Schwesterherz, ich hab' dich lieb - Isabell Rohde - E-Book

Schwesterherz, ich hab' dich lieb E-Book

Isabell Rohde

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Beschreibung

Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. »Ist es weit bis München?« fragte Frankie seinen Vater, als der sich mit einer herzlichen Umarmung von dem Siebenjährigen verabschieden wollte. »Einige hundert Kilometer sind es schon. Aber mit dem Flieger ist das ein Klacks, mein Junge. Heute abend bin ich wieder bei euch.« Max Küster war Frankies Stiefvater und nicht mal ihm war der Name des leiblichen Vaters bekannt. Und da er seine zweite Frau viel zu sehr liebte, um sie noch mit Fragen nach ihrer Vergangenheit zu quälen, hatte er Frankie einfach adoptiert. Und? Hätte er sich einen besseren Sohn als ihn vorstellen können? »Prima, daß du bald wiederkommst«, meinte Frankie. Es war noch sehr früh an diesem Aprilmorgen und recht kühl für die Jahreszeit. Weil der Kleine sich beeilen mußte, um seinen Vater ans Auto zu begleiten, trug er noch nicht mal einen Pullover. Nun fröstelte er ein wenig, als er sich neben dem Auto aufbaute. »Mußt du einen neuen Koch aus München holen oder was?« fragte er. Max, der für seine Mitte Vierzig schon recht behäbig wirkte, lachte auf, deutete auf das alte, liebevoll renovierte Haus, in dessen Erdgeschoß sich sein renommiertes Restaurant ›Zum alten Brunnen‹ befand und meinte amüsiert: »Mami und ich sind mit unserem jetzigen Koch doch sehr zufrieden, Frankie. Nein, wir brauchen keinen anderen.« »Aber was willst du denn in München?« Max rückte hinters Steuer. Dann breitete er noch mal die Arme aus, um Frankie an seine Brust zu ziehen, so daß der Kleine den Duft eines teuren Rasierwassers einatmete und die Nase kraus zog. »Das werde ich dir später einmal erzählen,

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Seitenzahl: 132

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Mami –1861–

Schwesterherz, ich hab' dich lieb

Ein ganz neues Erlebnis für den kleinen Frank

Roman von Isabell Rohde

»Ist es weit bis München?« fragte Frankie seinen Vater, als der sich mit einer herzlichen Umarmung von dem Siebenjährigen verabschieden wollte.

»Einige hundert Kilometer sind es schon. Aber mit dem Flieger ist das ein Klacks, mein Junge. Heute abend bin ich wieder bei euch.«

Max Küster war Frankies Stiefvater und nicht mal ihm war der Name des leiblichen Vaters bekannt. Und da er seine zweite Frau viel zu sehr liebte, um sie noch mit Fragen nach ihrer Vergangenheit zu quälen, hatte er Frankie einfach adoptiert. Und? Hätte er sich einen besseren Sohn als ihn vorstellen können?

»Prima, daß du bald wiederkommst«, meinte Frankie.

Es war noch sehr früh an diesem Aprilmorgen und recht kühl für die Jahreszeit. Weil der Kleine sich beeilen mußte, um seinen Vater ans Auto zu begleiten, trug er noch nicht mal einen Pullover. Nun fröstelte er ein wenig, als er sich neben dem Auto aufbaute.

»Mußt du einen neuen Koch aus München holen oder was?« fragte er.

Max, der für seine Mitte Vierzig schon recht behäbig wirkte, lachte auf, deutete auf das alte, liebevoll renovierte Haus, in dessen Erdgeschoß sich sein renommiertes Restaurant ›Zum alten Brunnen‹ befand und meinte amüsiert: »Mami und ich sind mit unserem jetzigen Koch doch sehr zufrieden, Frankie. Nein, wir brauchen keinen anderen.«

»Aber was willst du denn in München?«

Max rückte hinters Steuer. Dann breitete er noch mal die Arme aus, um Frankie an seine Brust zu ziehen, so daß der Kleine den Duft eines teuren Rasierwassers einatmete und die Nase kraus zog.

»Das werde ich dir später einmal erzählen, mein Junge. Wenn du älter bist und etwas mehr von den Menschen und der Welt verstehst.«

Frankie hatte braune Haare, die ihm bis beinah vor die Augen ins Gesicht fielen. Sie mußten wohl mal wieder geschnitten werden. Schnell strich er sie beiseite.

»Ich bin doch schon in der zweiten Klasse, Papi!«

»Was du nicht sagst«, spielte Max den Überraschten. »Und warum bist du dann noch nicht in der Schule?«

Frankie lachte. »Ach, das weißt du doch. Es ist erst sieben. Ich hab’ noch Zeit!«

Eine letzte Zärtlichkeit, dann fühlte er sich auf den Boden neben dem Wagen gestellt. Die Tür klappte zu. Max ließ den Motor an und gleichzeitig das Fenster herunter. »Gib unserer Mami noch einen dicken Kuß von mir. Bis heute abend, mein Großer.«

Frankie blickte der Limousine nach, bis sie sich auf der Hauptstraße in den morgendlichen Verkehr der kleinen Stadt eingliederte. Dann witschte er in die Hintertür des alten Fachwerkhauses, von der eine alte, breite Treppe in die Wohnung führte.

Das Heim der Küsters bestand aus drei riesigen und zwei kleineren Zimmern. Und jedes war von Max sehr behaglich und geschmackvoll eingerichtet worden. Franziska, Frankies Mutter, machte sich manchmal über dieses Hobby ihres Mannes lustig. Denn auch unten, im Restaurant, hatte er sich mit dem Schreiner Alfons Schuster ja um jede Leiste und jedes Schräubchen gestritten, bis alles seinen Vorstellungen entsprach.

Frankie rannte durch den Flur und schaute ins Schlafzimmer seiner Eltern. Dort stand seine Mutter vor dem großen Spiegel. Noch vor Minuten hatte sie einen schlichten Kimono getragen. Jetzt war sie wie verwandelt. Frankie mußte zweimal hinschauen, denn in dem schlanken schwarzen, minikurzen Kleid kam ihm seine Mami auf eine ungewöhnliche Weise faszinierend, aber beinah fremd vor.

»Uiii!« staunte er.

Franziska Küster warf ihrem Söhnchen einen kurzen Blick zu und griff in einer Schatulle nach prächtigen Ohrgehängen. Während sie sie befestigte, rief sie ihm ungeduldig zu: »Deine Schuhbänder mußt du noch zubinden. Und dann schnell, schnell… zieh den Pulli über und pack dein Frühstücksbrot ein. Es liegt auf dem Küchentisch. Aber beeil dich! Wir müssen gleich los.«

»Wohin denn?« fragte er verdutzt, bückte sich aber, um seine Schuhe zuzubinden. »Ist doch noch so früh. Gerade sieben…«

»Ich fahr’ dich heute zur Schule, weil ich um halb acht einen Termin hab’.«

»Fliegst du auch weg?«

»Unsinn!« amüsierte sie sich. Franziska war eine lebenslustige, quirlige und bildhübsche Frau, die ihrem Mann als zuverlässige und respektierte Geschäftsführerin im Restaurant zur Seite stand. Von seinem Vater hatte Frankie oft gehört, wie tüchtig sie war. Daß sie oft rumfahren mußte, um Zutaten für die Küche, Porzellan, Tischwäsche oder Blumenarrangements zu bestellen, war er gewohnt. Aber so auffallend schick gekleidet hatte er sie lange nicht gesehen.

»Nein, nein. Ich muß nur in die Nachbarstadt. Und heute mittag darfst du mit Leos Mami heim. Du kannst bei ihm spielen. Ich hole dich nachmittags, bevor wir öffnen, dort ab.«

»Toll!« freute er sich. Leo war sein bester Freund und wohnte am Rand der Stadt ganz nah am Wald. Darin konnten sie heute nach Herzenslust spielen. »Heute abend ist Papi auch wieder da«, stellte er fest, bevor er losrannte, um sein Schulbrot in den Ranzen zu packen.

Zehn Minuten später saß er hinter seiner Mutter in deren kleinen Auto. Aus dem Radio dröhnte rhyth­mische Musik, und sie trällerte gutgelaunt mit. Vor dem Schulgebäude tat sich noch nicht viel. Erst in zwanzig Minuten würden die ersten Kinder eintreffen. Er konnte sich auf die Treppe vor der Tür setzen und jeden Ankommenden beobachten.

»Krieg ich kein Küßchen wie Max?« fragte seine Mami.

»Klar.« Mit dem Schulranzen in der Hand beugte er sich zu ihr. Sie roch verdammt gut. Noch viel besser als das Rasierwasser von Max.

»Also sei schön brav, mein Schatz. Bis heute abend. Und mecker bloß nicht wieder über das von Leos Mami gekochtes Mittagessen. Du weißt, so gute Sachen wie bei uns gibt es nicht überall.«

»Weil wir drei Sterne haben, nicht?« fragte er stolz.

»Ja, drei Sterne hat unser Restaurant. Ist prima, wie? Und jeden Abend in dieser Woche sind wir ausgebucht. Unser Papi ist wirklich ein As in seinem Beruf. Also, Kopf hoch. Bis später, mein großer Junge.«

Zum zweiten Mal an diesem Morgen sah Frankie einem Auto nach. In der Eile hatte er nun doch tatsächlich vergessen, ihr eine wichtige Frage zu stellen. Warum machst du dich so toll schön, Mami? Seufzend schulterte er seinen Ranzen und trottete in den Schulhof und auf die Treppe vor der großen Tür zu.

Franziska Küster brauchte nur eine Viertelstunde Fahrt in die nächste Kleinstadt. Sie kannte sich hier sehr gut aus, entschied sich aber, ihren Wagen auf dem öffentlichen Parkplatz am Markt abzustellen. Von dort aus war sie in fünf Minuten bei dem großen Neubau in einer Seitenstraße. Sie klingelte, die Tür sprang auf und sie fuhr mit dem Lift ganz nach oben.

Unter der Wohnungstür erwartete sie ein gutaussehender jüngerer Mann. Er hieß Alfons Schuster und war der Besitzer einer Schreinerei.

»Endlich!« lachte er, zog Franziska an sich, umschlang und küßte sie. »Max ist also wirklich nach München geflogen?«

»Ihm blieb ja nichts anderes übrig. Seine geschiedene Frau braucht ihn«, erwiderte Franziska mit strahlendem Lächeln. »Und? Steht der Champagner kalt? Hast du Melone mit Parmaschinken und alles andere, was ich mir für heute als Frühstück gewünscht habe?«

Er schloß die Tür, ohne sie aus seinen Armen zu lassen. Dann deutete er mit verschmitztem Lächeln in den großen, hellen Raum.

»Siehst du nicht, was ich extra für dich herbeigezaubert habe?«

Sie sah sich um, und über ihr Gesicht glitt ein namenloses Staunen.

»Die Treppe in den Speicherraum! Du hast tatsächlich eine Wendeltreppe gebaut!« jubelte sie beim Anblick eines zierlichen Kunstwerks aus hellem Holz. »Danke, mein Schatz. Nun endlich steht das Bett hier nicht mehr so frei im Raum.« Sie lachte. »Hast du es tatsächlich nach oben geschafft? Wie romantisch, Alfons. Du hast eben begriffen, was Frauen sich für zärtliche Stunden wünschen. Eine richtige Kuschelecke, versteckt vor den Blicken unerwünschter Besucher.«

Und schon ließ sie sich von ihm, diesem athletisch gebauten jungen Mann auf die Arme heben und zur Treppe tragen. »Alles, was dein Herz sonst noch begehrt – vom Kerzenschimmer bis Champagnerkribbeln wartet oben auf dich, meine bezaubernde Geliebte.« Er blieb vor der Treppe stehen und deutete hinauf.

»Ich habe mich heute in meinem Betrieb krank gemeldet«, verriet er schmunzelnd. »Du und eine Flasche Champagner sind die beste Medizin, die ich mir denken kann.«

Franziska kicherte, als sich die beiden durch die schmale Öffnung in das geheime Versteck zwängten. Voller Erwartung auf seinen Kuß schloß sie die Augen.

»Wieviel Zeit bleibt uns?« flüsterte er. »Wann kommt Frankie aus der Schule?«

»Gegen Mittag. Aber er wird den Nachmittag bei seinem Freund Leo verbringen«, hauchte Franziska mit verheißungsvollem Lächeln. »Und Max landet erst gegen achtzehn Uhr auf dem Frankfurter Flughafen. Eine gute Stunde Fahrt braucht er von dort aus. Und bis dahin bin ich längst im Restaurant.«

»Vorausgesetzt, ich lasse dich gehen.«

»Das wirst du, mein Lieber«, wußte Franziska. »Weil du ja weißt – ich werde Max nie verlassen. Dazu verdanke ich ihm zuviel.«

Das reichte Alfons. Schnell schloß er ihre Lippen mit einem heißen Kuß. Und Franziska genoß den Kuß. Wie immer geriet sie in einen rauschähnlichen Zustand, wenn sie sein Verlangen spürte. Gleich, da oben in dem neuen Liebesversteck, wollte sie alles vergessen. Für einen langen Vormittag und noch weitere Stunden.

*

Es war später Vormittag, als Hedi Küster an einem der Fenster ihres riesigen Nähstudios stand und hinunter auf die Straße blickte. Nein, Max war noch nicht zu sehen. Was würde er wohl empfinden, wenn er nach langen acht Jahren wieder vor dem Haus stand, in dem damals ihr Glück begonnen hatte und ihre gemeinsame Tochter Viviane aufgewachsen war?

Hinter Hedi surrten die Nähmaschinen. Zwölf Frauen beugten sich fleißig, immer wieder von den Blicken der Meisterin Sonja Sondermann kontrolliert, über endlose Bahnen bunter Seidenstoffe. Aus den Stoffen entstanden drei verschiedene Tanzkostüme für jeweils zwölf Show-Tänzerinnen. So einen dicken Auftrag hatte Hedi lange nicht mehr bekommen. Und es sah ganz so aus, als habe sie keinen Grund, sich um ihre berufliche Zukunft zu sorgen.

Ja, Hedi hatte es nach ihrer Scheidung von Max weit gebracht. Aus der winzigen Änderungsschneiderei, die sie zu Anfang ihrer Ehe übernommen hatte, war ein bekanntes Studio geworden, das von den Aufträgen verschiedener Theater und Show-Revuen lebte.

Sie konnte stolz sein. Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen ging sie hinunter, um einen kleinen Imbiß für ihren geschiedenen Mann vorzubereiten. Max hatte sich ja spontan bereit erklärt, nach München zu kommen und ihr bei den Schwierigkeiten mit Vivi zur Seite zu stehen.

Wenn er schon so prompt auf ihren Hilferuf reagierte, sollte er sich auch willkommen fühlen.

»Alle Achtung!« lobte Max seine ehemalige Frau, als er zehn Minuten später in dem umgebauten Erdgeschoß des bescheidenen Reihenhauses stand. »Tüchtig warst du ja immer, aber daß du es soweit bringen würdest, mein Respekt!«

»Nicht mehr lange, und das Haus ist schuldenfrei«, bemerkte sie stolz. »Als du es mir überlassen hast, lastete eine dicke Hypothek darauf. Meine Güte, allein die Zinsen.« Sie lächelte erstaunt, denn wieder fiel ihr auf, wie offen sie noch immer mit ihm reden konnte. »Aber du warst doch auch immer so tüchtig«, fügte sie leicht spöttisch hinzu und sammelte Seidenfädchen vom Ärmel ihres hellen Pullovers. »Ja, unsere Tüchtigkeit. Sie war leider auch unser Unglück. Mit ein wenig mehr Faulheit und Mut zur Lebensfreude wären wir heute vielleicht noch verheiratet.«

»Was? Willst du sentimental werden?« Er hängte seinen Mantel an die Garderobe. »Nun hör aber auf!« schmunzelnd zog er sie kurz aber heftig in seine Arme.

Hedis Aussehen hatte ihn ebenfalls angenehm überrascht. Zweiundvierzig war sie jetzt, konnte aber mit jeder Dreißigjährigen mithalten. Lag das an ihrem selbstbewußten Auftreten, ihrer bedeutend schickeren Garderobe oder an dem weizenblond gefärbten Haar, das kurz und frech geschnitten war? Er sah sie an und war beruhigt. So arg konnten sie die Sorgen um Vivi nicht quälen.

Später saßen sie gemeinsam am Tisch. Max lobte die Auswahl feiner Salate. Sie hatte sie wohl aus einem Feinkostladen kommen lassen. Kochen war ja nie ihre Stärke gewesen.

»Was geschehen ist, können wir nicht mehr rückgängig machen, Hedi. Laß uns nicht mehr über Vergangenes reden. Dazu ist die Zeit zu kurz. Ich will die Maschine um sechzehn Uhr erwischen und heute abend rechtzeitig zu Hause sein. Hoffentlich kommt Vivi bald von der Schule. Sie weiß doch, daß ich hier bin?«

»Nein, natürlich nicht. Was denkst du nur von mir, Max. Hätte ich Vivi dein Kommen angekündigt, wäre der Rest ihres Vertrauens für mich futsch. Wenn sie nach der Schule hier auftaucht, muß sie denken, dich hat die Sehnsucht nach ihr in unser Haus getrieben.«

Max schluckte. »Du warst es, die mich hergerufen hat.«

»Ja und? Was soll ich denn tun? Vivi will die Schule verlassen. Wenn sie in drei Monaten achtzehn wird, kann ich sie nicht daran hindern. Ich hoffe auf deinen guten Einfluß. Sonst tut sie auch in Zukunft immer nur, was dieser Rambo will.«

»Rambo? Wer ist das?«

Er hatte wirklich keine Ahnung. Seit er Vivi vor vier Jahren von seinem Plan, Frankie zu adoptieren, erzählt hatte, war der Kontakt zwischen ihnen abgebrochen.

Es hatte ihm weh getan, aber beunruhigt hatte es ihn nicht.

Hedi war ja da – und die ging einer Tätigkeit zu Hause nach und fand doch wohl immer Zeit für die Tochter.

Hedi wollte ihm gerade Sekt ins Glas füllen.

»Danke, nein, Hedi. Ich trinke nicht, solange es hell ist.« Mit einer ruhigen Handbewegung wies er das Glas von sich.

»So? Das ist neu. Hast du das auch dieser Franziska zu verdanken?«

»Nein. Nur dem Rat meines Arztes.«

»Früher hast du nicht so auf deine Gesundheit geachtet.«

Max lächelte. »Das stimmt. Da hatte ich ja noch keinen kleinen Sohn.« Er nahm sich einen zweiten Toast und sah sie prüfend an. Kaum hatte er seinen Sohn erwähnt, war Hedis Blick kalt geworden.

»Du und Vivi wurdet darüber rechtzeitig in Kenntnis gesetzt«, verteidigte er sich. »Und ich kann doch wohl annehmen, daß du Vivi erklärt hast, wie wenig Schaden ihr aus dieser Adoption entsteht. Ihr Erbteil wird trotzdem reichlich ausfallen, wenn ich aus dem Leben scheide.«

»Denkst du etwa, Vivi ist geldgierig?« brauste Hedi auf.

Max lächelte wehmütig. »Anders kann ich mir ihren Entschluß, die Schule zu verlassen, nicht erklären. Wahrscheinlich will sie Geld verdienen oder in deinem Betrieb lernen, damit sie ihn später übernehmen kann.«

Fassungslos sah Hedi ihren geschiedenen Mann an. Lebte er auf dem Mond?

»Sie will die Schule verlassen, weil dieser Rambo es ihr einredet«, machte sie ihm die Situation deutlich. »Der hat doch das Sagen und immer das letzte Wort. Und da Vivi dich als Vater kaum kennt, hat er leichtes Spiel.«

Max sah sie wortlos an. Ob sie recht hatte? War ihm seine glückliche Ehe und die grenzenlose Liebe des kleinen Frankie zu Kopf gestiegen?

»Mach dir nichts vor, Max.« Hedi deutete mit einer jähen Kopfbewegung hinter sich auf die offenstehende Zimmertür, die auf den Flur führte. »Wenn du wissen willst, wie es in Vivi aussieht, wirf mal einen Blick in ihr Zimmer. Sie wohnt jetzt in deinem alten Arbeitszimmer, gleich neben der Küche.« Sie holte tief Luft und schüttelte dann plötzlich den Kopf. »Was heißt, sie wohnt? Sie taucht einmal wöchentlich auf, holt sich neue Wäsche und räumt den Eisschrank aus. In ihrem Zimmer herrscht eine Unordnung, wie ich sie nicht ertrage. Ich betrete es nicht mehr, denn es tut mir zu weh, alles das so hilflos mit ansehen zu müssen. Das Herz einer Mutter erträgt viel. Aber in letzter Zeit…«

»Das Herz einer Mutter? Ach, Hedi, wir wollen uns doch nicht belügen. Du wolltest immer aus deinem kleinen Änderungsatelier ein riesiges Nähstudio schaffen, ich wollte immer vom Oberkellner zum Geschäftsführer oder sogar zum Restaurantbesitzer aufsteigen. Keiner von uns hat Abstriche gemacht. Wir haben es geschafft. Wenn Vivi dabei zu kurz kam, ist das ganz allein unsere Schuld. Wir haben beide unser Ziel erreicht. Jetzt…«

»Jetzt kann es zu spät sein. Vivi geht mir aus dem Weg. Und in deine Nähe zieht sie auch nichts. Sie will nur immer bei Rambo sein.«

»Was ist das für ein Mann?« wurde in ihm das Interesse wach.