Science Fiction - aber ohne Zeitreisen - Uwe Post - E-Book

Science Fiction - aber ohne Zeitreisen E-Book

Uwe Post

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Beschreibung

Am fünften Tag der Postapokalypse klopfte jemand von außen an die Luftschleuse. Pieter Mallack hatte gerade die dritte Flasche des Tages geöffnet und immer noch Angst vor der Zukunft. Er machte sich nicht die Mühe, die Schleuse zu öffnen. Das Klopfen war eine Halluzination, geboren aus einer mittleren Dosis Alkohol. Denn wer sollte da schon klopfen, von außen an der Luftschleuse der einzigen Brauerei auf dem Mond? Uwe Post, Jahrgang 1968, ist Fachbuch- und Science-Fiction-Autor und leitender Entwickler einer Firma für Smartphone-Spiele. Seitdem die letzte Sammlung mit SF-Storys von ihm erschien ("Zisch Zitro für alle!"), sind einige Jahre ins Land gegangen und eine ganze Reihe neuer Storys geschrieben und veröffentlicht worden. Einige davon sind in diesem so gut wie kostenlosen eBook zusammengefasst.

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Uwe Post

Science Fiction - aber ohne Zeitreisen

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Über dieses eBook

 

Uwe Post

Science Fiction – aber ohne Zeitreisen

Eine Sammlung zwölf naher und ferner Zukünfte

 

Über Autor und eBook

Uwe Post, Jahrgang 1968, ist Fachbuch- und Science-Fiction-Autor und leitender Entwickler einer Firma für Smartphone-Spiele. Seitdem die letzte Sammlung mit SF-Storys von ihm erschien (»Zisch Zitro für alle!«), sind einige Jahre ins Land gegangen und eine ganze Reihe neuer Storys geschrieben und veröffentlicht worden. Einige davon sind in diesem so gut wie kostenlosen eBook zusammengefasst. Dabei wurde jeder Geschichte eine kurze Subgenre-Einordnung vorangestellt, denn Science Fiction bedeutet bei weitem nicht nur Raumschlachten, Zeitreisen und Technobabbel. Vielmehr bietet sie ein ganzes Spektrum verschiedener Themengebiete, die Uwe Post mit dem ihm eigenen Humor und Originalität erforscht.

Post wurde 2011 für seinen schrägen SF-Roman »Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes« mit dem Kurd-Laßwitz-Preis sowie mit dem Deutschen Science Fiction Preis ausgezeichet. Mehrere seiner Kurzgeschichten wurden für die Preise nominiert, »edead.com« gewann 2006 den William-Voltz-Award.

Seine Werke sind als eBooks in diversen Shop verfügbar, auf Papier in jedem Buchgeschäft.

Cover: Uwe PostHomepage: http://uwepost.deCopyright © 2007-2015 Uwe Post

 

 

Petware

 

Petware

 

Biopunk, der: Künstliche oder genmanipulierten Lebewesen mit Computerchips, damit Dackel Waldi alleine Gassi geht und Kampfhund Hasso nur die gegnerischen Soldaten zerfleischt. Der Autor hat den deutschen Biopunk u.a. mit seinem Roman »Symbiose« sowie mit zahlreichen Kurzgeschichten mit geprägt.

 

Inga entdeckte das Eichhörnchen, als der Fernseher Werbung für Bio-Frühstücksflocken mit Salamigeschmack zeigte. Sie schaute nur kurz zum Fenster – und da saß es, draußen auf dem Sims.

Es war eines von den Grauen. Mum sagte immer, die Grauen seien die Bösen, weil sie die Roten aus ihrer Heimat vertreiben wollten, wie die Orks die Hobbits aus dem Auenland. Aber Inga war fünfzehn, und das nahm Mums Worten jegliche Überzeugungskraft.

»Hast du Hunger?«, fragte Inga das Eichhörnchen, aber das antwortete nicht. Vermutlich konnte es sie nicht verstehen, weil das Fenster geschlossen war.

Inga stand auf und ging langsam hinüber. »Kein Wunder«, sagte sie, »diese Salamiflocken sehen auch zu lecker aus, nicht wahr?« Sie strich sich die Haare aus der Stirn und klappte das Fenster ohne Hektik auf. »Du bist doch hoffentlich stubenrein, oder? Ich kann dir das Klo zeigen, wenn du musst. Magst du Gummibärchen? Ich habe welche mit Taurin.« Sie griff nach der Tüte, die neben ihr auf dem Schreibtisch lag, und hielt sie hoch.

Das Eichhörnchen zögerte. Dann huschte es lautlos herein, kletterte auf Ingas Arm, bevor die ihn wegziehen konnte, und griff nach der Tüte. Das Mädchen pustete sich eine Haarsträhne aus den Augen. »Ich werde dich Greedy nennen. Mama mag keine englischen Haustiernamen.«

Das Grauhörnchen hielt schon ein Gummibärchen in den Pfoten, dann stutzte es. »Ich heiße aber Spike.«

Inga verdrehte die Augen. »Von mir aus, ist ja auch englisch. Hauptsache nicht Max oder Moritz oder so.«

Spike schüttelte sich, dann hob er das Gummibärchen hoch. »Lass mich eins klarstellen, bevor wir hier gemeinsam Aufputschmittel verzehren. Ich bin mir relativ sicher, dass meinem Betriebssystem geheimnisvolle Programmteile hinzugefügt wurden. Du hast keine Garantieansprüche, falls irgendwas passiert.«

»Was soll denn passieren?«

»Nun«, sagte Spike und machte es sich auf Ingas MediaCenter bequem, »bekanntlich sind wir Grauhörnchen eine Nemesis vom Format einer ausgewachsenen Naturkatastrophe. Mir ist außerdem so, als hätte ich in meinem Speicher indizierte 3D-Erotikfilme gesehen, die vor kurzem noch nicht da waren.« Spikes Stimme klang verzerrt und kindisch, weil selbst die fortschrittlichste Software nicht mehr aus den primitiven Mundwerkzeugen eines Grauhörnchens herausholen konnte.

Mit einem Kopfnicken wies Inga in die Zimmerecke. »Ich habe leider nur einen flachen Fernseher. Mama sagt, ein teures 3D-Display im Haushalt genügt. Außerdem muss ich ein Jahr alte Jeans tragen.« Vorwürfe hingen wie Blei an ihren Worten.

»Man darf Kindern nicht jeden Wunsch erfüllen«, sagte Spike. »Ich habe 35 Gören großgezogen, ich weiß Bescheid. Was ist, sehen wir jetzt zusammen Werbung an oder was?«

Gedankenverloren kaute Inga auf ihrer Lippe. »Hilfst du deinen Kindern bei den Hausaufgaben?«

Das Grauhörnchen legte das Köpfchen schief. »Hör mal ... wie heißt du eigentlich?«

»Inga.«

»Hör mal, Inga. Vielleicht bringen sie euch in der Schule nur überflüssigen Mist bei. Malen und Singen und Goethe. Offensichtlich aber nichts über hybride Grauhörnchen.« Spike kaute dem Taurin-Gummibärchen den Kopf ab.

»Doch«, behauptet Inga, »ich weiß ziemlich genau Bescheid. Eure Gehirne sind von Natur aus hervorragend geeignet, um den klitzekleinen Computer anzuschließen, der ...« Sie gestikulierte, während sie nach Worten suchte. Inga wollte ungern zugeben, dass ihr Wissen über Hybridhörnchen hauptsächlich aus der Sendung mit der Maus stammte. Als Spike sie unterbrach, war sie dankbar.

»Falsch. Ratten eignen sich gleich gut, weil sie sich genauso schnell vermehren wie wir. Aber wir verkaufen uns besser - wir sind nämlich niedlich.«

»So, findest du?«, fragte Inga und steckte sich ein Gummibärchen zwischen die Lippen.

»Niemand findet uns eklig«, behauptete Spike. »Deshalb sind wir die perfekten Freunde und Helfer des Menschen. Außerdem sind wir frech. Das macht uns sympathisch.«

Inga setzte ihr hilfesuchendes Lächeln Typ B auf. »Was ist, hilfst du mir jetzt bei den Hausaufgaben oder nicht?«

»Kommt drauf an. Worum geht's denn?«

Ingas Lächeln schwand. »Goethe. Iphigenie oder wie die Schwafeltante heißt.«

»Oh«, machte Spike, »dafür musst du mir aber mehr bieten als ein paar Süßigkeiten.«

»Ich könnte dich frisieren«, bot Inga an. »Das kann ich ziemlich gut!«

Schockiert zeigte das Grauhörnchen auf die Digitalbarbiesammlung auf dem Sideboard. »So wie die da? Ich lasse mir nicht das Fell rosa färben!«

»Ich habe auch Lila.«

»Du wirst deine Iphigenie alleine interpretieren müssen.« Spike machte Anstalten, Richtung Fenster zu hüpfen, nahm dann aber lieber noch ein Gummibärchen. »Eigentlich schmecken die wie ein Chemieunfall.«

»Kannst du nicht deinen Besitzer nerven? Wieso läufst du überhaupt frei herum?«

»Na, um intime Dateien per Near Field Communication auszulesen.« Spike streichelte das MediaCenter, auf dem er immer noch hockte.

Inga wich das Blut aus dem Gesicht. Dann knallte sie instinktiv das Fenster zu.

Spike schüttelte sich. »Das ist Freiheitsberaubung. Außerdem liegen deine privaten Fotos längst auf einem Server meines Auftraggebers. Geht ganz schön schnell mit LTE, oder hast du davon genauso wenig Ahnung wie von Goethe?«

 

*

Alte Brotkrusten, antike Notebooks, leere Budweiser-Flaschen auf dem Schreibtisch, Operationsgeschirr mit Blutresten, halb volle Budweiser-Flaschen auf Käfigen voller träumender Petware. Chris fühlte sich wohl. Er wollte sich gerade zurücklehnen und eine Kippe anzünden, da kam Rapunzel ins Zimmer gestöckelt. Ihr Nickname passte zu ihrer Haarlänge, nur der Domina-Lederfummel wollte nicht so recht mit einer Märchenfigur harmonieren.

»Und, verspricht die Ausbeute an Bildern ein ordentliches Lösegeld?«, fragte Rapunzel.

»Der Algorithmus hat jedenfalls Fotos mit hohem Anteil an Rosa identifiziert, Herrin.«

Rapunzel verdrehte die Augen. »Sie ist ein Mädchen. Sie verfügt über noch mehr rosa Dinge als ihre nackte Haut. Muss ich dein Hirn mit zehn Peitschenschlägen auf Trab bringen?«

Chris machte Anstalten, sein kariertes Oberhemd aufzuknöpfen. »Ja, Herrin. Bestimmt sogar.«

»Du hast dir die Fotos doch nicht etwa angesehen, oder? Du weißt, dass ich dich dafür hart bestrafen müsste, und ich meine wirklich bestrafen?«

»Nein und Ja, Herrin.« Chris verzog das Gesicht. »Ich weiß doch, dass ich mir nur die geheimen Fotos von pickligen Jungs ansehen darf, die sich vor der Webcam ...«

»Dann ist es ja gut«, schnitt Rapunzel ihm den Satz in der Mitte durch. Sie beugte sich zu den Käfigen runter, die an eine Legebatterie erinnerten, bloß mit Grauhörnchen und ohne Eier. »Brave Petware. Bekommst eine Extraportion Erdnüsse.«

»Äh«, machte Chris und erhob sich von seinem Sessel. Er schlüpfte in seine Badelatschen und kratzte sich an der Nase. »Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen.«

»Hast du wieder vergessen, Erdnüsse einzukaufen?«

»Nein, Herrin. Das Spypet Nummero Zwölf ist noch nicht zurückgekehrt.«

Rapunzel richtete sich auf. »Hat deine Software mal wieder einen Bug?«

Abwehrend hob Chris die Hände. »Auf gar keinen Fall. Du hast den besten Programmierer engagiert, den man für Geld und leere sexuelle Versprechungen kriegen kann. Es liegt ganz sicher Fremdeinwirkung vor.« Chris knetete seine Unterlippe. Er hatte keinesfalls vor, seiner verdienten Bestrafung zu entgehen. Allerdings bedeutete jeder Verlust eines Pets eine Schwächung seiner Ressourcen. Und er ging ungern aus dem Haus, um neue Grauhörnchen zu fangen. Zumal die meisten Besitzer verdammt gut auf sie aufpassten. Einmal war ein nur auf den ersten Blick gebrechlicher Rentner mit seinem Rasenmäher auf Chris losgegangen. Nein, Nummer Zwölf musste nach Hause kommen, egal wie. Chris holte tief Luft.

»Herrin«, sagte er, »ich könnte per Funknetz den neuen, experimentellen Code freischalten.«

»Das ist doch nicht der mit dem Weltverschwörungs-Mem?«

»Nur wer mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Wirklichkeit steht, kann die Grenzen der Vorstellungskraft sprengen.« Chris griff nach der nächstbesten Bierflasche und beäugte ihren Inhalt kritisch. Das Grauhörnchen im Käfig darunter zuckte kurz im Traum zusammen.

»Ein Zitat aus deinem Lieblingsbuch«, sagte Rapunzel und streichelte ihre Peitsche.

Chris nickte. »Meine unvergleichliche Cyberpunk-Trilogie«, hauchte er. »Ich werde sie bald fertigstellen und dann sehr berühmt. Wirst schon sehen.« Breitbeinig setzte er die Flasche an und trank.

 

*

»Du kannst mir nicht böse sein«, sagte Spike. »Ich bin niedlich.«

Inga verschränkte die Arme und schob die Unterlippe vor. »Und ich hab dir meine Gummibärchen angeboten! Kloreiniger hätte ich dir geben sollen! Wirkt perfekt gegen Ungeziefer! Sagen sie im Fernsehen.«

Spike sprang auf Ingas Bettpfosten. »Seit wann hat die junge Generation Interesse am Schutz ihrer Privatsphäre? Ihr stellt doch freiwillig intime Fotos ins Netz und schreibt offen über Liebeskummer ...«

»Aber das können nur meine Freunde lesen!«

Spike klatsche sich eine Pfote an die Stirn. »Klar, deine Daten im Netz sind absolut sicher, niemand wird sie je missbrauchen. Was lernt ihr eigentlich in der Schule?« Spike sprang auf Ingas Schreibtisch und schnupperte an den Heften und Büchern darauf. »Ach ja, Iphigenie.«

»Wenn Mama von der Arbeit kommt, kriegst du Ärger. Bis dahin spreche ich nicht mehr mit dir.«

»Also gut«, sagte Spike. »Ich mache dir ein Angebot.« Er sprang Inga auf den Schoß. Sie holte zu einer Ohrfeige aus, überlegte es sich aber anders, weil das Hörnchen so verletzlich aussah.

Spike horchte in sich hinein, dann setzte er sich auf Ingas angewinkeltes Knie. »Im Grunde haben wir beide einiges gemeinsam«, begann er. »Wir sind beide fremdgesteuert. Du durch vermoderte Lehrpläne und psychoaktive Fernsehwerbung, ich durch eingeschmuggelte Programme auf meinem Chip im Kopf.« Er klatschte mit den Pfoten. »Aber noch haben wir beide Macht über einen kleinen, kläglichen Rest! Wir haben die Macht, uns von der fremden Kontrolle loszusagen!«

»Von der Fernsehwerbung?«, fragte Inga.

»Das vielleicht nicht«, gab Spike zu. »Aber seitdem die Menschen angefangen haben, ihre Intelligenz auf uns Tiere zu übertragen, damit wir billige, biologisch abbaubare, sich selbst reproduzierende Unterhaltungs-Sklaven werden, haben sie eins übersehen.«

»Dass ihr zu schwach seid, um ein Fenster selbst zu öffnen?«

Spike verengte die Augen. »Wir sind viele.« Er breitete die Ärmchen aus. »Und wir haben einen Plan.«

 

*

Im Bus war nur noch ein Platz neben einer dürren Esoterik-Tante frei, die nach Kardamom roch. Die bunt gewandete Frau fragte schon nach zwei Haltestellen, ob sie Ingas Hörnchen mal streicheln dürfte.

»Ich kann es leider nicht aus dem Kochtopf lassen«, sagte Inga, »sonst läuft es vermutlich weg.«

»Ach, das unartige Puschelchen hört nicht auf dich?«

Ingas Finger wurden langsam lahm. Sie hielt den Glasdeckel von Mamas Lieblingskochtopf krampfhaft fest, weil sie nicht wusste, wie schwach das Grauhörnchen wirklich war. »Er, äh, hat eine Art Programmfehler.«

»Ach«, winkte die Tante ab, dass ihre Armreifen klapperten, »das sind diese Nano-Astralwellen. Sie sind heute besonders stark, hab ich schon beim Aufstehen zwischen den Beinen gespürt.«

Eine Kurve drückte Inga gegen ihre Sitznachbarin. Die streichelte ihre Halskette und fuhr fort: »Diese Nanochips machen die Tierchen nämlich für Kräfte empfindlich, die wir Menschen nicht wahrnehmen können. Bringen sie euch das nicht in der Schule bei?«

»Nee«, schüttelte Inga den Kopf, »da lesen wir Iphigenie.«

»Hach«, sagte die Tante. »Der Zweifel ist's, der Gutes böse macht. Bedenke nicht; gewähre, wie du's fühlst.« Sie sah verträumt hinaus. Die Ochsenwagen stauten sich in Gegenrichtung auf der Westfalenallee, weil ein Zugtier einen Kollaps erlitten hatte und quer auf der Fahrbahn lag. Ein paar versprengte Elektroautos hupten sich die Akkus aus dem Blechleib. »Ich habe in der Schule im Deutschkurs meinen Lukas kennengelernt.« Sie zeigte Inga einen bräunlichen Anhänger an ihrer Halskette. »Hier, das ist sein Schrumpfkopf.«

Inge klappte den Mund auf, bis ihr auffiel, dass das so aussehen könnte, als wolle sie ein Stück von dem kruden Talisman abbeißen.

»Ich konnte Verluste noch nie ertragen«, sagte die Tante versonnen. »Da hab ich ihn behalten.«

Inga verzog das Gesicht und beugte sich vor, um Spike leise zu fragen, wann sie endlich aussteigen mussten.

»Die übernächste«, antwortete Spikes Stimme dumpf. »Übrigens sind die Gummibärchen alle. Aber das macht nichts, ich ernähre mich vorübergehend von Astralwellen.«

»Wonach schmecken die?«, fragte Inga.

Spike legte den Kopf schief. »Ein Aroma von Weltuntergang. Mit einem Hauch Ochsenkoordinaten.«

Inga konnte damit nichts anfangen. Freilich wusste sie, dass die Ochsen dank implantierter Navigationscomputer mit Satellitenempfang ihren Weg fanden. Bloß bei Unfällen wie heute hätte ein Mensch als Kutscher die Verkehrsblockade sicher schneller beseitigt als ein Chip aus chinesischer Massenfertigung. Ob Spikes Weltverschwörung damit zu tun hatte? Er hatte ihr versprochen, sie in das Hauptquartier seiner geheimen Petware-Vereinigung zu bringen, wo hilfsbereite Revoluzzer-Hörnchen ihr digitales Fototagebuch den Klauen ihrer Erpresse entreißen würden. So ähnlich hatte es Spike jedenfalls formuliert.

»Er könnte mir die Zukunft vorhersagen«, sagte die Tante plötzlich. »Bitte, ich fühle eine sprituelle Nähe zwischen ihm und mir.«