schlüpfte in ein Kleid, richte sich das Haar, verließ ihre Gemächer und öffnete die Luke in der Pforte.

Majaret!

Die oberste Kammerfrau der Königin stand da. Allein, ohne Begleitung. Rasch öffnete Bent die Pforte, ließ die Dame ein, schaute über die ruhig in der Morgendämmerung daliegende Straße, bemerkte eine unauffällige, schlichte Barke an ihrem Steg.

„Eure Hilfe wird benötigt!“ Majaret packte Bent am Arm. „Nehmt alles, was Ihr zu einer Behandlung üblicherweise mitnehmt und eilt Euch!“

„Ich bin nicht befugt, Euch etwas zu sagen, Sahu-Re.“ Majaret schaute über das Wasser. Bent hielt sich an ihrem Kasten fest, als könne er Halt und Sicherheit geben, starrte zu den Henu, den Ruderern hin, die die Barke in den königlichen Hafen steuerten, versuchte vergeblich ihre Neherher in den Griff zu kriegen.

Und kurz darauf eilte Bent, wie vor ein paar Jahren mit Majaret durch den Palast, durch Pen Tjehen Aton, dem Glanz des Aton, huschte durch das Westtor, wandte sich nach rechts, sich gewiß und irgendwie darauf hoffend, diesmal in die Westlichen Villen geführt zu werden. Doch Bent irrte auch dieses Mal, abermals brachten die Träger mit zwei Tragsessel die Damen geschwind durch mehrere Höfe zu einem weiteren Eingang.

„Wo führst du mich hin?“ Bent klappte ihren Fächer auf, wedelte sich nervös die aufsteigende Hitze und eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht, betrachtete den düsteren, zugigen Korridor genauer. Am Ende eine Tür, die sich öffnete. Schon faßte ihre Hand in den Ausschnitt, sich sicher, Amenhotep, dem Sohn des Gottes zu begegnen. Doch bloß mehrere Diener huschten, einen kopflosen Eindruck verbreitend, eilig vorbei.

Bent klemmte die widerspenstige Strähne entschlossen hinters Ohr, eilte weiter mit Majaret durch die Korridore, die immer breiter, immer luxuriöser wurden, fand sich urplötzlich in einem luftigen, bunt bemalten, völlig leeren, gänzlich stillen Saal wieder, durch dessen Oberlichter Re die glänzenden Strahlen seiner morgendlichen Erscheinung schickte. Staub tanzte stumm, funkelnd und glitzernd darin.

Der Thronsaal!

„Majaret!“

„Ich muß Euch hier verlassen! Ihr werdet im Herz des Palastes erwartet!“

Bent eilte durch den achtzig Meh Nesut langen Säulensaal bis hin zu dem dreistufigen Podest an seiner gegenüberliegenden Stirnseite, hastete die Stufen zu den Thronen hoch, stand schwer atmend vor der Tür, die zu Pharaos Gemächern, zum Herz des Palastes, führte. Die davor postierten Männer der Leibgarde standen stramm, schlugen die Faust aufs Herz, grüßten die Hohepriesterin der Isis laut mit: „Anch Uda Seneb, Djed chet neb iret nes!“ 1

Einen der Männer kannte Bent näher; ein massiger Schwarzer aus dem tiefsten Kusch, seit Kindertagen Pharaos Leibwächter, ein echter Madjai!

„Maiherperi, was geht hier vor?“

„Man sagt mir nichts, Herrin! Ich soll Euch ohne Säumen vorlassen. Öffne, Senuji, laß die Dame durch!“

Kaum daß Bent jenes gewaltig große Badezimmer dahinter betreten hatte, hastete ihr Königin Teje entgegen, aufgelöst, übernächtigt, derangiert wirkend.

„Herrin!“

„Ich ertrage es nicht! Das überlebe ich nicht! Das kann ich nicht!“ Kaum daß sie dies im Vorbeilaufen äußerte, war die Herrin der Beiden Länder durch die Tür gehuscht. Bent stand wie erstarrt, machte sich auf das Schlimmste gefaßt, bemerkte Neferrenpet, Pharaos alten Kammerdiener, der ihr demütigst, jammernd und klagend die Tür zu des Herrschers Schlafraum aufhielt.

„Herr? Neb! Wo seid Ihr?“ Bent blieb stehen, erblickte einen kleinen Jungen und einen mächtig wirkenden Wer Sunu, einen Arzt! Nebenbei bemerkte sie die Tochter Ta Mius, die wie eine Königin mitten auf einem Tisch thronte und Bent eingehend betrachtete.

„Wo ist er?“, hauchte Bent. Der Arzt wies mit dem Kopf zu der großen Nische, in der das Prunkbett Pharaos stand. Dort, unter dem schützenden Abbild der Göttin Nechbet lag Neb Maat Re in den Kissen, reichte ihr die schwache Hand, „Herrin der Schlacht“, flüsternd.

Der Wer Sunu packte sie grob am Arm, „Er wird chepji en Ka, zu seinem Ka gehen! Er stirbt!“, zischend.

Loderndes Feuer kochte augenblicklich in ihrer Brust hoch, zornig, wütend ob dem unvermeidlichen Schicksal. Beißende Hitze überflutete sie, Wut auf den Lauf der Welt, Angst um den Herrn. Mühselig beherrschte Bent sich, spürte aber das Flackern von Sachmets Zorn und heiße Tränen in ihren Augen.

„Wie kann er sterben? Er ist der Herr der Welt!“ Bent entriß dem Arzt ungehalten ihren Arm, „Faß mich nicht noch einmal an!“, drohend. „Warum hat man mich nicht eher gerufen? Wer bist du überhaupt, daß du dir solche vorlauten Frechheiten anmaßt?“, zürnend, und „Was hat das Kind hier verloren? Auf der Stelle hinaus mit ihm!“

„Nur weil Euer guter Ruf Euch vorauseilt, Weib, dulde ich, daß Ihr überhaupt kommen durftet!“ Der Arzt stellte sich ihr in den Weg, sein Ton überheblich, seine Miene noch mehr. „Ich bin Neferhotep, Leibarzt Ihrer Majestäten! Allein weil Ihre Majestät, Königin Teje darum bat, dürft Ihr hier sein! Ich hätte niemals eine Quacksalberin aus dem Isistempel neben mir geduldet! Und dies ist mein Sohn Mentuhotep, meine rechte Hand, mein Schüler, mein Gehilfe, er bleibt! Und Ihr haltet Euch gefälligst zurück! Er soll sedscha em Hetep, in Frieden sterben! Ihr werdet weder einen Zauber beschwören noch dem Herrn der Welt ein Pechret verabreichen! Haben wir uns verstanden, Hexe?“

„Leck mich am Arsch du aufgeblasene Kröte!“ Selten wurde Bent dermaßen ausfällig, schubste den Mann grob vor die Brust. „Geh mir sofort aus dem Weg!“ Sie trat an das Bett des Herrschers, setzte sich auf die Kante, nahm behutsam seine Hand, drückte sie an ihre Brust. „Ich bin da! Amenhotep! Mach die Augen auf! Sechemet ist gekommen!“

„Wie nennst du mich?“, hauchte es leise, aber vorwurfsvoll aus den Kissen.

„Amenhotep!“ Bent gelang ein Lächeln, streichelte dem Herrscher der Herrscher die Wange. „Dies ist ein Bett, Amenhotep! Du bist ein Mann und ich eine Frau. Du weißt doch: Was in diesem Bett geschieht, wird darin bleiben, niemand wird je davon erfahren. So gehört sich das! Bei meiner Ehre! Ich bin eine freie Frau Kemets! Kann dich nennen, wie es mir beliebt! Wollt Ihr nicht aufstehen und Euer Tagewerk beginnen? Was hält dich davon ab?“

„Dieser Trottel da!“ Ihm gelang tatsächlich ein Lächeln, bevor er wieder in einen gnädigen Dämmerschlaf sank.

„Er ist ein Gott! Niemand faßt ihn an!“, empörte sich der Wer Sunu.

„Halt deine Klappe, du… Du willst Leibarzt sein? Du bist ein Wurm! Ohne irgendeine Macht! Kein Wort mehr davon! Was ist ihm widerfahren?“ Mit Mühe hielt Bent Wut und heiße Tränen zurück, die Hand Pharaos tröstend fest umklammernd.

„Sein Ib, sein Herz, fat Chatji…“

„Es will nicht mehr schlagen?“

„Mabjat!“ Neferhotep schüttelte mutlos den Kopf. „Meduji Chatji nur ganz unregelmäßig. Außerdem hat er gestern abend einen War Ib erlitten. Aufgrund, daß Jebchu heru her konnte er nicht mehr richtig essen, der klägliche Rest verursachte unerträgliche Tjia. Deshalb ist sein Körper seit geraumer Zeit geschwächt…“

„Hör auf, so geschwollen mit mir zu reden! Seine Zahnschmerzen sind mir bekannt. Schwächeanfall! Pah! Sein Herz muß wieder zum Schlagen angeregt werden. Hast du es versucht? Oder faßt du ihn aus lauter Feigheit etwa auch nicht an?“

„Alles versucht. Selbst der Sodomsapfel versagte! Vergebens. Er schwindet.“ 2

„Das laß ich nicht zu!“

Bent gelang ein Blick in den offenstehenden, nach Atem ringenden Mund Pharaos, erblickte grüne Blätter, offene Geschwüre und blutende Stellen. Vorsichtig zog sie die Blätter aus Amenhoteps Mund, betrachtete sie entgeistert, zischte unheilvoll: „Hast du ihm vielleicht auch den Milchsaft des Sodomsapfels verabreicht?“ Sie spürte, wie ihr sämtliches Blut aus den Wangen wich.

„Natürlich! Zum Abführen und Erbrechen, damit er genesen kann, alles Schlechte aus seinem Leib fahren kann! Auch hilft der Saft bei Herzbeschwerden! Sowas kannst du nicht wissen, Frau! Aber auch du mußt jetzt erkennen, daß jede Hilfe vergebens ist!“

„Bist du von Sinnen? Wie kann dir dieser Fehler unterlaufen!“

„Ich mußte es tun, Weib! Es war ein letzter Versuch!“

„Pharao! Der Herr der Welt kotzend und sich die Seelen aus dem Leib scheißend! Hast du ihm auf den Topf geholfen, seinen Kopf gehalten? Da hast du ihn doch angefaßt, da war er plötzlich kein Gott mehr, hä? Ich werde einen Heka machen! Einen Hekau Isis! Ich bin mit aper me Heka gesegnet!“

„Frau! Du wirst hier nicht zaubern!“

„Und du wirst es mir nicht verbieten! Jemand, der auf offene Wunden Sodomsapfelmilchsaft gibt! Wie der letzte Stümper, Quacksalber! Oh nein, wahrlich, die Dummheit stirbt nicht aus! Laß Weihrauch bringen!“

„Ich habe welchen hier.“

„Zünd ihn an und bring meinen Kasten her!“

„Ich bin nicht dein Handlanger! Ich bin Arzt!“

„Und ich bin diejenige die den Dämon mit Worten vertreibt! Tu, was ich dir sage! Und bring warmen Wein her, sein Mund muß ausgespült werden…“

„…seid ihr bald fertig mit eurem Geplapper? Weibergeschwätz! Komm gefälligst her, Herrin der Katzen! Wie lange soll ich noch warten!“

„Er fiebert bereits! Weiß nicht mehr, was er sagt.“

„Dann sollte man ihn trösten, beistehen! Herr, Neb, ich bin ja da! Was habt Ihr gesagt?“ Liebevoll drückte Bent abermals Pharaos Hand an ihre Brust, streichelte seine Wange, ihm übers Haar.

„Jeb tem u, ne sha en sef!“, hauchte Pharao.

„Dein Geist ist leer, kann sich an das Gestern nicht erinnern? Oh, Herr! Du erinnerst dich doch an mich!“

„Wo ist sie?“

„Kurz hinausgegangen, sie wird gleich wieder da sein!“

„Sie… hat… sich verabschiedet, sagte ‚Leb wohl mein Herz‘… weinte… mein Herz… es schmerzt grauenvoll… Sechemet? Du bist tatsächlich selbst gekommen? So geleitest du mich zu den… Göttern… welch eine Ehre…“

Die Tochter Ta Mius sprang aufs Bett, schmiegte sich an Bent.

„Amenhotep?“

Er gab keine Antwort!

„Amenhotep? Herr?“

Er war eingeschlafen, gab keine Antwort mehr!

Nie mehr!

Bent beugte sich über ihn, horchte nach seinem Atem, suchte vergebens den Herzschlag an seinem Handgelenk, die Katze legte sich still, ohne zu schnurren auf seine Brust.

„So ist er denn ein stilles Herz!“, flüsterte Bent, hielt die Tränen zurück, „Erlöst von seiner Pein! Mögen dich die Götter mit Wohlwollen in ihre Gemeinschaft aufnehmen!“, schmiegte sich ebenfalls an den toten König, hielt seine Hand, betete leise aus den Mysterien der Isis und des Osiris; jene traurigen Worte der göttlichen Schwestern Isis, Nebethat, Selket und Neith am Leichnam des göttlichen Osiris:

„O schöner Jüngling, kehre in deine Bleibe zurück. Lange schon, allzulange haben wir dich nicht gesehen. O schöner Harfenspieler, kehre in dein Heim zurück. Du Erster, nachdem du dich so weit von uns verirrt hast. O schöner Jüngling, der du so plötzlich entschwunden bist, junger, starker Mann, dessen Zeit doch noch so lange nicht gekommen war. Heiliges Abbild deines Vaters Amun, geheimnisvoller Samen des Amun. Herr, Herr, der sich von seinen Vätern unterschied, der erste im Leibe seiner Mutter. Kehre zurück zu uns. Wir würden dich in deine Arme schließen und du würdest nie mehr gehen. O schönes Wesen, komme in Frieden zurück, damit die Schwester sich mit deinem Leib vereinigen kann. O Herr, wende uns dein Antlitz zu…“

Polternd schlug die Tür auf.

„Was geht hier vor?“, dröhnte eine befehlsgewohnte Stimme.

Bent richtete sich auf, erblickte den Tjai chu her wenemi Nesu Eje, der seinen Wedel empört auf den Boden stieß. Neferhotep und der Junge sanken demütig auf die Knie, verneigten sich ehrfürchtig vor dem mächtigen Imi ra nut Tjati, der augenblicklich die Geschicke des Landes lenkte.

„Der Gute Gott ist ein stilles Herz, Herr!“, offenbarte Bent das Ungeheuerliche, erhob sich vom Bett, legte Amenhoteps Hand fürsorglich auf seine Brust, streichelte ihm ein letztes Mal durchs Gesicht. „Der Wer Sunu hat sein Bestes getan. Vergeblich.“

„Was hat diese Hexe da zu schaffen?“

„Die Königin selbst hat befohlen, daß sie…“, nuschelte Neferhotep in seiner hündischen Haltung.

„Schafft sie hinaus!“

„Ich gehe dann“, zürnte Sahu-Re, die sich weder verbeugt hatte, noch sonstwie dem Großwesir Hochachtung entgegenbrachte, „wenn die Königin mich aus ihren Diensten entläßt, Herr Eje! Du hast mir nicht zu befehlen! Du nicht! Nur Pharao, Isis und die Herrin des Südens und des Nordens haben mir Befehle zu geben!“ Bent funkelte den Imi ra nut Tjati mit glühenden Augen an, versuchte mühsam ihre Wut zu beherrschen. „Neferrenpet?“, rief sie durch die offene Doppeltür. „Hör auf zu flennen, alter Mann! Bring mir eine Schüssel mit warmem Wasser, Tücher und Seife!“

„Ich lasse dich von der Leibgarde entfernen!“, schnaubte Eje boshaft.

„Maiherperi wird da anderer Ansicht sein! Neferrenpet, wird’s bald!“

„Was soll das?“, fiel Neferhotep ihr ins Wort, nachdem Eje ihm bedeutet hatte aufzustehen.

„Was glaubst du denn!“, fauchte sie zurück. „Was würdet ihr überheblichen Ärzte machen, wenn ihr uns nicht hättet, hä? Die Heilerinnen, die Hebammen, die Hexen, die Totenwäscherinnen? Und du bist mir was schuldig, Herr Wer Sunu Neferhotep! Vergiß das nicht, niemals! Und auch nicht den Sodomsapfel! Soll sie ihn so sehen? Den Schweiß des Todes auf der Stirn? Geht hin, Herr Tjai chu her wenemi Nesu, tut, was Eure Pflicht in diesem traurigen Augenblick ist, aber laßt mich mit dem Toten allein! Laßt mich meine Pflicht tun!“

„Die Garde untersteht meinem Befehl!“, zischte Eje.

„Die Garde untersteht allein dem Befehl des Guten Gottes! Seid Ihr Pharao? Maiherperi!“

„Herrin?“

„Was bin ich?“

„Djed chet neb iret nes!“

„Geleitet den ehrenwerten Herrn Tjai chu her wenemi Nesu 3 hinaus. Er muß sich trauriger Pflichten annehmen!“

1Die irgendwas sagt, daß man dann sofort für sie ausführen wird

2 Gemeint ist hier der Oscher, Calotropis procera Ait., aus der Gattung der Asclepiadaceae, dessen Frucht wie das Nachtschattengewächs ebenfalls Sodomsapfel genannt wird. Der Milchsaft ist toxisch, ähnlich wie Digitalis, und wird u. a. heute noch als Pfeilgift verwendet

3 Die wichtigsten Titel und am häufigsten gebrauchten Anreden auf Seite 200

MÖGE ES KOMMEN DAS FEUER DER WIEDERGEBURT DAMIT ICH ES ANBETE

(aus dem Buch vom Heraustreten in das Tageslicht)

PROLOG

Luxor, Westbank 20. März 2012 A.D.

„What do you want?“

Raphael drückte den Knopf der Gegensprechanlage, hörte es Knacken und Rauschen, wartete auf eine Antwort.

„Berger!“

Ansonsten drang nichts als Knistern und Rauschen aus dem kleinen Lautsprecher. Raphael schloß die Augen, schnaufte tief durch, überlegte ein paar Augenblicke, drückte schließlich den Türöffner, „Chica, an deinen Platz!“, öffnete die Haustür, blickte zur Gartenpforte hin, „Was willst du hier?“, schnauzend.

„Ist sie bei dir?“

„Nein!“

„Erzähl doch keinen Scheiß! Wo sonst soll sie sein?“

Raphael schaute zu Georg hin, der an der Pforte stehenblieb, anscheinend den Hund suchte.

„Komm rein, du Idiot! Schau dich um! Überzeug dich selbst, wenn du mir nicht glaubst!“

„Wo ist dein Köter?“

„Wo ist der Kleine?“

„Bei Ibrahim und Fatme. Aisha und Ahmed sind da. Er ist mal wieder der kleine Pascha, läßt sich von allen gründlich durchhätscheln, verziehen und verwöhnen.“

„Bitteschön der Herr!“, spottete Raphael, öffnete seine Haustür weit, machte eine höhnische Verbeugung, wies mit der Hand in sein Wohnzimmer, ließ Georg vorbei. „Das Schlafzimmer ist gleich da rechts; vergiß nicht unters Bett und in den Schrank zu gucken. Hinter der Küche in dem kleinen Flur geht’s rechts ins Bad, das kennst du ja. Links steht Krempel, geradeaus geht dich nichts an, da wohnt Sara.“

Georg schaute sich in Raphaels Wohnzimmer um, machte einen furchtbar niedergeschlagenen, zerknirschten Eindruck.

„Hör mit dem Scheiß auf, Ney! Sie ist nicht Zuhause!“, erklärte er ernsthaft besorgt. „Sie ist nicht in Berlin, nicht in Saarbrücken. Sie ist nicht im Hotel. Nicht im Haus der Archäologen. Sie ist seit über fünf Wochen nicht mehr bei der Arbeit gewesen. Sie ist weder bei Fatme noch sonstwo. Ich kann sie nirgends finden! Ich mache mir ernsthaft Sorgen!“

„Oh! So decouragiert mein monochromer Freund? Sind dir ein paar graue Haare gewachsen in letzter Zeit?“

„Halts Maul, Nachtwächter!“

Schweigend standen beide sich ein paar Augenblicke gegenüber, dann:

„Willst’n Bier? Setz dich doch. Sie ist nicht hier. Ich hab sie seitdem wir uns gekloppt haben nicht mehr gesehen.“

„Bloß kein Sakkara!“

Raphael öffnete den knallroten Kühlschrank, entnahm ihm zwei Flaschen Stella, öffnete sie zischend, reichte Georg eine, pfiff nach dem Hund, trat hinaus auf die Terrasse, ließ sich dort, Chica kraulend, am Tisch nieder. Georg setzte sich breitbeinig in den Sessel gegenüber, stierte geistesabwesend vor sich hin.

„Ihr Handy ist seit dem fünfzehnten Februar ausgeschaltet. Keine SMS, die letzten Kontobewegungen an dem Tag als sie verschwand. Selbst bei der Polizei war ich. Hier wie zu Hause. Aber man kann – außer einer Vermißtenanzeige – nichts machen. Sie ist eine erwachsene Frau, kann kommen und gehen, wie es ihr beliebt.“

„Ihr wird schon nichts passiert sein!“ Raphael stellte die Flasche ab, griff sich in das blonde, dichte Haar, stützte die Stirn auf die Hand, knurrte: „Sie war weg als ich an dem Morgen nach unserem Streit wach wurde, hat all ihren Krempel mitgenommen, George. Dieses Kapitel ist für mich beendet!“, starrte zu dem glitzernden Pool im Garten hin. „Ich hab’s verbockt!“, lachte er bitter. „Gründlich verbockt! Diese Frau! Läßt sich nicht auf den Schlips treten! Ich hätte es besser wissen müssen!“

„Du hast gar nichts verbockt! Das war allein meine Schuld! Ich wollte nicht wahrhaben, daß sie nicht mehr meine Anna ist! Was sie im übrigen nie war. Sie ist eigenständig, frei wie eine Katze, läßt sich niemals einengen.“

„Nein! Wäre ich am Ende nicht so stur gewesen, wäre sie nicht fortgelaufen! Ich brauch sie, Berger! Ich kann nicht ohne sie…“

„Ich brauch sie genauso!“

„Sie hat mit ihrem Verschwinden das einzig Richtige getan! Ich werde sie nicht teilen, das wußte sie ganz genau. Und zusammen können wir nicht… meine Fresse, ich kann nicht mit dir zusammen eine Beziehung zu dritt führen! Nicht mal ihr zu liebe!“

„Fuck! Ney! Ich auch nicht!“ Georg griff kopfschüttelnd nach dem Bier, zog einen tiefen Schluck aus der Flasche, stellte sie ab. „Deshalb hab ich letztendlich in die Scheidung eingewilligt.“

„Sie hat die Papiere nicht unterschrieben! Die liegen unberührt drin auf meinem Schreibtisch!“

„Dieses Weib treibt mich in den Wahnsinn!“

„Willste was essen?“

„Hm?“

„Hast du Hunger? Ich war eben im Begriff den Grill anzuwerfen.“

„Ich will dir nicht auf den Nerv gehen.“

„Abgesehen davon, daß du daß ständig tust, bist du voll okay, Baumeister…“

„Du auch, Nachtwächter! Ja, wirf den Grill an. Morgen sehen wir zu, daß wir sie finden!“

„Ein schönes Haus!“, bemerkte Georg, als sie bei Essen saßen. „Das kannst du mir glauben, hab da n‘ Blick für!“

„Danke! Noch von dem Dip?“

„Nein, alles gut.“

„Aus den späten Neunzigern. Ich konnt‘s preisgünstig ergattern. Der Eigentümer, längst Witwer, verstorben, die Kinder nach Kairo gezogen, wollten nicht wieder aufs Land zurück – man kennt das ja, überall das gleiche.“

„Diese und ähnliche Szenarien kenn ich nur zu gut. Ich verdien mein Geld mit sowas.“

„Ich war Zeitsoldat.“

„Anna erzählte es.“

„Im Jugoslawien-Krieg dabei.“

„Nicht schön!“

„Nein!“

„Noch’n Bier?“

„Jo! Weißt ja, wo’s steht.“

Raphael nahm Georg, als er aus dem Haus trat, die Flasche ab, stieß mit ihm an. „Und du?“

„Pazifist.“

„Aus Überzeugung?“

„Wir haben zu Hause einen großen Betrieb, wir haben von Haus aus eine Menge überzeugendes Vitamin B, wir haben einen einflußreichen, sehr überzeugenden Daddy, der dem Kreiswehrersatzamt mit überzeugenden Argumenten klar machte, wie sehr der Sohn an der Heimatfront gebraucht würde. Und so wurde ich Zivi.“

Raphael lachte, trank einen Schluck. „Und was ist der große Betrieb?“

„Stadtgärtnerei!“

„Blumen hätt ich dir nicht zugetraut!“, meinte Raphael grinsend, schnappte sich noch eins der Lammkoteletts, nagte an dem Knochen. „Wie alt bist du?“

„Fünfzig, verflucht noch eins! Diese vermaledeite fünf! Ich werde alt, merke es immer mehr, kann Hektik und Streitereien nicht mehr ab. Und du?“

„Achtundvierzig.“

„Sie ziehts durch, was“, Georg lachte spöttisch. „Nimmt sich sogar n‘ jüngeren Liebhaber.“

„Anna hats drauf!“

„Kennst du das? Du siehst ein Mädchen, weißt genau, daß es die Richtige ist?“

„Nur zu gut!“

„Ich hab sie gesehen – in der Schule – oh, Mann, und seitdem ging sie mir nicht mehr aus dem Kopf! Mehr oder weniger zufällig landete ich in ihres Vaters Betrieb … alles paßte, alles stimmte, wir waren anfangs dicke Freunde… Dann haben wir… verdammt! Ich hätte sie niemals heiraten sollen! Ich hab alles versucht: sie verwöhnt, verhätschelt, legte ihr die Welt zu Füßen … alles war falsch, nichts konnte ich ihr recht machen. Sie war nicht die Richtige, Raphael, ich konnte sie nicht halten! Und ich frage mich, was ich falsch gemacht habe.“

„Nichts! Ich konnte sie ja auch nicht halten.“

„Das ist bloß ihre Sturheit! Sie wird zu dir zurückkommen.“

„Daran glaub ich nicht. Sie reißt tatsächlich einem Mann das Herz bei lebendigem Leib raus, spielt damit, grausam, trampelt darauf herum und lacht noch dabei!“

„Ihre Liebe ist wie ein heißer, alles versengender Sturmwind!“

„Ich liebe die Gefahr!“

„Kopf hoch, Nachtwächter! Sie wird zurückkommen!“

„Nichts wünsche ich mir mehr…“

„Wie… wie hast du sie kennengelernt?“

„Ich hab sie gesehen – in der Bar vom Hotel – und seitdem geht sie mir nicht mehr aus dem Kopf!“

„Blödmann!“

„Ich geh mal zwei Bier holen.“

Mit den zwei Flaschen in der Hand betrat Raphael wieder seine Terrasse, einen Moment lang Georg beobachtend, der mit dem Schürhaken in der glühenden Holzkohle stocherte, in die Glut starrte, in den Garten starrte, und schließlich Chica betrachtete, die ihn ihrerseits aufmerksam musterte.

„Sie mag keine Hunde, hm, aber mit dir kommt sie bestimmt klar?“

Chica legte mit dem süßesten Dackelblick den Kopf schief, lauschte aufmerksam, stand auf, machte schwanzwedelnd einen Schritt auf Georg zu.

„Bleib bloß friedlich!“

„Sie tut nichts wenn ich dabei bin, dann hat sie Feierabend, was Mädchen?“

„Dann bin ich ja beruhigt. Wie geht’s deiner Schwester?“

„Wem?“

„Sara!“

„Sara ist meine Mutter! Guck nicht so blöd!“

„Da hab ich wohl was verwechselt!“

„Aber gründlich! Leben deine Eltern noch?“

„Beide kurz vor achtzig. Mir graust es, wenn es zu Hause ans Sterben geht, Raphael! Obwohl“, Georg lachte beinahe gehässig, „der Alte ist in Topform, will das Zepter nicht aus der Hand geben, funkt meinem beknackten Cousin, der alles übernommen hat, dauernd dazwischen!“

„Warum hast du das nicht übernommen? Macht man das nicht als guter Sohn?“

„Nicht meine Welt. Der Cousin hat alles bestens im Griff, mag er auch noch so sehr ein aufgeblasener Affe sein.“

„Liegt wohl in der Familie!“, lästerte Raphael gutmütig. „Ich hab noch meine Großeltern, beide weit jenseits der achtzig … da mag ich auch nicht weiter denken. Würdest du einfach das Zepter abgeben?“

„Nee! Bin seit ich denken kann mein eigener Chef, so schnell macht mir keiner was vor.“

„Das dachte ich auch immer. Bis zu jenem beschissenen blutigen Tag vor dem Winter Palace. Glaub mir: urplötzlich hast du eine völlig neue Sicht auf gewisse Dinge!“ Raphael griff nach seiner Flasche, setzte sie an, zog sie leer. „Mußte mich Monate voll auf meinen Kompagnon verlassen – ein Scheißgefühl!“

„Glaub ich sofort! Gottverflucht ist das spät geworden!“

„Meine Fresse! Tatsächlich! Sei mir nicht bös Kumpel, aber jetzt schmeiß ich dich raus. Muß morgen früh auf der Matte stehen. Der Lieferant mit den Gallonen fürs Wasser kommt und ich muß sehen, daß der das bei Sara ordentlich macht. Sie ist morgen nicht da, wieder bei ihrer Freundin, um in deren Souvenirlädchen zu helfen und da muß ich ran.“

„Kein Problem.“

„Ich ruf dir ‘n Taxi.“

„Verdammt Kerl! Mach voran! Ich muß auf‘s Klo!“

„Sir?“

„Nix! Mach hinne! Yalla!“ Ungeduldig wartete Raphael, bis der Mann endlich abgeladen und die Fässer an ihren Platz gestapelt hatte, unterschrieb eiligst den Lieferschein, knallte hinter ihm die Haustür zu, rannte quer durch Saras Wohnzimmer hinüber in Richtung ihres Badezimmers, aus dem er Wasser rauschen hörte, „Sorry Sara, aber was muß das muß!“, schnaufend. Und: „Wie oft hab ich dir schon gesagt, du sollst die Waschmaschine nicht laufenlassen, wenn du nicht da bist!“ Ungestüm riß er die Tür zu ihrem Bad auf, stürmte, die Hand am Reißverschluß, hinein, blieb abrupt stehen! Da lief keine Waschmaschine!

Hinter der gläsernen Abtrennung eine schaumbedeckte badende Venus unter der großen, ebenerdigen, plätschernden Dusche!

„Laß dich nicht stören!“, meinte er kalt, wies mit der Hand zum Klo hin. „Du erlaubst?“

„Bitte!“

ÄGYPTEN, LUXOR

Mittwoch, 21. März 2012 A.D.

Raphael!

Überrumpelt betrachtete sie ihn, wie er ihr gegenüber die Toilette benutzte, breitbeinig dastand, sich mit der freien Hand an der Wand abstützte, sie zur Faust ballte, die Wasserspülung betätigte, sich böse wie ein gefangener Tiger umdrehte. Schweigend standen sie sich eine Weile gegenüber, starrten sich an.

„Du warst die ganze Zeit über hier?“, knurrte er zornig. Anna nickte, keines Wortes fähig, stand halb unter dem gluckernden Wasserstrahl wie ein begossener Pudel. Erzürnt, mit eiskaltem Blick, machte er einen Schritt auf Anna zu, sie war sich sicher, daß er sie jeden Moment ersäufen würde. Und jetzt trat er zu ihr unter die Dusche, drängte sie in die Ecke, packte sie, schüttelte sie, noch einmal „Hier?“ grollend.

„Nicht nur!“, quiekte sie wie ein Ferkelchen. „Laß mich los! Du tust mir weh!“

Brutal riß er sie an sich, ungeachtet, daß sie voller Seifenschaum war, ungeachtet, daß er völlig durchnäßt wurde, „Mach das nie wieder, du verrücktes Weibsbild!!“, zischend, ihr einen heißen, sehnsüchtigen Kuß raubend; Anna blieb unter Wasser bald gänzlich die Luft weg. Mühelos hob er sie hoch, trug sie durch das Bad, wollte offensichtlich hinüber in seine Wohnung mit ihr.

„Du meine Güte!“, hörte sie Sara rufen. „Ich hab ja vollkommen vergessen, daß der mit den Fässern Wasser heut mor… was ist denn hier los? Oh Gott, was für eine Sauerei!“

„Sorry, Ma, ich mach später klar Schiff!“

Er zwängte sich, patschnaß und quatschend wie ein nasser Frosch, mit Anna auf dem Arm an Sara vorbei, drohte: „Wir sprechen uns noch!“, knallte seine Wohnungstür mit dem Fuß zu, ließ Anna auf sein Bett gleiten, riß sich die nassen Klamotten vom Leib und sie abermals in seine Arme!

„Du lernst es wohl nie?“, flüsterte Anna schmunzelnd, klammerte sich an ihn, den Kopf auf seiner Brust, genoß nach einer stürmischen, heißen und ziemlich kurzen Nummer seine Zärtlichkeit. Doch er packte sie im langen Haar, zog vorsichtig ihren Kopf hoch:

„Laß mich nie wieder allein! Hast du das verstanden!“

„Tju!“

„Was?“

„Ja!“

„Warum hast du das gemacht?“

„Ich brauchte Abstand, Raphael. Gründlichen Abstand. Habe eine vierzehntägige Nilkreuzfahrt gemacht, mich eine Woche in Kairo umgesehen, im Ägyptischen Museum ein paar Recherchen gemacht und bin seit zwei Wochen bei Sara. Ich mußte über soviel nachdenken, mir über soviel im Klaren werden. Und du“, sie setzte sich auf, langte ihm zärtlich eine, „du hast alles getan, um mich zu vergraulen! Hast gesagt, du wolltest mich nicht, wolltest nicht mehr siegen…“

„Georg sucht dich überall! Hat sogar eine Vermißtenanzeige aufgegeben! Er war gestern hier. Der ist fix und fertig!“

„Ich habe euch reden gehört. Ich sollte gehen, mein Liebling! Euch beide gehen lassen! Ich sollte euch nicht an mich binden. Ich bin das reine Gift! Wir werden alle drei an unserer Beziehung zueinander zugrunde gehen.“

„Aber mich wolltest du nicht nach Assuan gehen lassen? Hast du jetzt endlich kapiert?“

„Ich liebe euch beide!“

Raphael wich sämtliches Blut aus seinem sonnengebräunten Gesicht.

„Ich werde“, Anna zog sich vor Kälte schlotternd die nasse, kalte Decke hoch bis zum Kinn, klemmte sich das nasse Haar hinter die Ohren, „die Scheidungspapiere unterschreiben und, wenn du mich noch willst, deinen Heiratsantrag annehmen. Ich werde versuchen, mir Georg aus dem Herz zu reißen. Er muß sehen, daß er für das Kind eine andere Lösung findet, so daß ich ihm nicht mehr begegne.“

Er zog ihr schweigend die Decke weg, stand vom Bett auf, klaubte seine Klamotten zusammen, öffnete die Terassentür, hängte Decke und Kleider im Garten auf das Wäscheseil, drehte die Klimaanlage ab, zog das Leintuch unter ihr hervor, „Steh mal auf!“, hievte die feuchte Matratze hinaus in die Sonne. Anna trippelte ihm nach, warf das klamme Laken über das Seil, schaute ihm flehentlich in die Augen, „Oder soll ich gehen?“, flüsternd. „Wenn dir das lieber ist?“

Aus seinem Schrank angelt er Shorts und T-Shirt, warf ihr eins seiner Shirts zu.

„Kaffee?“

Zornig knallte er die Pfanne mit den Eiern auf den Tisch. „Du solltest zuhören, wenn ich was sage! Was habe ich gerade eben gesagt?“

„Ich weiß nicht, was du meinst!“ Anna zog sich wie verschämt das riesige T-Shirt bis übers Knie.

„Das wirst du nicht tun! Du wirst weder die Papiere unterschreiben noch mich heiraten! Bis du dir im Klaren bist! Kapiert?“ Resolut schaufelte er von den Eiern auf einen Teller, schob ihn Anna hin, griff sich einen Apfel, biß hinein, nuschelte: „Und jetzt will ich wissen, was das da oben im Gebirge war! Was du da getrunken hast! Wer das war! Was du mir da verabreicht hast! Ich war auf einem Höllentrip! Los! Von Anfang an! Wehe dir, du läßt was aus! Fang an!“

„Ich habe dir nichts verabreicht!“

„Nein? Ich habe sogar den leisen Verdacht, daß du mir eine deiner Schlaftabletten untergejubelt hast, an dem Abend bevor du sang- und klanglos verschwunden bist!“

„Tju!“, flüsterte Anna, „Das geb ich ehrlich zu!“

„Ich faß es nicht!“

„Du solltest Ruhe finden! Das war ein furchtbarer Tag!“

„Was hast du da getrunken?“

„Blut!“

„Blu…“ Schnaufend zog er tief Luft ein. „Bist du noch zu retten? Hatte Georg recht? Als er was von Demenz und Alzheimer faselte? Bei dir daheim, am Silvesterabend?“

„Nein.“

„Und diese Fratze? Wie hast du das gemacht? Hm? Schnell in diesem sandigen Staub eine Gruselmaske à la Stephen King aus deinem Rucksack gezogen?“

„Nein.“

„Nein?“

„Ich bin Bent! Und es ist einst mein Gesicht gewesen. Vor mehr als dreitausenddreihundert Jahren… “

Raphael schob seinen Teller von sich, starrte Anna an wie einen Geist, suchte in ihrer Miene offensichtlich nach einer dreisten Lüge, einer dummen Ausflucht.

„Mein Gesicht. Als es verbrannt war. Als die Hure Bentsachmet starb und nichts als die zerstörte Hülle meines Leibes zurückblieb. Ich habe ihr geschworen Raphael! Sie hat mir geholfen und der Preis dafür war meine Seele…“

„Hure?“

Anna zuckte mit den Schultern. „Tut mir leid.“ Sie trank einen Schluck Kaffee, stocherte in den Eiern auf dem Teller. „Ich war lange bevor man mich Sahu-Re nannte eine Hure, Ranofer. Damals wußtest du das und es störte dich nicht…“ Sie schaute aus dem Küchenfenster hinaus auf die im Nordwind flatternde Wäsche, als würde da draußen die Vergangenheit wieder aufleben. „Meine Seele! Ich habe einst meine Seelen Der Mächtigen verschrieben.“ Anna schauderte, strich sich über die Gänsehaut am Arm, flüsterte: „Ich habe ihr Blut getrunken und jetzt kann sie, sooft sie will, wieder von mir Besitz ergreifen…“

Er schaute ihr abwartend und ungläubig in die Augen.

„Willst du mir zuhören? Es ist eine ziemlich lange Geschichte und du mußt zur Arbeit.“

„Die Geschichte für die langen Winterabende? Ich bin ganz Ohr! Laß mich Karim eine SMS schicken und dann…“

Raphael hörte ihr schweigend zu, als sie von Anfang an alles erzählte. Von der beschwerlichen Jugend in dem vergammelten Haus der Tante, dem anstrengenden Fußmarsch in die Stadt, ihrem jungen Leben im Haus des Men. Wie sie Bek kennenlernte und sie schilderte ihm noch einmal was Amenhotep Sa Hapu ihr angetan hatte. Mit ruhigen Worten beschrieb sie ihren blutigen Schwur, den sie Sachmet leistete, offenbarte, daß sie der mächtigen Göttin geschworen hatte, nie mehr zu lieben, bis hin zu jenem Augenblick, da sie als Herrin vom Isistempel Ranofer begegnete, so dumm war, ihm ihre Liebe zu gestehen und er von Sachmet für Bents Vergehen bestraft werden sollte. Und sie erzählte von seinem qualvollen Sterben und der grauenvollen Nacht im Allerheiligsten, dem furchtbaren Morgen der darauffolgte, als Bent klar wurde, daß Ranofer sie vergessen hatte. Abschließend schilderte sie die Reise nach Swenu, erzählte vom Auffinden ihres Vaters, der Rache an ihren Verwandten, seinem Weggang nach Swenu.

Längst war der Kaffee kalt, die Eier ebenso, der angeknabberte Apfel in Raphaels Hand bereits rot angelaufen.

„In diesem Flakon“, Raphael räusperte sich, legte den Apfel beiseite, packte Annas Hand, „war also dein eigenes, dreitausend Jahre altes Blut?“

„Nein. In diesem Flakon war das Blut der Göttin! Iaret hat es aufgefangen. Teje hat es verwahrt.“

„Es war flüssig! Wie kann…“

„Es ist Sachmets Blut!“

„Hör mal mit diesem Unsinn auf! Warum hast du das gemacht? Du könntest krank werden! Weiß Gott wieviele Bazillen in der Brühe schwammen!“

„Es war der einzige Ausweg uns zu retten, Raphael. Ich mußte sie wieder in mein Herz, meine Seelen lassen. Ich wußte genau, was ich tat, tun mußte, um Roth zu vertreiben. Es gab keine andere Lösung. Und ich glaube, hoffe, ich kann Sachmet mit Isis Hilfe in Bann halten, weiterhin bändigen. Sie wird es nicht wagen, ihre Wut an mir auszulassen. Schließlich habe ich nicht nur das beschützende Tattoo, auch noch den Papyrus; also die Speicherkarte mit den Bildern davon und die abgemalte Kopie… Mächtige Worte! Zaubersprüche…“ Abermals schweifte Annas Blick hinaus in die Ferne. Sie stand auf, holte ihre Zigaretten vom Couchtisch, betrat die Terrasse, zündete sich eine an, schaute hinüber zum Westgebirge.

„… klappe deine beiden Kiefer auf, damit du Feuer speist in die Feinde meines Vaters…“

„Was?“

Raphael trat neben sie, stibitzte ihr die Kippe, gönnte sich einen tiefen Zug.

„Der alte Mann war Amenhotep Sa Hapu!“, flüsterte sie schließlich.

„Wie bitte? Noch eine Reinkarnation? Das war kein Scheiß den du mir neulich da oben erzählt hast? Ich dachte du seist aufgewühlt, erschüttert von den Ereignissen; ich nahm dich nicht ernst!“

„Sachmet hat ihn wegen seiner Taten verflucht, niemals zu sterben, deshalb verbrachte er sein unendlich trauriges Leben im Elend. Nur Sutech konnte ihn töten. Ich hoffe…“ Sie verstummte, blickte in Raphaels ungläubiges Gesicht, zupfte ihm die Zigarette aus den Fingern, setzte sich in einen der Sessel.

„Vergiß diesen alten Sack, diesen Amenhotep! Der hat‘s hinter sich! Wer ist dieses Schwein Sutech? Aus Sara bekam ich nichts raus.“

„Das kann und darf ich dir nicht sagen! Es ist zu deinem Schutz, glaube mir. Ich kann es dir nicht sagen!“

„Das ist ein Mörder, Anna! Er hat diesen alten Mann kaltblütig erschlagen!“

„Das kann dir doch recht sein! Du wolltest ihn doch selbst töten!“

„Darum geht es nicht!“

„Mißt du mit zweierlei Maß? Das Resultat ist das Gleiche!“

„Roth wollte eigentlich dich treffen!“ Er beugte sich zu ihr herunter, die Hände auf den Lehnen, sein Gesicht dicht vor ihrem. „Das ist es, was mich stutzig macht! Wer ist das? Wie kannst du dich mit solch gefährlichen Leuten einlassen? Geht es immer noch um Antiquitätenschmuggel? Was wollte er von dir? Hast du außer der Phiole noch etwas Wertvolles gefunden, vielleicht sogar unterschlagen? Dieses Schwein gehört weggesperrt; stattdessen geht er bei meiner Mutter ein und aus!“

„Sie liebt ihn anscheinend!“

„Mir fehlen die Worte!“ Wütend schlug Raphael die flache Hand auf die Tischplatte. „Anna! Du sagst mir jetzt, wer das ist oder…“

„Es geht nicht um Antiquitätenschmuggel. Dahingehend kann ich dich beruhigen. Aber ich sage dir niemals wer Roth ist! Selbst wenn du es aus mir rausprügeln wolltest!“

WINTER PALACE, LOBBYDONNERSTAG, 22. MÄRZ

Das Schnurren des roten Käfers beruhigte Anna. Der rasselnde, klingelnde Ton versprach Beständigkeit, Alltag, Normalität. Und sie war heilfroh, daß sie und Raphael sich die beiden letzten Tage ausgesprochen und ausgesöhnt hatten, ihre Beziehung wieder so heil und ganz wie vorher war, als sei nichts geschehen, sei sie nicht fremdgegangen, hätte sie ihn nicht zutiefst verletzt.

Mit Schwung fuhr Anna in die breite Einfahrt vom Winter Palace, winkte Karim zu, rief fröhlich: „Bin gleich wieder weg“, und stieg voller Frohmut die einundzwanzig Stufen mit den roten Teppich hoch. Oben trat sie durch die Drehtür, huschte durch den Detektor in die kühle Lobby, wandte sich nach rechts der Rezeption zu, stolperte fast über einen dicken, großen, vollgepackten Trekking-Rucksack, der mitten im Weg stand.

Ibrahim schaute sie mit konsternierter Miene an, nickte dem jungen, schlanken Mann an der Theke freundlich aber bedauernd zu, „Nein mein Herr“, betonend, „tut mir leid, da kann ich keine Auskunft geben!“

„Aber man sagte mir, daß Herr Ney hier arbeitet! Can't you at least tell me where I can find him?“

Anna streckte die Hand aus, nahm von Ibrahim ihre Post in Empfang, schaute neugierig zu dem großen blonden süßen Kerlchen hin, betrachtete ihn von der Seite. Rucksacktourist! Student! Groß! Bestimmt über einsachtzig, schlank. Sneakers, den Schritt der lässigen Jeans halb in den Kniekehlen, das Basecap mit dem Schirm nach hinten, Hoodie … Der suchte bestimmt eine Anstellung, einen Ferienjob. Jetzt drehte er sich zu ihr hin und augenblicklich verschlug es ihr die Sprache!

„Can I help?“, fragte sie Ibrahim heiser, der schüttelte den Kopf. Abwartend trat Anna ein Stück zur Seite, stolperte jetzt tatsächlich über dieses Ungetüm von Rucksack. Sein Besitzer, flink wie ein Wiesel, fing sie auf!

„Wow! Immer schön langsam! Always be careful, Mylady! Excuse me! Sorry, Lady! Meine Schuld!“ Er zog die Mütze ab, machte eine kleine Verbeugung.

„Schon gut!“

Sie starrte in sein hübsches, markiges Gesicht, betrachtete das kurze, gewellte, goldblonde Haar, erblickte leuchtend grüne Augen …

„Deutschland!“, strahlte er. „Das hätte ich nun gerade nicht erwartet. Nochmal Tschuldigung!“ Er schulterte lässig das Ungetüm von Rucksack und verließ die Lobby.

„Kein Wort!“, giftete sie Ibrahim an.

„Natürlich nicht, Anna!“

Sie drehte sich um, lief schnurstracks Georg in die Arme, der gerade von dem breiten Korridor in die Lobby trat.

„Süße! Komm her mein Schatz! Bin ich froh dich zu sehen!“ Er hauchte ihr zärtlich zwei Küßchen auf die Wangen, zog sie zu der gemütlichen Sitzgruppe neben dem Ausgang zum Garten.

„Wo ist Leon?“

„Bei Raphael. Wo warst du eigentlich? Hm? Ah, an der Ausgrabung! Ich habe keine Zeit, Maus, gleich einen wichtigen Termin in der Victorian Lounge. Stell dir vor, ich kann endlich die Ferienanlage bauen! Deswegen bin ich ja eigentlich hier…“

„Und ich glaubte tatsächlich, du machst dir Gedanken um mich, Freundchen!“, zischte sie ihn an.

„Hör auf zu zicken! Das wird grandios, Mäuschen. Ein Luxus-Traum aus Tausendundeiner Nacht! Wir richten alles im altägyptischen Stil ein… natürliche Materialien, nachhaltig und all das… mit den besten Handwerkern aus Luxor… Das wird phantastisch. Eine Wohnung für uns lasse ich gleich mit einplanen… Ich habe einen gutsituierten Investor gefunden, hier aus dem Ort, reich wie Krösus, alteingesessene Familie, der weiß gar nicht wohin mit seinem ganzen Vermögen. Er hat ein wunderbares Grundstück… war total fasziniert von meinen Plänen, in der Nähe vom… von dem Schutthaufen… Malkatta oder wie das heißt, von irgendeinem König, der, wo du einmal gebuddelt hast…“

„Schnappatmung, hä? Krieg dich mal wieder ein!“

„Oh, da ist er! Ich muß dich ihm vorstellen, Hasi! Er wird dich lieben! Sei so lieb, laß all deinen Charme spielen!“

Anna zog eine Schnute, biß sich auf die Unterlippe, mümmelte wie ein Kaninchen, spottete: „So lange ich ihn nicht mit Käsehäppchen und Möhrchen bewirten muß, kann mir das egal sein!“ Sie stand auf, betrachtete den attraktiven, eleganten Herrn, der auf seinem Weg in die Victorian Lounge Georg bemerkte und mit ausgebreiteten Armen, gutgelaunt „Mister Berger! Mar Haban!“ rufend auf sie beide zukam. Neben diesem vornehmen, hoheitsvoll wirkenden Mann wirkte selbst Georg blaß und unscheinbar. Was für eine imposante Erscheinung!

„Die Gattin?“, strahlte er sie an. „Welch eine Freude, Madame Berger!“ Der Herr griff nach Annas Hand, hauchte nonchalant einen Kuß darüber.

„Enchanté Madame!“

WESTBAANK, RAPHAELS HAUSAM GLEICHEN NACHMITTAG

Dieser Blick!

Das konnte doch nicht sein Ernst gewesen sein!

Er flirtete! Für einen einzigen kurzen Wimpernschlag blitzte es in seinen Augen, saß ihm – wie bei einem übermütigen Lausbub – der Schalk im Nacken …

Anna fehlte es im Moment definitiv an Gesprächsstoff. Mit dem Fuß wippend, über den jungen Mann und Georgs neuen, charismatischen Geschäftspartner nachdenkend, schaute sie schweigend zu, während Raphael den Grill entzündete, reichte sie Leon, der Raphael helfen durfte, ein Apfelstückchen, stand auf, sammelte seine Spielsachen ein, deckte schon mal den Tisch.

„euer“

„Da läßt der kleine Mann aber ganz schnell die Finger davon!“ „euer feiß“, pustete Leon mit seiner süßen Schnute.

„Ja! Feuer! Das ist heiß!“

Raphael klemmte sich den Kurzen unter den Arm, setzte sich mit ihm auf die Gartencouch, erhob sich wieder, weil es klingelte, raunzte ein unwilliges „What do you want?“ in die Sprechanlage.

„Karim sends me. With important Documents“, hörte Anna es aus dem Lautsprecher kratzen.