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Der erste Teil der romantischen Hochzeits-Trilogie rund um die sympathische Heldin Penny lädt Leserinnen zum Mitfiebern, Mitfreuen, Mitseufzen und Mitschmunzeln ein. Wenn Sie Hochzeiten und alles rund um das Thema Liebe und Romantik mögen und vielleicht schon heimlich Ihre eigene Traum-Hochzeit geplant haben, dann ist die neue Serie um Penny Robinson genau das Richtige für Sie. In Teil 1 schmiedet Penny große Pläne für ihre Hochzeit. Ein unvergessliches Fest soll es werden, märchenhaft, romantisch und perfekt bis ins kleinste Detail. Um ihre Träume wahr werden zu lassen, haben sie und ihr Freund Mark eigens ein Hochzeits-Konto angelegt, auf das sie monatlich Geld einzahlen. Denn so eine Märchenhochzeit ist nicht gerade billig. Als Mark endlich um ihre Hand anhält, will Penny sofort mit den Vorbereitungen für den großen Tag beginnen. Doch dann stellt sie entsetzt fest, dass sie den Großteil des Geldes beim Online-Bingo verzockt hat – und nicht vermehrt, wie sie ursprünglich dachte. Das darf Mark auf keinen Fall erfahren! Damit die Traumhochzeit trotzdem stattfinden kann, ist Pennys ganzer Einfallsreichtum gefragt. Für die schönste Zeit des Jahres: humorvolle Hochzeits-Romantik mit originellen DIY-Tipps. Lockerleichte, witzig-romantische Frauenunterhaltung aus England rund um das Thema Heiraten für die Fans von Mhairi McFarlane. Die Engländerin Anna Bell ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Sie sagt von sich selbst, sie sei eine hoffnungslose Romantikerin und liebe nichts so sehr wie ein gut gemachtes Happy End. Mittlerweile lebt sie mit ihrer Familie in Frankreich in einem wildromantischen Haus.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 440
Veröffentlichungsjahr: 2017
Anna Bell
Sag einfach nur ja
Roman
Aus dem Englischen von Silvia Kinkel
Knaur e-books
Penny große Pläne für ihre Hochzeit. Ein unvergessliches Fest soll es werden, märchenhaft, romantisch und perfekt bis ins kleinste Detail. Um ihre Träume wahr werden zu lassen, haben sie und ihr Freund Mark eigens ein Hochzeitskonto angelegt, auf das sie monatlich Geld einzahlen. Denn so eine Märchenhochzeit ist nicht gerade billig.
Als Mark endlich um ihre Hand anhält, will Penny sofort mit den Vorbereitungen für den großen Tag beginnen. Doch dann stellt sie entsetzt fest, dass sie den Großteil des Geldes beim Online-Bingo verzockt hat – und nicht vermehrt, wie sie ursprünglich dachte. Das darf Mark auf keinen Fall erfahren! Damit die Traumhochzeit trotzdem stattfinden kann, ist Pennys ganzer Einfallsreichtum gefragt.
Für Steve:Ohne deine Ermutigung wären die Wörter nie geschrieben worden.
An ihrem Hochzeitstag sollte sich jede Frau wie eine Prinzessin fühlen, das ist praktisch Gesetz. Als ich an meinem glitzernden Kleid hinunterschaue, so leicht und duftig, dass Mary Berry vor Neid die Tränen kommen würden, fühle ich mich genau so: wie eine Prinzessin.
Während wir zu den Klängen des Hochzeitsmarsches den Saal betreten, muss mein Dad sich echt zusammennehmen. Er ist vor Rührung sprachlos, und ich sehe Tränen in seinen Augen. Ich schreite den Gang entlang, und meine Freunde und die Familienangehörigen strahlen mich an. Ich weiß, was sie denken: dass ich das schönste Kleid trage, das sie je gesehen haben. Alle außer meiner Tante Dorian. Ihre Miene ist grimmig, weil ich vermutlich die Hochzeit meiner geschätzten Cousine Dawn in den Schatten stelle.
Und dann entdecke ich meinen gutaussehenden Bräutigam, der mir auf der ganzen Welt der liebste Mensch ist. Dort steht er in seinem maßgeschneiderten Anzug und sieht unheimlich sexy aus. Sich vorzustellen, dass ich in wenigen Minuten Mrs. Mark Robinson sein werde … Ich höre den Song Mrs. Robinson von den Lemonheads laut in meinem Kopf, er übertönt den Hochzeitsmarsch.
Meine Mum sitzt in der ersten Reihe und sieht unglaublich selbstzufrieden aus. Ich kann mir schon denken, wie sie dieses Jahr die Flut von Weihnachtskarten gestalten wird. Die Kinder all ihrer Freundinnen werden sich minderwertig fühlen, wenn man ihnen die Fotos von Mark und mir zeigt – Fotos, auf denen wir einfach umwerfend aussehen bei der wundervollsten Hochzeit dieser Welt.
Der Saal in der Burg ist schöner, als ich es mir je erträumt hätte. Die in den Mauernischen flackernden Kerzen umgibt ein warmes Glühen, und die schlichten Vasen mit den langstieligen weißen Rosen, die den Gang säumen, sind das i-Tüpfelchen.
Am Ende des Ganges bleibe ich neben Mark stehen. Er beugt sich zu mir und flüstert, dass ich wunderschön aussehe, so wie Prinz William es bei Kate getan hat. Ich lächle und schaue ihm in die Augen, was einfacher ist als sonst, denn mit meinen traumhaften Jimmy Choos bin ich nur noch etwa fünf Zentimeter kleiner als er.
Ich gebe Lou, meiner Trauzeugin, den Brautstrauß. Sie trägt ein schlichtes lilafarbenes Kleid im Empire-Stil, das mir fast so gut gefällt wie mein Brautkleid. Meine Schwester steht neben ihr, mit meiner Nichte, die sich an Mamas Bein klammert und aussieht wie ein kleiner Engel.
Das ist der glücklichste Tag meines Lebens. Ich. Bin. Eine. Prinzessin.
In genau diesem glückseligen Moment gibt der Computer das scheußlichste Geräusch von sich, das man sich vorstellen kann.
Das künstliche Jubeln der Menge reißt mich aus meinem Tagtraum und holt mich zurück in mein winziges Schlafzimmer. Strategisch vorteilhaftes Kerzenlicht ist dem schwachen Schein der Energiesparlampe gewichen, und statt der Jimmy Choos und einem Brautkleid von Vera Wang trage ich meine Baggy-Boyfried-Jeans, einen übergroßen gemütlichen Pulli und Wollsocken mit Zeichentrickfiguren drauf.
In fluoreszierendem Pink und Gelb steht auf dem Bildschirm: Bingo. Ich hatte es gerade rufen wollen. Mir fehlte nur noch eine Nummer. Es war das Spiel. Das Spiel, das ich gewinnen sollte. Das es mir ermöglicht hätte, mir die Jimmy Choos zu kaufen. Das mich der Hochzeit meiner Träume einen Schritt näher gebracht hätte. Der Hochzeit in dem Schloss, wo ich schönste Braut aller Zeiten sein würde.
Und jetzt hat LuckyLes11 meine 500 Dollar gewonnen. Lebt wohl, Jimmy Choos.
Wenn ich beim Bingo verliere, überkommt mich jedes Mal eine leichte Übelkeit. Aber wenn ich so knapp vor dem Sieg verliere, dass ich das Geld im Kopf schon ausgegeben habe, ist es noch viel schlimmer.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch – ich spiele nicht oft. Nur hin und wieder. Jetzt ist so ein »Hin«, während ich darauf warte, dass Mark von der Arbeit nach Hause kommt. Ich habe die neueste Ausgabe von Bridal Dreams durchgeblättert und dabei diese Top-Ten-Hochzeitsschuhe gesehen, die man einfach besitzen muss. Ich habe mich sofort in Paar Nummer zwei verliebt und dachte, dass ein netter kleiner Versuch beim 90-Ball-Bingo sie mir verschaffen würde, von wegen Schicksal und so.
Aber das Schicksal sieht es wohl anders. Jede Wette, dass LuckyLes11 fette Knöchel hat und in Jimmy Choos fürchterlich aussehen würde. Aber ich bin nicht enttäuscht, ehrlich nicht.
Die Wohnungstür fällt mit einem lauten Knall ins Schloss. Mark ist zu Hause.
Schneller, als man »Tschüss, Jimmy Choos« sagen kann, logge ich mich bei Fizzle Bingo aus und schließe meine private Browser-Sitzung. Als ich höre, wie Mark seine Schuhe auszieht, suche ich schon bei Amazon nach Büchern. Gott, bin ich gut – oder einfach routiniert. In jedem Fall habe ich das Gefühl, gerade meinen Freund zu hintergehen.
Ja, richtig, meinen Freund. Sie haben erwartet, dass ich sage mein Verlobter, stimmt’s? Immerhin plane ich die wunderbarste Hochzeit der Welt und habe gerade versucht, das Geld für die perfekten Brautschuhe zu gewinnen.
In Wahrheit sind wir nicht verlobt. Was nicht heißen soll, dass wir nicht heiraten, was wir nämlich tun werden. Wir haben uns einfach noch nicht verlobt, aber das kommt noch. Wir haben eine Hochzeitskasse und so. Mark, mein hoffentlich baldiger Verlobter, ist echt vernünftig. Er hat jeden Schritt unseres Lebens geplant.
»Penny?«
»Bin hier.«
»Bist du fertig, damit wir gehen können?«, fragt er und öffnet die Zimmertür.
Entsetzt sieht er mich an.
»Ja«, antworte ich und schlage die Bettdecke zurück, damit er sehen kann, dass ich vollständig angezogen bin und nicht etwa zur Hälfte im Pyjama stecke. »Was ist?«
Mark hatte mir eine SMS ins Büro geschickt, dass er mich zum Abendessen ausführen will. An einem Montag kann das nur eines bedeuten: Das All-you-can-eat-Büfett beim Inder. Aus irgendeinem Grund haben sie immer die Klimaanlage an, selbst im Winter. Deshalb habe ich mich angemessen gekleidet, in einem Zwiebellook, mit dem ich dem Michelin-Männchen Konkurrenz machen könnte.
»So etwas ziehst du an, wenn ich mit dir essen gehen will?«
»Ich dachte, wir können doch auch was holen, im Bett essen und einen Film dabei anschauen?«
Ich sollte an dieser Stelle erwähnen, dass ich es hasse, im Bett zu essen. Aber es gibt Dinge, die Sie wissen müssen: a) Es ist Januar, b) unser kleines viktorianisches Reihenhaus hat keine gute Zentralheizung, und c) unser Bett ist das gemütlichste auf diesem Planeten. In diesem Moment konnte mich so ziemlich gar nichts daraus hervorlocken. Nicht einmal der Gedanke an unzählige Papadams, diese frittierten Fladen aus Linsenmehl.
»Im Bett? Fühlst du dich nicht wohl? Nein, komm schon, ich habe Lust, auszugehen. Das haben wir seit Ewigkeiten nicht gemacht. Und da ich nicht mehr für meine Prüfungen lernen muss, können wir das doch spontan mal machen. An einem Arbeitstag auszugehen fühlt sich irgendwie unanständig an.«
»Wenn du dich unanständig fühlen willst, wüsste ich andere Dinge, die ich mit dir anstellen kann.« Ich hätte wirklich alles getan, um im Bett bleiben zu können. Na ja, fast alles – ich bin kein Fan von Fifty Shades of Grey.
»Penelope, raus aus dem Bett, und zieh dir ein Kleid an! Wir gehen aus.«
Oho. Er spielt die Penelope-Karte. Offenbar stecke ich in Schwierigkeiten. Bevor ich mich’s versehe, zieht Mark mich aus dem Bett.
»Ein Kleid? Wohin gehen wir denn?«, frage ich seufzend. Wenn wir schon kein Curry essen, wäre Pizza nicht schlecht, vielleicht Pizza Express oder Ask.
»Ich habe für uns im Chez Vivant reserviert.«
»Im Chez Vivant? Wie um alles in der Welt hast du dort einen Tisch bekommen?«
Meine Stimme klingt plötzlich eine Oktave höher. Chez Vivant ist dort, wo ich lebe, das Restaurant. Da gehen Leute essen, die mit ihren Privatjets in Farnborough zwischenlanden, bevor sie weiterfliegen zu irgendwelchen exotischen Zielen. Das Restaurant hat eine Warteliste, die so lang ist wie mein Arm, und mehrere Michelinsterne. Mark und ich haben es noch nie mit unserer Anwesenheit beehrt.
Doch ich habe mir schon oft vorgestellt, dass Mark mich dorthin einladen würde, um mir einen Antrag zu machen. Plötzlich läuft das Lied von den Lemonheads mit einer schnelleren Umdrehung in meinem Kopf, und ich habe Herzklopfen. Jetzt kommt also der Moment, auf den ich gewartet habe.
»Ich hab gerade deren Steuererklärung abgeschlossen, und als Dank, dass ich die Pfuscherei ihrer früheren Steuerberater bereinigt habe, dürfen wir beide dort kostenlos zu Abend essen.«
Die Endlosschleife der Lemonheads kommt abrupt zum Stehen. Ich verstehe. Mark hatte nicht vor, eine weitere Hypothek auf unser Haus aufzunehmen, um mir einen Antrag zu machen. Er lud mich zu einem Gratisessen seiner Klienten ein.
»Toll«, sage ich und versuche, mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Immerhin gehe ich ins Chez Vivant und kann meine Freunde damit vor Neid zum Weinen bringen. Vor ein paar Monaten sind Posh und Becks dort gesehen worden. Es besteht also immerhin die winzige Hoffnung, dass ich zumindest einen C-Promi wie die aus The Only Way is Essex sehe.
»Na los. Der Tisch ist für halb acht reserviert, wir müssen uns also beeilen.«
»Okay.« Halb acht? Mir bleibt nicht einmal eine Stunde. Mark versteht natürlich nicht, dass man sich die Haare machen muss, bevor man an einen Ort wie das Chez Vivant geht. Weniger als eine Stunde, um mich fertig zu machen, ist ein Ding der Unmöglichkeit.
Trotzdem treten wir exakt eine Stunde später durch die Tür des Chez Vivant. Das zeigt, dass meine Lehrer in der Schule recht hatten: Wenn ich mich richtig anstrenge, schaffe ich alles im Leben.
Gnädigerweise haben sich meine krausen Haare so glatt föhnen lassen, dass sie es fast nicht überlebten. Und dank einer kompletten Dose Haarspray bleiben sie bisher in dem Chignon.
Ich trage ein entsetzlich teures »Eines Tages werde ich es anziehen, ganz bestimmt, Mark«-Kleid. Und seht her, ich habe es an. Es hat lediglich drei Jahre gedauert. Ich weiß nicht, ob Sie finden würden, dass es den Preis wert ist, aber es sieht umwerfend aus. Darunter trage ich einen passenden String, der mir in den Hintern schneidet wie Käsedraht, und einen sexy trägerlosen BH aus Spitze. Beides bringt mich fast um, aber es ist die Gesamtwirkung wert.
Nur schade, dass die Schuhe von Net sind und keine Jimmy Choos, die ich jetzt besitzen könnte, wenn LuckyLes11 mir nicht in die Quere gekommen wäre. Ich darf nicht zulassen, daran zu denken. Denn selbst wenn ich gewonnen hätte, ist es ja nicht so, als hätten wir in Farnborough einen Jimmy-Choo-Shop, in den ich heute Abend noch schnell hätte laufen können.
»Du sieht toll aus«, sagt Mark, während wir unsere Mäntel an der Garderobe abgeben. »Für einen Moment war ich versucht, dich aufs Bett zu werfen, statt auszugehen.«
Das sagt er mir jetzt! Wenn ich gewusst hätte, dass ich nur dieses Kleid anziehen muss, um ihn dazu zu bringen, mit mir im Bett zu bleiben, hätte ich es schon vor zwei Stunden angezogen. Aber was rede ich denn da? Ich stehe im Chez Vivant!
Drinnen ist es so, wie ich es mir vorgestellt habe. Riesige Kronleuchter und ringsum schwere rote Samtvorhänge. Es wird sogar ein Schwarzweißfilm an die Decke projiziert. Alles stinkt förmlich nach Geld.
»Wir haben reserviert, unter dem Namen Robinson«, sagt Mark zum Oberkellner.
Ich kann nicht glauben, wie erwachsen und selbstsicher er an diesem Ort wirkt. Seit ich diesen Raum betreten habe, fühle ich mich wie ein Kind auf der Party von Erwachsenen. Mich befällt der narzisstische Gedanke, dass mich alle im Restaurant ansehen, als würden sie wissen, dass wir unser Essen umsonst bekommen und uns diesen Laden normalerweise gar nicht leisten können.
So viel dazu, dass ich Promis beobachten will. Ich traue mich gar nicht, jemanden anzusehen, aus Angst, dass alle den Preis meines Kleides abschätzen und gleichzeitig erkennen, dass es nicht aus dieser Saison ist.
Der Oberkellner nickt uns diskret zu und führt uns quer durch das Restaurant. In dem Moment bemerke ich den Fußboden. Glänzende schwarze Fliesen mit eingelassenen Diamanten. Das Licht fängt sich darin, und sie funkeln wie Sterne am Himmel. Normalerweise wäre ich wahnsinnig beeindruckt, aber der Boden ist nicht nur superglänzend, sondern auch superglatt. Ich könnte genauso gut High Heels mit Sohlen aus Eis tragen, dann hätte ich auch nicht weniger Halt.
Vergessen ist die Angst, dass die anderen Gäste mein Outfit taxieren. Jetzt werden sie mich nur noch danach beurteilen, dass ich watschle wie eine Ente und mit den Armen rudere wie beim Seiltanzen. Bevor ich einen Spagat mache, schaffe ich es im letzten Moment, mich an Marks Arm festzuhalten. Ich würde nicht nur mein Kleid bei seinem ersten Ausgang zerreißen, sondern mit meinem String auch vermutlich eine Menge Gäste aus der Fassung bringen.
»Bitte sehr«, sagt der Oberkellner, er hat nichts mitbekommen von der »Bambi on Ice«-Einlage hinter seinem Rücken. Er deutet auf die Vorhänge in einer Ecke, und ich frage mich, wohin er uns bringt. Er zieht die Vorhänge auf und enthüllt ein mit Samt ausgeschlagenes Séparée. Vielleicht lassen sie die Vorhänge zu, wenn niemand in den Séparées sitzt, damit das Restaurant voller aussieht. Ich gleite hinein. Es ist fast so bequem wie in meinem Bett. Vielleicht hat es sich am Ende doch gelohnt, aufzustehen. Als Mark mir gegenüber Platz nimmt, zieht der Oberkellner die Vorhänge wieder zu.
Oh, mein Gott, es ist ihnen peinlich, dass wir hier sind.
»Sind wir so etwas wie die arme Verwandtschaft?«, frage ich. Am besten Witze darüber machen, bevor es Mark peinlich wird.
»Was meinst du damit?«
»Na ja, er hat die Vorhänge zugezogen.«
»Pen, das hat er gemacht, damit wir Privatsphäre haben. Diese Séparées sind für Gäste, die beim Dinner ungestört sein wollen.«
»Klar.« Ich nicke. »Das wusste ich.«
Ich wusste es nicht. Jetzt werden wir den ganzen Abend hungern müssen, da wir keine Chance haben, den Kellner heranzuwinken.
Mark drückt auf etwas, das aussieht wie eine Türklingel, und Sekunden später taucht hinter dem Vorhang ein Kellner auf.
»Ja, bitte, Sir?«
»Wir hätten gern für den Anfang ein Flasche Châteauneuf-du-Pape«, sagt Mark.
Ich habe gerade die Weinkarte vor mir und reiße beim Anblick des Preises die Augen auf. Gott sei Dank ist es ein Gratisessen.
»Eine ausgezeichnete Wahl, Sir. Der Wein kommt sofort.«
Der Kellner hält Wort, und nur Minuten später hat er mir den besten Wein eingeschenkt, den ich je getrunken habe. So leben andere also. Daran könnte ich mich gewöhnen.
»Auf den Beginn eines ganz besonderen Abends«, sagt Mark und erhebt sein Glas.
Wir stoßen an, und ich achte darauf, dass wir uns dabei tief in die Augen sehen. Je intensiver der Blickkontakt, desto leidenschaftlicher der Sex, sagt meine Freundin Lou immer. Oder so ähnlich.
Als meine Dreierlei-Dessert-Variation serviert wird, bin ich eigentlich schon pappsatt. Aber auf keinen Fall will ich hier weggehen, ohne drei Gänge gegessen zu haben. Woran liegt es nur, dass Essen besser schmeckt, wenn ein anderer die Rechnung übernimmt?
Mark drückt auf die Klingel.
»Ich kann nichts mehr essen, Mark«, sage ich und lege stöhnend die Hände auf meinen Bauch.
»Wir nehmen eine Flasche von dem Moët«, sagt Mark zu dem Kellner.
Moët? Die werden uns im Leben bei einem Gratisessen keinen Moët servieren. Die sind doch nicht dämlich, oder? Oder aber mein Freund Mark ist der beste Steuerberater der Welt.
»Warum hast du das gemacht?«, zische ich ihm über den Tisch hinweg zu.
»Weil wir feiern, Penny.«
»Tatsächlich?«, frage ich. »Was feiern wir denn?«
Vielleicht feiern wir die Tatsache, dass er zum weltbesten Steuerberater gekrönt wurde. Vielleicht ist das hier der Beginn von vielen wunderbaren Gratisessen.
»Das hier«, sagt Mark.
Oh. Mein. Gott. Da ist er, in seinen Händen. Stufe vier des Lebensplans, den Mark für uns entworfen hat. Auch bekannt als Verlobungsring. Ein schmaler Ring mit perfekt geformtem Diamanten im Prinzess-Schliff, der den vier Cs alle Ehre macht (Cut – Schliff, Colour – Farbe, Clarity – Reinheit und Carat – Karatgewicht). Er ist bei weitem das Schönste, was ich je gesehen habe.
»Also, willst du mich heiraten, Penelope?«
Zum Glück gibt es diesen Vorhang, denn gleich darauf stürze ich mich auf Mark wie eine verzweifelte Frau, die dachte, dieser Tag würde niemals kommen.
»Aber natürlich will ich das, verflucht!«
»Ähem.«
Ich höre auf, Marks Gesicht abzuknutschen, und wische mir verlegen über den Mund, während der Kellner die Champagnerflasche entkorkt.
»Auf dich, die zukünftige Mrs. Robinson«, sagt Mark und erhebt sein Glas.
Wir stoßen an, und dieses Mal klingen keine Lemonheads, sondern nur der Hochzeitsmarsch in meinen Ohren.
Ich schaue auf den Ring an meinem Finger. Sein Gewicht ist perfekt, so dass ich spüre, etwas ganz Besonderes und Kostbares an meiner linken Hand zu tragen. Als hätte meinem linken Ringfinger immer etwas gefehlt, und nun hat er seine Jungfräulichkeit verloren und fühlt sich vollständig an.
Ich bin gerade dabei, in eine Hochzeitsfantasie abzutauchen, in der ich das perfekte Hochzeitskleid kaufe, das zu diesem Ring passt, als ich merke, dass Mark mit mir spricht.
»Wir müssen uns mal die Kontoauszüge der Hochzeitskasse ansehen, damit wir wissen, was wir uns in Bezug auf die Hochzeit leisten können.«
Oh. Meine Wangen schmerzen plötzlich, weil ich sämtliche Muskeln aktiviere, um mein Lächeln beizubehalten. Mark darf die Kontoauszüge nicht in die Hände bekommen, da ich dieses Konto auch beim Bingo-Spielen nutze. Dann würde er die Eingänge meiner Bingo-Gewinne sehen. Selbst wenn ich mittlerweile das Konto mit mehreren tausend Pfund Gewinn aufgestockt haben müsste, würde er es nie gutheißen, dass ich Bingo spiele.
»Wie wäre es, wenn ich die Hochzeit plane, Liebes? Es könnte mein Geschenk für dich sein! Dann musst du nichts tun, außer zu erscheinen. Es wird so sein wie in dieser TV-Show Trau Dich – den REST erledige ich.«
»Klingt sogar noch besser. Auf uns«, sagt er und trinkt einen Schluck Champagner.
»Auf uns«, erwidere ich. Teufel auch. Es gibt jetzt schon jede Menge, was der Bräutigam auf keinen Fall wissen darf.
Bist du sicher, dass du nicht lieber direkt ins Bett gehen willst?«, frage ich. »Sollten wir unsere Verlobung nicht vollziehen? Gilt sie sonst überhaupt?«
Ich schaue hoch zu Mark, in der Hoffnung, dass die Verlockung, mich nackt zu sehen, stärker ist als der Buchhalter in ihm.
»Komm schon, wir haben nie reingeschaut, damit es eine Überraschung ist, wenn wir uns verloben. Ich will einfach nur wissen, wie groß diese Hochzeit werden kann, die du zu planen gedenkst.«
Ich unterlasse es, Mark zu korrigieren. Wir haben uns die Auszüge nicht angesehen, damit er nichts von meinen Bingo-Gewinnen mitbekommt.
»Okay«, sage ich zögernd.
So habe ich mir das Ende meines Verlobungsabends nicht vorgestellt. Ich dachte, dass wir unseren Lieben übers Handy mit schrillen Stimmen die Neuigkeiten verkünden würden. Aber da es nach zehn Uhr abends an einem Montag ist, haben wir entschieden, uns dieses Vergnügen für den nächsten Tag aufzuheben. Und anschließend, so das Ende meiner perfekten Verlobungsfantasie, hätten wir es gerade noch über die Türschwelle geschafft und hemmungslosen Sex auf der Treppe gehabt. Dass es a) auf der Holztreppe nicht sonderlich bequem und b) in unserem schlecht geheizten Haus ziemlich kalt sein würde, habe ich ausgeblendet. Aber wenn du dich verlobst, muss es doch eine leidenschaftliche Begegnung der besonderen Art geben, oder? Die Kontoauszüge zu checken tauchte jedenfalls bisher in keiner meiner Fantasien auf. Aber so ist das anscheinend, wenn man einen Steuerberater heiraten wird. Ich sitze in meinem sexy Kleid und Marks Bademantel auf dem Bett im Gästezimmer, als er mir die Umschläge mit den Kontoauszügen überreicht.
Ich hole tief Luft. Immerhin macht bei einer Hochzeit ein Unterschied von 500 Pfund riesig viel aus. Es ist genau der Unterschied zwischen haben und nicht haben von solchem Luxus wie einem Zauberer, der die Gäste unterhält, einer Zuckerwattemaschine oder einem Süßwarenstand beim abendlichen Empfang.
Ich suche den Umschlag mit dem aktuellsten Datum heraus, überfliege den Inhalt mit halb geschlossenen Augen und hätte vor Freude beinahe gejuchzt. Steht da tatsächlich £ 15355? Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. Fünfzehntausend ist okay, obwohl ich insgeheim von etwa zwanzigtausend ausgegangen war. Aber bei fünfzehntausend ist immerhin ein Vera-Wang-Kleid drin, oder?
»Also, über wie viel reden wir?«, fragt Mark.
Ich hätte ihn beinahe vergessen. In meiner Fantasie habe ich mir gerade vorgestellt, wie ich Zuckerwatte esse, ohne mein Vera-Wang-Kleid zu verkleben.
»Das verrate ich nicht, Mark. Wir haben vereinbart, dass ich die Planung übernehme. Davon abgesehen würdest du vermutlich eine Tabelle erstellen, und wir hätten ein ähnliches Trauerspiel wie bei den Haushaltskosten.«
Mark quält mich jedes Jahr mit einer aufgeblähten Tabelle zu unserem Haushaltsbudget. Es war beim letzten Mal deprimierend genug, festzustellen, dass wir alle zwei Wochen £ 3,50 für Toilettenpapier ausgeben, aber dann hat er die Daten auch noch grafisch in einer Kurve dargestellt, die uns vor Augen führte, dass wir jedes Jahr £ 91 buchstäblich die Toilette hinunterspülen. Dafür bekomme ich ein Paar Stiefel!
»Okay«, erwidert Mark säuerlich.
Ich schaue noch einmal auf den Kontoauszug und will gerade wieder in eine Hochzeitsfantasie abdriften, da fällt mein Blick auf den Gesamtbetrag. Ich bin sicher, als ich das letzte Mal hingesehen habe, stand dort £ 15436,50, aber jetzt fehlen zehntausend. Das kann nicht stimmen.
»Was ist los, Pen?«
In dem Entsetzen, dass ich die Gesamtsumme falsch gelesen habe, ist mein Lächeln einem Ausdruck von Panik gewichen.
»Ach nichts. Es macht mich nur gerade ein bisschen traurig, dass meine Grandma die Hochzeit nicht mehr miterleben kann«, lüge ich. Dafür komme ich bestimmt in die Hölle. Meine arme tote Grandma in diese Sache reinzuziehen …
Mark reibt mir tröstend die Füße, und ich schaffe es, wieder ein Lächeln in mein Gesicht zu zaubern. Es ist die Art von Gesichtsausdruck, den man aufsetzt, wenn man ein Geschenk auspackt und dem Schenkenden unmöglich sagen kann, wie furchtbar man es findet. Ein Lächeln, das immer größer und falscher und von einem unnatürlichen Nicken begleitet wird, während du die mikrowellengeeigneten Slipper auspackst, die riechen wie deine Großtante.
£ 5345,50. Wie kann das sein? Allein unsere beiden Boni letztes Jahr ergaben zusammen achttausend Pfund. Warum ist nur noch etwas mehr als die Hälfte davon auf diesem Konto?
Mark hat sich doch nicht etwa an unseren Ersparnissen bedient? Wofür hätte er das Geld denn ausgeben sollen? Mein Blick fällt auf den wunderschönen, perfekt funkelnden Ring. Nein. Ganz sicher nicht. Er hätte doch nicht die Hochzeitskasse geplündert, um einen Verlobungsring zu kaufen, oder? Ihm muss doch klar sein, dass das Konto nicht dafür gedacht ist, sondern er den Ring aus eigener Tasche zu zahlen hat.
Natürlich weiß er das, und davon abgesehen habe nur ich eine Debitkarte für dieses Konto. Wir hatten angenommen, dass ich diejenige sein würde, die das Geld ausgibt, wenn der Zeitpunkt gekommen ist. Was bedeutet, dass es eine andere Erklärung dafür geben muss, wohin das Geld verschwunden ist.
Ich fange an, die Ein- und Ausgänge zu überfliegen, aber es sind sehr viele.
Innerlich flippe ich fast aus und frage mich, wo zur Hölle mein Geld ist! Aber nach außen trage ich dieses aufgemalte Lächeln, das Mark wahnsinnig glücklich zu machen scheint.
Langsam öffne ich ein paar der anderen Umschläge, überfliege die Auszüge, nicke und lächle dabei. Ich sehe die Einzahlungen von Marks und meinen Konten, aber es gibt auch jede Menge Abbuchungen von Carnivore Services. Das sagt mir nicht das Geringste. Klingt wie eine zwielichtige Partnervermittlung oder ein Edel-Metzger, aber bestimmt nicht wie etwas, das auf meinem Hochzeitskonto auftauchen sollte.
Und wo sind all meine Gewinne von Fizzle Bingo?
Das sind nicht meine Transaktionen. Irgendjemand stiehlt Geld von meinem Konto und bezahlt damit diese Carnivore-Firma für was auch immer die tun.
Ich muss zur Bank gehen und verlangen, dass sie die Sache aufklären. Allerdings öffnet die Bank erst in neun Stunden, und dann gibt es da noch das klitzekleine Problem, dass ich morgen arbeiten muss. Wenn ich mit einem Verlobungsring am Finger zu spät dort auftauche, wird mir wohl niemand abkaufen, dass ich einen dringenden Arzttermin hatte. Oder aber es würde die Gerüchteküche anheizen, dass ich heiraten »muss«.
»Nachdem wir nun wissen, dass es eine fette Feier werden kann, können wir die Verlobung jetzt gern ›vollziehen‹«, sagt Mark schmunzelnd.
Ich schaue ihn an, darauf bedacht, das aufgesetzte Lächeln nicht zu verlieren. Sex ist so ziemlich das Letzte, wonach mir jetzt der Sinn steht. Warum kann er nicht ein ganz normaler, nur an das eine denkender Kerl sein, und wir hätten sofort Sex gehabt, statt uns erst die Kontoauszüge anzusehen?
Ich stopfe sie zurück in die Mappe, während Mark bereits mit den Händen meine Schenkel hinauffährt. Während ein Teil von mir die Detektivin Nancy Drew sein und das Geheimnis des von meinem Konto verschwundenen Geldes klären will, sagt ein anderer Teil meines Gehirns, dass die Bank dieses Rätsel im Nu aufklären wird und ich mich darauf konzentrieren kann, dass mein Verlobter mir gerade die halterlosen Strümpfe mit den Zähnen auszieht. Ja, ich sollte mir wirklich keine Sorgen machen. Wer weiß, vielleicht bekommen wir von der Bank sogar eine kleine Entschädigung – als Ausgleich für dieses traumatische Erlebnis. Vielleicht ist es sogar genug, dass ich bei der Trauung Tauben aufsteigen lassen kann.
Die Mittagspause dafür herzugeben, zur Bank zu laufen, ist schon deprimierend genug, aber wenn man dann auch noch die Einladung der Kollegen, mit in den Pub zu gehen, ausschlagen muss, ist es richtig übel. Sie hatten mit mir auf die Verlobung anstoßen wollen. Stattdessen feiere ich, indem ich mit ganz Farnborough in der Warteschlange vor dem Bankschalter stehe. Ich schaue auf meine Armbanduhr. Ich kann froh sein, wenn ich es in diesem Jahrhundert noch bis an den Schalter schaffe, ganz davon zu schweigen, vor dem Ende der Mittagspause wieder im Büro zu sein.
Seit gestern Abend habe ich kaum noch über die Auszüge nachgedacht. Dank der ungezogenen Dinge, die Mark mit mir gemacht hat, und dem vielen Alkohol, den wir getrunken haben, bin ich ziemlich schnell eingeschlafen. Und heute hatte ich bisher kaum Zeit, an etwas anderes zu denken als daran, wie glücklich ich mich schätzen kann, den schönsten Verlobungsring auf der Welt zu besitzen. Aus dem ganzen Büro waren die Kollegen gekommen, um den Tanz des Diamanten zu bewundern, den ich mittlerweile perfektioniert habe. Aber je weiter ich jetzt in der Schlange nach vorn rücke, desto nervöser werde ich wegen der Kontoauszüge. Als ich endlich vor dem Schalter stehe, ist mir schlecht. Das könnte natürlich mit dem vielen Alkohol von gestern Abend zu tun haben, aber es fühlt sich irgendwie anders an.
»Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragt die Bankangestellte auf eine Weise, als würde sie sich lieber die Augen mit einer Gabel ausstechen, als mir behilflich zu sein.
»Mir sind ungewöhnliche Bewegungen auf meinem Konto aufgefallen, und ich glaube, dass sich jemand an meinem Geld bedient.«
»Aha. Wie lautet denn Ihre Kontonummer?«
Ich reiche ihr einen zerknitterten Kontoauszug, und sie tippt die Nummer ein.
Eine scheinbare Ewigkeit lang scrollt sie dann den Bildschirm hinunter.
»Was davon ist ungewöhnlich?«
»Es gibt Abbuchungen von Carnivore Services, aber diese Firma kenne ich nicht, und das Konto ist meine Hochzeitskasse. Ich habe mich nämlich gerade verlobt, müssen Sie wissen.«
»Aha, wie nett.«
»Danke.« Ich halte meine linke Hand so, dass sich das Licht in dem Verlobungsring fängt.
»Das scheint eine regelmäßige Abbuchung zu sein«, sagt die Kassiererin. »Seit letzten August. Und das ist Ihnen erst jetzt aufgefallen?«
»Ich öffne die Briefe mit den Kontoauszügen normalerweise nicht«, antworte ich leise.
Die Frau verdreht die Augen.
»Sie wissen, dass Sie gesetzlich verpflichtet sind, sich die Auszüge anzusehen«, sagt sie unfreundlich. »Also, ich glaube nicht, dass ich das klären kann. Dazu muss ich wohl einen Termin mit dem Filialleiter vereinbaren. Hätten Sie nächste Woche Zeit?«
»Nein!«, schreie ich förmlich. »Ich muss das heute klären! Es ist wirklich dringend. Immerhin bucht jemand fälschlicherweise Geld von meinem Konto ab. Man sollte meinen, dass Sie als Bank diesen Vorfall ernst nehmen.«
Ich schaue mich um, um sicherzugehen, dass die anderen Kunden uns zuhören – was sie tun.
Eindeutig verlegen in Anbetracht der schlechten Publicity murmelt die Kassiererin, dass sie nachhören wolle, ob der Filialleiter jetzt Zeit habe.
Ein paar Minuten und jede Menge halblauter, zorniger Bemerkungen der Kunden hinter mir später kehrt die Kassiererin zurück. »Miss Holmes, würden Sie bitte zu mir kommen?«, sagt der Filialleiter, der in diesem Moment aus seinem Büro weiter hinten auftaucht.
Ich schenke ihm das breiteste Lächeln, das ich aufbringen kann. Er soll einen möglichst guten Eindruck von mir haben, für den Fall, dass ich noch rieche wie ein Weinkeller.
»Ich habe mir diesen Kontoauszug kurz angesehen, und es scheint alles vorschriftsmäßig abzulaufen. Ich kann keine ungewöhnlichen Kontobewegungen erkennen«, sagt er, während wir uns an seinen Schreibtisch setzen. Wegen des Alkoholgeruchs hätte ich mir keine Gedanken machen müssen, in diesem Büro stinkt es nach Eier-Kresse-Sandwich, was nicht gerade hilft, meine Übelkeit loszuwerden.
»Aber ich kenne keine Carnivore Services«, erwidere ich beharrlich. Wenn dieser Name nicht ungewöhnlich klingt, dann weiß ich auch nicht.
Er seufzt so tief, dass sich die Blätter auf seinem Schreibtisch heben und wieder senken. Dann tippt er etwas in seinen Computer. Genau das beunruhigt mich bei Banken immer. Jedes Mal bekomme ich Angst, sie könnten geheime Informationen über mich haben. Oder sie analysieren dein Konto, um zu sehen, ob du deine Höschen bei Ann Summers oder M&S kaufst. Was auch immer sie da an ihrem Computer tun, ich fühle mich jedes Mal vergewaltigt.
»Oh«, sagt der Filialleiter.
Oh ist nie ein gutes Zeichen. Er taxiert mich von oben bis unten und schaut mich dann mitleidig an. Bilde ich mir das ein, oder vermeidet er es, mir in die Augen zu sehen?
»Was ist?«, frage ich.
Ich umfasse die Sessellehnen, als säße ich in einem Flugzeug, das gerade abhebt. Meine Knöchel treten weiß hervor, und die Übelkeit nimmt zu – und dieses Mal liegt es eindeutig weder an dem Eiergestank noch am Alkohol.
Ich weiß genau, was er sagen wird. Mein Verlobter Mark nutzt einen blutsaugenden Escortservice namens Carnivore Services; das ist die einzig logische Erklärung. Ich verdränge den vernünftigen Gedanken, dass er doch gar keinen Zugriff auf dieses Konto hat.
Jetzt weiß der Filialleiter, dass mein Verlobter mich betrügt, und bedauert mich natürlich. Als Nächstes werde ich wohl in diesem Büro in Tränen ausbrechen.
»Es sieht so aus, als sei Carnivore Services …«
Warum macht er eine Pause? Das hier ist nicht die verdammte Casting Show X Factor. Es gibt kein Publikum, das erwartungsvoll den Atem anhält. Es wird keine Konfettiexplosionen geben und auch keinen Dermot O’Leary, der mich tröstend in die Arme nimmt. Er muss einfach nur die hässliche Wahrheit ausspucken.
»Lassen Sie es mich anders ausdrücken, Miss Holmes. Besuchen Sie die Website Fizzle Bingo?«
»Ja, tue ich, aber was hat das damit zu tun? Obwohl es mich daran erinnert, dass deren Zahlungen auf meinen Auszügen fehlen. Das ist einer der Gründe, warum ich denke, dass Ihre Aufzeichnungen falsch sind und mein Konto irrtümlich mit dem eines anderen verbunden wurde. Ich glaube, dass –«
»Miss Holmes.«
Er unterbricht mich mitten im Satz, ohne sich meine Erklärung anzuhören.
»Miss Holmes, Carnivore Services ist der Betreiber von Fizzle Bingo. Ich habe die Firma gegoogelt, und aus den FAQs auf deren Website geht hervor, warum diese Firma auf Ihren Kontoauszügen auftaucht.«
Das ist für mich zu viel auf einmal. Wenn diese Firma der Betreiber von Fizzle Bingo ist, warum hat sie dann Geld abgebucht? Und wo sind meine Gewinne? Offenbar haben die Mist gebaut, und ich muss jetzt dieses Schlamassel klären.
»Aber das kann nicht sein. Ich meine, ich gewinne. Ich gewinne fast immer.«
Der Filialleiter seufzt noch einmal. »Aber Sie verlieren auch schon mal?«
»Manchmal.« Ich meine, ja, ich verliere. Ich verliere an den meisten Abenden, wie das so ist – aber dann gewinne ich. Und ich bin sicher, dass ich mehr gewinne als verliere. Natürlich ist es echt schwer, den Überblick zu behalten, weil da so viele Leute sind, mit denen man redet. Wie Bride2BKate, mit der ich so gern über Hochzeiten plaudere, und dann gibt es noch bitchySue, mit der ich immer über die anderen Gewinner herziehe, heimlich natürlich. Hinzu kommt, dass ich oft in Fantasien über meine Hochzeit abtauche und dann plötzlich merke, dass ich mehrere Spiele gleichzeitig gespielt habe. Das ist das Problem, wenn du die Auto-Dab-Funktion aktiviert hast. Sie markiert automatisch deine Karten, und du brauchst keine Angst zu haben, eine Zahl zu verpassen.
O Gott. Was habe ich mir da nur eingebrockt?
»Sie sagen also, dass sich auf meinem Konto wirklich nur 5345 Pfund befinden?«
Die Worte bleiben mir fast im Hals stecken, weil meine Kehle plötzlich fürchterlich trocken ist.
»Und fünfzig Pence«, antwortet der Filialleiter.
Ich schlucke. Fünfzig Pence? Dafür bekomme ich nicht einmal ein Päckchen Konfetti.
»Aber ich verstehe das einfach nicht.«
Ich schaue den Filialleiter in Erwartung einer weisen Antwort an. Schließlich hat er doch die ganze Zeit mit solchen Dingen zu tun, oder? Diese Banker sind auch Berater. Als Nächstes wird er mir eine Tasse starken Kaffee anbieten, und wir gehen meine Möglichkeiten durch. Vielleicht könnte ich die übrigen fünftausend in eine hoch verzinsliche Anleihe investieren? Bisher haben Mark und ich noch nicht einmal ein Datum festgelegt, bestimmt bleibt mir noch reichlich Zeit bis zum großen Tag. Und wenn ich bis dahin eisern spare und mir nichts kaufe, ist das Konto im Nu aufgefüllt. Oder ich versuche, das Geld zurückzugewinnen, indem ich ein bisschen Bingo spiele …
»Gut, Miss Holmes. Eigentlich ist jetzt gerade meine Mittagspause, wenn ich Sie also bitten dürfte …«
Er zeigt zur Tür. Anscheinend will er tatsächlich, dass ich gehe.
»Aber sprechen Sie denn nicht mit mir durch, was genau passiert ist? Und vor allem, welche Möglichkeiten ich habe? Sie wissen schon, Sparbuch, hochverzinsliche Anleihen …«
»Hochverzinslich? Wollen Sie mich auf den Arm nehmen? In der aktuellen Wirtschaftslage ist nichts hochverzinslich. Hören Sie, ich habe Ihnen spontan Auskunft gegeben, einen Beratungstermin hatten wir nicht vereinbart.«
»Aber was soll ich denn jetzt machen? Ich muss eine Hochzeit planen.«
»Liebe junge Dame, ich kann Ihnen wirklich nicht helfen. An Ihrer Stelle würde ich ein Lotterielos kaufen. Aber wenn ich darüber nachdenke, scheint mir das bei Ihrem Hang zum Spielen doch keine gute Idee zu sein.«
Hey!, schreie ich in meinem Kopf. Ich bin kein Junkie! Ich habe doch nur beim Fernsehgucken ein bisschen Bingo gespielt. Das ist ja wohl kaum dieselbe Liga wie diese Typen, die den ganzen Tag beim Buchmacher abhängen.
Er langt in die Schublade und reicht mir eine Visitenkarte.
»Bürgerberatung«, lese ist laut.
»Jep, sprechen Sie mit denen. Die werden Ihnen helfen.«
Er ist aufgestanden, und ich kann wirklich nicht länger in seinem Büro bleiben. Auf dem Weg nach draußen bin ich ratlos. Wie soll ich Mark beibringen, dass ich über zehntausend Pfund beim Online-Bingo verloren habe?
Jedes Mal, wenn Werbung für Bingo im Fernsehen kommt, lacht er und sagt: »Was für eine traurige Gestalt muss man sein, um das zu spielen?«
Jedes Mal lache ich mit und denke: Warte nur, bis wir die wunderbarste Hochzeit haben, und dann erzähle ich dir vom Bingo.
Aber es wird keine Hochzeit geben, da wir nur fünftausend Pfund besitzen. Es sei denn, wir brennen durch, aber dann würden unsere Eltern uns enterben.
Und was mache ich nun? Gleich darauf kommt mir die Erleuchtung. Wir heiraten nächstes Jahr. Wer sagt denn, dass es sofort sein muss? Wir verschieben es ein bisschen, und ich bin gerettet.
Ja, so machen wir es. Die Hochzeit ist in einem Jahr. Wozu die Eile? Wir haben doch noch jede Menge Zeit, bevor wir über Phase fünf unseres Lebensplans (Heiraten) und Phase sechs (Kinder kriegen) nachdenken müssen. Wirklich jede Menge Zeit.
Diesen … Sommer?«, stottere ich. Kalter Schweiß tritt mir auf die Stirn. Das hat nichts mit meinem Kater zu tun – wir haben am Vorabend spontan mit unseren Freunden die Verlobung gefeiert –, dafür aber jede Menge mit meinem Kontostand. »Schon diesen Sommer?«, frage ich noch einmal, um sicherzugehen, dass ich richtig gehört habe.
»Genau, Penny«, antwortet Nanny Violet.
»Aber dann bleibt uns doch gar nicht genügend Zeit für die Planung«, wende ich entsetzt ein. Oder um das beim Bingo verlorene Geld zu ersetzen.
»Natürlich! Zu meiner Zeit haben die Leute wenige Wochen nach Bekanntgabe der Verlobung geheiratet. Allerdings haben sich da auch noch viele für die Ehe aufgespart.«
Meine Wangen beginnen vor Scham zu brennen, wie jedes Mal, wenn Nanny Violet erwähnt, dass wir in Sünde leben. Auf dem Gebiet ist sie nicht gerade unsere größte Unterstützerin. Sie setzt kaum je einen Fuß in unser Reihenhaus. Ich glaube, sie hat Angst, dass der Teufel sie heimsucht, der ja zweifellos bei uns haust.
»Heutzutage ist das ein bisschen anders«, sagt Mark und nimmt sich sein zweites Stück Battenbergkuchen. »Du musst den Veranstaltungsort lange im Voraus buchen.«
Ich lächle Mark an, und mein Herzschlag verlangsamt sich wieder auf Ruhepuls.
»Wir denken an nächstes Jahr«, sage ich. Im Kopf bin ich es bereits durchgegangen. Wenn ich jeden Monat gut fünfhundert Pfund spare, ist das Hochzeitskonto dann wieder voll. Zwar habe ich noch nicht überlegt, wie das funktionieren soll, jeden Monat so viel Geld zurückzulegen, aber ich kann bestimmt das eine oder andere einsparen. Zum Beispiel könnte ich aufhören, meine Haare färben zu lassen – ist ein Hauch von Grau nicht sowieso gerade in? Und ich kann weniger Schuhe kaufen. Wirklich, ich kann das.
»O nein, Penny, das geht nicht. Ich glaube nicht, dass mir noch so viel Zeit bliebt.«
Wenn es um die Zukunft geht, sieht Marks Nanny immer ein bisschen schwarz. Ich glaube, auf diese Weise bringt sie die anderen dazu, sie öfter zu besuchen. Schließlich könnte jeder Besuch der letzte sein. Hoffentlich bin ich mit achtundachtzig nicht auch so morbid.
»Aber dann hätten wir genügend Zeit zum Planen und könnten da feiern, wo wir wollen.«
»Nein, das ist zu spät. Ich könnte es nicht ertragen, in dem Bewusstsein zu sterben, dass ich nicht mehr miterlebt habe, wie mein jüngster Enkel heiratet. Und du möchtest doch nicht ohne mich heiraten, oder, Mark?«
Mir war bisher nicht klar, dass ich meine Hochzeit rings um Nanny Violets Pläne planen muss. Ich schaue hinüber zu Mark. Er spricht doch jetzt sicher ein Machtwort? Aber als ich ihn ansehe, wird mir klar, auf welche Frau in diesem Raum er hören wird.
»Keine Sorge, Oma. Wir verlegen es vor. Das können wir doch, Pen?«
Ich will gerade widersprechen, als mir klarwird, dass es eine rhetorische Frage war.
»Wir finden bestimmt etwas für September oder Oktober, das wird dann eine schöne Herbst-Hochzeit.«
Ich versuche, mich nicht sofort in einer Fantasie über eine herbstliche Hochzeit zu verlieren – mit mir in einem dunkelelfenbeinfarbenen Kleid und Brautjungfern in rostfarbenen oder orangebraunen Kleidern mit Trockenblumen im Haar. Bevor ich im Kopf schon die Blumen aussuche, reiße ich mich zusammen. Wir können nicht im September oder Oktober heiraten, auch wenn das Herbstmotto noch so verlockend ist. Es sei denn, wir treiben es auf die Spitze und heiraten im Wald in einer Variante des Erntedankfestes aus unserer Schulzeit, bei der jeder Essen mitbringt – nur, dass wir es dieses Mal selbst essen und nicht den Bedürftigen schenken.
Aber noch bevor ich protestieren kann, dass das viel zu früh ist, schüttelt Nanny Violet schon wieder den Kopf.
»Nein, nein, Mark. Das ist viel zu spät. Es muss früher sein, zum Beispiel im Mai.«
Mai? Was will Nanny Violet mir da antun? Plötzlich bin ich diejenige, die es vielleicht nicht bis zur Hochzeit schafft – jedenfalls meinem Herzrasen nach zu urteilen. Bis Mai bleiben nur dreieinhalb Monate. Das geht auf keinen Fall.
»Verheimlichst du uns etwas, Oma?«, fragt Mark. Die Sorge steht ihm ins Gesicht geschrieben.
»Ich denke nur, dass ihr mit einer Hochzeit im Mai besser dran seid.«
»Ja, das wird bestimmt schön, nicht wahr, Pen? Wir wissen doch, dass du die Hochzeit sowieso schon an deiner Pinnwand und mit Hilfe von Pinterest durchgeplant hast.«
Ich werfe ihm einen kurzen Blick zu und frage mich, was er sonst noch über meine geheimen Hochzeitsplanungen weiß. Wenn er von Pinterest weiß, dann vielleicht auch, dass ich online Mitglied bei Confetti und Hitched bin. Und wenn er darüber informiert ist, weiß er dann etwa auch über das Bingo Bescheid? Ich schüttele den Kopf. Wenn er das wüsste, würden wir gar keine Hochzeit mehr planen.
»Das erleichtert mich«, sagt Violet.
Irgendetwas an der Art, wie sie mich anstarrt, gibt mir das Gefühl, sie weiß, was ich getan habe. Als sei ich ein faules Ei, das ihr Enkel besser nicht heiraten sollte. Vielleicht ist das hier ein Test.
»Ja, dann also Mai«, antworte ich und halte Violets Blick stand, um ihr zu zeigen, dass ich mich nicht fürchte. »Ich kann bis dahin eine Hochzeit planen. Gar kein Problem.«
»Wunderbar«, antwortet Violet, während ich versuche, zu verarbeiten, wozu ich mich gerade bereit erklärt habe.
Wenn ich ihre Begeisterung doch nur teilen könnte …
Ehrlich gesagt weiß ich nicht so genau, warum ich zugestimmt habe, Nanny Violet zur Bücherei zu fahren, statt so weit wie möglich von ihr wegzurennen. Vermutlich habe ich naiverweise angenommen, ich könnte die Zeit im Auto nutzen, um die Hochzeit doch noch weiter nach hinten zu schieben. Sogar Marks Vorschlag, im Herbst zu feiern, würde mir zumindest ein bisschen Luft verschaffen.
»Also, Penny, ich brauche etwa eine halbe Stunde, um neue Bücher auszusuchen. Ist das in Ordnung?«, fragt Violet, während wir im Eingangsbereich der Bibliothek stehen.
Ich schaue auf meine Armbanduhr. Ich werde keinesfalls pünktlich für die Samstagnachmittagswiederholung von Inspector Barnaby zu Hause sein. »Klar, Violet, lass dir Zeit.«
Sie entfernt sich mit einem federnden Gang, der mich bezweifeln lässt, dass sie achtundachtzig ist und im kommenden Jahr nicht mehr unter uns weilen wird.
Es ist ewig her, dass ich einen Fuß in die Bücherei gesetzt habe, und ich schaue mich um, ob sich irgendetwas verändert hat. In diesem Gebäude habe ich sofort wieder Angst, zu laut zu atmen, aber irgendwie hat dieser Ort auch etwas Tröstliches. Neugierig laufe ich ein bisschen herum und entdecke plötzlich eine Tür mit der Aufschrift »Bürgerberatung«. Ich erinnere mich an die Karte, die mir der Filialleiter mit dem Hinweis gegeben hat, dass man mir dort helfen könne.
Ich gehe hinüber zu der Tür und prüfe mit einem Blick über die Schulter, ob Nanny Violet mich nicht etwa beobachtet. Als ich ihr silberblau getöntes Haar drüben in der Abteilung mit den Großdruckausgaben erspähe, öffne ich schnell die Tür und schlüpfe hinein.
In einem Vorraum warte ich auf einem unbequemen Plastikstuhl. Es dauert nicht lange, dann steckt eine Frau den Kopf aus einer Bürotür.
»Sie können jetzt hereinkommen.«
Ich folge ihr in das kleine Büro und setze mich ihr gegenüber. Hier sind die Stühle bequemer; es ist so, als sei ich ins Büro des Rektors vorgerückt.
»Was kann ich für Sie tun?«
Ich hatte jemand Älteren erwartet, aber die Frau ist etwa Mitte dreißig. In meiner Fantasie saß hier eine alte Dame, die Lebensweisheiten kundtut.
»Nun ja, ich brauche so eine Art finanziellen Rat.«
»Okay. Sind Sie verschuldet?«
»Nicht wirklich.«
»Sind Sie es oder sind Sie es nicht?«
»Nein, nicht«, antworte ich um der Klarheit willen. Verdammt, die Frau verhaftet mich schließlich nicht.
»In welcher Art von finanziellen Schwierigkeiten stecken Sie denn, wenn es sich nicht um Schulden handelt?«
»Ich habe zehntausend Pfund verloren.«
»Ihre zehntausend Pfund?«
»Ja. Nun, das Geld gehörte nicht nur mir.«
»Ihnen und …?«
»Meinem Verlobten«, antworte ich und vollführe den obligatorischen Tanz mit der Hand, was ich jedoch sofort bedaure.
»Aha«, sagt die Frau in einem Ton, als sei ich völlig irre. »Sie haben also zehntausend Pfund verloren. Und wie ist das passiert?«
»Bingo.«
»Sie haben zehntausend Pfund beim Bingo-Spielen verloren?«
Wenn man es laut ausspricht, klingt es echt schrecklich. Ich bringe es in diesem Moment nicht fertig, irgendetwas zu sagen, so sehr schäme ich mich. Ich starre auf den alten braunen Teppich und nicke.
»Verstehe. Nun, das ist nicht gut, stimmt’s? Sie leiden also unter Spielsucht.«
»Ich bin nicht süchtig.«
Um eins klarzustellen: Ich bin wirklich nicht abhängig. Es ist schließlich nicht so, als könnte ich es nicht lassen. Ich bin sicher, dass ich jederzeit aufhören kann.
»Sie haben zehntausend Pfund beim Bingo verloren. Ich nehme mal an, nicht auf einmal?«
Ich nicke.
»Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber ich befürchte, Sie sind sehr wohl süchtig. Wann haben Sie das letzte Mal gespielt?«
»Vor ein paar Nächten.«
Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber ich musste noch einmal spielen, bevor ich ausgestiegen bin. Nur für den Fall, dass ich das Geld irgendwie zurückgewonnen hätte und all meine Probleme los gewesen wäre.
»Woher kamen die zehntausend Pfund? Sie sagten, Sie hätten keine Schulden, waren es also Ersparnisse oder Geld von Ihrem Girokonto?«
»Ersparnisse.«
»Okay, und wozu benötigen Sie jetzt einen Rat?«
All diese Fragen, statt dass sie mir eine Lösung präsentiert!
»Ich will wissen, wie ich das Geld wieder auftreiben kann. Mein Verlobter und seine Nanny wollen, dass wir im Mai heiraten, und ich brauche einen Tipp, wie ich mit fünftausend Pfund eine Hochzeit ausrichten soll, die eigentlich zwanzigtausend hätte kosten sollen.«
»Ich fürchte, da kann ich Ihnen nicht helfen. Möchten Sie denn auch Informationen zu Selbsthilfegruppen oder über die Anonymen Spieler?«
»Ich bin keine Spielerin!«
»Also, Sie machen doch einen sehr sympathischen Eindruck.«
Bei dem Kompliment setze ich mich aufrechter hin.
»Aber Sie müssen einsehen, dass Sie ein Problem haben. Ob Sie es unter Kontrolle bekommen oder nicht, es ist keine Kleinigkeit. Ich schlage vor, dass Sie erst einmal zu einem Therapeuten gehen oder zu den Anonymen Spielern. Oder wenigstens zu einer Selbsthilfegruppe.«
Ich zucke zusammen, weil sie es schon wieder gesagt hat. Spieler sind Menschen mit echten Problemen. So wie im vergangenen Jahr die Sache mit dem Typen aus unserem Büro. Er hat so viel gespielt, dass ihm schließlich das Haus weggenommen wurde. Das war schrecklich. Ich musste ihm helfen, vorübergehend eine Unterkunft zu finden und die Papiere zu seiner Privatinsolvenz auszufüllen.
Die Beraterin langt in eine Schublade und reicht mir eine A5-Broschüre der örtlichen Selbsthilfegruppe für Spieler. Aus Höflichkeit nehme ich sie an – ich kann sie ja wegwerfen, sobald ich dieses Büro verlassen habe.
»Können Sie mir nicht helfen?«, frage ich flehend. Der Filialleiter hat mich schließlich hierhergeschickt, und jetzt ernte ich wieder nur ein Achselzucken.
»Ich bin leider keine Therapeutin. Ich bin nur hier, um Sie zu beraten. Wenn Sie zum Beispiel Hilfe suchen.«
»Na toll«, entgegne ich ungewollt sarkastisch.
»Tut mir leid, aber ich gebe mein Bestes, um Ihnen zu helfen.«
Jetzt macht sie mir auch noch ein schlechtes Gewissen.
»Ich hab’s verstanden, wirklich. Mir tut es leid. Das Ganze ist für mich wie ein Schock. Das bin gar nicht ich. Normalerweise mache ich solche Dinge nicht.«
Die Frau nickt, als habe sie das schon Millionen Mal gehört.
»Ich meine es ernst. So bin ich überhaupt nicht. Wir sparen für unsere Hochzeit und sind sehr vernünftig. Das alles begann, als Mark abends immer für seine Prüfung zum Steuerberater gelernt hat. Ich habe an unsere Hochzeit gedacht und daran, dass Mark dann mehr dazu beisteuern kann als ich. Eines Abends habe ich mir schließlich überlegt, etwas auszuprobieren, damit ich einen gleichwertigen Anteil beitragen kann.«
Ich wünschte, sie würde aufhören zu nicken. Sie erinnert mich an diese Wackeldackel, die man auf die Hutablage ins Auto stellt – und die mich wahnsinnig machen.
»Warum verschieben Sie die Hochzeit nicht, bis Sie genug angespart haben? Ihr zukünftiger Ehemann weiß, dass Sie spielen, oder?«
Ich kann ihr nicht in die Augen sehen, weil ich diesen missbilligenden Blick nicht ertragen würde.
»Denken Sie nicht, dass es das Beste wäre, als ersten Schritt ihm davon zu erzählen?«
»Hören Sie, ich brauche Rat wegen des Geldes«, antworte ich, ihre Frage ignorierend. Ich kann Mark nicht davon erzählen. Auf keinen Fall.
»Okay«, sagt die Frau und seufzt. »Normalerweise rede ich mit Menschen darüber, wie sie ihre Schulden in den Griff bekommen, aber vielleicht finden wir ja eine Möglichkeit, wie Sie mit Ihrem Geld haushalten können, wenn sich die Hochzeit nicht verschieben lässt. Haben Sie sich schon einmal mit Budgetierung beschäftigt?«
»Nicht wirklich. Ich habe versucht, mir einen Überblick über Investitionsraten und Zinsen zu verschaffen, aber es wird niemals möglich sein, mein Geld in drei Monaten zu vervierfachen.«
»Gut«, sagt die Frau nach einer langen Pause. Sie redet jetzt mit mir, als sei ich schwer von Begriff. »Und wie wäre es, wenn Sie die Hochzeit mit einem Budget von fünftausend Pfund planen?«
Ich lache laut auf. Eine Hochzeit für fünftausend Pfund. Will sie mich auf den Arm nehmen? Ich schaue sie an. Offenbar ist das ihr Ernst.
»Wie soll das denn gehen?«
Jetzt habe ich wieder Herzklopfen. Panik überkommt mich, und meine Atmung wird flach. Ich fühle mich, als würde ich langsam ersticken.
»Ich glaube, es würde helfen, wenn Sie zwei Listen erstellen. Zuerst sollten Sie aufschreiben, was Sie gern hätten – mit einem Traumbudget sozusagen.«
Das ist einfach. Ich brauche nur aufzuzählen, was ich im Kopf habe.
»Kein Problem.«
»Ja, diese Variante ist immer einfach. Als Nächstes versuchen Sie, mit dem zu planen, was Sie tatsächlich zur Verfügung haben.«
»Aber das sind vierzehntausend Pfund weniger als angenommen! Wie soll das gehen?«
»Unterteilen Sie die Liste in Spalten für Notwendiges, nette Extras und Luxus. Dann gehen Sie das Notwendige durch und schauen, ob es möglich ist, diese Dinge günstiger zu bekommen.«
»Als da wäre? In einem Kartoffelsack zu heiraten?«
»Nein, aber zum Beispiel ein preiswertes Hochzeitskleid zu kaufen. Wenn Sie jemanden heiraten, geht es doch nicht nur um eine möglichst perfekte Hochzeitsfeier!«
Sagen Sie das den Zeitschriften, die ich seit zwei Jahren abonniere. Ich bin nicht Brautzilla und habe auch nicht den Bezug zur Realität verloren. Ich möchte einfach nur meine Märchenhochzeit. Ich will mich nicht mit dem Notwendigsten durchwursteln.
»Hier«, sagt sie. Wieder langt sie in die Schublade mit den Broschüren und reicht mir eine mit der Aufschrift Budgetieren Sie sich aus den Schulden.
»Einprägsamer Titel.«
»Bedauerlicherweise ist das unsere begehrteste Broschüre. Bei Ihnen liegt der Fall ein bisschen anders, weil Sie nicht verschuldet sind, aber das Prinzip ist dasselbe. Es geht darum, ein Budget aufzustellen und sich daran zu halten. Gibt es noch etwas, wobei ich Ihnen behilflich sein kann? Vielleicht möchten Sie ehrenamtlich tätig werden, um die Zeit zu füllen, die Sie nicht mehr mit Spielen verbringen?«
Hat diese Frau mir nicht zugehört? Ich will Geld heranschaffen und nicht mich an andere verschenken.
»Ich glaube nicht.« Ich versuche höflich zu bleiben.
»Gut, wenn es sonst nichts mehr gibt …«
»Nein«, antworte ich. Sie hat bereits meine Träume von einer Hochzeit im Märchenschloss ruiniert und mir das Gefühl gegeben, ich sollte mit meinem Problem im Frühstücksfernsehen auftreten.
»Schön. Nun, dann wünsche ich Ihnen viel Glück mit Ihrer Hochzeit.«
»Danke«, murmele ich und stecke die Broschüre in meine Tasche.
Was in aller Welt soll ich jetzt tun? Gedanken an Mark schießen mir durch den Kopf. Es ist schließlich auch seine Hochzeit, die ich ruiniere. Ich habe ihm erzählt, dass ich eine spektakuläre Hochzeit planen werde, doch stattdessen habe ich alles vermasselt. Ich habe unser schwer verdientes Geld zum Fenster rausgeworfen. Und nun wird es als Hochzeitsessen vermutlich gebackene Bohnen auf Toast geben.
Ich gehe zurück in die Bibliothek, setze mich wie in Trance an einen der Lesetische und überfliege die Broschüre, die ich von der Frau bekommen habe. Normalerweise mache ich keine Haushaltsplanung – ich arbeite im Personalbereich –, aber laut dieser Broschüre scheint es nicht allzu schwer zu sein. Ich hole einen Stift aus meiner Tasche und liste die wesentlichen Dinge auf.
Nach den ersten drei Punkten: Brautkleid (£ 3000), Kleider für die Brautjungfern (£ 1500) und Unterhaltung auf dem Empfang (£ 2000), ist mein Budget bereits dicke verbraucht. Ich rechne die Miete für die Räumlichkeiten, das Catering, Getränke und Autos hinzu, und bevor ich mich’s versehe, lande ich bei 21000 Pfund.
Ich atme tief durch und versuche verzweifelt, ein bisschen innere Ruhe fließen zu lassen, wie wir es beim Yoga immer machen. Mein Stift schwebt über dem Betrag für das Hochzeitskleid. Den kann ich unmöglich kürzen, oder? Das einzige Hochzeitskleid, das ich je tragen werde.