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Das Jahr 1969. Unter der Rheinbrücke in Bonn, der damaligen Bundeshauptstadt, wird ein Toter gefunden, erschossen. Man fand ihn zwar zwischen den Obdachlosen, aber wie es herausstellt, ist er ein reicher Fabrikant und mehrfacher Millionär, bekannt und gut angesehen und solide verheiratet. Die Ermittlerin Sarah Wessen arbeitet sehr engagiert für Kommissar Mauser, aber erzählt wird die Geschichte von Sarahs Hund Schmiss.
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Seitenzahl: 152
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Gudrun Leyendecker ist seit 1995 Buchautorin. Sie wurde 1948 in Bonn geboren.
Siehe Wikipedia.
Sie veröffentlichte bisher über 110 Bücher, unter anderem Sachbücher, Kriminalromane, Liebesromane, und Satire. Leyendecker schreibt auch als Ghostwriterin für namhafte Regisseure. Sie ist Mitglied in schriftstellerischen Verbänden und in einem italienischen Kulturverein. Erfahrungen für ihre Tätigkeit sammelte sie auch in ihrer Jahrzehntelangen Tätigkeit als Lebensberaterin.
Das Jahr 1969. Unter der Rheinbrücke in Bonn, der damaligen Bundeshauptstadt, wird ein Toter gefunden, erschossen. Man fand ihn zwar zwischen den Obdachlosen, aber wie es herausstellt, ist er ein reicher Fabrikant und mehrfacher Millionär, bekannt und gut angesehen und solide verheiratet. Die Ermittlerin Sarah Wessen arbeitet sehr engagiert für Kommissar Mauser, aber erzählt wird die Geschichte von Sarahs Hund Schmiss.
Kapitel 1: Vom Schreibtisch des Todes
Kapitel 2 – Die Liste
Kapitel 3: Minigolf mit Aussicht
Kapitel 4: Strumpfwechsel mit Aussicht
Kapitel 5: Der Duft von Räucherstäbchen und Revolution
KaPeteel 5: Klopapier mit Aussicht
KaPeteel 6: Gespräche in Beige
KaPeteel 7: Zwischen Bohnen und Bedenken
Kapitel 6: Zeitungswissen mit Sahne
KaPeteel 9: Ballwechsel mit Igel
Kapitel 6: Rheinufergespräch
KaPeteel 11: Die Witwe trägt Schwarz
Kapitel 7: Wählscheiben und Zweifel
KaPeteel 13: Lambrusco unter der
Kapitel 8 – Fortsetzung: Nebel, Wein und eine Spur zu viel Glück
Kapitel 9 – Drachen, Zuckerberge und ’n dicker Spruch
Kapitel 10 – Zwei auf vier Pfoten
Kapitel 11 – Vom Krieg, vom Rhein und von der Elbe
Kapitel 12 – Bowle, Bücher und die Sache mit Rolf
Kapitel 13 – Von Hundekuchen, Herzschmerz und Hannelore
Kapitel 14 – Pistole, Pasta, Peter
KaPeteel 20 – Weiherblicke und
Kapitel 15 – Pferde, Pflichten und Pokerfratzen
Kapitel 16 – Tauben, Thesen und tiefe Schatten
Kapitel 17 – Alte Wetten und neue Spuren
KaPeteel 24 – Pommes auf später
Kapitel 18 – Kommune, Chaos, Krawatte
Kapitel 19 – Liebe, Lügen und Lakritze
Kapitel 20 – Die Datscha, das Bier und der Biss ins Milieu
KaPeteel 28 – Pommes, Prinzipien und ein Junge mit viel Meinung
Kapitel 21 – Lichter, Lose und leise Gedanken
KaPeteel 30 – Sonntag, Sonne, Spuren
Kapitel 22 – Theorie und Tat
Kapitel 23 – Köder mit Kragen
Kapitel 24 – Von Kuchen, Kostümen und Komplizinnen
Kapitel 25 – Smith & Wesson und Sonnenbrillen
Kapitel 26 – Die zwei vom Tennis
Kapitel 27 – Ein Drink für die Diva
Kapitel 28 – Die Witwe und der Charmeur
Kapitel 29 – Flucht mit Visitenkarte
Kapitel 30 – Bratkartoffeln, Bluff und Blätterrauschen
Kapitel 31 – Vom Regen in die Kaffeekrümel
Kapitel 32– Und Rolf?
Kapitel 33 – Zwischen Apfelkisten und Andeutungen
Kapitel 34 – Pflaumenkerne und Perspektivwechsel
Kapitel 35 – Regen, Hoffnung und die Idee einer anderen Wahrheit
Kapitel 36 – Die Wahrheit unter der Brücke
Kapitel 37 – Ein Gedanke zu viel, ein Schuss zu weit
(erzählt von Schmiss, Promenadenmischung, dienstlich anwesend, aber persönlich unbeteiligt)
Wenn man als Hund einen Beruf hätte, dann wäre ich sowas wie ein stiller Teilhaber. Kein Bellen, kein Beißen, aber immer mittendrin – so wie heute. Es war heiß. Bonn war im Juni 1969 eine Stadt mit Schweißflecken – unter den Achseln der Beamten, in den Sitzen der Dienstkäfer und sogar auf der Stirn von Kommissar Friedrich Mauser.
Mauser, den alle Fritze nannten, außer Sarah. Die sagte bloß „Kommissar" zu ihm, und zwar so, als ob sie dabei an etwas anderes dächte. Vielleicht an Kaffee. Oder an Mord.
Wir saßen im Kommissariat, in einem dieser Altbauten, die genauso rochen, wie man sich das in einer alten Hauptstadt vorstellt: Nach Linoleum, Akten und einer Mischung aus Enttäuschung und Bohnerwachs.
Ich lag auf meinem Platz, der rein zufällig direkt vor dem Fenster lag. Man gönnt sich ja sonst nichts. Mein Frauchen – offiziell: Privatdetektivin Sarah Wessen – saß kerzengerade auf dem Besucherstuhl. Wie immer trug sie ihr Haar mit einem Band über der Stirn, damit es ihr nicht in die Augen fiel.
Fritze schob sich seine Brille auf die Nase, wie er es etwa siebzehn Mal pro Stunde tat, wenn er nachdachte. Oder so tat, als ob.
„Also, Frau Wessen, wir haben da einen Fall von gewisser… gesellschaftlicher Sprengkraft", begann er und tippte mit seinem Kugelschreiber so nervös auf den Tisch, dass ich kurz überlegte, ob ich ihn anbellen sollte.
„Ein gewisser Hans Rieseneimer – Industrieller, Millionär, Besitzer der Firma Rieseneimer's Rüdenriegel – wurde gestern tot aufgefunden. Und zwar…" – er machte eine bedeutungsschwere Pause – „...unter der Nordbrücke. Zwischen drei, äh, Herren aus dem öffentlichen Fernbleibewesen."
Ich hob ein Ohr. Öffentlicher Fernbleibewesen? Er meinte Penner. Menschen, die sich von Regeln verabschiedet hatten. Ich konnte das nachvollziehen.
„Er wurde erschossen", sagte der Kommissar leise. „Direkt vor dem Brückenmännchen. Und das…" – wieder schob er sich die Brille hoch – „…zeigt bekanntlich mit dem Hintern nach Beuel. Nur dass der Hintern diesmal direkt auf den Toten zeigte."
„Das war kein Zufall, was?" fragte Sarah ruhig.
„Das ist Bonn, Frau Wessen", erwiderte Fritze. „Hier ist nie etwas Zufall. Und schon gar nicht, wenn es um Leute geht, die in Bonn 'Millionär' heißen."
Er reichte ihr eine Liste. Viele Namen. Noch mehr Motive. Und ein Mörder – den kannte noch keiner. Außer vielleicht ich.
„Was hatte er denn unter der Brücke zu tun“, fragt mein Frauchen ungläubig.
Er hatte mit seinem Freund Noribert Boxhausen gewettet, dass sich er dort eine Nacht aufhalten kann, ohne aufzufallen und ohne verjagt zu werden.“
„Was für eine verrückte Idee! War er sonst auch so neben der Spur?“
„Im Gegenteil! Er ist ein Mann aus den besten Kreisen, aus den gehobenen, sehr hoch oben. Ich möchte, dass Sie diskret ermitteln", sagte Fritze. "Der Mann hatte Kontakte bis ins Ministerium. Da darf nichts durchsickern."
Sarah nickte. Ich gähnte. Diskretion war nicht ihr zweiter Vorname, aber sie konnte so tun als ob. Ich übrigens auch.
„Wer ist der erste Verdächtige?" fragte sie.
„Ein gewisser Peter Neuzahn", sagte Fritze. „Ehemaliger Mitarbeiter. Hat angeblich Bleistifte geklaut. Ich weiß nicht, ob das ein Motiv ist. Vielleicht wollte er einfach nur spitzen."
Ich lachte innerlich. Äußerlich nieste ich. Ein gepflegtes, distanziertes Niesen.
Sarah stand auf, entschlossen wie ein Fräuleinwunder im Trenchcoat. Ich erhob mich ebenfalls. Wenn es um Mord ging, war man als Hund dabei, ob man wollte oder nicht.
Fritze winkte uns hinterher. „Und lassen Sie sich nicht von der Sekretärin becircen", rief er noch. „Hannelore Amrum-Sylt hat mehr Absätze als Paragraphen."
Sarah lachte: „Auf solche Reize spreche ich nicht an.“
Ich notierte es mir geistig. Auch wenn ich keine Schuhe trage – ich erkenne einen Tritt, wenn er kommt.
*
Es war später Abend, als endlich Ruhe im Haus eingekehrt war. In der Siedlung auf dem Venusberg knipsten die Nachbarn nacheinander ihre Wohnzimmerlampen aus. Nur bei Sarah brannte noch Licht – eine einzelne Stehlampe, die schräg hinter ihrem Ohr eine kleine Insel aus Helligkeit auf das Notizbuch auf ihrem Schoß warf.
Ich lag zusammengerollt auf dem Teppich, die Schnauze auf den Vorderpfoten, aber meine Ohren bewegten sich ganz leicht. Immer wenn mein Frauchen über einen neuen Namen sprach, schnaubte sie leise durch die Nase – manchmal wie bei Unglauben, manchmal wie bei Ärger. Und manchmal, als hätte sie plötzlich einen Verdacht.
Vor ihr auf dem Couchtisch lag ein Zettel. Sauber mit Schreibmaschine beschrieben. Und dann mit Kugelschreiber an den Rändern ergänzt. Kommissar Mauser hatte ihn ihr auf dem Markt zugesteckt – zusammengefaltet, mit der Klammer einer Zigarettenschachtel befestigt. Typisch Fritze.
Sarah las laut vor, für sich selbst, aber auch ein bisschen für mich. Sie wusste, dass Zuhören eine meiner besten Fähigkeiten war. Auch wenn ich nicht mitreden konnte – ich merkte mir alles.
„Also“, begann sie und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr, „wir haben... eine stattliche Liste. Und wenn das nicht trügt, dann gibt es einige Leute, die den Hans Bergert lieber heute als morgen losgeworden wären.“
Sie las den ersten Namen:
1. Luise Rieseneimer – „Ehefrau, Ehe unglücklich, Verdacht: dauerhafte Untreue, wollte sich angeblich scheiden lassen. Finanzielle Motive: großer Teil des Firmenvermögens stammt aus ihrer Familie.“
Sarah seufzte. „Und doch... Irgendetwas ist daran seltsam. Warum hatte das Luise so lange mitgemacht und jetzt, ganz plötzlich, so heftig reagiert?“
2. Hannelore Amrum-Sylt – „Sekretärin, mutmaßliches Verhältnis, wurde vielleicht nicht ernst genommen. Motiv: Eifersucht oder verletzter Stolz?“
„Die klassische Büro-Affäre... aber mit Hans konnte man wohl nicht viel gewinnen, nur verlieren.“
3. Rita Kitteltag – „Mitarbeiterin in der Kommune, fühlt sich möglicherweise übergangen oder ist wütend auf alle neureichen Materialisten?“
„Rita. Ja. Auf sie bin ich schon sehr gespannt und auch auf die ganze Kommune und das Leben darin.“
4. Peter Neuzahn – „Ehemaliger Mitarbeiter. Wurde gefeuert nach Streit wegen ein paar fehlender Bleistifte. Hat wahrscheinlich schon mal mit Rache gedroht.“
Sarah lehnte sich zurück. „Da war's noch am einfachsten. Wut, Demütigung, Groll. Ganz klare Linie.“
5. Noribert Boxhausen – „Freund und Geschäftspartner mit Hang zu zweifelhaften Ideen. Verkäufer von Andenken. Ständig bankrott. Kein klares Motiv. Aber zu viel Leichtsinn?“
Sie schüttelte den Kopf. „Auf seine Ideen bin ich schon sehr gespannt. Vielleicht kann er viel über Hans Rieseneimer erzählen. Aber wo ist das Mordmotiv? Aha, da steht noch etwas, hat sich von seinem Freund öfter große Geldsummen geliehen.“
6. Angelika Rieseneimer – „Nichte. Tochter einer bereits verstorbenen Schwester. Ist bei Onkel und Tante groß geworden. Kein direktes Motiv. Oder doch?“
„Da werde ich besonders vorsichtig sein. Die Trauer könnte ehrlich sein... oder ganz woanders herkommen.“
7. Die Kommune (Gaby & Ulf Kleinbär, Ralf, Isa...) – „Vielleicht haben Sie Revolutionäre Ideen, gegen das Establishment. Möglicher ideologischer Hass gegen Firmeninhaber? Unbedingt genau nachprüfen“
„Aber ein Mord? Nur wegen Weltverbesserungsgedanken?“
8. Bekannte Obdachlose, bereits zum Verhör vorgeladen Kalle und Bad – „Nicht auf der Liste, ein noch unbekannter Obdachloser, der in der Tat macht am Tatort gewesen sein muss, aber seitdem verschollen ist.“
„Nachtrag: der industrielle wurde mit einer Smith und Wesson aus kurzer Entfernung erschossen.“
Sarah legte den Zettel ab. Stille. Nur das Ticken der Wanduhr und mein gelegentliches Atmen.
„Was für eine Sammlung...“, murmelte sie. „Und jeder könnte es gewesen sein. Oder alle zusammen. Oder keiner.“
Sie lehnte sich vor, kramte in einem Umschlag, zog dann einen zweiten Zettel hervor. Eine Notiz vom Kommissar, mit krakeliger Handschrift:
„Beginne mit Neuzahn. Der redet gern, auch wenn er nichts weiß. Aber vielleicht schnappt er was auf. Adresse: Kölnstraße …, oben über dem Getränkemarkt.“
Sarah nickte. „Peter Neuzahn also. Da fangen wir an.“
Ich hob den Kopf. Hatte ich „Neuzahn“ schon mal gerochen? Vielleicht. Vielleicht war da was. Ein aggressiver Geruch nach kaltem Rauch und Groll.
Aber für heute war Feierabend. Ich sah Sarah an. Sie streichelte mir über den Kopf.
„Morgen, Schmiss. Morgen geht’s los.“
Ich schnaubte zustimmend. Der Fall war jetzt auch meiner.
(erzählt von Schmiss, Promenadenmischung, thermisch überfordert, aber beruflich motiviert)
Es war ein Tag für den Schatten. Nicht, weil dunkle Mächte am Werk waren – das sowieso – sondern, weil die Sonne sich benahm wie ein übermotivierter Küchenherd. Das Pflaster flimmerte, und auf dem Weg zum Venusberg dachte ich mehrfach über einen Sitzstreik nach. Aber dann fiel mir ein, dass Sarah Wessen meine Chefin ist – und dass sie aus Prinzip keine Ausreden gelten lässt.
Außerdem: Ich bin zwar ein Hund, aber keiner, der zu Hause bleibt, wenn irgendwo was passiert. Selbst wenn es nur ein Verhör auf dem Minigolfplatz ist.
Der Platz lag neben der Casselsruhe, einem charmanten Ausflugslokal mit westdeutschem Kaffeehausflair und einem Duft aus Bienenstich, Bohnerwachs und Bratfett. Die Minigolfbahnen waren ganz neu, das Gras kunstgrün, die Hindernisse modernistisch – irgendwo zwischen abstrakter Kunst und metallgewordener Boshaftigkeit.
Die Kassiererin erkannte uns sofort. Sie trug einen Kittel, der nach Maggi roch, und ein Gesicht, das auch schon im Kaiserreich skeptisch geguckt hätte.
„Keine Hunde auf dem Platz!" sagte sie automatisch.
„Das ist ein Diensthund", sagte Sarah ebenso automatisch und lächelte charmant wie ein Fräulein vom Filmfunk.
Ich wedelte professionell mit dem Schwanz. Dienstlich, nicht persönlich.
Sie ließ uns durch. Ich war zum ersten Mal auf einem Minigolfplatz. Es war weniger aufregend, als ich gehofft hatte. Keine Mäuse, keine Leichen, keine Bäume. Nur bunte Bälle, Menschen mit schlechten Hüften und viel zu viele Kinder mit Zuckerwattehänden.
Peter Neuzahn wartete schon. Er trug eine Sonnenbrille, als sei er italienischer Filmschauspieler – oder wollte wenigstens so wirken. Seine Shorts waren zu kurz, seine Socken zu lang, und sein Lächeln passte nicht zum Wetter.
„Sarah", sagte er, als wäre sie seine Cousine dritten Grades.
"Peter", erwiderte sie neutral.
Sie bekam einen Schläger, ich bekam nichts – wie immer – und das Spiel begann.
„Du hast also Hans Rieseneimer gut gekannt", sagte Sarah beiläufig, während sie den Ball mit einem eleganten Schwung an einem Stahlhügel vorbeischickte.
„Ich hab für ihn gearbeitet", sagte Peter. „Bis er mich rauswarf."
„Warum?"
„Bleistifte."
„Viele?"
„Genug, um mir einen neuen Beruf zu suchen."
Ich ließ mich unter einer Bank nieder. Es roch nach Mückenstichsalbe, Schweiß und altem Fanta.
„Ich bin jetzt in Köln", erzählte Peter weiter. „Ford-Werk. Ich schule italienische Gastarbeiter ein. Tolle Jungs, ehrlich. Arbeiten hart, machen keine Umstände. Aber manche Deutschen behandeln sie wie Plagegeister."
Er zuckte mit den Schultern. "Ich versuch, ihnen beizubringen, wie man sich hier behauptet – auf Deutsch, versteht sich. Ist nicht leicht."
Sarah nickte und traf das nächste Loch mit einem eleganten Plopp.
„Du klingst zufrieden."
„Bin ich auch. Kein Büro, keine Hundekuchen, keine Wichtigtuer mehr."
„Und keine Rachegelüste?"
Er grinste. „Ich war sauer. Klar. Aber Hans war, wie er war. Was bringt's, sich aufzuregen? Ich hab was Besseres gefunden."
Ich schnüffelte an einem Papiertaschentuch, das nach Pistazieneis roch. Italienisch. Ich mag Italiener. Die haben was Warmes im Blick. Nur Spaghetti mag ich nicht. Sarah kocht die manchmal, wenn sie sentimental wird. Ich kaue dann immer lustlos daran herum, damit sie denkt, ich sei höflich. Aber ehrlich – ich glaube, sie schmecken bei den Italienern besser.
Sarah hakte ein paar Dinge nach – freundlich, beiläufig, aber gezielt. Keine dummen Fragen. Nur offene Türen, an denen sie vorsichtig klopfte.
Peter spielte weiter, als sei er auf Kur. Irgendwann sagte er: „Hans hatte viele Feinde. Ich war keiner mehr. Nicht mehr wirklich."
Als wir gingen, sagte Sarah: „Pass auf dich auf, Peter."
„Tu ich", sagte er. „Und auf die Italiener auch."
Die Kassiererin winkte uns hinterher, als hätte sie heimlich doch ein Herz. Oder vielleicht hatte ich sie mit meinem Blick bezirzt. Ich kann das, wenn ich will. Zurück auf der Straße war die Hitze noch schlimmer. Ich trottete neben Sarah her.
„Na?", fragte sie.
Ich bellte nicht. Ich nickte nur innerlich.
Peter Neuzahn? Im Moment wirkte er ruhig und entspannt. Hatte er sich durch die Tat abreagiert? Oder war er vielleicht ein eiskalter Mörder?
Irgendwer hatte nun mal ein Motiv. Und eine Waffe. Und zu viel Hass.
Und ich hatte das Gefühl, dass ich bald noch mehr Menschen begegnen würde, der weniger Minigolf spielten – und hoffentlich kein Russisch Roulette.
*
(erzählt von Schmiss, Promenadenmischung, olfaktorisch überfordert, aber konzentriert bei der Sache)
Ich bin kein Freund von Parfüm. Es macht das Schnüffeln kompliziert. Zu viele künstliche Blumen, zu viel versprochene Sinnlichkeit, und meistens doch nur Tarnung. Wenn jemand so stark duftet, dass selbst die Luft umfällt, hat er meistens was zu verbergen.
So war das auch bei Hannelore Amrum-Sylt.
Wir trafen sie mittags in der Mensa der Hundekuchenfabrik – Rieseneimer’s Rüdenriegel GmbH, dem Ort, an dem Hannelore behauptete, auf dem Sprung zur Macht gewesen zu sein.
Sie saß bereits da, mit dem Rücken zum Fenster, damit man sie gut sehen konnte. Neben ihrem Tablett lagen ein rosa Spiegel, eine Nagelfeile und ein kleines Fläschchen mit Parfüm, das bereits einen Umkreis von drei Metern in Nebel getaucht hatte.
„Frau Wessen", säuselte sie, als Sarah sich setzte.
„Frau Amrum-Sylt", erwiderte Sarah, mit einem Tonfall, den ich als „unbeeindruckt höflich“ kategorisieren würde.
Ich legte mich neben den Tisch und seufzte. Zu meinen Füßen roch es nach verkochtem Brokkoli und linoleumbeschichteter Resignation.
„Ich nehme an, Sie möchten über Hans sprechen", sagte Hannelore, während sie mit spitzen Fingern ihre Strumpfhose befühlte.
„Nur ganz kurz", erwiderte Sarah freundlich. „Ich störe ungern bei der Maniküre."
Ich verkniff mir ein Bellen.
„Ich war seine engste Mitarbeiterin", verkündete Hannelore. „Und zwar ein ganz außergewöhnlicher Mann. Er hat mir Dinge anvertraut, die nicht mal seine Frau wusste. Strategien, Visionen, Gedichte."
„Er hat Gedichte geschrieben?"
„Nicht wirklich. Aber er hatte ein poetisches Herz. Er hat es nur mir gezeigt. Bei mir konnte er sich öffnen. Ich war für ihn alles."
Sarah ließ den Blick zum Fenster wandern. Draußen glänzten das Siebengebirge und ein paar Wolken wie Puderzucker.
„Wissen Sie", sagte sie beiläufig, „diese Aussicht ist eigentlich zu schade für eine Kantine."
„Ich habe das vorgeschlagen", sagte Hannelore prompt. „Die Kantine sollte nicht im Keller bleiben. Ich habe gesagt: Wer hoch hinauswill, muss oben essen."
Dann bemerkte sie etwas an ihrem Bein. „Oh, wie peinlich", sagte sie mit falscher Unschuld, „eine Laufmasche."
Sie zog, ohne jede Scheu, einen Strumpf aus und fischte aus ihrer Handtasche ein Ersatzpaar. Während sie sich mit perfekt lackierten Fingern neue Strümpfe über ihre rasierte Selbstsicherheit zog, sah Sarah weiter zum Fenster.
„Und was haben Sie in der Nacht getan, als Hans starb?" fragte sie plötzlich.
Hannelore zögerte einen Sekundenbruchteil – für mich eine halbe Stunde.
„Ich habe geschlafen", sagte sie. „Allein. In meinem kleinen Zimmer in der Schlossstraße. Unterstes Geschoss. Dunkel, feucht – aber nicht mehr lange."
Sie lächelte wie jemand, der bald auswandert.
„Hans hat mir ein Häuschen vermacht", sagte sie mit unverhohlener Triumphlust. "Im Siebengebirge. Klein, aber fein. Ich denke, es ist ein Zeichen."
„Ein Zeichen?"
„Für unsere Verbindung. Er wusste, was ich kann. Und er wollte, dass ich es eines Tages leiten kann."
„Die Firma?"
„Natürlich. Ich hätte das gekonnt. Ich war nie nur Sekretärin. Ich war seine rechte Hand. Seine Stimme im Sturm. Seine Muse."
Ich gähnte. Laut.
Sarah nahm einen Schluck von einem Getränk, das aussah wie Limo, aber roch wie Wischwasser. Dann sagte sie:
„Und Sie sind sicher, dass niemand bestätigen kann, dass Sie allein waren?"
„Ich habe meine Ruhe gern."
„Verständlich."