Satans Erben - Charlotte Camp - E-Book

Satans Erben E-Book

Charlotte Camp

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Beschreibung

Durch ein mystisches Zeitloch, stürzt sie in eine ferne, längst vergangene Zeit. Zu ihrem Entsetzen muss sie feststellen, dass sie im 13. Jahrhundert festsitzt. Nun sind es nicht nur 1000 Meilen, sondern nahezu 600 Jahre, die sie von ihrem Liebsten trennen. Sie versucht sich zu arrangieren und das Beste aus ihrer ausweglosen Situation zu machen. Sie gibt ihr Vorhaben nicht auf, dieser grausamen Zeit zu entfliehen, doch sie gerät in immer tiefere Abgründe des Bösen Unerklärlichen, aus denen es kein Entrinnen zu geben scheint. Gleichwohl erlebt sie auch köstliche, berauschende Lichtblicke, die ihr ihre endlose Odyssee versüßen.

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Seitenzahl: 232

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Über das Buch

Man schrieb das Jahr 1652…

Nachdem es ihr nach Jahren der Sklaverei endlich gelungen war, aus den fernen Pyrenäen, in die sie verschleppt wurde, sich zu befreien und zu flüchten, stand sie nun vor einer neuen Hürde.

Die weite Entfernung, schien unüberwindbar, sodass sie sich fernen Verwandten anvertraute.

Doch das Glück war ihr nicht gesonnen, als sie gewaltsam in das frühe Mittelalter entführt wurde. Um endlich aus der Tiefe der Zeit an ihr Ziel, durch den Zeitkanal in ihre Heimat zu gelangen, versprach sie leichtfertig, was sie schon bald bitter bereuen sollte.

Als Zeitreisende besitzt sie die Fähigkeit immense Zeiten zu überwinden. Ein kleiner Trip ins 16. Jahrhundert nur, sollte es werden. Doch durch unglückliche Umstände, in Sklavenschaft geraten, in die fernen Pyrenäen verschleppt und als Dienstmagd genötigt, schien ihr Schicksal hoffnungslos besiegelt… Schließlich gelingt ihr, nach Jahren der Knechtschaft die Flucht. Doch nun stand sie vor einem unlösbaren Problem. Wie sollte sie den weiten Weg bewältigen, allein ohne männlichen Schutz?

Zur Autorin:

Nach einem turbulenten Leben, in selbst gewählter Ruhe und Abgeschiedenheit, in einem kleinen Harzdörfchen, widmet sie sich nun ausschließlich ihrem Hobby, dem Schreiben, fantastischer Abenteuer Romane.

Fortsetzung der Trilogie

Tor zur Ewigkeit

Band 1

Sternenstaub

Band 2

Am Rande der Zeit

Band 3

Tödliches Verlangen

Band 4

Zwischen den Welten

Band 5

Der Gesichtslose

Band 6

Hinter dem Regenbogen

Band 7

Schwarze Sonne

Band 8

Die weiße Sklavin

Band 9

Inhaltsverzeichnis

Kap. 1: Vogelfrei

Kap. 2: Das Zauberschloss

Kap. 3: Spukgestalten

Kap. 4: Der nächtliche Besucher

Kap. 5: Von Angesicht zu Angesicht

Kap. 6: Die Unterwelt

Kap. 7: Der Rauch der Hölle

Kap. 8: Der Weg ohne Ende

Kap. 9: Im Rausch der Gefühle

Kap. 10: Wintereinbruch

Kap. 11: Die Geisterreiter

Kap. 12: Die unsichtbare Gefahr

Kap. 13: Vergangene Zukunft

Kap. 14: Im Labyrinth der Zeit gefangen

Kap. 15: Glücklicher Narr

Kap. 16: Jenseits der Träume

Vogelfrei

Kapitel 1: Vogelfrei

Blind vor Tränen stolperte ich davon, lief ohne auf den Weg zu achten, fort, fort von hier, wo man mich hasst, verwünscht und verachtet.

Die langen lästigen Röcke behinderten mich, ich verhedderte mich, verfing mich im Gestrüpp, stürzte und rappelte mich wieder auf.

Werde ich den rechten Weg finden? Welchen Weg, wohin sollte ich gehen in meiner Verzweiflung.

Hatte ich mich nicht ergeben, erniedrigt und die schmutzigsten Dienstboten- Arbeiten verrichtet. Habe ich sie nicht aufopfernd gepflegt, sie gefüttert, gewaschen und sorgenvoll an ihrem Bett gewacht. Jedoch als Dank nur Häme empfangen?

Und zur Krönung nun das.

Sie hatte mich mit Schimpf und Schande des Hauses verwiesen, wie eine Verbrecherin.

Erschöpft legte ich eine Pause ein, streifte Schuhe und Strümpfe ab und streckte mich im Grase aus.

Man schrieb das Jahr 1652.

Wo war er, mein Liebster, der mich leidenschaftlich umarmt und versprochen hatte mich zu holen. Wochen und Monate waren vergangen, mein Hoffen und Warten war vergebens.

Doch war das wirklich alles geschehen? Bisweilen glaubte ich, ihn nur herbei geträumt zu haben.

Was wird jetzt aus mir, bin ich nun nichts als eine Streunerin, in einem fremden Land? Wie lange kann ich durchhalten?

Habe ich doch mehr als 1000 Kilometer Wegstrecke vor mir.

Ohnmacht und Hilflosigkeit schienen mich schier zu erdrücken.

Plötzlich entsann ich mich des Pferdes, hatte ich es nicht gestern noch im Stall stehen sehen?

Es war also noch da.

Ich muss mich bei Nacht zurück schleichen und das Pferd aus dem Unterstand stehlen. Stehlen?

Es gehört mir, nicht weniger als der Alten, überlegte ich.

Aber würde eine einsame Frau auf einem Pferd nicht Aufsehen erregen? Wäre es nicht gleichsam von Nöten, als Mann verkleidet, diese gefahrenreiche Reise zu beginnen.

War es mir nicht schon einmal gelungen, vor gar nicht allzu langer Zeit.

Doch jener Weg war nur ein Spaziergang, angesichts dessen was nun vor mir lag.

Die Sonne senkte sich zwischen den Bäumen, ein wunderschöner Frühlingabend, der erste warme Tag nach dem langen Winter.

Doch ich hatte keinen Blick für die Schönheit der Schöpfung.

Ich hockte auf einem moosbewachsenen Stein, versunken in Grübeleien.

Eine bleierne Hoffnungslosigkeit lähmte mich. Lieber Gott, habe ein Erbarmen mit mir, weise mir den rechten Weg, gib mir ein Zeichen.

Doch der Herrgott zeigte mir die kalte Schulter, kümmerte sich nicht um die Belange einer verzweifelten, einsamen Frau. Hilft dir keiner, so helf dir selbst.

Entschlossen erhob ich mich und begab mich mit forschen Schritten auf den Weg zurück.

Es war bereits dunkel, als ich den Hof erreichte.

Im Haus sah ich noch ein schummriges Licht brennen.

Ich lauschte am Fenster, hörte aber keine Stimmen, die Trauergesellschaft hatte sich zur Ruhe begeben.

Einzig die Mutter fand offenbar keine Ruhe, meldete sich nun ihr schlechtes Gewissen?

Denn bald würde sie sehr einsam sein, sie hat es nicht anders gewollt. Sei es drum. Ich werde nicht zu Kreuze kriechen.

Wie gut, das ich meine Taschenlampe geschont habe, sie würde mir für mein Vorhaben, sehr von Nutzen sein.

So fand ich das Zaumzeug und die Satteltaschen problemlos, verteilte meine wenigen Habseligkeiten darin, redete beruhigend auf den Hengst ein und führte ihn aus dem Stall, stetig auf verdächtige Geräusche lauschend. Vor Spannung hielt ich die Luft an, als wir den dunklen Hof überquerten.

Endlich hatten wir das rettende Tor passiert.

Ein Blick zurück, zeigte mir, das die Entführung des wertvollen Tieres unbemerkt geblieben war. Morgen wird es ein Gezeter und böse Verwünschungen, gegen meine Person hageln, dachte ich schadenfroh, als ich es mir auf dem Rücken des Pferdes bequem gemacht hatte.

Totale Schwärze umgab mich. Wir kamen nur im Schritttempo voran. Ich hoffte inbrünstig, das Henri seinen Weg auch im Dunkeln fand. Welch eine Erleichterung für meine geschundenen Füße.

Ich atmete seufzend auf.

Mein Weg in die Freiheit hatte begonnen.

Was mag mir wohl auf meiner verrückten, abenteuerlichen Tour durch drei oder waren es gar vier Länder widerfahren?

Nun gut, ich war von Natur aus eine Abenteuerin, aufgeschlossen für alles Neue, doch dieses Unterfangen sprengte den Rahmen alles bisher Erlebten.

Wir gewöhnten uns zwangläufig aneinander, mein Hengst und ich wuchsen zusammen, wurden Eins.

Wir trotteten durch die Schwärze der Nacht.

Erst im Morgengrauen, erlaubte ich uns eine Rastpause.

Der Weg führte uns durch das Dorf, am Rathaus vorbei.

Hier hüpfte ich von meinem Freund, band ihn flüchtig an einen Pfosten und begab mich in das von Menschen wimmelnde Haus, Neugierig, etwas über die Nachforschungen des alten Möchtegerns, den ehrenwerten Bürgermeister, zu erfahren.

Ich drängte mich ungeduldig an den ergeben wartenden Dörflern vorbei, böse Blicke und Verwünschungen über mich ergehen lassend.

„Oh Komtesschen, tretet ein!“ Empfing mich freudestrahlend der mächtige Bürgermeister.

Er wies mir einen Stuhl an und schloss vielsagend, die Tür hinter mir.

„Wir hatten außerordentliches Glück bei unseren Nachforschungen, denn ich habe sie ausfindig machen können, eure Verwandten. So wisset, eurer Cousin erwartet euch bereits!“, eröffnete er mir, ohne mich anzusehen.

Verblüfft ließ ich mich auf den mir angebotenen Stuhl sinken. Ich glaube, ich vergaß vor Anspannung zu atmen.

Mit allem hatte ich gerechnet, doch diese Neuigkeit, warf mich um. Einer Ohnmacht nahe, griff ich nach einem Halt, mir wurde heiß und kalt zugleich.

„Ja da staunt ihr Komtesschen, ich halte mein Wort, aber ihr seid ja ganz blass. Aber aber, wer wird sich denn so aufregen“, plapperte er weiter und drückte mich auf den Stuhl.

„Gebt mir ein paar Minuten, ich muss mich erst fassen!“, hauchte ich, eine Hitzewelle stieg mir zu Kopf.

Ich zerrte die Bänder meiner Haube auf und betupfte meine Stirn.

„Lasst den werten Grafen nicht zu lange warten, er ist ungeduldig und brennt darauf euch kennen zu lernen“, mahnte er mich.

Ich lehnte mich zurück und schloss für einen Moment die Augen, mein Atem ging wieder normal. Das aufgeregte Gemurmel um mich im Raum war verstummt. Als ich die Augen wieder öffnete, fand ich mich allein in der Amtsstube.

In der Tür zum Flur, stand eine männliche Gestalt und schritt mir schmunzelnd entgegen.

„Graf von Elzen!“

Aus dem Schmunzeln erwuchs ein herzliches Lachen.

Im Näherkommen, streckte er mir seine Hand entgegen.

Eine ausnehmend, stattliche Erscheinung. Sehr Dandyhaft, ja geradezu weibisch schön wirkend. Mit einem einnehmend, umwerfenden Lächeln eröffnete er das Gespräch.

„Verzeiht mir, wenn ich euch erschreckt haben sollte Cousinchen!“, murmelte er, „oh welch reizender Anblick, ich bin entzückt eure Bekanntschaft zu machen“.

Sein Händedruck war warm und fest, sein Lachen erweckte ein Gefühl der Vertrautheit. Seine Pranken umschlossen meine Hände, ich fühlte mich geborgen.

Ich hob meinen Blick und las in seinen Augen, konnte nichts Böses, Hinterhältiges in ihnen entdecken.

„Euer ergebener Diener, lasst mir die Ehre eurer Gesellschaft zuteilwerden!“, säuselte er mit einer leichten Verbeugung.

„So kommt Cousinchen, alle warten schon sehnsüchtig auf euch, lasst sie nicht länger warten!“

Er zog mich behutsam von meinem Sitz und faste mich um die Schulter, führte mich an dem gaffenden Landvolk vorbei, aus dem Hause.

Ich wusste nicht wie mir geschah, denn ich folgte ihm vertrauensvoll, schwebte am Arm des Fremden die Stufen hinab.

„Wohin führt ihr mich?“, brachte ich endlich, wie aus einem Traum erwachend, hervor.

„In mein Schloss!“, entgegnete er lachend.

„Aber ihr habt mich ja gar nicht gefragt!“ Protestierte ich und löste mich gespielt empört aus seinem Griff.

„Ich dachte ihr wolltet, aeh - ich meinte ich soll euch als Gast“… begann er unsicher zu stammeln, das Lächeln erstarb auf seinem Gesicht und verwandelte sich in Enttäuschung.

„Oh ich kann nicht mit euch gehen, später vielleicht, denn ich bin auf der Suche nach meinem liebsten aeh – Bruder“.

„Der Bürgermeister hat mir versprochen, mir zur Seite zu stehen und mich zu unterstützen und nun gibt es noch immer keine Spur von ihm, ich bin in größter Sorge“.

„Hm, der Alte hat so etwas angedeutet, so ist der werte Bruder also noch immer verschollen?“

„Ihr seht mich untröstlich, ich werde der Sache nachgehen, meine Männer stehen euch selbstredend zur Verfügung, bei nächster Gelegenheit werde ich sie ausschicken, gebt mir eine Beschreibung von ihm!“

„Oh das will ich gerne tun“, antwortete ich erfreut und kramte nach den Fotos in meinem Reisebeutel.

„Da steht unsere Kutsche, dort könnt ihr in Ruhe eine Zeichnung anfertigen“.

„Ja okay“, sagte ich eifrig, „aber ich habe schon ein Bild parat“.

Er half mir galant in den Wagen. Jetzt konnte es mir, in meinem Eifer nicht schnell genug gehen.

Als ich meinen Platz eingenommen hatte, leerte ich ungeduldig meinen Beutel aus, fand die gesuchten Fotos und übergab sie ihm.

„Was ist das, wer hat die gemalt, wer kann so perfekt malen, sie sind so lebendig, als würden sie gleich aus dem Bild steigen!“

„Ach das ist doch jetzt unwichtig“, winkte ich ab.

„So etwas habe ich noch nie gesehen, ihr erstaunt mich!“

„Ja ja, das mag wohl sein, so sagt mir, erkennt ihr Ihn, habt ihr diesen Mann schon gesehen, irgendwo?“

„Tja – ich glaube in tatsächlich schon gesehen zu haben, vor ein paar Monaten hat er uns aufgesucht und nach einer gewissen schönen Dame gefragt, dass wart ihr also, ich meine diese Schöne, ich muss gestehen, ich habe noch nie eine schönere Frau zu Gesicht bekommen als euch, ihr strahlt heller als das Licht, der euch gesehen, ist geblendet von eurem Anblick und“…

„Genug jetzt!“, rief ich ungehalten, „eure Schwärmereien sind im Moment nicht angebracht Cousin, habt ihr meine Sorgen und den Sinn meines Strebens vergessen?“

„Ach und mein Hengst dort an dem Pfosten, seht nur!“

„Ach der Gaul, den werden wir mit einspannen, das ist kein Problem, das wird mein Kutscher schon regeln“.

Bald setzte sich die gräfliche Kutsche in Bewegung.

Ein Blick zurück zeigte mir das alte Väterchen, den Bürgermeister am Straßenrand stehend. Er winkte uns wie ein lieber Onkel hinterher, ein dickes Bündel Scheine fest an sich gedrückt.

Mich beschlich ein ungutes Gefühl, hatte er nicht meine Blicke gemieden, verheimlichte er mir nicht, wonach ich ihn ersucht hatte?

Wusste er über den Verblieb meines Liebsten oder hatte er ihn gar eigenhändig einsperren lassen.

Ach meine Fantasie geht mal wieder bizarre Wege.

Ich lehnte mich seufzend in meinen Sitz zurück.

Alles hatte sich scheinbar zum Guten gewendet, ich hatte ein Dach über dem Kopf, unter dem weiten Himmelszelt, Schutz vor allem Unbill um mich nicht pausenlos sorgen zu müssen, alles so nehmen wie es kommt, mahnte ich mich zu meiner Beruhigung.

Die eintönige, wenn auch reizvolle Landschaft, gepaart mit den Strapazen des vergangenen Tages und der durchwachten Nacht, sowie das gleichmäßige Rumpeln der Kutsche, ließen mich bald meine Kümmernisse vergessen und in einen erholsamen Schlummer sinken.

Als ich später erschrocken die Augen öffnete und wieder in die Gegenwart tauchte, sah ich seine Blicke intensiv auf mich gerichtet.

„Oh verzeiht, ich bin ein unhöflicher Gast, aber die letzten Nächte, war mir kein Schlaf gegönnt, mir oblag die Aufgabe die Totenwache zu halten, am Bett meines aeh – Herrn“.

„Eures Herrn?“, fragte er irritiert, „wollt ihr behaupten, ihr habt als Magd euren Unterhalt erarbeiten müssen?“

„Ja - Cousin, so war es in der Tat, seht meine Hände, ich habe wahrhaftig geschuftet wie die niedrigste Magd“, bestätigte ich.

„Das kann ich kaum glauben Komtesschen, wie konnte das geschehen, was hat euch in solch eine Abhängigkeit geraten lassen, ihr kommt doch, wie ich erfuhr, aus dem deutschen Land, wenn auch eure Aussprache ein wenig merkwürdig anmutet“.

„Ihr sagt es, ich komme ursprünglich aus Mitteldeutschland, lebte jedoch schon seit Ewigkeiten zwischen dem Erz und dem Riesengebirge, dort wo die Wiege der großen Grafensippe liegt, ach ich weiß noch nicht mal euren Vornamen, ich bin die Carla von Elzen und du?“

„Sebastian, auch wenn ich im Schloss anders betitelt werde, so muss ich euch gestehen, eure Schönheit und Lieblichkeit berührt mich zwar, sie schmeichelt dem Auge, denn nie zuvor bin ich einem so makellosen, aufreizenden Geschöpf wie euch ansichtig geworden, sollt ihr wissen, aber mich könnt ihr nicht betören, man hat aus gutem Grund, mich gesendet“.

„Ah – ja ich habe euch schon recht verstanden, ihr mögt lieber Männer, bevorzugt junge hübsche Knaben für die lustvollen Stunden im Schlafgemach oder wo immer ihr es treiben mögt, na und, soll doch ein jeder so wie er mag glücklich werden, ihr seid viel zu schön und zu eitel für einen Mann“.

„Ihr verachtet mich also nicht, speit nicht vor mir aus und spottet nicht meiner?“

„Gott bewahre, was kümmern mich eure Vorlieben und schon gar nicht eure Bettgeschichten!“

„Ich bin erstaunt, ihr redet so, um nicht zu sagen, schamlos wie – nun ja - wie eine Französin, die ihr ja wohl in Wirklichkeit seid“.

„Ihr täuscht euch, ich bin eine deutsche Frau, wie ich schon sagte, komme ich aus dem Osten Deutschlands, dort wo die Wiege, der Ursprung der gräflichen Sippe, eurer und unserer Vorfahren liegt!“

„Nein, da seid ihr einem Irrtum erlegen, unsere Sippe hat hier ihren Ursprung im Schloss meiner Vorväter seit Ende 11 Hundert“.

„Wie – was behauptet ihr da?“

„Ja, wenn ich es doch sage, meine Urväter haben das Schloss auf den Grundmauern der alten Burg aufgebaut, also etwa um 14 Hundert wiedererrichtet, mein Großvater berichtete davon, ich weis es ganz genau!“

„Mein alter Herr allerdings, scheint seines Verstandes verlustig, er erzählt wirres Zeug, von einem unsterblichen Vorfahren, der in unserem Gemäuer in hellen Mondnächten sein Unwesen treiben soll“.

„Ich verstehe, ein Schlossgeist, also werde ich das mysteriöse Spuckgespenst bald von Angesicht erleben?“

„Lacht mich nicht aus, denn auch ich bin ihm schon begegnet, er ist äußerst brutal und skrupellos, setzt sich über alle bestehenden Regeln und Konventionen hinweg, “. „Ich habe ihn lachen gehört, ein schauerliches, böses Lachen, er macht sich über uns lustig, ergötzt sich an unserer Angst, gebe Gott das ihr ihm nie begegnet, denn er ist ein Barbar, ein Verbrecher der übelsten Sorte, der Teufel in Person“.

„Ein verkleideter Witzbold also“, warf ich belustigt ein.

„Ach ihr wollt nur artig Konversation betreiben, mich unterhalten und vergnügen“.

„Nein – ja, ihr solltet mir aber mehr Glauben schenken, ebenso will ich euch vor meinem Bruder warnen, vor dem solltet ihr euch gleichfalls in Acht nehmen, der ist ein rechter Schwerenöter, ein Herzensbrecher, der immer sein Ziel erreicht!“

„Ach ja?“, „na der Gute wird bei mir auf Granit beißen, er dauert mich schon heute!“, entgegnete ich schmunzelnd.

„Das denkt ihr jetzt, wenn ihr ihn erst seht, werdet auch ihr weiche Knie bekommen und dahin schmelzen, der weis seinen Charme einzusetzen!“, erwiderte er ernsthaft.

„Ach wie interessant, ich brenne schon jetzt darauf ihm die entsprechenden Benimmregeln beizubringen und ihn in seine Schranken zu weisen!“

„Nun verratet mir endlich, wo geht die Reise denn hin?“

„Oh es ist eine weite Strecke die wir noch vor uns haben, zunächst müssen wir die unwegsame Berglandschaft überwinden, wenn wir erst Andorra passiert und hinter uns gelassen haben, geht es gemächlich weiter“.

„Über Limoux, Nîmes, Avignon und Montemar, wenn wir dann Grenoble erreicht haben, ist es nicht mehr weit, Albertville, am Fuße der Alpen ist unser grobes Ziel“.

„Oh, dort ist es wunderschön im Frühling, es wird euch sehr gefallen!“

„Du machst mich neugierig Sebastian, auch hier ist es im Frühling schön!“, bemerkte ich schläfrig.

Ein romantischer Zauber lag über dem Land.

Zu dieser Jahreszeit übersah man die schlechten, mit Schlaglöchern gespickten Wege.

Unser Gefährt holperte unermüdlich über die unebenen Fahrwege, wir wurden kräftig durcheinandergeschüttelt.

Das verlockende, unbekannte Ziel vor Augen, ließ mich für eine Zeit, meine Kümmernisse vergessen.

„Weck mich, wenn wir Andorra erreichen, auch Nîmes und Avignon, möchte ich nicht verpassen zu sehen!“, bat ich ihn und kuschelte mich behaglich in den gepolsterten Sitz, um mir mit Dösen die Zeit zu verkürzen.

„Ihr habt eine falsche Vorstellung von der Entfernung Cousinchen“, entgegnete er lachend, „ich bin schon froh, wenn wir heute noch dieses verdammte Gebirge endlich überwinden und eine menschenwürdige Herberge ohne Läuse und Wanzen finden“.

„Ach wie dumm von mir“, murmelte ich herzhaft gähnend im Halbschlaf.

Mein Schicksal ist gar nicht so aussichtslos, im Grafenschloss, wo immer es sich auch befindet, würde mich mein Liebster sicher schon finden, dachte ich noch, bevor ich im Land der Träume eintauchte.

Mich träumte: Er löste sich aus dem Schatten der Bäume.

Ich sah ihn ganz genau, erkannte ihn, er war es, mein Liebster, ich begann zu laufen, stolperte und fiel, doch ich war nicht fähig mich zu erheben.

Dort stand er mit ausgebreiteten Armen, aber es war nicht sein Gesicht, eine verzerrte Totenmaske grinste mir entgegen. „Gaston, du lebst?“

„Ich wollte dich nicht verlassen, man hat mich aus dem Haus gejagt!“, stammelte ich hilflos.

„Verrecke - du nichtswürdige Kreatur, du hast mir nur Unglück gebracht!“, sprach er hämisch mit Günters Stimme, wendete sich um und entschwand meinen Blicken. Nur das das Rauschen des Windes in den Baumkronen, blieb mir im Kopf haften.

Ein Sturm hatte sich aufgetan, schaukelte die Kutsche bedrohlich auf dem schmalen hohen Bergpass. Aus meinen Träumen gerissen, schaute ich mich verwirrt um.

„Ängstigt euch nicht, uns wird nichts geschehen, der Sturm kann uns nichts anhaben, die Kutsche ist zu schwer!“ Erschrocken sah ich die Bäume sich wiegen, vernahm das zischende Brausen der Elemente.

„Fahr er nur weiter Johann, treib die Pferde an, wir müssen hinunter ins Tal, dort haben wir Schutz vor dem Wind“.

Doch es war zu spät. Eine wilde Böe hatte uns erfasst und warf die Kutsche wie ein kleines Spielzeug um. Wir wurden durcheinander geschleudert und landeten krachend zwischen den beiden Dienern im Nirgendwo.

„Oh Gott, auch das noch, seid ihr am Leben Kleine, seid ihr unversehrt?“

„Puh – ja ich lebe noch, aber was wird nun?“, prustete ich und arbeitete mich benommen aus dem Wirrwarr von Leibern.

Der Sturm pfiff mir erbarmungslos ins Gesicht, als es einen der wackeren Diener gelang, die Tür zu öffnen und mir aus meiner misslichen Lage zu verhelfen.

Ich glättete meine Röcke, bevor ich mit einem kühnen Sprung den verwüsteten Waldboden erreichte, gefolgt von Sebastian und einem Diener, der andere, lag hilflos eingeklemmt, zwischen herab gestürzten Gepäckstücken begraben.

„Wir müssen ihn herausholen!“, keuchte ich und griff nach Sebastians Arm, doch oh Schreck, es war nicht Sebastian, sondern der Diener, auch der hatte sich indessen befreit und stand schnaufend hinter mir. Irritiert sah ich von einem zum andern.

„Wo ist Sebastian…ich dachte er wäre schon draußen!“ Panikergriffen, kletterte ich wieder in die Kutsche, die sich in verkehrter Lage befand, das war gar nicht so einfach, denn das Holz war nass und glitschig.

Von oben sah ich ihn hilflos eingeklemmt, zwischen gesplitterten Holzfragmenten und Gerümpel, wild mit den Armen fuchteln.

„Oh du lieber Gott Sebastian, was ist dir geschehen“, rief ich erschüttert. Schnell, kommt Jungens, wir müssen ihn hier umgehend herausholen, so helft mir doch!“ Es erwies sich als äußerst schwierig, in der, in Schieflage geratenen Kutsche zu arbeiten. Nach endlos langer Zeit, wie es mir schien, gelang es uns schließlich, den armen eingequetschten, stöhnenden Pechvogel zu befreien.

Zu allem Überfluss, hatte nun auch noch ein Platzregen eingesetzt.

In fieberhafter Eile, suchte ich in dem Wirrwarr nach Decken und breitete eine auf den feuchten Waldboden aus.

„Legt ihn dort hin, ich muss sehen was er für Blessuren erlitten hat“, befahl ich energisch, „versucht indessen den Wagen wieder aufzurichten“, fügte ich hinzu.

Während mir der Regen in den Nacken und auf den Rücken prasselte, hockte ich über dem Verletzten und betastete seine Beine.

„Oh je, das Schienbein hat einen bösen Knacks, es ist offenbar gebrochen, aber zum Glück scheint es ein sauberer Bruch und nicht gesplittert zu sein, das kriegen wir wieder hin, hast du sonst noch irgendwo Schmerzen mein Freund?“

„Ich weis nicht genau, alles schmerzt mir!“ Jammerte er.

„Ja das sind zum Glück nur Prellungen, wie mir scheint, ich muss jetzt dein Bein schienen, dazu brauche ich“… hektisch sah ich mich in dem Trümmerhaufen, nach geeigneten Holzstücken um und wurde fündig.

Jetzt benötigte ich eine feste Bandage, doch woher nehmen. Die rettende Idee kam mir, als ich meine feuchten Unterkleider an den Beinen kleben spürte.

Ich löste einen Unterrock und riss ihn in breite Streifen.

Ich musste schnell handeln, denn die Dämmerung setzte bereits ein.

Die Männer bemühten sich indessen, laut fluchend die demolierte Kutsche wieder aufzurichten. Gottlob waren es drei, denn der Kutscher packte kräftig mit an. Mit einem lauten krachen setzte sie auf und stand nun wieder auf den Rädern, doch den Schaden, den sie davongetragen hatte, würden wir erst bei Tageslicht erkennen.

Längst war es schwarze Nacht geworden, im Schein einer matten Öllampe arbeiteten wir bis zur völligen Erschöpfung, um ein wenig Platz und Ordnung im Wageninneren zu schaffen.

Triefend vor Nässe, krochen wir in die schützende Unterkunft. Dort kauerten wir bibbernd vor Kälte und Erschöpfung, eng zusammen und verzehrten hungrig den kärglichen Rest Brot und Käse, denn für eine Verköstigung im Wagen, war keine ausreichende Vorsorge getroffen worden.

Das nächste Rasthaus, lag viele Meilen entfernt!

Der folgende Morgen, ließ kaum noch etwas von dem verheerenden Unwetter erkennen.

Die Sonne strahlte wie zum Hohn, als verspotte sie uns, als wäre nichts passiert, doch das Unglück war geschehen.

Der Tag brachte das ganze Dilemma des Unheils ans Licht.

Eines der Pferde war nicht mehr zu retten und musste eingeschläfert werden. Zum Glück hatten wir ein Ersatzpferd, nämlich meinen Hengst, den wir an einem Seil mitgeführt hatten.

Er würde nun zum Einsatz kommen, wenn – wenn die Kutsche wieder fahrtüchtig wäre.

Voller Entsetzen begutachteten wir den Schaden und erkannten bald das ganze Ausmaß der Zerstörung. Jammern und Klagen waren nicht angebracht, es musste gehandelt werden.

Sebastian hockte mit sorgenvollem Gesicht auf einem Baumstumpf und wiegte erschüttert den Kopf.

„Reitet in den nächsten Ort und macht einen Wagenbauer ausfindig, besorgt auf dem Weg auch Fressalien und“… „Ich werde mitreiten“, unterbrach ich ihn aufgekratzt.

„Das kommt gar nicht in Frage, ihr behindert die Männer nur in ihrem Handeln, zu tun, was Männer tun müssen, notfalls auch mit Gewalt sich Gehör verschaffen, ein leichtsinniges, törichtes Weib ist dabei nur im Wege!“, belehrte er mich.

„Ah, ich verstehe was euch vorschwebt, so etwas wie ein Raubzug mit Waffengewalt!“, brauste ich auf.

„Ja verdammt noch einmal, wenn ihr es so auszudrücken beliebt, das Bergvolk hier, ist störrisch und verschlossen, sie werden nicht freiwillig“…

„Ihr wollt sie also einschüchtern und zwingen, wenn nötig mit Waffengewalt, wo möglich einen Hof überfallen und die kläglichen Überreste aus der Speisekammer an euch bringen, wie einst die Raubritter!“

„Ihr beliebt zu übertreiben und alles zu dramatisieren Komtesschen!“, versuchte er mich zu bremsen.

„Es bleibt dabei, du wirst sie nicht begleiten“.

„Du kannst mich nicht hindern, bah – was willst du denn dagegen tun?, aber tröste dich - ich weiche der Vernunft, denn mit derlei Machenschaften will ich nichts zu schaffen haben!“, sagte ich und stemmte kampflustig die Hände auf die Hüften.

Die Männer gürtelten wichtigtuerisch ihre Waffen und machten sich zu Pferde auf den Weg.

Wir blieben allein zurück.

„Ich werde nach einem Bach Ausschau halten, ihr könnt derweilen Kräuter für einen belebenden Tee sammeln und ein Feuer entfachen, Holz gib es ja genug hier, habt ihr einen Topf in euren Vorräten?“

„Einen Topf benötigt die Gnädigste, womöglich noch Pfannen und feines Geschirr?“, nein, so etwas führen wir nicht mit uns, entfernt euch nicht zu weit, lasst mich nicht so lange allein!“, rief er mir hinterher.

In meinem Bestreben etwas Nützliches zu tun, stapfte ich munter drauflos, begegnete einer fetten Ratte,

Wildschweinen, sah Kaninchen und prächtige Auerhähne davon flattern, Rehe und Bergziegen ins Gebüsch huschen. Eine Schlaraffenlandschaft, dachte ich, hier könnte man gut überleben.

Bald fand ich einen Bach, in dem sich muntere Forellen tummeln.

Nun war meine Geschicklichkeit gefragt.

Mit meinem Halstuch gelang es mir, nach mehreren Versuchen zwei herrliche Exemplare zu fangen, das nahm eine gewisse Zeit in Anspruch.

Mit meiner Beute begab ich mich auf den Rückweg.

Sebastian war es tatsächlich gelungen, ein Feuer zu entfachen.

„Ich habe ein köstliches Frühstück für uns erbeutet“, rief ich freudestrahlend und machte mich mit Eifer daran, die Tierchen auszunehmen.

An einem Stock aufgespießt, brieten wir die willkommenen Leckerbissen und genossen die unerwarteten Köstlichkeiten. So wurde uns die Zeit nicht lang.

„Ihr seid zu unbedarft!“, sagte er nach einer Weile, „ihr denkt nicht an die Gefahren, die einer Frau wie euch überall lauern, ein aufmüpfiges, kämpferisches Weib, man muss euch vor euch selber schützen!“

„Ja ich bin nur ein dummes, hilfloses, unnützes Weib, aber ihr müsst doch zugeben, das ich gar nicht so unnütz bin“, räumte ich schmunzelnd ein und schleckte meine fettigen Finger ab.

„Ich habe schon so manche ausweglose Situation gemeistert, habe mich ohne männlichen Schutz durchkämpfen müssen, im Gegensatz zu eurem behüteten Dasein, als verwöhntes Bübchen, stets von einer Dienerschar umgeben!“

„Gleichwohl weis ich auch die Annehmlichkeiten im Luxus eines Schlosslebens zu schätzen“.

„Oh ja, ich sehne mich bisweilen nach Kultur, prunkvollen Festlichkeiten, Bällen, Tänzen, Musik, kulinarischen Genüssen und geistreichen Unterhaltungen, nach festlichen Roben, galanten Männern mit Stil und erstklassigem weltlichen Benehmen!“

„Ach Gott ja, wie lange schon habe ich das alles entbehren müssen!“, murmelte ich, tief aufseufzend, „aber das allein ist es nicht, was ein erfülltes Leben ausmacht!“

„Ihr habt also das Leben auf einem Schloss mit allem Luxus kennen gelernt und genossen, wie ist es aber möglich, das ich euch in solch einer armseligen, Gott verlassenden Gegend aufgetrieben habe?“

„Wie um alles in der Welt, seid ihr dort hingelangt, was hat es damit auf sich?“

„Ach, das ist eine lange, unerfreuliche Geschichte, ich bin gewiss nicht aus freien Stücken in diese triste Einöde gereist!“

„Könnt ihr euch nicht denken, dass man mich gefangen genommen und verschleppt hat, auf einem herunter gekommenen Hof, wurden mir die niedrigsten Arbeiten aufgezwungen“. – „Ich war eine weiße Sklavin“.

„Seht, meine Hände sind die einer Dienstmagd, hier schaut, voller Schwielen und Risse!“

„Was sagt ihr da?, aber wie war es euch möglich zu fliehen?“

„Oh du arme Kleine“, platzte er heraus, „ich sehe, man hat euch arg geschunden, ich wusste gar nicht, hatte keine Ahnung, was euch angetan wurde!“

„Hätte ich nur früher von eurem Elend erfahren und was euch aufgebürdet wurde, ich hätte alles von dir abwenden können!“