Sehnsüchtig berührt 2 - Eva Fay - E-Book

Sehnsüchtig berührt 2 E-Book

Eva Fay

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Beschreibung

Ein prickelndes Wiedersehen im romantischen Italien Selina reist überstürzt zurück nach Rom. Sie will die Zeit in Österreich und ihre Gefühle für Maximilian einfach nur vergessen. Als Maximilian erfährt, dass seine große Liebe ihn verlassen hat, ist er am Boden zerstört. Das kann nur ein Missverständnis sein! Um Selina zurückzugewinnen, fliegt er ihr kurzerhand hinterher. Doch das Wiedersehen in Rom verläuft anders, als gedacht …  Von Eva Fay sind bei Forever by Ullstein erschienen: Sehnsüchtig verführt (Die Sehnsuchts-Reihe Band 1) Sehnsüchtig berührt 1 (Die Sehnsuchts-Reihe Band 2) Sehnsüchtig berührt 2 (Die Sehnsuchts-Reihe Band 3) Fight for us Catch the Boss (New-York-Boss-Serie 1) Feelings for the Boss (New-York-Boss-Serie 2) Mein Licht in der Dunkelheit

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Seitenzahl: 366

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Die AutorinEva Fay, geboren 1980 in einer kleinen Stadt in Österreich, wuchs mit ihren zwei Schwestern in einer Unternehmerfamilie auf. Nach ihrer Lehre übernahm sie als Gärtnerin den elterlichen Betrieb. Als ihr zweiter Sohn geboren wurde, zog sie sich aus dem Arbeitsleben zurück, um sich ganz der Familie widmen zu können. Heute lebt sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, den Kindern und ihrem Hund in der Oststeiermark. Ihre Liebe zu Büchern hat sie bereits als Kind entdeckt, das Schreiben wurde jedoch erst später zu ihrer Leidenschaft. Wenn sie sich nicht gerade neue Geschichten ausdenkt, verbringt sie ihre Freizeit gern wandernd in den Bergen oder am Strand, um zu entspannen.

Das Buch

Ein prickelndes Wiedersehen im romantischen ItalienSelina reist überstürzt zurück nach Rom. Sie will die Zeit in Österreich und ihre Gefühle für Maximilian einfach nur vergessen. Als Maximilian erfährt, dass seine große Liebe ihn verlassen hat, ist er am Boden zerstört. Das kann nur ein Missverständnis sein! Um Selina zurückzugewinnen, fliegt er ihr kurzerhand hinterher. Doch das Wiedersehen in Rom verläuft anders, als gedacht … 

Eva Fay

Sehnsüchtig berührt 2

Heiße Nächte in Rom

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Mai 2017 (1)  © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017 Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat  ISBN 978-3-95818-189-2  Hinweis zu Urheberrechten Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben. In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Kapitel 1: Maximilian

Ich höre, wie mein Name gerufen wird, doch es interessiert mich nicht. Ich fixiere den Bus, der langsam hinter einer Biegung verschwindet. Wie ein kleiner Junge, den das Gefühl der Machtlosigkeit und der tiefe Schmerz in seiner Brust unter Schock erstarren lassen.

Seit dem Tod von Jenny habe ich mich nicht mehr so dermaßen hilflos gefühlt. Jenny war meine erste große Liebe und starb durch meine Schuld. Dieses dunkle Geheimnis verfolgte mich wie ein Schatten. Ich war damals so betrunken, dass ich nur mehr Bruchstücke vom Unfall in Erinnerung habe. Wir waren auf einem Feuerwehrball, und die Stimmung war richtig ausgelassen. Mit Freunden aus der Schulzeit trank ich um die Wette. Später kam auch meine Freundin Clara dazu und schüttete uns Jungs die Getränke direkt in den Mund. Alle hatten Spaß, bis plötzlich Jenny aufkreuzte. Sie zerrte mich von der Runde weg und brüllte mich an. Ich war so betrunken, dass ich die Worte, die sie mir an den Kopf warf, nicht verstand.

Die Erinnerungen an den Abend sind für mich bis heute noch verschwommen. Von der Autofahrt nach Hause bis zum Unfallhergang kann ich mich an nichts erinnern.

Clara war plötzlich da und beruhigte mich am Straßenrand. Ein paar Tage später erzählte mir Clara von den Geschehnissen des Abends. Nach dem Streit hätte ich mich ans Steuer gesetzt, und Jenny sei gerade noch so ins Auto gehüpft. Dann sei ich mit Vollgas losgefahren. Clara sei uns in ihrem eigenen Auto gefolgt, aus Sorge, ob wir gut heimkommen würden. Hinter der nächsten starken Kurve habe sie unser Auto im Straßengraben gefunden.

Nachdem ich das von Clara erfahren hatte, wollte ich zur Polizei gehen und ein Geständnis ablegen. Doch Clara redete auf mich ein, sagte, dass ich Jenny damit nicht zurückholen könne, sondern nur mein eigenes Leben zerstören würde. Sie appellierte an meinen Verstand. Die Karriere als Arzt könne ich vergessen, ganz zu schweigen davon, was mein Vater zu diesem Scheiß sagen würde. Ich wusste, dass Vater mich sofort aus der Familie ausgeschlossen hätte.

Doch seit diesem Wochenende verfolgen mich die Schuldgefühle auf Schritt und Tritt. Tagtäglich. Am schlimmsten ist es in der Nacht, wenn Jenny mir in den Träumen erscheint. Deswegen wäre es besser gewesen, zur Polizei zu gehen und alles zu beichten.

Jedes Mal, wenn ich in der Vergangenheit wieder den Mut dazu gefunden hatte, mich zu stellen, hielt Clara mir vor Augen, was dies für Konsequenzen haben würde. So beschloss ich, zu schweigen und niemandem davon zu erzählen. Jenny war meine Prinzessin, nach dem Studium wollte ich sie heiraten, ein Haus bauen und gemeinsam mit ihr alt werden. Doch durch die Gräueltat wurden meine Pläne auf grausame Weise zerstört. In den darauffolgenden Jahren lenkte ich mich mit vielen Mädchen ab, doch keine berührte mich in irgendeiner Form.

Nun finde ich endlich eine Frau, die mich aus der Dunkelheit der Gewissensbisse herauszieht – und jetzt entgleitet sie mir. Wie ein Hund nach einem Waldbrand stehe ich hilflos da und schaue ins Leere. Ich presse die Zähne fest aufeinander, wodurch ich ein Knirschen wahrnehme. Ich balle meine Hände zu Fäusten. Jeder Muskel meines Körpers steht unter Spannung. Wieso läuft sie vor mir davon? Was habe ich falsch gemacht, dass sie mich hier einfach so stehen lässt?

»Maximilian?«, höre ich nun lautstark jemanden rufen, weshalb mir das Ohr schmerzt. Ich drehe mich um, und da steht Sarah. Auf sie habe ich jetzt überhaupt keinen Bock. Mit ihr jetzt über irgendeinen Scheiß zu quatschen, interessiert mich momentan herzlich wenig.

»Hey, Maximilian, was ist los? Jetzt rufe ich dich sicher zehnmal, und du starrst nur dort rüber, wo außer einer Baustelle nichts ist. Zuerst bestellst du mich hierher, und jetzt ignorierst du mich?« Mittlerweile steht Sarah dicht neben mir und hat beide Hände in die Hüften gestemmt.

Ich hatte ganz vergessen, dass ich sie dabeihaben wollte, um auch ihr von meinem neuen Glück zu erzählen. Vor ein paar Stunden schien alles noch so einfach und klar zu sein. Ich wollte endlich allen sagen, dass ich mich nach so vielen Jahren neu verliebt hatte. In diese wundervolle, mutige sowie herzliche Frau. Ich fühlte mich bereit, endlich alle Lügen ans Tageslicht zu bringen. Heute früh hatte ich noch mit Clara gesprochen und ihr mitgeteilt, dass nun Schluss sei mit diesen vielen Geheimnissen um den Unfall und Jennys Tod. Ich wollte endlich reinen Tisch machen und allen, einschließlich Selina, erzählen, was in dieser grausamen Nacht tatsächlich passiert war. Und jetzt?

»Bekomme ich jetzt endlich eine Antwort? Immerhin habe ich deinetwegen einen Termin verschoben, da es so wichtig klang.« Sarahs Tonfall ist wie immer sehr fordernd.

Plötzlich spüre ich, wie meine Beine nachgeben und ich auf die Knie falle. Der Boden ist kalt und hart, doch das nehme ich nur am Rande wahr. Langsam wird mir bewusst, dass Selina nicht mehr zurückkehren wird.

Durch sie fühlte ich mich wieder lebendig, wollte mein Leben wieder in die Hand nehmen und meiner dunklen Vergangenheit ins Auge blicken.

Doch ohne Selina finde ich nicht den Mut dazu.

»Maximilian, jetzt sprich endlich mit mir. Was ist los?«, fragte Sarah nun sanfter. Ich glaube, Besorgnis herauszuhören.

»Sie ist weg«, bringe ich mit zittriger Stimme hervor. Ich will nicht heulen, sondern stark sein, doch plötzlich überkommt mich eine tiefe Traurigkeit. Ich halte beide Hände vor mein Gesicht, damit Sarah meine Schwäche nicht bemerkt, doch plötzlich kniet sie neben mir.

»Wer ist weg? Ich verstehe nur Bahnhof. Maximilian, du musst schon genauer werden, damit ich dir helfen kann.« Sarah legt ihre Hand auf meine Schulter.

»Selina ist ohne Kommentar abgereist, wir wollten euch heute von unserer Beziehung erzählen.« Ich wische die Tränen aus meinem Gesicht und blicke zu Sarah.

»Wow, das sind mal Neuigkeiten! Du und Selina?« Ungläubig sieht Sarah mich an. »Das ist ja toll! Aber wie kommst du auf den Schwachsinn, dass sie fort ist? Sie hat erst gestern erwähnt, dass sie noch keine genauen Pläne hätte, wann sie wieder nach Rom fährt.«

»Tja, das dachte ich auch, wir waren nämlich hier im Café miteinander verabredet. Wir wollten euch endlich von unser Liebe erzählen, und nun ist Selina samt ihrer Familie abgehauen.«

»Das glaub ich nicht. Warte doch erst mal ab, vielleicht bis heute Abend. Sie kommt sicher wieder, ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ohne Abschied verschwindet.«

»Anscheinend doch«, kontere ich. Ich erhebe mich, will jetzt nicht mein Innerstes vor Sarah preisgeben.

Es war sehr lange her, dass ich jemandem von meinen tiefen Gefühlen erzählt hatte. Nach Jennys Tod errichtete ich eine dicke Mauer rund um mein Herz. Doch Selina schaffte es, den Schutzpanzer zu durchbrechen.

»Maximilian, liebst du Selina wirklich?« Sarah sieht mich durchdringend an und hält meinen Arm.

»Was soll diese Frage!«, antworte ich in genervtem Ton. »Natürlich liebe ich sie!«, sprudelt es aus mir heraus. »Sie ist seit Jenny die erste Frau, die mein Herz erreicht hat. Sie ist was ganz Besonderes!« Sie hat mir so viel verziehen, bei ihr habe ich nicht das Gefühl, ein Monster zu sein.

»Dann kämpfe um sie! Gib sie nicht so einfach auf!«

»Was soll ich denn machen? Ihr nach Rom folgen, und dann? Ich habe nicht einmal ihre Adresse.« Nervös fahre ich mir immer wieder durch die Haare.

»Ich glaube, die finden wir schnell heraus, meinst du nicht?« Sarah zieht eine Augenbraue hoch.

Ich presse die Lippen aufeinander und stimme ihr nickend zu. Es ist zwar nicht erlaubt, in den Gästedokumenten zu stöbern, jedoch wäre dies ja eine besondere Situation, die sicher unter Notfälle gehört.

»Gut, dann ab!« Sarah klopft mir auf die Schulter.

Daraufhin marschieren wir zu meinem Auto. Plötzlich fasse ich wieder Mut. Sarah ist schon so lange eine sehr gute Freundin.

Auch damals, nach Jennys Tod, war sie immer für mich da. Gemeinsam saßen wir oft stundenlang auf der Bank und starrten auf den Teich, ohne ein Wort zu wechseln. Sie fragte nie Genaueres, sondern war einfach nur für mich da. So kam ich auch nie in Erklärungsnöte, musste nicht beschreiben, was in dieser rabenschwarzen Nacht geschehen war.

Damit Selina wieder zurückkommt, werde ich alle Hebel in Bewegung setzen. Ich werde ihr beweisen, weshalb ich für sie der Richtige bin. Obwohl – tue ich ihr wirklich gut? Kann ich sie glücklich machen? Bin ich für sie die richtige Wahl? Erfülle ich das Klischee Traumprinz in edler Rüstung, der sie in eine bezaubernde Welt entführt und ihr alle Wünsche von den Augen abliest? Ich bin mir nicht sicher. Aber ich muss es versuchen.

Kapitel 2: Selina

Kaum in Rom angekommen, habe ich mir die Laufkleidung angezogen und mich auf den Weg nach draußen gemacht. Ich ertrage meine Familie derzeit nicht.

Elena schlug vor, mich zu begleiten, doch ich signalisierte ihr, dass ich erst mal allein sein wollte.

Rom hat mich wieder. Ich laufe einfach drauflos, ohne jegliches Ziel. In meinem Kopf dreht sich alles nur um Maximilian. Die wunderschönen Momente mit ihm kommen mir wieder in den Sinn.

Wie er mir seine persönlichen Bilder zeigte, die ein wenig von seiner mitfühlenden Art preisgaben. Wie er die Menschen wahrnahm und sie zeichnete.

Schade, dass ich keines der Bilder besitze, die er von mir gemalt hat. Das wäre eine schöne Erinnerung an unsere gemeinsame Zeit.

Doch dann schießen mir wieder Claras Worte in den Kopf. ‚Du bist nur sein Hilfsprojekt. Wenn es ihm besser geht, dann lässt er dich wieder fallen. Er ist schuld an Jennys Unfall, ist angetrunken mit dem Auto gefahren, darum hat er ein schlechtes Gewissen.’

Diese Worte haben sich in mein Gehirn gebrannt. Wieso hat er mir nichts davon erzählt? Er hat mir versprochen, endlich vollkommen ehrlich zu mir zu sein. Und dann die nächste Lüge. Meine Muskeln brennen, so schnell renne ich. Mein Herz klopft bis zum Hals, und ich nehme ein Pochen im Ohr wahr. Das hindert mich jedoch nicht daran, die Geschwindigkeit zu erhöhen. Ich komme zum Friedhof, auf dem Jason, mein ehemaliger Freund, begraben liegt. Ich stehe am Eingang, und das geschlossene schmiedeeiserne Tor lässt mich kurz zögern. Mein innerer Drang, zu Jason ans Grab zu gehen, ermutigt mich, den Versuch zu wagen und das Tor zu öffnen. Zaghaft schiebe ich mich hindurch. Inzwischen ist es dunkel geworden, ein wenig mulmig ist mir dabei schon. Mit schnellen Schritten durchquere ich den Friedhof. Ich höre das leise Flattern eines Vogels, das mir reichlich Angst einjagt. Bei einigen Gräbern brennen Kerzen in ihren Laternen. Eine seltsame Stimmung herrscht abends auf Friedhöfen. Viele prunkvolle Figuren zieren Gräber, doch bei einer Skulptur muss ich anhalten. Es ist ein Engel, der den Kopf auf einen Stein gelegt hat, als wäre er tief traurig, weil der Mensch in dem dazugehörigen Grab tot ist. Die pompösen Engelsflügel, die den Stein schmücken, lassen mich melancholisch werden. Was muss dieser Angehörige für die verstorbene Frau empfunden haben, dass er etwas so Ansehnliches auf ihrer letzten Ruhestätte hat errichten lassen?

Am Grab von Jason finde ich frische weiße Rosen in einer Vase, die bestimmt von seiner Mutter sind. Es ist nicht so spektakulär wie viele andere Gräber, aber mit so viel Liebe zum Detail hergerichtet.

Nun überkommt mich ein schlechtes Gewissen. Wenigstens eine Kerze hätte ich besorgen können. Ich betrachte den Grabstein und entdecke ein Foto von ihm. Kurz blicke ich um mich, ob jemand hier ist, bevor ich niederknie. Mit der Hand gleite ich über sein Bild. In diesem Moment kommt es mir vor, als stünde er dicht neben mir und streife mir übers Haar, wie er es früher immer getan hat. Obwohl es auch ein Luftzug gewesen sein könnte.

Irgendwie scheint Jason für mich so weit weg zu sein, obwohl es erst sechs Monate her ist, dass er gestorben ist.

Wieso musste ich Rom verlassen? Wenn ich hier geblieben wäre, hätte ich Maximilian niemals kennengelernt. Heute wäre ich dann nicht so verdammt traurig.

»Ach Jason, warum musstest du mich verlassen? Du hast mir damals so viel Sicherheit gegeben. Bei dir habe ich immer gewusst, woran ich bin. Nicht wie bei Maximilian, der einmal der liebevolle Freund und dann wieder abweisend ist.« Ein tiefes Seufzen entfährt mir.

Plötzlich höre ich hinter mir ein Rascheln. Ich schrecke hoch und laufe Richtung Ausgang.

Zu Hause angekommen, erspähe ich meine Familie am Esstisch. Sie ist mitten in ein sehr intensives Gespräch vertieft. Wie sehr ich diese Abende vermisst habe. Ich liebe es, wenn es auch mal lauter zugeht und jeder seine Meinung sagen darf. Ich stehe im Türrahmen. Bisher hat mich noch keiner bemerkt, so versunken sind sie in die Diskussion. Ich weiß nicht einmal, um was es genau geht. Das ist mir aber auch völlig egal. Ich muss schmunzeln, als ich Salvatore, meinen angehenden Stiefvater, mit den Händen fuchteln sehe. Langsam begreife ich. Sie führen wieder ein Gespräch über einen ihrer Fälle in der Anwaltskanzlei. Irgendwie schaffen es Marco, der Verlobte meiner Schwester, Mutter und Salvatore nicht, die Arbeit in der Firma zu lassen. Meine Schwester Elena sitzt angelehnt an Marco mit dem Rücken zu mir.

»Hallo Selina!«, höre ich meine Mutter rufen. »Wo warst du so lange? Ich machte mir Sorgen.«

Hört das denn nie auf, dass sie sich um mich sorgt?

»Ich war laufen, und jetzt verschwinde ich ins Bad.« Ich verdrehe die Augen und wende mich ab. Dann hole ich mir ein Shirt und Hotpants und schleiche mich in den Waschraum. Kurzerhand drehe ich den Wasserhahn in der Dusche auf, um das Wasser etwas warmlaufen zu lassen. Während ich mich ausziehe, bleibt mein Blick am Spiegel hängen. Ich stütze die Hände am Waschbecken ab und starre in mein Gesicht, das von den Strapazen der letzten Stunden gezeichnet ist. Wie sehr ich Maximilian vermisse … doch welche gemeinsame Zukunft hätten wir schon gehabt? Aus irgendeinem Grund hat er mir nicht die Wahrheit gesagt. Jetzt bin ich gezwungen, damit klarzukommen, weil er sogar am Unfall seiner Freundin schuld ist und mich wahrscheinlich nie geliebt hat.

Ich war anscheinend nur sein Sexspielzeug, mit dem er ab und zu mal Spaß hatte, mehr nicht.

Ich bin so dankbar, dass Clara mir im letzten Moment noch davon erzählt hat. So hat meine Familie nichts davon erfahren, bis auf Elena. Bei ihr weiß ich, dass sie niemandem davon erzählen wird. Ich bin ohne Maximilian besser dran, davon bin ich überzeugt. Ich will dieses Auf und Ab nicht mehr. Ich liebe ihn zwar trotz der Lüge noch immer, doch ich muss auch an mich denken. Ich ertrage dieses Gefühlschaos nicht mehr.

Plötzlich erblicke ich im angelaufenen Spiegel Maximilians Augen, die eigentlich Dunkelheit verkörpern sollten, jedoch so viel Warmherzigkeit ausstrahlen. Unwillkürlich beginne ich zu weinen. Ich schüttle den Kopf und tapse in die Dusche. Das warme Wasser läuft mir den Rücken hinunter. Mein ganzer Körper zittert, obwohl mir nicht kalt ist. Mir schwirren so viele Erinnerungen der letzten Wochen durch den Kopf. Vielleicht ist der Schmerz, den ich gerade erleide, die Strafe dafür, dass ich das Trauerjahr von Jason nicht eingehalten habe. Sicherlich sind schon einige Monate nach Jasons Tod vergangen, bevor ich Maximilian über den Weg gelaufen bin. Auch Oma hat damals gemeint, dass es keine vorgegebene Zeit für Trauer gibt. Wenn ich genau darüber nachdenke, vermisse ich Jason noch heute. Sein verschmitztes Lächeln kommt mir in den Sinn, und ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Jason hätte nicht gewollt, dass ich in Selbstmitleid bade. Er war ein Mensch, der immer das Lebensmotto verfolgte: ‚Genieße jeden Augenblick, als sei es dein letzter!’ Er hätte mich ermutigt, mein Leben in die Hand zu nehmen und nach vorne zu blicken. Über Möglichkeiten nachzudenken, um diesen Tiefpunkt zu überwinden.

Ich höre ihn leise in mein Ohr flüstern: ‚Melde dich endlich wieder bei deiner Freundin Stella.’

»Ja, genau«, sage ich laut. Ich drehe die Dusche ab und steige hinaus. Ich nehme mir eines der cremefarbenen Duschhandtücher und wickle mich hinein. Es ist weich und flauschig, weshalb Kindheitserinnerungen in mir hochkommen. Mama hat mich immer nach dem gemeinsamen Bad mit Elena in ein weiches Frotteehandtuch gewickelt und liebevoll abgetrocknet. Es ist wirklich schön, wieder zu Hause zu sein, bei meinen Liebsten.

Kapitel 3: Maximilian

Das Klingeln meines Handys lässt mich aus meinem leichten Schlaf hochzucken. In der Hoffnung, dass Selina die Anruferin ist, schnappe ich mir das Telefon und hebe ohne einen Blick auf das Display zu werfen ab.

»Hallo!«, sage ich mit freudigem Ton.

»Guten Morgen, Maximilian!« Die Stimme ist weiblich, doch zu meinem Übel stelle ich fest, sie gehört Clara.

»Was gibt’s?« Meine Laune hat sich ruckartig verschlechtert.

»Ich wollte nur mal nachfragen, was du heute so vorhast? Ich dachte, da derzeit keine Uni ist, könnten wir gemeinsam etwas unternehmen?«

»Sorry, aber ich habe einiges zu erledigen. Vielleicht ein anderes Mal.«

»Und das wäre?«, bohrt Clara nach.

»Ich werde ein paar Tage verreisen und muss noch Vorbereitungen treffen.« Kaum ausgesprochen, hätte ich mir selbst eine reinhauen können.

»Du willst verreisen?«, wiederholt Clara. »Wo soll es denn hingehen, und vor allem mit wem?«

»Ich brauche eine Auszeit von hier. Du kennst mich ja, ich bin ab und an gerne für mich allein. Und jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt dafür.«

»Lief es etwa mit Selina gestern nicht so gut?«

»Wie man es nimmt«, gebe ich knapp zurück. Na toll, jetzt habe ich mich in etwas hineingeritten. Eigentlich wollte ich niemandem davon erzählen, das wird wohl an dem Schlafmangel von letzter Nacht liegen.

»Soll ich vorbeikommen? Du weißt, ich bin immer für dich da, wenn du jemanden zum Reden brauchst.« Claras Stimme hat etwas Mütterliches.

»Danke, aber ich komme schon klar. Ich muss dann auch los«, lüge ich. »Tschüs.«

»Gut, wie schon gesagt, wenn du mal reden möchtest, kannst du mich jederzeit anrufen. Bis bald.«

Das Handy werfe ich beiseite und lasse mich rücklings ins Bett fallen. Ich bin wirklich ein Vollpfosten sondergleichen, muss ich gleich jedem erzählen, wie scheiße es mir geht. Ich sollte langsam den Kopf benutzen, wenn ich Selina zurückgewinnen möchte. Der Flug nach Rom ist schon gebucht, und ein Hotel habe ich gleich in ihrer Nähe gefunden. Jetzt kann ich nur hoffen, dass sie mir verzeiht. Sie muss mir noch eine Chance geben, obwohl ich nicht einmal weiß, warum sie so plötzlich abgehauen ist. Sicherlich hätte ich sie mit Anrufen bombardieren können. Doch da sie ohne Kommentar verschwunden ist, würde sie auf meine Anrufe bestimmt nicht reagieren.

Mehrmals war ich kurz davor, ihr wenigstens eine Nachricht zu schicken, doch dann kamen mir wieder Sarahs Worte in den Sinn: ‚Lass sie erst einmal in Ruhe, damit sie Zeit zum Nachdenken hat. Sie wird ihre Gründe haben, warum sie so abrupt abgereist ist. Der Schuss könnte nach hinten losgehen, wenn du sie mit Anrufen nervst.’

Sarah hat mit schwierigen Beziehungen viel Erfahrung, darum vertraue ich ihr. Heute Nachmittag geht zum Glück schon mein Flieger nach Rom, dann bin ich bald in Selinas Nähe und hoffe, dass sie mir eine zweite Chance gibt.

Ein lautes Klopfen an der Tür reißt mich aus den Gedanken.

»Maximilian, mach auf! Ich bin’s, Sarah!«

»Ja, ich komme schon«, antworte ich genervt. Ich laufe den Flur entlang zum Eingang. Dann öffne ich die Tür, und Sarah stürmt in Richtung Schlafzimmer.

»Hast du noch nicht gepackt?« Fragend beäugt mich Sarah.

»Das ist in fünf Minuten erledigt, und der Flug geht erst am Nachmittag, wie du weißt.«

»Schon, aber bis dahin gibt’s noch einiges vorzubereiten. Oder dachtest du, mit einem Strauß Rosen ist das Problem gelöst?« Sarah stemmt ihre Hände in die Hüften und zieht eine Augenbraue hoch.

»Um ehrlich zu sein, hatte ich das gehofft.« Ich starre Sarah an und erkenne an ihrem Blick, dass die Sache wahrscheinlich nicht so glatt laufen wird wie angenommen.

»Das ist wirklich typisch Mann! Glaubst du ernsthaft, mit einer einfachen Entschuldigung und ein paar Blümchen von der Tanke wird alles gut? Na dann viel Glück in Rom, das wirst du nämlich brauchen!« Skeptisch betrachtet mich Sarah.

»Was soll ich deiner Meinung nach tun?«

»Verwende deinen Kopf, immerhin hast du ein Gehirn, oder etwa nicht? Denk nach, was sie dazu bewegen kann, dir noch eine Chance zu geben. Nach dem Mist, den du die letzten Wochen gebaut hast, wird es bestimmt nicht leicht. Obwohl mir noch immer nicht klar ist, warum sie so einfach abgereist ist, wo ihr doch allen von eurem Glück erzählen wolltet. Ist irgendwas vorgefallen, wovon du mir nicht berichtet hast?«

»Nein, nicht dass ich wüsste. Du bist doch so gut mit Selina befreundet, könntest du sie nicht anrufen? Vielleicht erfährst du mehr?« In meinem Bauch macht sich ein ungutes Gefühl breit. Was ist, wenn sie nichts mehr mit mir zu tun haben möchte?

»Ich kann es versuchen, jedoch weiß ich ja offiziell nichts von euch beiden.« Sarah setzt sich auf mein Bett und überkreuzt die Beine. Mein Zimmer bei meinen Eltern ist nichts Aufregendes – ein Doppelbett in Weiß, das links vom Eingang steht, und ein dazu passender Schrank, genau gegenüber. Der Schreibtisch, der vor dem Panoramafenster seinen Platz gefunden hat, ist das Spektakulärste. Der Blick in die Berge ist im Winter wirklich wunderschön. Er wirkt wie aus dem Bilderbuch, mit den verschneiten Bergkuppen. Ich lebe wirklich sehr gerne hier in Österreich. Jedoch bin ich mir nicht sicher, wie Selina darüber denkt. Vielleicht ist das der Grund, warum sie abgehauen ist. Wir haben nie darüber gesprochen, ob sie sich vorstellen könnte, nach Österreich zu ziehen. Plötzlich kommen mir Zweifel, ob ich überhaupt eine Chance habe, sie zurückzugewinnen.

»Weißt du, ob Selina hier in Österreich glücklich war?« Ich nehme neben Sarah Platz, und kurz berühren sich unsere Oberschenkel dabei.

»Ich verstehe, worauf du hinauswillst. Du hast Schiss, von Selina eine Abfuhr zu bekommen, oder?« Sarah rempelt mit ihrem Arm an meinen Oberarm.

»Vielleicht?«, gebe ich kleinlaut zurück und verziehe das Gesicht.

»Liebst du sie?«

»Ja, das hast du mich schon mal gefragt«, antworte ich genervt.

»Dann lass dich jetzt nicht von deiner Angst leiten, sondern kämpfe. So wie früher, als die Männer noch Männer waren! Ich rufe Selina jetzt an und versuche, etwas aus ihr herauszubekommen. Das ist aber das Einzige, wobei ich dir noch helfe. In Rom bist du auf dich allein gestellt, das ist dir klar, oder?« Sarahs raue Stimme hat einen seltsamen Unterton.

»Ja, jetzt ruf schon an.«

Kurz darauf nimmt Sarah ihr Handy in die Hand und wählt Selinas Nummer. Gespannt sitze ich neben ihr und wackle nervös mit dem Fuß.

Nach mehrmaligem Klingeln legt Sarah auf und steckt ihr Handy zurück in ihre Tasche. »Leider hat sie nicht abgehoben, aber sobald ich von ihr höre, melde ich mich bei dir. So, nun gehe ich meiner alltäglichen Verpflichtung nach, was den Namen Job trägt. Ich wünsche dir für Rom alles Gute, damit du Selina zurückgewinnst.« Sarah klopft mir noch auf den Rücken und springt dann vom Bett.

»Danke, Glück kann ich wirklich gebrauchen.« Mein Blick folgt ihr zu Tür. Also aus dem ersten Plan, mit Rosen an ihrer Tür zu klingeln, wird dann wohl nichts. Das heißt, ich bin verpflichtet, mir jetzt wirklich den Kopf zu zerbrechen.

Kapitel 4: Selina

Während ich mir in der Küche gerade Müsli mit Milch zubereite, höre ich, wie mein Handy am Esstisch läutet. Ich hadere mit mir selbst, ob ich nachsehen soll, wer es ist. Es kann eigentlich nur Maximilian sein, hoffe ich insgeheim. Ich will die Entscheidung, mich zu trennen, nicht revidieren. Allerdings hat er gestern und heute nicht einmal bei mir angerufen oder eine SMS geschrieben. So wichtig bin ich ihm anscheinend doch nicht, wenn er es nach meiner stillen Abreise nicht einmal für nötig befindet, mir hinterherzutelefonieren. Ich schnappe mir mein Frühstück und marschiere zum Esstisch. Bis ich ankomme, hat das Handy auch schon wieder aufgehört zu klingeln. Langsam lasse ich mich auf den Stuhl sinken und betrachte das dunkle Display. Meine Neugier siegt, und ich sehe nach, wer mich angerufen hat. Ich lese nur Sarahs Namen. Ich vermisse sie jetzt schon, so sehr ist sie mir ans Herz gewachsen. Momentan habe ich jedoch keine Kraft, ihr zu erklären, weshalb ich ohne Verabschiedung abgereist bin. Lange genug war ich in der Opferrolle. Ich weiß, dass es die beste Entscheidung war, mich von Maximilian zu trennen, obwohl es tief in meinem Herzen schmerzt. Vor allem wenn er sich jetzt nicht einmal bei mir meldet und nachfragt, was los ist. Ich nehme den ersten Bissen von meinem Müsli, als ich Schritte hinter mir wahrnehme. Für Montag ist es seltsam ruhig bei uns in der Wohnung, wo es doch schon neun Uhr ist.

»Guten Morgen, Selina«, krächzt meine Mutter und schreitet weiter in die Küche. Kurz werfe ich einen Blick über meine Schulter und beobachte Mama, wie sie sich einen Kaffee zubereitet. Sie sieht etwas fertig aus, hat sogar noch ihren weißen Satinschlafanzug an.

»Guten Morgen«, antworte ich mit halbvollem Mund. Dies würde meine Mutter normalerweise sofort stören und ihr einen Kommentar entlocken. Aber sie starrt nur auf die Espressomaschine. Kurz darauf setzt sie sich mir gegenüber hin und nimmt ihre Zeitung zur Hand. Ihre Haare sind zerwühlt, als wäre ein wilder Orkan durchgezogen. »Musst du heute nicht arbeiten?« Meine Mutter ist eigentlich das Pflichtbewusstsein in Person.

»Ich habe mir kurzerhand frei genommen. Ich fühle mich heute nicht so besonders.« Ihre Stimme ist noch immer belegt, als hätte sie die ganze Nacht geschrien. »Ich denke, die Klimaanlage im Flugzeug ist schuld. Wie sieht eigentlich dein Plan aus? Immerhin wird es noch ein paar Monate dauern, bis du mit deinem Studium beginnen kannst.«

»Keine Ahnung, darüber mach ich mir keine großen Gedanken. Vielleicht suche ich mir einen Job in einem Café, so wie Elena damals.« Ich beobachte meine Mutter, doch ich kann in ihrem Blick nicht erkennen, dass es sie stören würde. Seltsam, sie muss wirklich krank sein, denn sonst wäre sie sicherlich ausgeflippt.

»Wenn du das willst? Ich kann dir auch in unserer Kanzlei einen Job besorgen, Salvatore nimmt immer wieder Praktikantinnen auf.« Ein sanftes Lächeln umspielt ihre Lippen.

»Warum eigentlich nicht.« Die Idee klingt super. Da komme ich wenigstens schnell auf andere Gedanken und erspare mir die unzähligen Bewerbungen. »Wann kann ich anfangen?«, fahre ich fort.

»Du hast es ja eilig, aber gut. Ich rufe nachher Salvatore an, und ich schätze, ab morgen kann es schon losgehen. An wie viele Stunden in der Woche hattest du denn gedacht?«

»Für den Anfang so etwa zwanzig Stunden, was meinst du?« Ich nehme den letzten Löffel Müsli und bin zugleich erstaunt, wie unkompliziert das Gespräch mit ihr läuft.

»Sehr gute Entscheidung. Dann organisiere ich später alles und gebe dir abends Bescheid.«

Zurück in meinem Zimmer überwinde ich mich, meine beste Freundin Stella anzurufen. Die letzten Wochen habe ich mich nicht bei ihr gemeldet, was mitunter daran gelegen hat, dass ich mit Maximilian beschäftigt gewesen bin. Aber nun weht ein anderer Wind. So schnell kommt mir kein Typ mehr zu nahe. Für die nächsten Jahre bin ich geheilt von gutaussehenden Männern wie Maximilian. Die Gefühle zu ihm muss ich abschalten. Ob es funktioniert, werde ich wohl erst nach einiger Zeit wissen, aber einen Versuch ist es wert. Ich werde das Foto von uns beiden von meinem Handy herunterladen, ausdrucken und es als Zeichen für meine Trennung – auch auf Herzensebene – auf der Engelsbrücke in den Fluss werfen. Aber zuallererst sollte ich mich bei Stella melden. Ich schnappe mir mein Handy und wähle ihre Nummer. Sie hebt nicht ab. Da werde ich mich wohl auf die Suche nach ihr machen müssen. Beginnen werde ich bei ihren Eltern zu Hause. Sollte sie nicht dort sein, werde ich alle unsere Lieblingsplätze in Rom abklappern, an denen wir früher viel Zeit miteinander verbracht haben.

Kapitel 5: Selina

Mittlerweile ist es schon fast Mittag, und ich habe Stella noch immer nicht gefunden. Ihre Eltern haben mir zwar ihre neue Adresse gegeben, doch auch dort habe ich sie leider nicht angetroffen.

Es musste verdammt lange her sein, dass ich mit ihr telefonierte, denn von dem Auszug aus ihrem Elternhaus wusste ich nichts.

Ich suche im Park Savello, in dem wir oft mit Freunden aus der Schule abgehangen haben, und in ein paar Cafés, die sie gerne besucht. Nirgends ist sie zu finden. Meine letzte Chance ist unser Lieblingscafé Massimo. Wenn ich sie dort auch nicht antreffe, werde ich wohl oder übel vor ihrer Wohnung campieren und auf sie warten müssen. Es ist zwar heute sehr kühl, aber nach den Wochen in Österreich fühlt es sich eher wie ein frischer Frühlingstag an. Auf den Straßen von Rom ist wie immer sehr viel los. Die Autos fahren total unkontrolliert, und das Hupen rundet das Chaos ab. In Österreich ist dagegen alles sehr organisiert und viel ruhiger. Ich schaffe es gerade noch, die Kreuzung zu überqueren, bevor der Bus an mir vorbeifährt. Ich bin ein wenig aus der Puste, als ich endlich das Café erreiche. Mein Herz klopft schnell, und das liegt nicht nur daran, dass ich im Laufschritt durch die ganze Stadt hetze. Kurz atme ich tief ein und aus, bevor ich die Tür öffne. Das Lokal ist sehr groß, im Hintergrund spielt italienische Musik, die meine Laune etwas hebt. Der Barbereich ist sicher fünf Meter lang, in Weiß gehalten, und fast alle Barhocker davor sind von jungen Leuten belegt. Abwechselnd wandert mein Blick von rechts nach links. Alle Tische sind besetzt, was mir die Suche nach Stella nicht gerade vereinfacht. Die Stimmung im Café ist wie immer ausgelassen. In dieser Hinsicht liebe ich Italien. Italiener wissen, wie man das Leben genießt und aus jedem Moment was Besonderes macht. Als ich fast am Ende des Cafés ankomme, entdecke ich Stella, wie sie sich mit zwei Mädels unterhält. Wie immer sieht sie blendend aus mit ihren langen blonden Haaren, die sie heute zu einem Zopf geflochten hat. Nun spüre ich, wie meine kalten Hände plötzlich zu schwitzen beginnen. Nervös wische ich die Handflächen an der Jeanshose ab, was nur bedingt hilft. Langsam nähere ich mich ihrem Tisch, der mit Cocktails sehr gut bestückt ist.

Das war schon früher immer so, wenn wir miteinander unterwegs waren. Kaum hatten wir uns an einen Tisch gesetzt, wurden uns schon die ersten Getränke spendiert.

Stella hat auf andere Leute eine gigantische Anziehungskraft – das gilt für Männer ebenso wie für Frauen. Sie nimmt das immer mit viel Humor und lässt die anderen zahlen. Sie ist der Meinung, wenn sie unbedingt ihr Geld loswerden wollen, dann sollte man sie nicht daran hindern.

Mittlerweile spüre ich mein Herz bis zum Hals schlagen. Es fehlen vielleicht noch fünf Schritte, bis ich an ihrem Tisch bin. Bisher hat sie mich noch nicht bemerkt, was sich bald ändern wird. Mir kommt es vor, als würden diese paar Schritte eine Ewigkeit dauern. Es ist so verdammt lange her, dass wir uns das letzte Mal gesprochen haben, dabei ist sie meine beste Freundin hier in Rom.

»Hallo, Stella«, bringe ich gerade so laut heraus, dass plötzlich sechs Augenpaare auf mich gerichtet sind.

»Hallo, was willst du?«, antwortet Stella gereizt und mit einem strengen Unterton in der Stimme.

»Hast du einen Moment Zeit zu reden?«

»Reden? Ha, dass ich nicht lache. Wie du siehst, unterhalte ich mich gerade mit meinen besten Freundinnen Sofia und Giulia.« Stellas Augen sprühen vor Wut. Ich kann Stella auch sehr gut verstehen, immerhin habe ich mich mindestens zwei Monate nicht bei ihr gemeldet und auf ihre unzähligen Anrufe nicht geantwortet.

»Stella, bitte«, hake ich nach, in der Hoffnung, ihren weichen Kern, den sie gerade gekonnt überspielt, zum Vorschein zu bringen. Stella ist ein herzensguter Mensch und hilft immer wieder bei sozialen Projekten, wie Essen kochen für die Armen.

»Gut, aber nur ganz kurz, wie du siehst, habe ich gerade eine Menge Spaß ohne dich«, presst Stella hervor.

Ich weiß, sie will mich damit nur verletzen, damit ich ansatzweise spüre, wie sie sich die letzten Wochen gefühlt hat.

Wir marschieren an die Bar und ergattern zwei Barhocker. Wie erwartet werden uns Cocktails vor die Nase gestellt. Zwei Typen, die einige Plätze weiter links sitzen, winken uns zu. Es ist wirklich unglaublich, was für eine fesselnde Wirkung Stella auf Männer hat. Obwohl sie gerade so wütend blickt, dass sich auf ihrem makellosen Gesicht eine tiefe Falte zwischen den Augen bildet. »Also Selina, was willst du so Wichtiges loswerden?«

»Stella, ich weiß, ich habe Riesenmist gebaut. Ich hätte mich die letzten Wochen bei dir melden sollen. Doch in Österreich war alles so turbulent mit dem Training, und dann war da noch Maximilian.«

»Der Kerl ist schuld, willst du mir verklickern?« Stellas vorwurfsvoller Ton ist mehr als berechtigt.

»Der Typ hat mir in kürzester Zeit den Kopf verdreht. Letztlich hat er mich aber doch nur verarscht. Das soll keine Entschuldigung sein, doch du sollst wissen, du bist einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Ich weiß auch nicht, warum ich so verdammt dumm war und bei diesem Typen alles auf eine Karte gesetzt habe. Bitte Stella, verzeih mir, ich will dich als beste Freundin nicht verlieren.«

Stella war nach dem Tod von Jason täglich bei mir im Krankenhaus, und als ich in der Reha war, kam sie mich jedes Wochenende besuchen. Sie war immer für mich da und versuchte, mich wieder aufzumuntern. Erst als ich zur Erholung in das Hotel in Österreich fuhr, brach der Kontakt ab. Vor allem wegen der Entfernung.

»Dumm ist untertrieben, meinst du nicht? Du weißt, dass man sich nicht auf Kerle verlassen kann, oder? Das versuchte ich schon immer, in dein kleines hübsches Köpfchen zu bekommen. Was glaubst du, warum ich allein bin?«

»Gibst du mir noch mal eine Chance?« Ich gebe mir alle Mühe und setze den mitleidigsten Dackelblick auf, den ich kann. Stella versteht es, mich zappeln zu lassen und nimmt einen großen Schluck von ihrem Cocktail. Die paar Sekunden kommen mir vor, als würden Stunden vergehen.

»Okay, ich will dann mal nicht so sein. Aber versprich mir, dass du dir in Zukunft nie wieder so eine verdammte Auszeit von mir nimmst.«

»Versprochen! Danke, danke, danke!«, wiederhole ich immer wieder und falle ihr um den Hals.

»Hey, ich kriege keine Luft«, krächzt Stella und klopft mir auf den Rücken.

»Oh, entschuldige«, bringe ich mit einem Schmunzeln hervor.

»Also, was war da mit diesem Maximilian? Darüber weiß ich ja überhaupt nichts! Da hast du wirklich großen Erzählbedarf, Süße!«

»Das könnte ich auch von dir sagen. Seit wann wohnst du nicht mehr bei deinen Eltern?«

»Seit etwa einem Monat, ich bin in eine Männer-WG gezogen, was meine Eltern völlig schockiert hat. Als ich ihnen dann erzählte, dass alle drei schwul sind, waren sie beruhigt. Was aber natürlich gelogen ist.« Stellas graue Augen strahlen, was ich bei ihr noch nie gesehen habe.

»Ach, da gibt es wohl einen Typen, der dir besonders gefällt, wie mir scheint?« In der Zwischenzeit wird uns der nächste Cocktail serviert, den wir nicht bestellt haben.

»Du kennst mich wirklich sehr gut.« Ein verschmitztes Lächeln ziert Stellas Gesicht. »Einer ist wirklich dabei, der mein Interesse geweckt hat, er heißt Alessio.«

»Ach, und bist du auch verliebt in ihn?«

»Du kennst mich doch.« Stella sieht mich mit ihren großen grauen Augen an. »Liebe zu Männern gibt es für mich nicht, wie du weißt.«

Stella war erst einmal richtig verliebt, der Typ hieß Stefano und meinte es mit Stella nicht gerade ernst. Er war nämlich zweigleisig gefahren. Als sie das herausfand, ging es Stella so richtig schlecht. Sie hatte tagelang nichts gegessen, was ihren schlanken Körper dermaßen strapazierte, dass wir Freunde eingriffen und sie täglich zum Essen zwangen. Seit damals lässt sie keine Männer an sich heran, außer sie hat Lust auf Spaß und Sex.

»Ich würde es eher Neugier nennen. Er ist anders als die Typen, die ich bisher kennengelernt habe. Er trägt mir nicht alles hinterher oder liest mir die Wünsche von den Augen ab. Er geht mir sogar aus dem Weg, würde ich meinen.«

»Na das ist wirklich ein Unikat von Mann«, necke ich Stella.

»Jetzt bist aber du dran! Was ist mit diesem Maximilian? Ich will alles wissen!«

»Maximilian lernte ich in Österreich in dem Wellnesshotel kennen. Er ist der Sohn vom Chef, was aber nicht ausschlaggebend dafür war, dass ich mich in ihn verliebte. Von Anfang an war alles ein großes Geheimnis. Keiner durfte von unserer Zuneigung wissen. Zuerst fand ich das sehr prickelnd, doch da dachte ich auch noch, er würde es ernst mit mir meinen. Jedoch stieß ich dann permanent auf neue Lügen von ihm, bis es mir reichte. Gestern bin ich einfach still und leise abgehauen. Diese Achterbahnfahrt der Gefühle habe ich nicht mehr ausgehalten.« Ich spüre, wie mich eine Traurigkeit überkommt und meine Augen sich mit Tränen füllen. Ich will hier in aller Öffentlichkeit nicht zu weinen beginnen und versuche, den Schmerz mit einem kräftigen Schluck Piña colada hinunterzuspülen.

»Süße, das tut mir wirklich sehr leid für dich, nach allem, was du bisher schon erlebt hast. Wie gesagt, scheiß auf die Männer, ohne sie ist man viel besser dran!« Stella erhebt ihr Glas, und ich tue es ihr gleich. Wahrscheinlich hat sie recht, Kerle sind nichts für mich. Da brauche ich mir nur meine Eltern anzusehen. Mein Vater hat damals meine Mutter mit der Sekretärin betrogen.

»Es ist Zeit für einen Trinkspruch, Stella!«

»Lass mich kurz überlegen.« Sie lässt den Blick nach links schweifen, dann wieder zu mir zurück. »Lebe glücklich, lebe frei, vergiss die Arschlöcher! Salute!«

»Salute«, rufe ich, und unsere Gläser klirren leicht beim Anstoßen. Wie sehr ich Stellas aufmunternde Worte vermisst habe. In ihrer Gegenwart sieht alles gleich viel einfacher aus. Obwohl ich nicht genau weiß, ob es nicht auch am Alkohol liegt, den wir uns schon mittags gönnen. Normalerweise beginnen wir nicht so früh zu trinken, aber heute bin ich sehr dankbar für diese Ablenkung.

»Hey, Stella, wir ziehen dann mal weiter! Kommst du mit, oder bleibst du hier?« Es ist eines der beiden Mädchen, die vorhin noch mit meiner Freundin am Tisch gesessen haben.

»Was meinst du, Selina, ziehen wir mit den Mädels weiter?«

»Warum eigentlich nicht, ich habe heute nichts weiter vor.« Endlich wieder unter Leuten zu sein, die mich nicht ständig an Maximilian erinnern, wird mir guttun.

Der Nachmittag mit Stella und den anderen beiden vergeht wie im Flug. Nach ein paar Cocktails ist die Stimmung um einiges gelöster, und unterwegs kaufen wir uns alle ein Hotdog. Der Stand liegt neben der Wohnung meiner Eltern. Dann spazieren wir in den Park, der neben unserem Häuserblock anschließt. Wir machen es uns auf einer Parkbank gemütlich und schlingen unser Essen hinunter. Mittlerweile dämmert es schon, und auf den Straßen wird es etwas ruhiger. Die Freundinnen von Stella sind wirklich nett und lenken mich gekonnt von meinen Problemen ab.

»Was denkt ihr, sollen wir, wenn wir aufgegessen haben, noch die Nacht zum Tage machen?« Stellas Unermüdlichkeit ist wirklich erstaunlich.

»Ich bin dabei!«, antworte ich, ohne weiter darüber nachzudenken.

Die zwei anderen verneinen kopfschüttelnd. Sie haben anscheinend genug. Stella und ich haken nicht weiter nach, denn als sich unsere Blicke treffen, wissen wir genau: Heute ist unser Abend. Spaß bis zum Umfallen, so wie früher, als noch alles in Ordnung war.

Nach dem Essen verabschieden wir uns von den anderen beiden. Auf dem Weg in meine Wohnung machen wir uns einen Plan. Wir wollen uns erst ein wenig frisch machen und dann ab auf die Piste. In Rom ist zu jeder Tageszeit etwas los.

In der Wohnung angekommen, duftet es köstlich nach Essen. Ich schreite in die Küche und entdecke meine Mutter, wie sie gerade das Hühnchen aus dem Ofen holt.

»Hallo, Mama!«, rufe ich anscheinend etwas zu laut, da sie fast die Pfanne mit dem Hühnchen fallen lässt.

»Selina, erschreck mich nicht so!« Ihr ernster Ton lässt nur am Rande erahnen, wie sie wohl reagiert hätte, wenn das Huhn am Boden gelandet wäre. »Hallo, Stella, schön dich wiederzusehen!« Mutters ernste Miene wird abrupt herzlicher. »Isst du mit uns?«

»Hallo, Corinna, danke für die Einladung, aber ich habe gerade was gegessen. Trotzdem riecht es ausgezeichnet.« Stella lehnt am Türrahmen und dreht eine lose Haarsträhne um ihren Zeigefinger.

»Übrigens, Selina, bevor ich es vergesse, ab morgen kannst du in der Anwaltskanzlei anfangen. Um acht Uhr fahren wir los. Und jetzt gib bitte Elena Bescheid, damit wir essen können.«

»Ich hole sie«, antworte ich, während ich mich zu Stella umdrehe und unsere Blicke sich treffen. Ohne ein Wort zu verlieren, weiß Stella, dass ich heute nicht mehr außer Haus komme.

»Selina, ich muss dann los. Wir hören uns! Ciao, Corinna!« Stella winkt mir noch zu, bevor sie die Wohnung verlässt.

Kapitel 6: Maximilian

Ich betrete mein Hotelzimmer und schalte das Licht an. Der Raum ist klein, aber fein, mit einem Doppelbett in der Mitte des Raumes. Gegenüber steht ein kleiner Holztisch mit einem Fernseher darauf. Am Ende des Zimmers befindet sich ein kleines Fenster mit Blick auf die Straße, der nicht sonderlich beindruckend ist. Wenn man den Ausblick mit meinem Zuhause vergleicht, wirkt es eher trostlos, eine Großstadt eben. Bisher habe ich von Rom noch nicht viel gesehen, was ich die nächsten Tage aber unbedingt ändern möchte. Vielleicht bringe ich ja Selina dazu, mir die Stadt zu zeigen. Immer wieder überlege ich, ob ich ihr eine Nachricht schreiben soll. Doch Sarah hat gemeint, ich solle mir vorher einen Plan zurechtlegen, wie ich Selina zurückgewinnen will. Bis jetzt ist mir nicht gerade viel eingefallen, bis auf den Rosenstrauß, den Sarah ins Lächerliche gezogen hat.