Secret Promise - Melody Fabergé - E-Book

Secret Promise E-Book

Melody Fabergé

0,0

Beschreibung

Sieben Mal Sinnlichkeit: Kurz nach Weihnachten bemüht sich ein geheimnisvoller Fremder auffallend um Monika. Mathieu verliebt sich hoffnungslos in seine Lehrerin. Mysteriöse Geräusche aus der oberen Wohnung hindern Oscar daran, in den wohlverdienten Feierabend zu gehen. Im Wald treibt ein Bär Timon in die Behausung einer viel gefährlicheren Spezies. SIE hat endlich ihr erstes Date mit IHM. Sieben U-Bahn-Stationen lang rasen Mathis und Marie durch die Finsternis der Nacht. Zum Schluss enttarnt ein Stromausfall bei der Abteilungsfeier die spannungsreichen Verstrickungen zwischen Mircea, Marina und ihren Kollegen. Sieben Situationen voller Begehren. Erotik. Sex.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 129

Veröffentlichungsjahr: 2025

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Hotel

Madame et Mathieu

La Prunelle

Hexensabatt

Wir gehen zum Ballett!

7 Stationen

Teamwork

Hotel

Innen war es endlich windstill und ruhig. Der Empfang des Apartmenthotels war nicht besetzt. Gleich hinter der Theke ging es in den Frühstücksraum, in dem jemand Tische, Stühle und zwei Sofasitzlandschaften geschmackvoll angerichtet hatte; das allein rechtfertigte den Apartmentpreis noch nicht.

Ungeduldig schaute Monika auf ihr Handgelenk. Es ging bereits auf fünf Uhr zu. Wenn sie noch duschen wollte, bevor sie zu dem Treffpunkt in der Lounge fuhr, deren Namen sie sich nicht merken konnte, musste es jetzt wirklich schnell gehen.

Kurz darauf tauchte die Hausdame auf, entschuldigte sich wortreich, wickelte mit ihr routiniert die Formalitäten ab und schloss mit den Worten: „Falls Sie heute Abend noch nichts vorhaben, möchte ich Sie zu unserer kleinen Weihnachtsfeier im Frühstücksraum einladen. Ich weiß, es ist schon der 26. Dezember, aber wir feiern halt gern.“

„Danke für das Angebot“, meinte Monika. „Aber ich bin bereits verabredet.“

„Kein Problem.“ Die Hausdame lächelte, als hätte Monika „ja“ gesagt.

Kurz bevor sie in die Dusche stieg, piepste eine SMS auf ihrem Handy. Flug wurde kurzfristig abgesagt, ich komme erst morgen in FFM an. Sorry.

Monika war enttäuscht. Sie hatte sich so darauf gefreut, ihre Tochter endlich wiederzusehen.

„Dann eben morgen“, sagte Monika laut und tippte es gleichzeitig ins Handy. „Werde Tisch umbuchen.“ Ein Klick, die SMS war unterwegs.

Dann ging sie duschen. Erst danach verschob sie die Buchung in der Lounge telefonisch auf den nächsten Tag, das Handtuch um die tropfnassen Haare gewickelt, im weichen Frotteebademantel auf der Couch. – Hoffentlich kam nicht noch was dazwischen, sonst würden sie sich erst ein paar Wochen in Singapur auf dem Flughafen sehen.

Und jetzt?

Monika hatte keine Lust auf alternative Festlichkeiten mit fremden Menschen. Zum Abschied eine verquaste, deutsche Weihnachtsfeier mit gespielter Fröhlichkeit und verkrampften Witzen? – Na gut. Umso leichter fiel ihr der Abschied.

Sie zog das langärmelige Glitzertop an, das sie in ihrem kleinen Handgepäck mitgenommen hatte. Der Rest ihrer Kleidung war bereits vor fünf Wochen verschickt worden. Klaus hatte ihr geschrieben, dass der Liefertermin Ende der nächsten Woche sein sollte, falls nicht doch noch eine Monsterwoge den Container mit ihren Sachen vom Schiff riss. Dagegen gab es keine Versicherung, nur das Trostpflaster in Form der Versicherungssumme.

Auf viel zu hohen Absätzen stöckelte sie aus dem ersten Stock zurück zur Rezeption. Das Gesicht der Hausdame hellte auf, als Monika ihre Teilnahme nun doch zusagte. „Zugunsten der Feier fällt das Abendessen um halb sieben heute aus. Beginn ist um zwanzig Uhr.“

Monikas Magen knurrte verärgert. Sie hatte seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. „Gibt es hier in der Nähe einen Imbiss?“

„Links die Straße hinunter.“ Das Lächeln der Hausdame war wie in Stein gemeißelt. „Dann einmal ums Skyline herum, auf der anderen Straßenseite finden Sie ein paar Schnellrestaurants.“

Also wieder raus in Dunkelheit und Kälte. Monika hatte keine Lust, sich noch einmal umzuziehen, holte lediglich Mantel, Geld und Handy aus dem Zimmer und marschierte los, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen.

Beim Hühnerbaron kam sie trotzdem als Eiszapfen an. Sie war die einzige Kundin und wurde rasch und etwas lustlos bedient. Sie hätte am zweiten Weihnachtsfeiertag auch nicht arbeiten wollen und gab Trinkgeld. Irgendwie musste sie ihr deutsches Kleingeld loswerden.

An einem Fenstertisch begann sie zu essen. Draußen wirbelten Schneeflocken in wilden Spiralen über die dunkle Straße. Die Autos fuhren langsam, Fußgänger in kleinen Grüppchen sahen zu, dass sie weiterkamen. Monika vermutete dahinter späte Familienspaziergänger, die kein Wetter davon abhalten konnte, an Weihnachten hinauszugehen. Auch das wäre bald vorbei.

Klaus hatte schon berichtet, dass die Pommes in Singapur anders schmeckten. Solang sie im Gegensatz zu diesen Dingern hier überhaupt nach etwas schmeckten, war Monika zufrieden. Sie biss ab, kaute, schluckte, trank abwechselnd einen Schluck Coke oder Kaffee – und wartete.

Eine Pudelmützengestalt in langem Daunenmantel drückte sich herein. Viel mehr war unter der dünnen Schneeschicht nicht zu erkennen. Nach einer Weile wurde daraus Monikas Tischnachbar, der sich umständlich aus seinen Sachen schälte und, mit dem Rücken zu ihr, ebenfalls zu essen begann. In dem dunkelblauen Pullover schien niemand zu stecken, so dünn kam er ihr vor. Erst nach einer Weile, als sein hungriges Vornüberbeugen und Hineinschlingen allmählich zum Ende kam, zeichnete sich der Körper im Strickpullover ab. Er war normal dick oder dünn, je nachdem, welche Perspektive man bevorzugte. Die nackenlangen Haare waren in einem dunkelbraunen Durcheinander unter der Mütze hervorgekommen. Zu Beginn war er kurz mit den Fingern durchgefahren.

Gleichzeitig mit Monika beendete er seine Mahlzeit. Mit einem Seufzer lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und schlürfte seinen Limonadenbecher leer.

Blick auf die Uhr, Blick nach draußen.

Autos schlichen vorbei, Schneeflocken wirbelten. Allein vom Anblick fröstelte Monika. Keine Lust, ein letztes Mal für heute hinauszugehen.

Der satte Tischnachbar stand auf und zog sich an. Etwas anderes blieb ihr auch nicht übrig, schließlich konnte sie nicht den ganzen Abend hier sitzen. Eingemummelt ging sie hinter ihm zur Ladentür, die er nachlässig für sie aufhielt, lehnte sich in den auffrischenden Wind und folgte ihm unabgesprochen bis zum Apartmenthotel.

Er ging hinein. Sie auch.

Die Hausdame begrüßte beide.

Erstaunt drehte der ehemalige Tischnachbar sich zu Monika um. „I understand“, sagte er mit starkem Akzent, nickte ihr zu und lief die Treppe hinauf.

Die Hausdame lächelte.

*

Zirka eine Stunde später sahen sie sich im geschmückten Frühstücksraum wieder. Er hatte den Wollpullover gegen einen anderen getauscht, Monika trug nach wie vor ihr Glitzertop. Sie nickten sich zu und zogen sich an entgegengesetzte Tische zurück.

An der kleinen Bar schenkte der Concierge fleißig Getränke aus. An Gästen mangelte es auch zu Weihnachten nicht; das Apartmenthotel war ausgebucht. Familien und Alleinreisende mischten sich, beobachteten sich, unterhielten sich; Monika fühlte sich an ihrem Zweiertisch ein wenig einsam, weil sie niemanden außer dem einen in der gegenüberliegenden Ecke kannte.

Nach und nach pendelte sich ihr Blick auf ihn ein. Sie fokussierte ihn erst kurz, dann immer länger, bis sie zum Beispiel wusste, dass er sich das Kinn nicht so glatt rasiert hatte wie seine Wangen. Als er den Kopf einer Frau zuwandte, die ihn am Tisch ansprach, erkannte sie die Absicht dahinter: Sein Kinn war eher kurz geraten; die Stoppeln betonten es. – Guter Trick. – Seine hohen Wangenknochen hingegen taten ihr Werk. Sein Gesicht wirkte ebenmäßig und ein wenig exotisch. Die ausgeprägten Halsmuskeln gingen in einer interessanten Linie in die Schultern über. Der Form seiner Hände nach arbeitete er entweder körperlich oder stemmte regelmäßig Gewichte. Monika dachte an ihre wenigen Besuche im Fitnessstudio. Eigentlich eine dumme Erfindung für Leute, die in Form kommen wollten. Wirklich gesehen wurde man dort nämlich erst, wenn man schon einen gewissen Trainingserfolg vorweisen konnte. – Es geht nicht ums Gesehenwerden, Mama, hatte ihre Tochter sie gescholten, sondern um deine Gesundheit! Ihre Gesundheit war Monika zwar nicht egal, aber auch nicht so wichtig, dass sie neben Yoga noch eine andere Sportart betrieben hätte. Solang sie in ihre Lieblingshosen passte, war alles in Ordnung. Außerdem zählte sowieso nicht das, was die anderen sahen, sondern was sie sehen sollten.

Es knackte in den dezent montierten Lautsprechern in der Ecke. Gleich darauf säuselte Bing Crosby etwas mit Christmas und snow und love. Mehrere Gäste fanden sich auf der Fläche, die für heute Abend freigeräumt worden war, und begannen, paarweise zu tanzen. Nett anzuschauen waren sie, die Familienväter und -mütter, angefeuert und umtanzt von ihrem Nachwuchs, je nach Alter und Geschlecht. Zwei ältere Ehepaare gesellten sich dazu, was dem Ganzen schon wieder etwas Heimeliges verlieh. Hatte Monika mit Klaus jemals getanzt, wenn Sonja, ihre Tochter, zugegen gewesen war? Daran erinnerte sie sich nicht. Es war auch nicht nötig gewesen, die glückliche Kleinfamilie zu präsentieren, das hatte Klaus allein besorgt. Bis vor einem halben Jahr. Da hatte Klaus seinen gut dotierten Job in der mittleren Führungsebene verloren. Zwei Tage nach der Unterzeichnung des Auflösungsvertrages war er nach Singapur geflogen. Und nicht mehr zurückgekommen, weil er dort vom Fleck weg eingestellt worden war. – Und jetzt folgte sie ihm, damit die anderen dort sahen, was sie sehen sollten. Nämlich ein glückliches deutsches Ehepaar, der Mann überaus erfolgreich in einem internationalen Unternehmen, begleitet von seiner Frau, die ihm immer den Rücken freigehalten hatte.

Sonja fand es gut, wenn ein bisschen Schwung in das Leben ihrer Mutter kam. Ts. Als ob ihr Leben in Singapur beschwingter verlaufen würde, nur weil sie die Frau einer Führungskraft war. Aber für alle – außer ihr selbst – sah das halt ziemlich gut aus.

Monika stand auf und ging zum Buffet. Sie hatte schon wieder Hunger. Oder immer noch. Aber das kam auf das Gleiche heraus. – Und so kehrte sie die hungrige, aber elegante Monika heraus, der man auch den dritten Dessertteller verzieh, weil sie genug Yoga betrieb, um sich die Gaumenfreuden nicht anmerken zu lassen. Sie probierte von den herzhaften und süßen Hauptspeisen, nahm sich einen Salat mit – damit es auch gesund aussah – und beendete ihr überaus genüssliches Mahl mit Mousse au Chocolat.

Da stand er plötzlich an ihrem Tisch.

„You like the buffet, no?“

Aus dieser Perspektive wirkte er sogar ein wenig größer als beim Hühnerbaron. Sein Kinn stützte den lachenden Mund mit den dunkelrot-blauen Lippen, und selbst seine Augen lachten.

Errötend schluckte Monika den letzten Bissen hinunter. „Yes“, meinte sie schließlich. „Please sit down, Mr–“

„Please call me Javor.“

„Javor. Nice to meet you.“

„May I ask for your name, madam?“

„Monika“, sagte Monika gehorsam.

„Oh, Sie sind Deutsche?“ Javors spontaner Wechsel in ihre Sprache, versetzt mit einem dicken Akzent, verwirrte sie.

„Ja, bin ich. Woher kommen Sie?“

„Aus Sofia. Bulgarien.“ Er hielt ihr die Hand hin. „Monika, darf ich um den nächsten Tanz bitten?“

„Mit welcher Begründung?“, entfuhr es ihr.

Javor blinzelte. „Weil ich mit Ihnen tanzen möchte. Wie die anderen. Bei einer Feier wird getanzt. Normalerweise.“

„So, so.“ Sie gönnte sich einen langen, musternden Blick auf ihn. „Ich tanze nicht.“

„Schade. Ich werde den Korb mit Anstand tragen.“

Jetzt musste sie grinsen. „Das will ich hoffen.“ Damit schob sie ihren Stuhl zurück, stand auf und ging zur Bar hinüber. Dort ließ sie sich einen Tequila Sunrise mixen und balancierte damit auf ihren hohen Absätzen zu einer der Sofalandschaften hinüber.

Jemand schaltete die Deckenbeleuchtung aus und unzählige Lichterketten ein. Der Frühstücksraum verwandelte sich in eine gedimmte Weihnachtsdisco mit lachenden Gästen, quietschenden Kindern und einem Soundtrack aus den Lautsprechern, der sie eher an Silvester denken ließ.

„Dann lassen Sie mich Ihr Sofa-Partner sein“, sagte Javor hinter ihr.

Monika seufzte leise. „Na gut.“ Setzte sich. Achtete darauf, dass Javor genügend Abstand zu ihr wahrte. Auch er hatte sich einen Cocktail geholt. Im Flackerlicht war nicht genau zu erkennen, was es war.

Sie stießen an.

„Also gut, Javor: Geben Sie Ihren Lebenslauf kurz und schmerzlos wieder. Dann erzähle ich Ihnen alle Dinge, die mich am Leben verzweifeln lassen – und dann überlegen wir gemeinsam, wie dieser Abend weitergehen soll. Einverstanden?“ Eigentlich hatte sie laut gedacht und nicht damit gerechnet, dass er sie in dem Lärm überhaupt verstand.

Er hatte. Und antwortete prompt: „Ich kann Ihnen gern was ausdrucken. Dazu muss ich nur kurz in meine Suite an den Laptop.“

Auf dem Rand ihres Cocktail-Glases brachen sich die Reflexionen der Lichterketten. „Eigentlich müssten Sie mich noch fragen, ob ich Sie begleite.“

„Ich möchte aber nicht“, sagte Javor freundlich. „Was wollen Sie denn in meinem Zimmer? Sie wollten ja auch nicht mit mir tanzen.“

„Stimmt.“

Sie schlürften gemeinsam an ihren Drinks.

„Was stünde denn in Ihrem Lebenslauf, wenn Sie ihn ausdrucken würden?“, fragte Monika, kurz bevor Mariah Carey losschmetterte, was sie sich zu Weihnachten wünschte.

„Ach, dies und das“, meinte Javor unverbindlich, „ein paar Ergänzungen, dazu kleine Erfolge. Nichts besonderes. Und bei Ihnen?“

„Ähnlich“, sagte Monika nach ein paar Sekunden. „Ein bisschen Schule, ein bisschen Ausbildung, ein bisschen Familie. Keine Höhepunkte.“

„Traurig“, fand Javor.

„Durchschnitt“, fand Monika. „Wir sind eben keine Extremisten.“

„Niemand wird sich jemals an uns erinnern“, ergänzte Javor und lachte. Es gefiel ihr, wie er die Konsonanten aussprach, mal zu hart, mal zu weich, stets sympathisch.

„Wir sind quasi unsichtbar.“ Das klang unerwartet unangenehm in Monikas Ohren. So exklusiv wollte sie nun auch nicht leben.“

„Sie sind eine interessante Frau“, sagte Javor da. Sein Kinn runzelte sich leicht.

„Beginnt jetzt der Abschnitt mit dem Flirten?“ Beiläufig prostete Monika ihm zu und schlürfte Tequila Sunrise durch den Strohhalm.

„Ich denke, das wird allgemein erwartet.“ Mit einer großen Geste deutete Javor auf die anderen Menschen im Raum. „Ein Mann, eine Frau, erst beide einsam, dann zusammen auf der Couch. Finden Sie mich denn auch interessant?“

„Um das zu entscheiden, bräuchte ich tatsächlich Ihren ausgedruckten Lebenslauf, Javor.“ In ihrem Glas klirrten die Eiswürfel. „Aber ich will immer noch nicht mit Ihnen aufs Zimmer gehen.“

„Das macht Sie noch interessanter.“

„Und ich habe noch nicht mal meinen Lebenslauf dabei, geschweige denn einen Laptop.“ Monika stellte das leere Glas auf den kleinen Beistelltisch und hievte sich von der Couch. „Soll ich Ihnen was von der Bar mitbringen?“

Javor rührte sich nicht. „Lieber vom Buffet, wenn Sie einen Schlenker machen wollen, Monika. Die Situation macht mich irgendwie hungrig.“

„Essen holen Sie sich schön selbst, Javor.“ Sie nahm ihr Glas wieder in die Hand und schwankte. Die Absätze waren echt die Hölle. – Als sie mit einem Cuba Libre zur Couch zurückkam, war Javor weg. Sie konnte ihn auch sonst nirgendwo im Raum entdecken.

Schade. – Nun gab es eigentlich keinen Grund mehr für sie, hier unten zu bleiben. Genervt von den scheppernden Weihnachts-Hits und der guten Laune der anderen kippte sie den Cocktail schneller hinunter, als es für sie gut war und sah zu, dass sie einigermaßen unfallfrei hier wegkam. Erst in der Lobby wurde es besser; hier war die Luft frischer als in dem überhitzten Frühstücksraum, wo sich alle die Seele aus dem Leib feierten.

Schnelle Schritte kamen die Treppe herunter. Es war Javor, der ein Blatt wie eine Trophäe schwenkte. Mit einem kleinen Hopser kam er bei Monika zum Stehen und überreichte ihr die bedruckten Seiten.

„Bitte schön. Mein Lebenslauf.“

Automatisch und auch ein wenig fassungslos nahm Monika ihm das Blatt ab. Lesen konnte sie nichts. „Was ist das für eine Schrift? Russisch?“

„Kyrillisch“, korrigierte Javor sie freundlich. „Soll ich es Ihnen vorlesen?“

„Ich verstehe aber kein Kyrillisch.“

„Der Lebenslauf ist auf Bulgarisch verfasst. Mit kyrillischen Schriftzeichen.“ Der Schalk schien ihm aus den Augen zu springen. „Also, soll ich Ihnen meinen Lebenslauf vorlesen?“

„Ja“, meinte Monika zögernd.

Es folgten drei Minuten in fließendem Bulgarisch, in denen Monika null verstand.

„Und?“, fragte Javor schließlich.

„Auf jeden Fall klingt es interessant“, räumte Monika ein. „Aber jetzt weiß ich immer noch nichts von Ihnen, außer dass Sie Javor heißen, Javor.“

„Sie könnten mich ausfragen.“

„Warum?“

„Weil wir zwei Fremde in einem Apartmenthotel sind, in dem alle anderen wesentlich mehr Spaß haben als wir. Das ist ungerecht. Ich will es anders.“

„Dann tun Sie was, Javor! Ich bin doch nicht Ihre Nanny.“

Seine Augen begannen zu schimmern. „Leider.“

Ihre Fassungslosigkeit wuchs. Hatte sie richtig gehört?

„Javor, jetzt mal stopp und gut aufgepasst: Ich bin nicht hier, um Ihre Nanny zu spielen. Und wenn Sie auf so was stehen, dann gehen Sie bitte in den Frühstücksraum und suchen sich jemand anderen dafür. Ist ja genug älteres Material vorhanden. Haben wir uns soweit verstanden?“

Stumm faltete er das Papier zusammen und stopfte es in die hintere Hosentasche. „Dann hören Sie doch einfach auf, eine Nanny zu sein, Monika.“

„Wie bitte?“