Sahnetörtchen ohne Senf - Satiren zur Bewältigung von Alltagspsychosen - Stefan G Rohr - E-Book

Sahnetörtchen ohne Senf - Satiren zur Bewältigung von Alltagspsychosen E-Book

Stefan G. Rohr

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Beschreibung

Mit diesem Satirebuch veröffentlich Stefan G. Rohr eine Sammlung amüsanter Geschichten, die von Ironie und satirischen Attitüden nur so strotzen. Es darf geschmunzelt, es darf auch herzlich gelacht werden. Beim Konsum allerdings ist Bedacht geboten. Es gilt auch zwischen den Zeilen zu lesen und nicht alles, was dem Verfasser aus der Feder geflossen ist, soll jedermanns Geschmack treffen. Der Autor wählt bekannte Themen, wie Politik, Klimawandel, Gesellschaft, erzählt aber auch Episoden des alltäglichen Lebens. Er wechselt dabei stets zwischen subtilem Humor und spitzzüngiger Parodie, wobei er provoziert, entlarvt und verdeutlicht. Entstanden ist so ein äußerst kurzweiliges und spritziges Lesevergnügen. Rohr, der sonst für seine mitreißenden Romane bekannt ist, beweist eindrucksvoll, dass er auch dieses Genre meisterhaft bedienen kann.

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EPUB
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Seitenzahl: 162

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Stefan G Rohr

Sahnetörtchen ohne Senf - Satiren zur Bewältigung von Alltagspsychosen

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Sahnetörtchen ohne Senf - Satiren zur Bewältigung von Alltagspsychosen

Das Vorwort: Sahnetörtchen ohne Senf

Die wunderbare Erfindung namens Demokratie

Leben wir eigentlich – oder warten wir nur ständig?

Gibt es außerirdisches Leben?

Pillemännchen und Schlumpf

Wesen und Vorteile des betreuten Denkens

Die Moderne verlangt ein Umdenken – auch bei Wahlen

Der Norden ist einfach anders

Scham hat eine neue Dimension

Karriere ist keine Raketenwissenschaft

So kommen Sie beim Online-Dating geschmeidig ans Ziel

Was wurde eigentlich aus Tronje Ziegenbarth?

Das Geheimnis wie man Politiker wird

Was wäre der Tag ohne eine schöne Empörung?

Der tiefere Sinn von Veränderungen

Brot und Salz – auf gute Nachbarschaft!

Anstelle eines Nachwortes: Ein Babyboomer schlägt zurück

Autorenprofil

Impressum neobooks

Sahnetörtchen ohne Senf - Satiren zur Bewältigung von Alltagspsychosen

Sahnetörtchen ohne Senf

Satiren zur Bewältigung von Alltagspsychosen

Stefan G. Rohr

Das Vorwort: Sahnetörtchen ohne Senf

Was Sie, verehrte Leserschaft, hier auf den folgenden Seiten erwartet, möchte ich Ihnen gerne in diesem Vorwort mitteilen. Es sind zunächst einmal sechszehn Satire-Geschichten, die ich für Sie in dieser kleinen Edition zusammengestellt habe, verbunden mit der Hoffnung, dass Ihnen diese Freude bringen. Und Freude ist es doch, worauf es ankommt. Ihre vielleicht vorhandenen Alltagspsychosen möchte ich mit meinen Geschichten nämlich nicht auch noch fördern – im Gegenteil. Es liegt mir viel näher, dazu beizutragen, dass Sie die psychische Stabilität weiterhin aufrechterhalten, die Sie bei allen alltäglichen Geschehnissen benötigen, was in aktuellen Zeiten ja wirklich nicht immer so einfach ist.

Da auch Sie vielleicht wohltuende Genugtuung daraus schöpfen, dass diejenigen, die mitunter besonders stark als Auslöser von Psychosen dienen, in diesem Buch eine Portion des verdienten Fetts abbekommen, möchte ich Sie schon an dieser Stelle erfreuen: Natürlich sind es Politik und ihre Protagonisten, die ich in meinen Geschichten ein Stückchen näher der Gerechtigkeit zuführe. Meine Ansicht über Borniertheit und Ignoranz unserer Volksvertreter kann ich hier leider nicht so offen zum Besten gebe, wie sie es verdient hätten, trotz meiner guten Lust dazu werde ich mich nicht überproportional mit dieser Thematik auseinandersetzen. Es gibt ja auch Themenfelder, die mindestens ebenso dankbar sind und mindestens eine gleichermaßen breite Fläche zum satirischen Austoben bieten. Ich finde es zum Beispiel mehr als amüsant, dass es eine Gruppe Menschen gibt, die der Meinung sind, sofern sie denn nur kein Fleisch mehr essen, Fahrrad fahren oder sich auf Kreuzungen und Startbahnen festkleben, der Pendelschwankung der Erdachse entgegenwirken zu können. Ich frage mich dann immer nur: Was ist, wenn es ihnen gelingen sollte?

Auch wenn das Klimathema schon längst Religion geworden ist (mit einem immer mehr überwiegenden Trend zum florierenden Geschäftsmodell), Glaubensfragen nicht unmittelbar satirefähig sind, streife ich dieses natürlich trotzdem in meinen Geschichten schon einmal hier und dort, da ich nicht umhinkomme, den agierenden Klima-Hysterikern ein wenig althergebrachter Vernunft an den Kopf zu werfen. Ich weiß, es wird wenig nutzen, dazu ist das Big-Öko-Business mit seinen Billionen-Trögen für eine grüne lackierte Elite mittlerweile schon viel zu profitabel geworden.

Darüber hinaus habe ich nicht weniger Spaß daran, meine Leserschaft mit den profanen Themen des Alltags zu unterhalten. Das mag jetzt langweilig klingen, ich glaube aber, dass das Allgemeine und auch vielleicht Alltägliche sehr häufig recht amüsant sein kann, sofern man es denn sehen und zulassen möchte. Das Verfassen von Absurditäten und gedrillt-gedrechselter Überdrehung liegt mir überdies nicht besonders.

Ein wenig muss ich in meinem Vorwort aber auch auf Grundsätzliches eingehen. Was Satire ist oder ausmacht, lässt sich nicht leichtfüßig erklären. Da hierzu bereits mehr als genug geschrieben wurde – dieses zudem von berufeneren Autoren – brauche ich an dieser Stelle keine Doktorarbeit vorzulegen. Deshalb nur so viel: Satire ist nicht Comedy. Das ist eine der häufigsten Fehlinterpretationen und sorgt sodann für große Enttäuschung, wenn es sich dann tatsächlich um Satire handelt. Comedy als Satire zu verkaufen, nebenbei das gewöhnliche Vorgehen vieler Sendeanstalten mit Verblödungsauftrag, verfälscht den Genuss auf ähnliche Weise wie die Zugabe von Senf auf ein Sahnetörtchen. Und wir wissen alle: Senf macht dumm! Was dabei rauskommt, wenn man es dennoch tut, sehen wir bei den vielen opportunistischen Belehrungsclowns mit zwangsgebührenbezahlten Verträgen zur öffentlich-rechtlichen Volksverarschung. Da überwiegt mittlerweile eindeutig der Senf-Anteil und lässt überdies immer häufiger Ähnlichkeiten mit Karl-Eduard von Schnitzlers schwarzem Kanal erkennen. Alles natürlich auch eine Frage der eigenen geistigen Sprungfähigkeit, so hoch hüpfen zu können, dass man mit dem eigenen Kopf über die vom Mainstream vorgegebenen Tellerränder hinausblicken kann. Schlussendlich aber ist es stets – und somit auch beim Hüpfen – ganz die eigene Sache, für wie blöd man sich verkaufen lassen möchte.

Satire ist und bleibt natürlich immer ein Ritt auf des Messers Schneide, was mich als Verfasser automatisch den Grundsatz innehalten lässt, einen Anspruch auf allumfängliches Wohlgefallen erst gar nicht zu entwickeln. Mir würde es deswegen äußerst suspekt erscheinen, sollte am Ende einer Satire ein breites Publikum frenetisch applaudieren. Ich hätte Bedenken, dass es mehr dem uns Deutschen so liebgewonnenen Herdentrieb geschuldet wäre als denn einer wohlfeilen Übereinstimmung mit meiner Botschaft. So gehe ich bei meinen Geschichten doch stets davon aus, dass sich der Anteil der Befürworter prozentual nicht wesentlich von dem der Kritiker unterscheidet.

Das so häufig strapazierte Wort Tucholskys, Satire dürfe alles, interpretieren nur Idioten als Freibrief für ihre Pamphlete. In seinen Worten schwang eine gehörige Portion Nachholbedarf mit, denn noch wenige Jahre zuvor war Satire verboten und zog sogar drastische Haftstrafen nach sich, nicht selten auch den Tod auf der Guillotine oder am Galgen. Auch wenn heute glimpflicher mit unserer Künstlergattung umgegangen wird, gibt es dennoch für Satire keine uneingeschränkte Carte Blanche. Das gilt schließlich auch für die Meinungsfreiheit. Und nicht jeder Andersdenkende, Kritiker oder gar Feind ist gleichsam Freiwild, welches zum Abschuss freigegeben worden ist. Verunglimpfung und Beschimpfungen sind und bleiben schlichtweg geschmackloser Mist, der dorthin gehört, wo man üblicherweise seinen Hintern abwischt.

Satiriker sind vielmehr legitimierte Freidenker mit dem Auftrag zu charakterisieren, zu überpointieren, zu provozieren, zu verdeutlichen, anzuklagen. Man sollte sie deswegen auch nie als arglos unterschätzen. Worte sind am Ende aller Tage immer noch stärker als alle Ideologien. Diese unterliegen – ganz im Gegensatz zu allen Schriften – einer stets endlichen Halbwertszeit, allzu häufig dann auch noch zum Niedergang mit Umkehr der Vorzeichen von Gut und Böse. Auch zwängt sich Satire nie zwischen thematischen Grenzzäunen ein. So ist alles, was bewegt und kitzelt, durchaus auch satirefähig. Zum Glück kommen wir nicht mehr gleich in den Knast. Die Höchststrafe im Allgemeinen ist eine Diskreditierung als „Leugner“ oder „Verweigerer“, nicht selten in Tateinheit mit der Zuweisung einer Meinungsecke, in die wir gar nicht gehören. Mildernde Umstände zeichnen sich dann gerade noch so aus, dass unsere Texte als Schund, Fake oder Verschwörungsnarrativ bezeichnet und wir dann einfach nicht mehr gelesen werden, weil wir auf einem Index für politisch Unkorrekte stehen. In diesem Punkt ist die Moderne den Satirikern gegenüber tatsächlich schon humaner geworden. Pure Ächtung ist immer noch deutlich besser als Umerziehungshaft in einem Correctiv-Bootcamp bei deutscher Schlagermusik in der Zelle und dem Dschungel-Camp in Endlosschleife auf dem TV-Bildschirm. Da war das Schafott sogar das mildere Ende.

Es besteht übrigens derzeit noch keine Straffälligkeit darin, dass ich mich weigere, in meinen Texten zu „gendern“. Die Polizei brauchen Sie deshalb nicht zu bemühen, nur für den Fall, dass Sie jetzt kurz darüber nachgedacht haben. Ich habe mir viele Jahre größte Mühe gegeben, unsere schöne Sprache weitgehend fehlerfrei sprechen und schreiben zu können. Ich will mir das wegen eines Unsinns von Kulturignoranten, die sich der Sprachverknödelung verschrieben haben, einfach nicht versauen. Grollen Sie dennoch mit mir, so habe ich einen Tipp für Sie: Statt Polizei ließen sich die seit kurzer Zeit eingerichteten Meldestellen online nutzen, auf denen Sie mich als was auch immer verpfeifen können – mindestens aber als „alten weißen Mann“ – diese gelten seit einiger Zeit durchaus als gefährlich, erst recht, wenn sie Cordhosen tragen. Schwärzen Sie mich so gut Sie können an. Sie können das ohne moralische Bedenken tun, ohne schlechtes Gewissen. Wer gestern noch als Denunziant bezeichnet wurde, darf sich heute mit dem Begriff des Hinweisgebers auf die Seite der ewig Guten schlagen. Dafür haben wir nach langer Zeit des Vergessens endlich wieder ein Gesetz geschaffen, welches den Hinweisgebern den benötigten Schutz gewährt, was seine Wirkung durch die Beweisumkehr nochmals verstärkt. Nicht der Denunziant hat die Schuld zu beweisen, es ist der Beschuldigte, egal, wie blödsinnig der Vorwurf auch lauten mag, der zur Beweisführung verpflichtet ist. Bei anonym gehaltenen Klägern ist das mitunter schon eine recht sportliche Herausforderung mit Potenzial für Schweigegeldzahlungen.

Aber auch so: Wer kann jetzt noch wissen, ob es nicht in Bälde des Morgens, wie schon früher einmal, an der Tür klingelt, Schlapphüte in Ledermänteln einen Haftbefehl vorzeigen, und man auf diese Weise dann doch noch in den nachfolgenden Jahren zum Schlager-Fan umerzogen werden soll, vielleicht ja auch nur, weil man seine Überzeugung laut kundgetan hat, die Natur könne man nicht nach Lust und Tageslaune auf den Kopf stellen: Es gäbe nur zwei Geschlechter.

Alles andere ist eben Senf.

Die wunderbare Erfindung namens Demokratie

Mit der Demokratie humpeln wir ja nun schon einige Zeit umher, schwankten hier, stolperten da – und das nicht nur in der Antike Roms oder Griechenlands. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde diese in unseren Gefilden eingeführt, ausgesetzt, abgeschafft, für falsch oder auch nur einfach lästig erklärt und nach zwei verlorenen Kriegen dann aus der Versenkung zurück ans Tageslicht befördert. Schön! Ist sie doch im Anschein allen politisch-staatlichen Unbills auf unserem Erdball in den Augen von uns Demokraten das einzige und natürlich beste System. Diese Erkenntnis impliziert selbstverständlich Unfehlbarkeit, Ausschluss sämtlicher Irrtümer, ein absolutes Wahrheitsdogma und das Hervorbringen von Staatslenkern, welche die Demokratie sodann auch als das höchste Gut empfinden und bereit sind, hierfür selbstlos Ruhm, Karriere und den Verlagsvertrag mit Vorschuss für die Memoiren zu opfern. Der Einsatz des eigenen Lebens ist für sie nicht vonnöten, dafür hat jede gute Demokratie ausreichend Verteidigungskräfte, wie zum Beispiel eine hilfreiche Zahl an nützlichen Qualitäts-Journalisten, für schwierigere Lagen Kräfte des Ordnungsamtes mit elektronischem Bußgeldblock oder bewaffnete Polizeikräfte und Sondereinsatzkommandos mit Wasserwerfern gegen Aluhutträger und Corona-Leugner. Sie muss sich hier und dort schließlich auch einmal wehrhaft zeigen, diese schöne, wunderbare Erfindung cleverer Strategen.

Die Demokratie nahm irgendwann einmal ihren Anfang, als Tyrannen und Despoten auf den Dreh kamen, dass die Masse viel einfacher zu manipulieren sei, sofern man ihr vorgaukelte, sie hätte tatsächlich eine eigene Meinung. So schenkten die Obersten dem Plebs ihr Ohr, taten so als würde dem Gehörten auch Beachtung geschenkt werden, machten zu guter Letzt doch das was man ohnehin wollte, nur behauptete man jetzt, es sei der Mehrheitswille.

Meinungsforschungsunternehmen allerdings gab es noch nicht. Das machte es deshalb noch etwas schwieriger. Die Zweifler, Murrer und Mauler erklärte man zu unerwünschten Personen und schickte diese – wenn sie denn Glück hatten – in die Verbannung. Das wiederum machte die Sache einfacher, weshalb man sich heutzutage dieser Methode durchaus wieder zu bedienen begonnen hat. Noch unbequemeren Protagonisten, solche, die es beim Volk schon zu einer gewissen Bekanntheit gebracht hatten, wurde ein Scherbengericht eröffnet, die Meute aufgewiegelt und dann, kurz vor der Lynchjustiz, die Abstimmung durchgezogen, deren Ergebnis stets das zuvor gewünschte war. Und alle fühlten sich modern, souverän und eben sehr sehr demokratisch. Ein Sokrates fiel so dem Mob zum Opfer.

Seien wir ehrlich: Zum Hier und Jetzt hat sich denn so viel auch nicht geändert. Den Dreh mit der Massenmeinung nutzt man in den Schaltzentralen immer noch gerne und mit großem Erfolg. Mehrheitswille heißt heute nur „Mainstream“, und die Scherbengerichte erledigen die Medien, nicht selten auch das Lynchen. Da wird dann schon gerne einmal mit der Verbannung hantiert, die Herren Kachelmann, Wulff, Sarrazin und Maaßen können allesamt ein Lied davon singen. In der Umkehrung gibt es natürlich wie immer auch eine Art Heiligsprechung des Medienvatikans, mit lebenslanger Speisung im Olymp der Gönner und Meinungslobbyisten. Da hätte ich eine Göre namens Greta im Angebot, einen Herrn Böhmermann oder einen Dr. Drosten.

Wollte man in der Antike einen unbequemen Mitmenschen abservieren, so wurden besonders talentierte Redner eingekauft, die es zur Aufgabe bekamen, in Senaten oder Volksversammlungen den Delinquenten so niederzumachen, dass das Volk ihn sogleich in die Wüste schickte. Zu heute nur insoweit ein Unterschied, indem die Namen der Redner nicht mehr so beeindruckend sind. Aus Cicero wurde ein Relotius, mehr braucht es an Beispielen dazu dann wirklich nicht. Die Demokratie wird mit solchen Mitteln verteidigt, die bei genauem Hinsehen eher totalitäre Charakteristik aufweisen. Zum Beispiel unsere Öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten. Als freier Bürger unserer Demokratie habe ich noch nicht einmal die Wahl, diese Dauertrompeter zentral verordneter Volksbildhauerei unbezahlt zu ignorieren. Während es mir sogar auf St. Pauli in der Herbertstraße noch möglich ist, so lange gratis zu gucken, bis ich ein Programm wähle, ist es beim ÖRR komplett anders: Ich will noch nicht mal gucken, werde aber berappt, als wäre ich Dauergast im Edelbordell.

Nun ja, Günther Jauch kam kürzlich zu der Überzeugung, dass es nichts Demokratischeres gäbe als das Fernsehen: Man könne anschalten, umschalten und schließlich nach Belieben auch ausschalten. Tja, erinnert mich ein wenig an Marie-Antoinette: Wenn das Volk hungert, weil es kein Brot mehr hat, dann sollte es doch Kuchen essen. Herrliches Zitat! Marie-Antoinette hat das übrigens in Wirklichkeit nie gesagt. Aber wer ihr das in die Schuhe geschoben hat, war gewiss ein lupenreiner Demokrat.

Demokratie hat auch etwas sehr Vereinfachendes: Solange keiner widerspricht, wird ein Mehrheitsentscheid unterstellt, selbst wenn dieser gar nicht dem Gesetz entspricht. Die Absolution wird sich erst einmal selbst erteilt. So zum Beispiel bei dem Begriff „Vizekanzler“. Inzwischen wird mit diesem Titel so inflationär umgegangen, dass es niemandem mehr auffällt, dass diese Funktion in unserer Verfassung nirgendwo verankert ist. Einen „Vizekanzler“ gibt es offiziell gar nicht, hört sich aber schneidig und vor allem höchstwichtig an. Das sollte in einer Demokratie doch reichen. Und in einer solchen zählt dann das „Kosmetische“ manchmal doch das Quantum mehr – was ja auch schon unsere Außenministerin für sich und ihre Visagistin erkannt hat. Wer will bei so viel Grazie dann auch noch widersprechen? Und wenn es nach dem Ministerpräsidenten a.D. von Brandenburg, Herrn Platzeck geht, dann sollte Demokratie fortan etwas „Erotisches“ innehalten. Gepaart mit den richtigen Darstellern würde das Volk wieder mehr Freude an dieser Staatsform entwickeln.

Widerspruch ist in der modernen Demokratie ohnehin nur ungern gesehen. Während der Corona-Pandemie beschloss das Parlament deshalb die eigene Aussetzung, damit im panischen Aktivismus nicht doch noch von irgendwo aus den niederen Tiefen der Volksvertretungen ein kritisches „Moment mal!!“ aufpoppt. Statt Grundgesetz erklärte man schnell einmal ein Infektionsschutzgesetz zur heiligen Bibel und übertrug die Staatsgewalt komplett an den Gesundheitsminister. Das Volk, der Arbeitgeber der Politiker, war fortan bei allen Entscheidungen noch nicht einmal mehr indirekt beteiligt. Diejenigen, die deshalb mit dem Grundgesetz in der Hand zum Nachdenken aufriefen, wurden kurzerhand als schwurbelnde und verschwörungsschwarzmalende Demokratiegegner verunglimpft und errangen einen vorläufigen Status als Staatsfeinde.

Heute hat das Schwarzmalen die Seiten gewechselt: Die demokratischen Superhelden von gestern krickeln mit fetten Filzstiften in allen Akten herum, die eine Aufarbeitung ihres Schaffens ermöglichen sollen. Immerhin hat das Parlament seine Entscheidungskompetenzen wieder zurück. Beim nächsten Mal könnte das vielleicht anders ausgehen.

Wenn die schlauen, demokratisch lackierten Tyrannen in der Antike nicht weiterwussten, trotteten sie nach Delphi und lauschten dem Orakel, der Pythia, einer stets zugedröhnten Jungfrau. Das war so eine Art frühdemokratische Ombudsfrau, zu einer Zeit, in der die Politiker noch nicht wirklich etwas mit Fakten anzufangen wussten. Die fast nackte Göre war weder eine Jungfrau – diesen Status verlor sie schon nach wenigen Minuten ihrer Berufung – noch ein Orakel. Unter Genuss von Rauschgasen unter ihrem Lager sprach sie so verworren und unverständlich wie… ja, da fällt mir nur der Vergleich mit Karl Lauterbach ein. Sie allerdings war hochamtlich in Trance, und es war ein Leichtes, aus ihrem Geplapper exakt das herauszuhören, was für einen selbst gerade das Beste war. Ein demokratisches Grundbedürfnis, welches sich bis zum heutigen Tage gehalten hat. Andere Experten wie einen Dr. Drosten oder einen Prof. Wieler, brauchte es zu dieser Zeit noch nicht.

Das Fräulein hatte einen omnipotenten Wissensscope und war damit „alternativlos“. Man kletterte einfach aus der Orakel-Grotte heraus, atmete ein paar Mal tief ein und wieder aus, instruierte sodann seine Kuriere, und diese verbreiteten das Vorgedachte als Fundament demokratischer Willensermittlung durch göttliche Führung. Auch das ist heutzutage kaum anders: Okay, die Grotte ist gewiss ein schicker Prachtbau im Herzen Berlins, als Orakel dienen die Deutsche Umwelthilfe, Prof. Harald Lesch oder Frau Strack-Zimmermann, und die Kuriere heißen Deutsche Presseagentur, Correctiv oder Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der weitere Prozess braucht deshalb nicht weiter erläutert werden.

Die Protagonisten der Demokratie waren seit jeher gern schillernd und kamen deshalb häufig aus naheliegenden Berufszweigen, die zudem als funktionaler Zugewinn für diese Staatsform zu verstehen waren. In der Antike waren es vor allem erwiesene Siegertypen, die es bei Wagenrennen oder Ringkämpfen in Olympia oder in massigen Schlachten zu Ruhm und Ehre gebracht hatten. Kehrten sie nach Athen zurück, waren sie bereits als neuer demokratischer Ansager gewählt, bevor sie durch die meist maroden Stadtmauern hindurchritten, wie z. B. Kimon, Themistokles oder Miltiades.

Neben wahrhaftigen olympischen Siegen verbinden wir Begriffe mit diesen Namen wie die Schlachten von Salamis und Marathon, mit denen hiernach dann gezielt unzählige Generationen im Geschichtsunterricht gequält wurden. Ein Sieger-Hype hat Vorbildcharakter, wenngleich es in unseren Gefilden etwas langweiliger, nichtdestotrotz durchaus heroisch zuging: de Gaulle und Willy Brandt (geborener Herbert Ernst Karl Frahm) als Freiheitskämpfer des Untergrunds oder Joschka Fischer als steineschleudernder Öko-David und Befreier der Belagerten der „Startbahn West“. Diese Erfahrung brachte auf demokratischem Wege dann jüngst auch Namen auf die Politbühnen, die sich ebensolcher Volksbeliebtheit und großer Popularität sicher sein konnten: Westernhelden aus Hollywood-Filmen, Komiker aus osteuropäischen Kleinkunstbühnen, milliardenschwere Immobilien-Mogule, unbesiegte Schwergewichtsboxer, untalentierte Kinderbuchautoren.

Für die Demokratie kein Hindernis. Ist sie doch frei von Vorurteilen und fehlgeleiteten Vorgaben. Es zählt einzig das Bekenntnis zu ihr selbst. So wahr uns Gott helfe. Wir schwören auf sie, ohne dabei rot zu werden. Und die große Masse ist ohnehin nicht in der Lage, das Richtige zu entscheiden. Zu viele Meinungen sind auch ungesund, sie könnten am Ende ja voneinander abweichen.

Und das Letzte, was eine funktionierende Demokratie braucht, sind Untertanen, die ihre Zeit permanent mit überflüssigen Meinungsdiskursen vergeuden. Dafür wurde schließlich der Fußball erfunden. Gottlob kommt dieser wenigstens ohne diesen Demokratieblödsinn aus. Da zählen nur Tore und Fehlentscheidungen von Schiedsrichtern.

Leben wir eigentlich – oder warten wir nur ständig?

In wissenschaftlichen Erhebungen wurde herausgefunden, dass der Mensch mit durchschnittlicher Lebenserwartung sodann im Durschnitt 374 Tage seines Lebens mit Warten verbringt. Das ist immerhin ein ganzes Jahr plus ein zweiwöchiger Urlaub unter Einbeziehung eines Brückentages. Von dieser Zeit sollen es allein zwei Wochen sein, in denen wir wartend an der Ampel stehen, wobei nur Autofahrer und Fußgänger gemeint sein können, denn Fahrradfahrer kennen keine Ampeln. An die drei Wochen sind es dann durchschnittlich, die wir in Wartezimmern verbringen. Das klingt beruhigend, denn dementgegen sitzen wir fast ganze drei Jahre auf dem Klo. Das ist zwar keine reine Wartezeit, aber als Vergleich doch einmal ganz interessant. Allerdings bin ich mehr als skeptisch, ob die oben angeführte Anzahl an statistischen Wartetagen wirklich stimmt. Nach meinem Empfinden ist diese nämlich viel zu klein bemessen. Was denken Sie?