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Das vorliegende Buch ist ein gemeinsames, fünftes Opus von Rolf Schlegel und Rolf Leimbach, die Geschichte des Heimatortes Stadtlengsfeld zu erforschen, aufzuarbeiten und einem möglichst breiten Publikum zugänglich zu machen. Der Inhalt basiert auf der Fülle historischen Informationen, persönlichen Lebensläufen sowie Gesprächen mit Zeitzeugen. Die populären Darstellungen zielen auf einen breiten Lesekreis ab, v. a. auf Bürger von Stadtlengsfeld sowie Weilar, Gehaus, Geisa etc., auf Heimatforscher, auf Lehrer und Schüler. Die große Menge der verflochtenen Zusammenhänge, historischer Literatur ist so aufbereitet worden, dass dem interessierten Leser Neuigkeiten und Wissenswertes zugänglich wird. Eintausend Jahre Geschichte eines kleinen Städtchens in der Rhön bieten genügend Stoff für Anekdoten, kuriose Begebenheiten und sachgemäße Information. Die kurzweilig geschriebenen Kapitel zur Historie, Personen, Intrigen sowie Inhalten geben Anlass zum Staunen und Schmunzeln, aber auch zum Nachdenken! Die souveräne Auswahl der Themen, Sortierung und ihre prägnante Abhandlung lassen Sachverstand und nötiges Einfühlungsvermögen der Autoren erkennen. Dass einst Segelflieger über Stadtlengsfeld kreisten, dass ein Lengsfelder Präsident von General Electric (USA) war, dass die Apotheke schon 300 Jahre existiert, und dass es eine gemeinnützige Stiftung im Ort gab, sind nur einige von vielen Enthüllungen, die dieser Band beinhaltet.
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Seitenzahl: 203
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Prof. Rolf Schlegel, ist Emeritus für Zytogenetik, Genetik und Pflanzenzüchtung, nach über 40 Jahren Erfahrung in Forschung und Lehre. Er ist Autor von mehr als 200 wissenschaftlichen Publikationen und anderen Abhandlungen, Koordinator internationaler Forschungsprojekte und Mitglied mehrerer internationaler Organisationen. Er veröffentlichte bereits erfolgreich fünf Fachbücher in englischer Sprache, herausgegeben von drei amerikanischen Verlagen. Rolf Schlegel diplomierte 1970 auf dem Gebiet der Genetik und Pflanzenzüchtung und promovierte 1973. Die Habilitation (Dr. sc.) folgte 1982. Er war langjährig an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, dem Institut für Genetik und Kulturpflanzenforschung der Akademie der Wissenschaften, in Gatersleben, dem Institut für Getreide und Sonnenblumen-Forschung, Dobrich/Varna sowie dem Institut für Biotechnologie der Bulgarischen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften, Kostinbrod/Sofia tätig, darüber hinaus an verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen der USA, Brasilien, England, Japan, Russland und andere Ländern. Seit geraumer Zeit hat er die Ahnenforschung seines Heimatortes Stadtlengsfeld zur Freizeitbeschäftigung gemacht. Dabei entstand eine Datei von mehr als 35.000 Personeneinträgen aus der mehr als tausendjährigen Geschichte des Ortes. Die Schicksale der Menschen und deren Leben bieten Stoff für eine Vielzahl von Geschichten und historischen Darstellungen. Diese einem breiten Publikum kundzutun, ist eine Passion des Autors.
Studienrat i. R. Rolf Leimbach war 47 Jahre Lehrer in Stadtlengsfeld. Als Mitglied des Wissenschaftlichen Rates für Unterstufenforschung an der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR beteiligte er sich an der Weiterentwicklung von Lehrplänen sowie Lehrmaterialien für das Fach Heimatkunde. Seine Publikationen in der Fachzeitschrift „Die Unterstufe“ befassten sich mit methodischem Experimentieren und der Erziehung zur aktiven Fragehaltung. Er veröffentlichte zahlreiche methodische Handreichungen für den Heimatkunde-Unterricht. Er ist Autor zahlreicher Lehrbücher, Schüler-Arbeitshefte und Unterrichtshilfen für den Heimatkunde- und Sachunterricht. Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Schuldienst intensivierte Rolf Leimbach seine heimatkundlichen Forschungen. Er veröffentlichte Beiträge zur Geschichte des Porzellanwerkes Stadtlengsfeld, zum Schulwesen, über das Kaliwerk Menzengraben sowie über die Kirche. Weitere Arbeiten befassen sich mit den Hexenprozessen im 17. Jahrhundert, den Ereignissen des Jahres 1848 in der Stadt Lengsfeld, der Brandkatastrophe 1878 und dem Jahr 1945. Einen besonderen Schwerpunkt bildet die Erforschung der einstigen israelitischen Gemeinde im Heimatort, die zu den größten in Thüringen zählte. Rolf Leimbach ist es ein stetiges Anliegen, die facettenreiche Geschichte seiner Heimatstadt vielen Bürgern und Gästen nahezubringen. Deshalb engagiert er sich im Kultur- und Geschichtsverein mit Vorträgen, Führungen und Ausstellungen.
Man muss wohl erst zum älteren Semester gehören, bevor man die Zeit und Muße besitzt, um sich intensiver mit seiner Heimat und seinen Wurzeln zu beschäftigen. Beide Autoren haben neuerdings das Privileg. Obwohl beide in Stadtlengsfeld geboren wurden, aufwuchsen und zur Schule gingen, haben sich ihre Wege durch das Berufsleben verloren. Erst im Jahr 2011 war es soweit, dass sie sich wieder begegneten. Der eine schon länger befasst mit der Geschichte der Rhön, der andere über die Suche nach seinen Ahnen.
Bereits die ersten Gespräche waren von großem Konsens und individueller Begeisterung geprägt. Es brauchte somit nicht allzu lange, um neue Ideen und gemeinsame Pläne zu gebären. Basierend auf dem bereits angehäuften Fundus an geschichtlichen Daten, Personenbeschreibungen, Fotos sowie schriftlichen Belegen bestand die Frage, wie man die Vielzahl von Informationen einem breiteren Publikum, insbesondere aus Stadtlengsfeld nahe bringt.
Eine Möglichkeit sahen die Autoren in monatlichen Kurzgeschichten, die im Lokalanzeiger „Baier-Bote“ veröffentlicht werden. Sehr schnell war aber zu erkennen, dass die schriftstellerische Produktivität der beiden Autoren größer war als man in monatsweisen Publikationen unterbringen kann. Daher rührte der Gedanke, einzelne historische Beiträge in Buchform zu publizieren
Bereits fragmentarische Unterlagen wurden gesichtet, systematisiert und in ein geeignetes Format gestellt. Hinzu kamen eine Vielzahl von persönlichen Kontakten, Recherchen im INTERNET sowie Standesämtern, Kirchenbüchern und alten Gazetten. Das Ergebnis lässt sich sehen. Obwohl es niemals ein Ende gibt, sind bereits mehr als 35.000 Menschen über mehr als tausend Jahre jüngerer Geschichte des Heimatortes in eine elektronische Datenbank eingeflossen. Die dazugehörigen Einzelschicksale bieten Stoff für Generationen.
Die Autoren betrachten ihr Werk als Vermächtnis an die gegenwärtige Generation, Kinder und Enkel. Mögen sie sich ihren Wurzeln bewusst werden, ihren Vorfahren gedenken und die Sammlung eines Tages weiterführen.
Es ist in höchstem Maße interessant zu sehen, woher wir kommen, wie die Geschichte das Wohl und Wehe von Personen beeinflusste sowie Menschen schon immer versuchten, ihre Leben aufzuschreiben und zu dokumentieren.
Nicht die Suche nach LUCA (Last Universal Common Ancestor) trieb uns, sondern die Neugier nach den Wurzeln der Vielzahl von Lengsfelder Bürgern, ihren Familien sowie deren Rolle in der Geschichte. Dabei wird sichtbar wie sich lokale menschliche Populationen vermischen, wie geographische sowie gesellschaftlichen Grenzen überschritten werden, wie Kriege Familien auslöschen, wie Stammbäume enden und andere wachsen oder wie sich Berufe und Namen historisch wandeln.
Deutlich wird zugleich, dass die Mobilität in der Neuzeit immer größer wird und die Familien immer kleiner.
Der fünfte Band der Serie von „Lengsfelder Geschichten“ ist wiederum eine Auswahl von Artikeln, die neu erstellt wurden. Es war nicht beabsichtigt, eine exakte geschichtliche Abfolge der Beiträge zu gestalten. Es ging vielmehr darum, die Zusammenstellung so zu arrangieren, dass eine möglichst große Aufmerksamkeit erzielt wird. Viele Details sind nicht in die Artikel eingeflossen, weil diese das Leseerlebnis gestört hätten. Diese können aber jederzeit bei den Autoren nachgefragt werden. Abbildungen, Schemata und Fotos dienen einem ähnlichen Zweck. Fußnoten und Quellenangaben wurden auf ein Minimum reduziert. Die Referenzen finden sich in einer an das Ende des Buches verlegten Bibliographie.
Die Autoren
Die Autoren möchten Stefanie Schlotzhauer, Weilar, Dr. Mario Giesel, Wegeleben, Frau Inge Schlegel, Willy Wenzel (†), Petra Nüchter und Manfred Wolfram aus Stadtlengsfeld, G. Heidt (†), Dietlas, N. Reisberg, Neuhardenberg, C. Hentschel, Stadtlengsfeld, Udo Stanelle Gehaus sowie Frank Kirchner Hohenwart für die interessanten Anregungen und Hinweise danken.
Frau Dr. Gisela Schlegel sind wir sehr für die kritische Durchsicht des Manuskripts verbunden.
Vorwort
Danksagung
Segelflieger am Himmel von Stadtlengsfeld
Präsident von General Electric – Sohn Stadtlengsfelder Eltern
Teller und Tassen für den Endsieg
Das Heiratsgesuch ist abzulehnen
Als zwei sich stritten …
Erwin Hollstein – Lehrer und Chorleiter
Spendable Lengsfelder – Spiro‘sche Stiftung
Tod über den Wolken
300 Jahre Apotheke in Stadtlengsfeld
Berühmter Botaniker durch Lengsfelder Unterstützung
Hohenwart – Vorwerk und Tanzboden der Lengsfelder
Bibliographie
Rolf Schlegel & Manfred Wolfram
Zwischen dem 4. und 17. Juli 1937 fanden die ersten Weltmeisterschaften im Segelflug auf der Wasserkuppe statt. Es trafen sich die seinerzeit renommiertesten Segelflieger aus Polen, Österreich, England, Czechoslowakei, Schweiz und Deutschland. Am 9. Juli startete auch ein Edwin Müller mit der Nummer 8. Er schaffte eine Flugdistanz von 35 Kilometer bis in seine Heimat Stadtlengsfeld, bei einer mittleren Flughöhe von 890 Metern. Damit erzielte er 8,25 Wertungspunkte. Der Sieger bei dieser Meisterschaft war allerdings Heini Dittmar (1911-1960) aus Kissingen mit einer „Sao Paolo“, der es bis Hamburg schaffte und 371 Wertungspunkte bekam. [1] Letzterer stellte später mehrere Segelflug- bzw. Flugrekorde auf und wurde schließlich Testflieger bei der Firma Messerschmidt AG in Augsburg (vgl. Abb. 8).
Abbildung 1: Blick über Stadtlengsfeld mit dem Galgenberg im Hintergrund, davor das sog. Krämer‘s Stück, um 2005; in den 1930er Jahren Startplatz für Segelflugzeuge. Quelle: Archiv R. Leimbach, 2014
Bei dem Segelflieger, der die 35 Kilometer schaffte, handelte es sich um keinen geringeren als um den Lengsfelder Porzellanmaler Edwin Müller (vgl. Abb. 4), der am 29. Juni 1883 in Truckenthal bei Meiningen geboren wurde (wohnhaft in der Querstraße 3, gestorben an Lungen-TBC am 22. Februar 1949 in Stadtlengsfeld).
Abbildung 2: Ernst Meister (r.), Segelflieger, Panzer-Soldat und Kaufmann aus Stadtlengsfeld; Aufnahme um 1939 in Eisenach. Quelle: Archiv R. Schlegel 2014
Edwin Müller gehörte zu einer kleinen Schar von enthusiastischen jungen Männern aus Stadtlengsfeld, die sich in die Lüfte schwingen wollte. In den 1930er Jahren bestand nämlich eine allgemeine Segelsport-Begeisterung, ähnlich dem heutigen Paragliding.
Abbildung 3: Landwirt Willi Wenzel (1927-2016) im Jahr 2012 (l.), Landwirt Dietrich Matthes, Dermbach, (ztw. LPG-Vorsitzender in Stadtlengsfeld) (r.). Quelle: Archiv R. Leimbach, 2014
Dass die Begeisterung von den politischen Kräften des sogenannten Dritten Reiches kanalisiert wurde, um Piloten für den geplanten Angriffskrieg zu rekrutieren, steht auf einem anderen Blatt.
Die „Wasserkuppe“ stand zwischen den Jahren 1935 bis 1945 für eine solide Ausbildung junger Männer als künftige Jagd- und Bomberpiloten. Die meisten haben ihre geliebte Wasserkuppe nie wieder gesehen.
Weitere Mitglieder des Klubs der Lengsfelder Segelflieger waren:
Walter Fräbel
(Zimmermann, Soldat in einem Flieger-Transportkommando während des 2. Weltkriegs, Sägewerksbesitzer in Weilar, geb. am 11. November 1919 in Weilar, gest. 7. März 1998 in Weilar; flog gelegentlich auf dem „Dolmar“, lehrte Kindern in der Schule von Weilar die Segelfliegerei in den 1950er Jahren), vgl.
Abb. 5
und
6
.
Willi Donner
(Metzger, Bahnhofswirt, Leiter der HO-Metzgerei im Weimarischen Hof, geb. am 29. Januar 1917 in Wiesenthal, gest. 8. Februar 2007 in Bad Salzungen, heiratete am 18. Januar 1947 in Stadtlengsfeld Irona Siegmund)
Heini Perniß
(Büroangestellter in der Porzellanfabrik, geb. am 20. Juli 1908, gest. 1981 in Bad Liebenstein)
Fritz Wiegand
, (Fleischermeister, Gastwirt "Weimarischer Hof", Soldat im 2. Weltkrieg, geb. am 30. August 1918 in Stadtlengsfeld, gest. am 16. Oktober 1947 im Krankenhaus von Kaltennordheim)
Fritz Donner
(Klempner, geb. am 1. September 1914, Hohenwart; gef. am 9. September 1944 bei Cuxiol/ Frankreich)
Hans Herbig
(Elektriker, geb. am 31. Dezember 1928, Eisenach; gest. am 20. September 1992, Bad Berka; machte auf der Wasserkuppe den Segelfliegerschein, verh. mit Inge Scholl)
Helmut Klein
(Tischlermeister; Gehauser Straße 9, geb. am 23. November 1927 in Stadtlengsfeld, gest. am 4. Januar 1997 in Stadtlengsfeld, whft. Gehauser Str. 9, verh. mit Ingetraud Geisler am 18. Oktober 1952 in Stadtlengsfeld)
Abbildung 4: Edwin Müller, (1883-1949). Quelle: R. Diskar, Archiv R. Schlegel, 2015
Abbildung 5: Segelflugschüler auf der Wasserkuppe, um 1939; Walter Fräbel (sitzend). Quelle: S. Schlotzhauer, Weilar; Archiv R. Schlegel
Egon Meister
(Schmied und Bergmann, geb. 6. Mai 1927, gest. 3. Oktober 1996 in Stadtlengsfeld, whft.: Friedensstr., verh. mit Irma Enders)
Ernst Meister
(Kaufmann in Oschatz, Leipzig und Düren, geb. 4. Juli 1916 in Fischbach, gest. um 1980 in Düren, vgl.
Abb. 2
)
Richard Mertner
(Tischler, Flugzeugbauer, Flieger, geb. am 24. Februar 1918 in Dortmund, gest. am 11. August 1988 in Bad Liebenstein, Trauzeugen: Emil Schmalz, Lengsfeld; Werkmeister Bernhard Kroker, Liegnitz in Schlesien, heiratete am 27. März 1943 in Stadtlengsfeld Lieschen Schmalz)
Edwin Müller
(Porzellanmaler in Lengsfeld, geb. am 29. Juni 1883 in Truckenthal bei Meiningen, gest. am 22. Februar 1949 in Stadtlengsfeld an Lungen-TBC). Er ist ein Vorfahre der verstorbenen Verena Diskar (geb. Wilhelm, 1938-2012) aus Stadtlengsfeld (vgl.
Abb. 4
), whft. Querstr. 3; Trauzeugen: Kapseldreher Hermann Müller, 43 J., Porzellan-Dreher Hermann Bauß, 37 J., Heirat: Stadtlengsfeld 5. Oktober 1912 Friederike Hüther)
Fritz Müller
(Schlosser, geb. am 16. September 1908 in Philipps-thal, gest. am 3. August 1996, Trauzeugen: Arbeiter Richard Luther aus Lengsfeld; Arbeiter Georg Müller aus Philippsthal, heiratete am 10. Juli 1938 in Stadtlengsfeld Marie Luther)
Ernst Rübsam
(Angestellter am Fliegerhorst Langensalza, geb. am 28. November 1914 in Langenfeld, gef. am 3. Februar 1945 bei Hagenow/Mecklenburg, Trauzeugen: Justizsekretär Ernst Rübsam, Lengsfeld; Bergmann August Meister II aus Lengsfeld; verheiratet mit Emmy Städtler)
Abbildung 6: Nachweis von absolvierten Segelflügen von Walter Fräbel. Quelle: Quelle: S. Schlotzhauer, Weilar; Archiv R. Schlegel
Der „Zögling“
Mit von der Partie der Stadtlengsfelder Flieger war auch der Lengsfelder Landwirt und Fuhrunternehmer Heinrich Wenzel (1896-1960), der aus Urnshausen stammte und Vater von Willi Wenzel ist. Letzterer bestätigte am 24. Dezember 2014 die Unterstützung seines Vaters für die Segelflieger.
Heinrich Wenzel stellte seine Scheune im ehemaligen Schafstalls, später Kino, heute Sparkasse, zu Verfügung (vgl. Abb. 7). Dort hatte man das einzige Segelflugzeug untergestellt, das sich die wackeren Flieger gekauft und mit Argus‘ Augen gehütet haben. Als weiterer Hangar diente die ehemalige Schuchert’s Scheune nahe der „Liete“ von Lengsfeld. Sie wurde von der Metzgerei gelegentlich genutzt, um Tiere vor der Schlachtung zu konditionieren. Der Metzger und Gastwirt des „Weimarischen Hofes“ August Schuchert (geb. am Steinberg bei Brunnhartshausen) war der zweite Ehemann von Margarethe (gen. Gretchen) Mutzberg.
Abbildung 7: Der Schafstall von Stadtlengsfeld, zum Bender‘schen Gut gehörig, um 1950; Abriss 1954; auf den Fundamenten wurde 1955 das Kino von Stadtlengsfeld errichtet, heute Sparkasse sowie Wohnungen. Quelle: Archiv R. Leimbach, 2014
Abbildung 8: Nachbau des Segelfluggleiters „Hol’s der Teufel“, der dem „Zögling“ sehr ähnlich war. Quelle: [2]
Sie wiederum war in erster Ehe mit dem Hobbyflieger Fritz Wiegand (siehe oben) verheiratet. Somit gab es eine Verbindung zwischen der Schuchert’s Scheune und den Segelfliegern. Das erste Fluggerät der Lengsfelder war ein sogenannter Gleitsegler vom Typ „Zögling“. Er gehörte zur Kategorie der Schulgleiter.
Mit dem Begriff Schulgleiter wurde eine ganze Generation von Gleitflugzeugtypen bezeichnet, die alle etwas gemeinsam hatten: sie waren einfach und preiswert im Aufbau, leicht zu fliegen und damit ideal für die vorherrschende Einsitzerschulung geeignet. Im Falle eines Falles konnte man Reparaturen selbst durchführen. Zu den Schulgleitern gehörten so bekannte Typen wie „Hol's der Teufel", „Schädelspalter“, „Zögling - SG 38“, aber auch weniger bekannte Typen wie die „Besenstielkiste“, „Honza“, „Salamandra“ usw. (vgl. Abb. 8).
Der „Zögling“ war ein einfaches Schul-Segelflugzeug, das für den Gummiseilstart gedacht war. Der Konstrukteur war Alexander Lippisch (geb., 1894, München – gest. 1976, Cedar Rapids, Iowa, USA), der später durch seine Entwürfe von Nurflüglern bekannt wurde, zum Beispiel der Raketenjäger „Me-163 Komet“.
Merkmal
Leistung
Sitze
1
Herstellungszeitraum, Zögling 31 ab 1931, Zögling 35 ab 1935
1928-1935
Stückzahl
>15
Konstrukteure
F. Stamer, A. Lippisch
Spannweite (m)
10,04
Rumpflänge (m)
5,57
Höhe (m)
2,13
Flügelfläche (m
2
)
15,80
Flügelstreckung
6,38
Flügelprofil
Gö 549
Leermasse (kg)
100
Höchstflugmasse (kg)
180
Flächenbelastung, max. (kg/m
2
)
11,4
Gleitzahl
10
Die offiziellen Flugzeugbezeichnungen waren 108-11 für den RRG Zögling 33 (Primärsegelflugzeug 1933) sowie 108-15 für den RRG Zögling 12m (Primärsegelflugzeug 1934).
Gummiseilstart
Die damalige Methode, ein Segelflugzeug in die Luft zu bringen, war der Gummiseilstart. Das Startseil bestand aus vielen dünnen Gummifäden, welche fest mit Leinwand umspannt waren. Es gab 600-, 800-, und 1000fädige Startseile mit einer Länge von ca. 20 Metern. Das Startseil wurde mit einem Ring in den Starthaken, welcher vorne am Flugzeug war, eingehängt. Zum Starten wurde das Seil V-förmig vor das Flugzeug abgelegt. Auf die Kommandos „Ausziehen“ und „Laufen“ zogen sechs bis acht Helfer daran und hinten hielten zwei bis drei Helfer das Flugzeug fest. Auf das Kommando „Los“ ließ hinten die Haltemannschaft das Flugzeug los und das Flugzeug wurde in die Luft katapultiert.
Der Gummiseilstart wurde auf dem ersten Rhön-Segelflugwettbewerb 1920 von Studenten der Flugwissenschaftlichen Vereinigung Aachen (FVA) mit der FVA-1 „Schwatze Düvel“ erstmals vorgeführt. Das Flugzeug wird vom Gummiseil beschleunigt und hebt ab. Beim Überfliegen der „Gummihunde“ (die Helfer) fällt das Gummiseil aus dem Haken heraus.
Idealerweise startet man am Hang, da bei Ausklink-Höhen unter 10 Meter der Flug sehr schnell zu Ende wäre.
Abbildung 9: Vereinfachte Landkarte des Altmarkgebietes mit dem Leichelberg in der Rhön. Quelle: Archiv R. Schlegel 2013
Auf der Wasserkuppe kann heute bei Südwind eine Flugdauer von einigen Minuten erreicht werden, in den 1930er Jahren wurden durch die Ausnutzung von Hangaufwinden Flugzeiten von mehreren Stunden erreicht.
Abbildung 10: Der Leichelberg bei Kaltensundheim, Südwesthang mit Flugplatz, um 2010: Quelle: Wikipedia 2014, verändert
Flugübungen
Die Reichssegelflugschule befand sich auf der Wasserkuppe, die „Fliegerburg der deutschen Jugend“. Auf der Wasserkuppe tummelten sich in den 1930er Jahren bereits sehr viele Segelflieger. Daher mussten sich die Lengsfelder Flugpioniere andere Startplätze mit geeigneter Thermik suchen. Nach Erinnerung von Willi Wenzel aus Stadtlengsfeld (vgl. Abb. 3) war das „Krämer‘s Stück“, d. h. der Hang vor dem Galgenberg (heute unterhalb des Hundeplatzes) das bevorzugte Terrain für die Flugversuche (vgl. Abb. 1). Zu jener Zeit war es Ackerland des Lengsfelder Gutes von Harald Bender aus München. Folglich konnte man dort nicht immer Flugübungen abhalten. Das ging in der Regel nur, wenn die Flächen abgeerntet waren, also im Spätsommer bis Frühherbst.
Gelandet wurde aber auch auf den Ehrlich-Wiesen in der Nähe der ehemaligen Scheune von August Schuchert bzw. in der Nähe von Greulichs Garten, den später die Schlotzhauers bewirtschafteten. Es war zumeist Flüge von der Wasserkuppe kommend.
Leichelberg
Es war daher nicht verwunderlich, wenn man sich nach Ausweichmöglichkeiten umsah. Die Alternative war der Leichelberg bei Kaltensundheim (vgl. Abb. 9 und 10). Dort existierte schon das nationalsozialistische Fliegerkorps (NSFK). Es war eine paramilitärische nationalsozialistische Organisation – genannt NSFK-Gruppe 8 (Mitte): Segelflugübungsstelle des NS-Fliegerkorps Leichelberg; Post Mittelsdorf über Kaltennordheim.
Abbildung 11: Auszug aus dem Flugbuch von Walter Fräbel, Weilar; im Jahr 1938 sind mehrere Landungen auf dem Leichelberg verzeichnet. Quelle: M. Giesel, Wegeleben, Archiv R. Schlegel, 2015
Das NSFK wurde am 17. April 1937 durch Führererlass geschaffen. Es war Rechtsnachfolger des DLV e.V. (Deutscher Luftsportverband), der von 1933 bis 1937 die Aufgaben der paramilitärischen Ausbildung zunächst im Verborgenen (1933 bis 1935) und nach der Erlangung der Wehrhoheit im Rahmen der militärischen Luftgaureserve durchführte.
Neben den sieben großen Reichssegelflugschulen standen den 17 NSFK-Gruppen bei Kriegsausbruch 1939 insgesamt 451 Segelfluggelände mit etwa 3.000 Fluglehrern zur Verfügung, auf denen etliche tausend Hitler-Jungen ihre erste Flugschulung erhielten. Bei etwa 1.500.000 Starts und Landungen wurden im Jahr 1939 bereits 40.299 A, B, und C-Prüfungen abgelegt.
Der Leichelberg ist ein bewaldeter, 656 Meter hoher Berg zirka zwei Kilometer östlich von Kaltensundheim. Es ist einer der typischen Basaltkuppen der Rhön. Am Osthang des Berges liegt Aschenhausen. Südwestlich unterhalb des Leichelbergs befand sich der Flugplatz, der auch noch in der Gegenwart von Modellfliegern genutzt wird (vgl. Abb. 10).
Im Flugbuch von Walter Fräbel ist der Leichelberg als Landeplatz verzeichnet (vgl. Abb. 11).
Noch um das Jahr 1707 befand sich am Fuß des Leichelbergs ein jüdischer Begräbnisplatz der Aschenhäuser, Kaltennordheimer, Öpfertshäuser und Kaltensundheimer. Keltische Grabhügel fand man an der Nordostseite. Die Gegend ist historisch als Altmark bekannt.
Gruß an die Altmark
Hoch, ringsum frei und viel umweht, Jahrtausend alt dein Thron doch steht.
Im Tullifeld an fränk’scher Grenz, Waldgrün schmückt ihn noch jeder Lenz.
Im Fichtenmantel, schwach belaubt, stehst du, der ehern’ Kron’ beraubt.
Mit kahlem Scheitel, der da zeugt, daß manch’ Geschlecht sich Dir gebeugt.
Weil du so grundfest und so stark, wach’ hieltest, treue Altemark!
Drum sei im Herpf-Felda-Gefild’ uns stets ein lieblich Friedensbild!
Notlandung
Segelflugzeuge haben aber schon vor den Aktivitäten der Lengsfelder Männer den Heimatort überflogen. Das Tal bietet noch heute im Sommer eine gute Thermik, um einige Runden zu drehen. Nicht immer ging das in den Anfangsjahren gut.
Abbildung 12: Von der „Wasserkuppe“ kommend, notgelandetes Segelflugzeug am „Weinberg“ von Stadtlengsfeld, 1929; das Wappen am Seitenleitwerg könnte zu Bad Kissingen passen. Quelle: Archiv R. Leimbach, 2014
Die Abbildung 12 zeigt, dass auch mancherlei Pannen passierten. Es muss wohl im August 1929 gewesen sein, da der frisch gemähte Roggen noch in Hocken aufgestellt war. Glücklicherweise ist der Pilot auf dem Roggenfeld am „Weinberg“ mit geringen Blessuren davongekommen. Das Staunen der Lengsfelder Bürger und Kinder war umso größer.
Das Wappen am Seitenleitwerk könnte zu Bad Kissingen passen. Von dort kam der Segelflug-Begeisterte Heini Dittmar (siehe oben). Möglicherweise war er der Bruchpilot?
Während des Zweiten Weltkriegs sind zwei weitere Flugzeuge im Luftraum von Stadtlengsfeld abgestürzt. Am 24. Februar 1944, gegen 1.10 Uhr mittags, kam es sogar zu einem Luftkampf zwischen Alliierten und Deutschen über Stadtlengsfeld. Dabei wurde ein amerikanischer Bomber vom Typ B-24 von deutschen Jägern abgeschossen. Das Flugzeug ging im Wald am Kohlgraben nieder.
Ein weiteres, 1936 neu entwickeltes deutsches Flugzeug vom Typ Fi 156 (Fieseler Storch) stürzte am Baier bei Gehaus aus technischen Gründen ab.
1 Artikel kam durch Anregung sowie Erinnerung von Frau Ingeburg Schlegel, Stadtlengsfeld, zustande.
Rolf Schlegel
General Electric (Abb. 1) ist einer der größten Mischkonzerne der Welt. Der Stammsitz, jahrzehntelang in Schenectady, New York (Abb. 2), befindet sich seit 1974 in Fairfield, Connecticut, USA.
Abbildung 1: Das Logo des amerikanischen Konzerns General Elektric. Quelle: Wikipedia, 2015
Thomas Alva Edison (1847-1931) bezog 1876 ein Labor in Menlo Park (New Jersey). Drei Jahre später ließ er sich 1879 seine wohl bekannteste Erfindung patentieren: die Glühlampe.
Edison präsentierte seine Erfindung auf der Internationalen Elektrizitätsausstellung im Jahr 1881 in Paris, wo er den Deutschen Emil Rathenau so sehr begeisterte, dass dieser für das Gebiet des Deutschen Reiches die Rechte für Edisons Patente erwarb und 1883 in Berlin mit der „Deutschen Edison-Gesellschaft für angewandte Elektricität“ die Produktion von Glühlampen aufnahm.
Die Deutsche Edison-Gesellschaft benannte sich 1887 in „Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft“ um, deren Akronym „AEG“ später weltbekannt wurde.
Im Jahr 1890 gründete T. Edison in den USA die „Edison General Electric Company“, um seine verschiedenen Unternehmungen unter einem Dach zu vereinen.
m Jahr 1892 wurde sie mit dem damals größten Konkurrenten, der „Thomson-Houston Company“ von Elihu Thomson und Edwin James Houston, zur „General Electric Company“ vereinigt, mit Stammsitz in Schenectady. Chef von „GE“ wurde Charles A. Coffin, der bis dahin Leiter von Thomson-Houston war. Er führte das neue Unternehmen die ersten 20 Jahre.
GE war eines der zwölf Unternehmen, die im Jahr 1896 neu eingeführten „Dow Jones Index“ gelistet wurden und das einzige der ersten zwölf, das sich bis heute in dem Index gehalten hat.
Abbildung 2: Geschäftsgebäude von General Electric in New York, 2007. Quelle: Wikipedia, 2015
Von 1922 bis 1940 sowie von 1942 bis 1945 war Gerard Swope Präsident von General Electric. Er setzte sich insbesondere für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in seinem Unternehmen ein. Ihm folgte in diesem Amt Charles E. Wilson (1876–1972). Als dieser in das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden des kriegswichtigen „War Production Board“ berufen wurde, kehrte Swope aus dem Ruhestand zurück und übernahm erneut die Präsidentschaft bis Wilson zurückkehren konnte.
Abbildung 3: Gerard Swope (1872-1957), um 1955. Quelle: Wikipedia, 2015
Gerard Swope wurde am 1. Dezember 1872 in St. Louis, Missouri geboren. Gestorben ist er am 20. November 1957 in New York City. Er war ein amerikanischer Ingenieur und Geschäftsmann, der sich seinen Weg bis an die Spitze eines Weltkonzerns bahnte (Abb. 3).
Gerard Swope war speziell als Modernisierer der Arbeitsbedingungen im Konzern bekannt und galt dem liberalen Flügel der amerikanischen Wirtschaft zugehörig. Er setzte sich für eine Arbeitslosenversicherung, Mitarbeiterbeteiligung, Arbeitnehmervertretungen, Renten, sowie für die Einführung der vierzig-Stunden-Woche ein. Unter seiner Führung mutierte das Unternehmen zur Massenproduktion von Konsumgütern, insbesondere Elektrogeräten für den Heimgebrauch.
Seine grundlegenden unternehmerischen Entscheidungen honorierten im Jahr 2005 die Redakteure und Leser der amerikanischen Zeitschrift „Forbes“ mit einem Platz unter den zwanzig einflussreichsten Unternehmer aller Zeiten.
Gerard Swope erblickte als erster Sohn und zweites von vier Kindern der Familie Isaac und Ida Swope, geb. Cohn aus Mühlhausen, die Welt, beide deutsch-jüdische Einwanderer. Sein Vater wurde am 17. November 1831 als Isaac Schwab in Stadtlengsfeld geboren (vgl. Abb. 4). Gerard selbst weilte nur einmal in Deutschland als er der Hochzeit seiner älteren Schwester, Golda, mit dem Bankier Alfred Cohn in Berlin im Jahr 1887 beiwohnte.
Gerard hatte nie verstanden, warum seine Eltern auswanderten, zumal Lengsfeld zu jener Zeit ein bedeutsames regionales Zentrum jüdischen Lebens war. Hirsch und Breinchen Schwab, geb. Sondheimer, seine Großeltern, gehören zu denen, die auf dem jüdischen Friedhof von Stadtlengsfeld begraben liegen.
Im Jahr 1800 waren beinahe vierzig Prozent der Stadtlengsfelder Einwohner jüdischer Herkunft. Im Jahr 1893 hatte sich die Zahl der jüdischen Einwohner deutlich verringert. Sie sank von 800 auf 114 Personen. Der massive Rückgang war auf zwei große Auswanderungswellen in Stadtlengsfeld zurückzuführen. Da auch viele nicht jüdische Bewohner den Ort verließen, war es wohl die miserable Wirtschaftslage, die viele ins Exil trieb.
Isaac Schwab entschied sich im Jahr 1857 im Alter von 26 Jahren für die Vereinigten Staaten von Amerika, so wie es fünf seiner sieben Geschwister schon vor ihm taten. Er folgte zwei von seinen Brüdern, die sich in St. Louis niedergelassen hatten. Seinen Familiennamen passte er der amerikanischen Sprache an, so dass Schwab zu Swope wurde.
Schon bald fasste er Fuß und wurde zu einem erfolgreichen Großhändler für Schuhe. Daneben eröffnete Isaac Swope ein Geschäft, das Uhrengehäuse herstellte, mit Teilen, die aus der Schweiz importiert wurden. Rund fünfzig Mitarbeiter beschäftigte er in dieser Firma.
Im Jahr 1865 kehrte Isaac nach Deutschland zurück, um eine Braut zu finden. Er war offensichtlich erfolgreich. Schon bald heiratete er Ida Cohn (1848-1925) aus Mühlhausen.
Idas Vater, Gerson Berend Cohn (gest. 1859) gehörte zu einen der ersten deutschen Juden, die an einer deutschen Universität promovieren konnten.
Abbildung 4: Ausschnitt aus der Genealogie der jüdischen Familie Schwab aus Stadtlengsfeld. Quelle: Archiv R. Schlegel, acc. 24193, 2015
Gerson Cohn erhielt seinen Doktortitel von der Universität Breslau. Später war er als Rabbi in Mühlhausen tätig, danach wurde er zum Oberrabbiner Thüringens. Er gründete auch eine kleine Handelsschule.