Sehnsucht - T. C. Jayden - E-Book

Sehnsucht E-Book

T. C. Jayden

4,6

Beschreibung

Als alleinerziehender und obendrein schwuler Vater hat Julian die Suche nach der großen Liebe vorerst auf Eis gelegt. Sein Leben wird voll und ganz von seiner 3-jährigen Tochter eingenommen. Aber Kinder bekommen mehr mit, als Erwachsenen häufig klar wird, und schließlich muss auch Julian sich eingestehen, dass er sich einsam fühlt. Dummerweise verliert er sein Herz ausgerechnet an einen anderen Vater … Markus führt ein vorbildliches Familienleben mit seiner Frau Erica und dem gemeinsamen Sohn. Obwohl nach außen hin alles perfekt scheint, nagt sein bitteres Geheimnis immer mehr an ihm. Dass er von Erica schließlich für schmerzhaft viele Tage alleine gelassen wird, hilft ihm nicht dabei, seine verhassten Fantasien auf Abstand zu halten und weiter heile Welt zu spielen.

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Inhalt

Sehnsucht

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechzehn

Siebzehn

Achtzehn

Neunzehn

Zwanzig

Einundzwanzig

Epilog

Leseprobe: Kalte Ketten

T. C. Jayden

 

Sehnsucht

Irrweg ins Herz

 

 

Weltenschmiede Verlag

 

Impressum

© Weltenschmiede, Hamburg 2015

www.weltenschmiede-verlag.de

© the author

Cover: Toni Kuklik

Verwendetes Material von pixabay.com

Lektorat: Tobias Keil

ISBN 978-3-944504-3-7 (eBook)

ISBN 978-3-944504-36-0 (Taschenbuch)

 

Das Buch

Als alleinerziehender und obendrein schwuler Vater hat Julian die Suche nach der großen Liebe vorerst auf Eis gelegt. Sein Leben wird voll und ganz von seiner 3-jährigen Tochter eingenommen. Aber Kinder bekommen mehr mit, als Erwachsenen häufig klar wird, und schließlich muss auch Julian sich eingestehen, dass er sich einsam fühlt. Dummerweise verliert er sein Herz ausgerechnet an einen anderen Vater …

Markus führt ein vorbildliches Familienleben mit seiner Frau Erica und dem gemeinsamen Sohn. Obwohl nach außen hin alles perfekt scheint, nagt sein bitteres Geheimnis immer mehr an ihm. Dass er von Erica schließlich für schmerzhaft viele Tage alleine gelassen wird, hilft ihm nicht dabei, seine verhassten Fantasien auf Abstand zu halten und weiter heile Welt zu spielen.

 

 

 

Für alle, die den Mut aufbringen,

keine Lüge zu leben.

Eins

»Chiara, beeil dich bitte.« Julian warf einen leicht genervten Blick auf die Uhr, bevor er wieder hinab zu seiner kleinen Tochter sah. Sie war jetzt drei Jahre alt. Dreieinhalb, wenn man es genau nahm – und das tat sie. Wenn man sie fragte, wie alt sie war, dann streckte sie seit zwei Wochen drei Finger hoch und biss sich auf die Unterlippe bei dem Versuch, den vierten Finger nur halb zu heben. Niedlich …

Weniger niedlich war die Tatsache, dass sie sich offenbar schon für alt genug hielt, um sich morgens komplett alleine anzuziehen – inklusive des Schuhezubindens.

»Lass mich dir wenigstens bei den Schuhe helfen, ja?«

»Nein!«, kam die prompte Antwort. »Ich kann das!«

Chiara konnte alles alleine. Ausnahmslos. Wenn Julian sie davon abhalten wollte, sich selber etwas zu essen zu machen, dann ging das nur, wenn er sie mit dem Fernseher ablenkte oder ihr vorschlug, sich stattdessen ein Buch anzusehen. Und selbst das half nicht immer. Er hasste es, den bösen Vater raushängen zu lassen, aber langsam lief ihm die Zeit davon.

»Okay, Kleine, du …«

»Ich bin nicht klein! Ich bin groß!« Sie streckte ihre Arme in die Höhe und drückte den Rücken durch, wobei sie ihn so finster ansah, dass Julian sich ein Lachen verkneifen musste.

»Okay, meine Große! Du machst das wirklich toll, aber wir müssen jetzt los. Komm, ich mach die Schuhe zu und du holst dann deinen Fahrradhelm, in Ordnung?«

Sie grummelte und verschränkte die Arme vor der Brust, streckte ihm aber die Füße entgegen. In den nächsten Tagen würden sie Sandalen kaufen müssen. Klettverschluss. Definitiv.

»So. Fertig. Los jetzt …«

»Jahaa«, sagte sie in diesem gespielt genervten Ton, den sie sich zweifellos bei ihrer Tante abgeguckt hatte. Julian schmunzelte und sah zu, wie sie ihren Fahrradhelm aus dem Regal zog, ihn sich auf den Kopf setzte und dann den Kopf nach hinten legte, damit Julian ihn schließen konnte. Eines der wenigen Dinge, die sie nicht alleine machte, seit sie sich den Finger dabei geklemmt hatte. Scheiß Technik, aber immerhin kam Julian sich dann nicht komplett überflüssig vor.

»Abmarsch«, sagte er und gab ihr einen Kuss. Chiara jubelte und lief in den Flur. Das rosafarbene Laufrad mit Hello-Kitty-Applikationen wartete bereits auf sie. Julian schnappte sich seine Umhängetasche, kontrollierte noch mal ihren Inhalt und öffnete dann die Haustür. Sofort flitzte der kleine, blonde Wirbelwind an ihm vorbei aus dem Haus und die Spielstraße der Wohnsiedlung entlang.

»Chiara! Warte auf mich!«, rief er, zog schleunigst die Tür ins Schloss und setzte ihr nach. Sie war schon gute zehn Meter weiter und hatte so viel Schwung genommen, dass sie die dünnen Beine von sich strecken konnte. Lächelnd sah Julian ihr zu und verfiel dabei in einen leichten Trab, um mithalten zu können.

Seit einem halben Jahr fuhr sie morgens mit dem Laufrad in den Kindergarten. Und er hatte es immer noch nicht auf die Reihe bekommen, sich einen Cityroller oder etwas Vergleichbares zuzulegen, damit er nicht immer joggen musste, damit sie vielleicht mal einen längen Ausflug auf Rädern machen konnten. Immer wieder hatte ihn irgendetwas davon abgehalten, sich selber einen zweirädrigen Flitzer zuzulegen.

Rabenvater!

Nein, eigentlich nicht. Er war vielleicht nicht der perfekte Superpapa, aber er war nicht schlecht in dem, was er tat. Fand er. Hoffte er.

Chiara lebte nun seit zwei Jahren bei ihm. Damals, als ihre Mütter bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, hatte er als nächster Verwandter, der biologische Vater des Mädchens, das Sorgerecht bekommen. Nicht eine Sekunde hatte er darüber nachgedacht, es auszuschlagen. Er liebte Chiara über alles, hatte es immer getan. Trotzdem gab es Momente, in denen er sich fragte, ob eine echte Familie mit einer Mama und einem Papa und vielleicht einem Geschwisterchen nicht besser für sie gewesen wäre. Es waren nur kleine, unbedeutende Sekunden, in denen er sich das fragte. Dann verwarf er den Gedanken wieder und war erneut der Auffassung, dass Kinder zu ihren Eltern gehörten. Da sie ihre Mütter verloren hatte, war er der einzige noch verbliebene Elternteil. Also gehörte sie zu ihm.

»Langsamer! Da vorne kommt eine Kurve!«, rief er und lief etwas schneller. Chiara lachte und ließ die Füße auf den Boden schleifen. Wie jedes Mal, wenn sie sich einer nicht einsehbaren Kurve näherte und dabei nicht an den Rand fuhr oder langsamer wurde, bekam Julian auch jetzt Herzrasen. Aber es kam kein Auto. Auch nicht, als sie mitten auf der Kreuzung, die immer noch zur Spielstraße ihrer Siedlung gehörte, anhielt und sich zu ihm umwandte.

»Erst gucken«, mahnte er etwas außer Atem und holte endlich zu ihr auf. »Dann weiterfahren.«

»Ich hab geguckt!«

»Hast du nicht. Das habe ich genau gesehen.«

»Doch!«

Julian seufzte und tätschelte ihren Helm. Chiara sah hier in der Siedlung aus Reihenhäusern einfach keine Gefahr. Die Autos fuhren in der Regel langsam und soweit es seine kleine Tochter betraf, war hier noch nie etwas Schlimmes geschehen. Wenn sie mit dem Laufrad außerhalb der Siedlung und nahe der größeren Straßen unterwegs waren, funktionierte das mit dem Gucken und Warten deutlich besser. Immerhin.

»Na los, weiter …«

»Huiiii!« Chiara nahm erneuten Anlauf und raste los. Julian warf noch einen Blick auf die Uhr. Halb neun. Sie würden es noch rechtzeitig schaffen, damit Chiara im Kindergarten noch etwas von dem Frühstück abbekam. Dummerweise hatte es ihr Brot zu Hause über Nacht geschafft, neues Leben zu erschaffen. Aber zum Glück nahm Chiara das mit dem Frühstück, bevor man das Haus verlässt, nicht so ernst, wie ihre Mütter es getan hätten.

Schon zehn Minuten später erreichten sie den Kindergarten, der zusammen mit einem großen Spielplatz und der Grundschule des Orts ein nahezu perfektes Dreieck bildete. Etwas wackelig manövrierte Chiara das Laufrad zum Fahrradständer.

»Abschließen, bitte!«, kommandierte sie fachmännisch, stieg ab und beobachtete mit aufmerksamen Augen, wie Julian das Schloss aus der Tasche zog, das natürlich genauso rosa war wie das Rad selbst, und dieses schließlich einrasten ließ.

»Super, Papa!«

Julian lachte. »Helm, bitte!«

Sie legte den Kopf zurück, er nahm ihr den Helm ab und noch während er diesen an seiner Umhängetasche befestigte, lief Chiara auch schon auf das rote Haus zu, in dem sich ihre Schnecken-Gruppe befand. Sie hängte sich an die Türklinke und warf sich schließlich gegen die Tür. Julian musste trotzdem nachhelfen.

An der Garderobe wurden sie bereits von Anna, einer der Schnecken-Erzieherinnen erwartet. Sie lächelte ihnen entgegen, während sie ein paar andere Kinder, die pünktlich um acht eingetroffen waren und das Frühstück schon beendet hatten, dabei beaufsichtigte, wie sie sich anzogen.

»Hallo, Chiara. Na? Wie geht es dir?«

»Mein Papa hat meine Schuhe angezogen.«

Anna hob erstaunt die Augenbrauen, während Julian sich lachend durchs Haar fuhr.

»Tatsächlich? Du meinst, er hat DIR die Schuhe angezogen?«

»Ja.« Chiara grinste. »Ich kann das noch nicht.«

»Das lernst du schon noch«, beruhigte Anna sie und half ihr aus der Jacke. »Noch frühstücken?«

Julian nickte. »Ja. Unser Brot hat übers Wochenende Beine bekommen.«

Chiara kicherte und schüttelte heftig den Kopf. »Nein, Papa!« Und an Anna gewandt fügte sie hinzu: »Das war ein Scherz.«

»Verstehe.« Anna grinste und zwinkerte ihm zu. »Dann sag deinem Papa mal tschüss, bevor ich dich nach oben bringe.«

Julian bekam noch eine Umarmung und einen dicken Kuss, dann war er abgemeldet, denn in diesem Augenblick kam auch Daniel mit seinem Vater durch die Eingangstür.

»Daniel!« Chiara rannte auf ihn zu. Daniel strahlte von einem Ohr zum anderen und die beiden hüpften freudig umeinander herum.

»Die zwei verstehen sich wirklich gut«, sagte Anna. Julian nickte. Das war nicht zu übersehen.

»Guten Morgen.« Markus Lankert, Daniels Vater, sah eigentlich immer gestriegelt und geschäftsmäßig aus. Viel hatte Julian noch nicht mit ihm zu tun gehabt, aber jedes Mal, wenn sie sich begegneten, fühlte er selbst sich klein und unbedeutend. Irgendwie nicht wie ein echter Vater. Heute allerdings wirkte auch Markus leicht gestresst und tatsächlich: Schon warf er einen Blick auf die teuer aussehende Armbanduhr.

»Ich bin spät dran. Ist es okay, wenn ich …«

»Natürlich.« Anna lächelte und winkte ab. »Aber vergiss nicht, auf Wiedersehen zu sagen.«

Markus nickte auch Julian kurz zu, dann wandte er sich an seinen Sohn und wuschelte ihm noch mal durch die Haare. Daniel winkte kurz, dann lief er zusammen mit Chiara um die Wette.

»Und vergiss den Elternabend heute nicht!«, rief Anna noch. Markus war bereits verschwunden.

Wieso nur fühlte er sich neben diesem Kerl so oft weniger väterlich? Totaler Unsinn, wenn er jetzt genauer darüber nachdachte.

»Also – bis nachher, Julian.« Anna lächelte ihm zu, dann scheuchte sie ein paar Kinder nach draußen und nahm schließlich Chiara und Daniel an die Hände, um sie nach oben zu bringen.

Julian sah ihnen noch einen Moment nach, bevor er das Gebäude schließlich auch verließ und sich wieder auf den Weg nach Hause machte. Arbeiten. Dringend. Jetzt!

 

Seit ein paar Jahren schon genoss Julian das Leben eines Schriftstellers. Der Weg hierher war nicht leicht gewesen. Als er mit dem Schreiben angefangen hatte, war er noch auf seinen »Brotjob« angewiesen gewesen und hatte als Buchhalter gearbeitet. Dann war ihm bei einem kleinen Verlag der Durchbruch gelungen und seither spielten seine Krimis und Thriller das Geld ein. Er schrieb unter verschiedenen Namen, brachte hin und wieder Kurzgeschichten auf eigene Faust raus und schloss sich immer wieder entspannten Projekten an. Seine letzte mörderische Kurzgeschichte war in einer Anthologie gelandet, deren Erlös krebskranken Kindern zu Gute kam. Was auch immer ein Serienmörder mit kranken Kindern zu tun hatte. Irrelevant. Auch diese Anthologie verkaufte sich recht gut.

Chiara war seit einem halben Jahr ganztags im Kindergarten und wenn er noch mehr Zeit brauchte, dann griff ihm seine Schwester Penny unter die Arme, indem sie ihm seine Tochter abnahm. Julian wusste, dass sie insgeheim hoffte, er würde seine kindfreie Zeit auch für Dates nutzen, aber das tat er nicht. Seit er Chiara hatte, war der Traum nach einem Lebensgefährten in den Hintergrund gerückt. Als alleinerziehender, schwuler Vater hatte man es nicht leicht, jemanden zu finden. Schon gar nicht als Schriftsteller, wenn man die meiste Zeit damit verbrachte, sich in seinen Thrillern zu verstecken und darüber nachzudenken, auf welche bestialische Art und Weise man den nächsten Charakter sterben lassen sollte.

Dafür war er ein regelrechter Magnet für alleinerziehende Mütter, die er regelmäßig auf Spielplätzen oder KiTa-Veranstaltungen kennenlernte. Letzten Herbst, während eines Laternenumzugs, hatte er sogar eine kennengelernt, die sich offenbar absolut nicht an seinem »Homo-Bekenntnis« gestört hatte. Im Gegenteil. Sie war der Auffassung gewesen, dass sie ein wunderbares Paar abgeben würden. Es hatte fast zwei Wochen gedauert, bis er sie und ihre wahnwitzige Idee einer Zweckbeziehung wieder losgeworden war.

Trotzdem beruhigte ihn der Umstand, dass zumindest jemand – wenn auch keine schwulen Männer – auf ihn stand.

Als Julian das Reihenhaus, das er seinerzeit von seinem Ersparten gekauft hatte und immer noch abbezahlte, wieder betrat, führte ihn sein Weg wie jedes Mal als erstes zur Kaffeemaschine. Obwohl er Chiara über alles liebte und sie gerne um sich hatte, genoss er doch die ruhigen Stunden des Tages. Ebenso sehr wie die Wochenenden, die er mit seiner Tochter verbrachte.

Kaffee kochen, Laptop anstellen und dann mit der Arbeit auf die Terrasse setzen. Der Garten war klein, bot aber alles, was er und Chiara brauchten. Eine gemütliche Sitzecke mit Sonnenschirm, eine kleine Schaukel und einen Apfelbaum. Im Sommer verbrachten sie viel Zeit hier und wenn es richtig warm wurde, dann konnten sie sogar ein Planschbecken aufbauen und sich gegenseitig nass spritzen.

In ihrem ersten Somme hier, als Julian noch unerfahren und selbst noch ein halbes Kind gewesen war, hatte er vollkommen außer Acht gelassen, dass Kinderhaut gefährlich empfindlich war. Nie wieder würde er vergessen, Chiara zentimeterdick mit Sonnencreme einzuschmieren. Sie hatte die empfindliche, blasse Haut ihrer Mutter geerbt und einen üblen Sonnenbrand davongetragen. Im Nachhinein wusste Julian nicht mehr, wer von ihnen mehr unter diesem Fehler gelitten hatte. Chiara, die den Schmerz des Sonnenbrandes über sich hatte ergehen lassen müssen, oder Julian, dessen schlechtes Gewissen mit drei schlaflosen Nächten und einer gehörigen Portion Mitleid gestraft worden war. Nein. Nie wieder. Es gab Fehler, die machte man nur einmal.

Wie immer, wenn es mit dem Schreiben gut lief, verging der Vormittag wie im Flug und obwohl er gerade erst mit der Arbeit begonnen hatte – zumindest fühlte es sich so an – klingelte recht bald der Wecker seines Smartphones, der ihn jeden Mittag um 13:00 Uhr daran erinnerte, dass es noch anderes gab als die Arbeit.

Er beendete seine Szene, indem er die Protagonistin erschrocken aufschreien ließ, und klappte den Laptop schließlich zu.

Der Haushalt wartete auf ihn. Außerdem musste er noch Pakete packen und zur Post bringen, Chiaras Zimmer sauber machen und die Wäsche sortieren.

Vielleicht war die Sache mit der Zweckbeziehung doch keine so schlechte Idee.

Bei dem Gedanken schüttelte er schmunzelnd den Kopf über sich selbst. Dann konnte er sich auch eine Haushaltshilfe besorgen, statt eine Scheinbeziehung zu führen. Außerdem hatte er nicht jahrelang um Anerkennung für seine Sexualität gekämpft, um sich dann doch mit einer Frau niederzulassen, deren Körper bei ihm genauso viele Gefühle auslöste wie eine rohe Kartoffel.

Nein, von Zweckbeziehungen und Scheinehen hielt er weniger als gar nichts. Die große Liebe – auch wenn er die Suche nach ihr vorerst auf Eis gelegt hatte – war es, woran er tatsächlich glaubte.

 

*

 

»Und wie läuft es mit Danny?«

»Naja, es muss ja, oder?« Markus verzog das Gesicht und klemmte das Telefon zwischen Schulter und Ohr ein, um mit dem Sortieren der Wäsche fortfahren zu können. Konnte er das blassblaue Laken zusammen mit einem grünen Kinderpullover waschen?

»Ja, es muss«, ertönte die leicht genervte Stimme seiner Frau durch den Hörer. »Ich werde noch mindestens bis zum Wochenende hier bleiben. Schafft ihr das?«

»Na sicher.« Nicht!

Himmel, wenn er geahnt hätte, dass es so anstrengend war sich rund um die Uhr um Daniel zu kümmern, den Haushalt zu schmeißen und nebenbei auch noch zu arbeiten, dann hätte er Ricky niemals erlaubt, nach Hannover zu fahren, um die Liebeströsterin für eine Freundin zu spielen. Aber er hatte es gestattet, hatte leichthin behauptet, dass er es schon schaffen würde und sie diesbezüglich immer wieder beruhigt.

Warum zu Teufel hatte er das getan?!

»Vermisst er mich?«

»Ja, jeden Abend. Aber er hat eine Freundin im Kindergarten. Auf die freut er sich immer wie ein Rohrspatz, wenn wir morgens losgehen.«

»Ich weiß. Chiara, nicht wahr?«

»Ehm … kann sein.« Woher sollte er wissen, wie die Kleine hieß? Und was noch viel wichtiger war: Was sollte er mit der Jeans machen? Zum blauen Laken und dem grünen Pulli mit in die Maschine? No Risk, no fun – oder so ähnlich.

»Verabrede dich doch fürs Wochenende mit Chiara und ihrem Vater auf dem Spielplatz. Er ist ein ganz Netter und dann bekommt ihr die Zeit, bis ich wieder da bin, auch besser rum.«

»M-hm. Mach ich.« Markus musterte skeptisch seine roten Shorts. Rot und blau ergaben lila. Aber Ricky hatte ihm auch irgendwas von »Buntwäsche« gesagt. Also konnte es doch eigentlich nicht schiefgehen, solange er nichts Weißes in die Maschine stopfte – oder?

»Was machst du gerade? Du bist irgendwie nicht so richtig bei der Sache.« Ricky klang misstrauisch. Was dachte sie? Dass er sich Pornos ansah, während sie telefonierten? Als ob dafür Zeit wäre.

»Die Wäsche. Sag mal … Meine roten Shorts. Vertragen die sich mit dem blauen Laken?«

Ricky lachte. »Ja. Keine Sorge. Und selbst wenn nicht: Es ist nur ein Laken, oder?«

Auch wieder wahr. Also stopfte er alles zusammen in die Maschine und sammelte dann noch die zueinander passenden Kindersocken ein.

»Also gut. Ich muss jetzt Schluss machen. Wir gehen gleich schick essen.«

»Ich erblasse vor Neid.«

»Nein, tust du nicht. Sonst hättest du mich schon lange mal wieder zum Essen ausgeführt.«

»M-hm. Mach ich – wenn du wieder da bist.« Bei wie viel Grad musste das Ganze jetzt noch mal gewaschen werden? Markus kniff die Augen zusammen, pflückte noch einmal die Jeans aus der Maschine und suchte nach dem Schild.

»Vierzig, mein Schatz. Es ist Vierzig-Grad-Wäsche.«

Erwischt. Diese Frau war manchmal wirklich unheimlich. »Danke.«

»Also. Wir hören uns. Und vergiss den Elternabend heute nicht. Es geht unter anderem um diesen Spielplatzausflug nächste Woche. Hast du einen Babysitter?«

»Ja, deine Mutter kommt.«

»Wunderbar. Lass dich nicht ärgern.« Das Grinsen in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Schadenfreude? Wusste Ricky, dass er mit dieser ganzen Situation heillos überfordert war? Unheimlich. Wirklich unheimlich. Wenn sie schon so was wusste – was wusste sie dann noch alles?

»Warte!« Siedend heiß fiel ihm noch etwas anderes ein. »Du bleibst auch übers Wochenende weg?«

»Vielleicht. Ja. Wieso?«

»Was ist mit deinem Termin am Sonntag? Der steht im Kalender. Hast du den vergessen?« Vielleicht bestand ja eine Chance, sie davon zu überzeugen, dass sie spätestens bis Sonntag zurück sein musste, ohne dass er eingestehen musste, sie hier dringend zu brauchen.

»Nein, den habe ich auf dem Zettel. Aber zur Not muss ich das eben verschieben.«

Verdammt! »Okay. Ich wollte nur sichergehen.«

Ricky lachte leise, bevor sie das Gespräch schließlich beendeten.

Markus legte das Telefon zur Seite, goss etwas von dem Waschmittel in die Maschine und schaltete sie schließlich ein. Wieder was geschafft! In den letzten Tagen hatte er gelernt, sich an den kleinen Erfolgen zu erfreuen. Wie zum Henker brachte Ricky all das nur fertig? Sie arbeitete, zog Daniel groß und schmiss irgendwie den Haushalt. Und er war schon nach ein paar lausigen Tagen mit all dem vollkommen überfordert!

Den nächsten Muttertag vergesse ich gewiss nicht, Schatz.

Er zog die Badezimmertür hinter sich zu und warf einen Blick auf die Uhr. Seine Schwiegermutter würde kommen. Also war es nun an der Zeit, Daniels Zimmer aufzuräumen und zumindest im Erdgeschoss für Ordnung und Sauberkeit zu sorgen. Und das am besten innerhalb der nächsten halben Stunde, bevor er zu seinem Termin musste und …

Gott, das schaffe ich nie!

Das Aufräumen an sich ging schneller als gedacht. Doch als er den Staubsauger betätigen wollte, stellten sich ihm die Nackenhaare zu Berge. Das Ding meinte es nicht gut mit ihm. Die Saugkraft war minimal und den von Katzenhaaren besudelten Teppich bekam er damit nicht sauber.

Blödes Mistvieh von einem weißen Perser!

Er war dagegen gewesen, dass sie sich eine Katze anschafften, aber Ricky hatte nicht mit sich reden lassen und so war Snowball – ein Name, gegen den er sich ebenfalls ausgesprochen hatte – bei ihnen eingezogen. Die kleine Handvoll Katze – Kater! – hatte sich schnell in sein Herz geschlichen. Und ebenso schnell wieder hinauskatapultiert, seit er seine weißen Haare ständig auf Markus‘ Klamotten und dem Teppich hinterließ. Besonders im Sommer, denn sein Fellwechsel schien nie ein Ende zu nehmen.

Aber Ricky und Daniel liebten diesen Zeckenbus und so hatte er lernen müssen, sich mit Snowball zu arrangieren. Zumindest in Hinsicht darauf, dass Katzen einfach an die frische Luft mussten, hatte er sich durchsetzen können, sodass der weiße Kater nicht nur im Haus sein Unwesen trieb, sondern auch mal vor die Tür gesetzt werden konnte. Ricky war zwar der Meinung gewesen, dass ein so schöner, weißer Perser sicher entführt werden würde und das Draußenleben nichts für ihn wäre, aber Markus war sicher, dass er dieses Glück nicht haben würde. Snowball kehrte immer wieder zurück.

Böser Gedanke. Aber einer, der sich immer fester in seinen Verstand biss, seit er es war, der sich um die lästigen Katzenhaare kümmern musste.

Es dauerte geschlagene zehn Minuten, bis Markus zu dem Schluss kam, dass mit diesem Staubsauger nichts mehr anzufangen war. Gut, dann musste eben ein neuer her. Gleich heute Abend würde er einen im Internet bestellen und hoffen, dass die Lieferung noch vor Ricky hier eintraf. Andernfalls würde sie in ein verdrecktes und wenig schönes Haus zurückkehren, was sie am Ende nur in ihrer Annahme bestätigen würde, dass er seiner Aufgabe hier nicht gewachsen gewesen war. Sein Stolz verbot ihm diese Option.

Schließlich kümmerte er sich um die Küche. Da er ein mieser Koch war und es in Folge dessen seit Tagen nur Nudeln oder Fertiggerichte gab, hielt sich zumindest das schmutzige Geschirr einigermaßen in Grenzen. Was angefallen war, verstaute er im Geschirrspüler. Was noch? Der Müll musste raus und …

Sein Handy schlug Alarm und der Klingelton, den er für alle beruflichen Kontakte eingerichtet hatte, verriet ihm, dass nun auf anderer Ebene nach ihm verlangt wurde. Gott sei Dank! Endlich wieder etwas, das er tatsächlich konnte. Bye, bye Hausmann, hallo Firmenchef.

Zwei

Julian war richtig stolz auf sich, als er am Abend tatsächlich pünktlich um 19:00 Uhr beim Elternabend eintraf. Seine Schwester passte auf Chiara auf und die kleine Prinzessin freute sich wahrscheinlich immer noch wie ein Honigkuchenpferd darüber, dass sie heute länger aufbleiben durfte, weil sie unbedingt warten wollte, bis Papa wiederkam. Sein blonder Engel würde spätestens in einer Stunde praktisch von alleine einschlafen, sofern Penny schlau genug war, alles entsprechend anzugehen.

Gute-Nacht-Rituale waren das große Geheimnis in Chiaras Fall. Seit sich der feste Ablauf von Waschen, Zähneputzen, noch ein bisschen Spielen und anschließend das Bilderbuch anschauen eingependelt hatte, konnte sie noch so wach und aufgedreht sein, sobald sie im Bett lag und man das Buch aufschlug, wurden ihre Augen schwer. Einmal war sie sogar mitten im Satz eingeschlafen, als sie Julian die Geschichte zu den Bildern hatte erzählen wollen. Zu niedlich …

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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