Sehnsuchtsvolle Akkorde - Enit Marflow - E-Book

Sehnsuchtsvolle Akkorde E-Book

Enit Marflow

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Beschreibung

Er ist Gesetz und Ordnung. Sie ist Chaos und Leidenschaft. Und genau das macht sie so gefährlich füreinander. Jette lebt für die Musik - frei, ungezwungen, unabhängig. Dass ein arroganter, wenn auch verdammt heißer Polizist ihren Weg kreuzt, war nicht geplant. Doch Nick ist mehr als nur ein Mann in Uniform. Er weckt in ihr eine Lust, die sie nicht ignorieren kann, und fordert sie mit seinem selbstbewussten Charme heraus. Ihre Begegnungen sind ein ständiges Auf und Ab zwischen Leidenschaft und Widerspruch, zwischen heißem Verlangen und hitzigen Wortgefechten. Doch Nick hat ein Geheimnis. Etwas, das seine Welt ins Wanken bringt und ihn zwischen Pflicht und Begehren hin- und herreißt. Als seine dunkle Vergangenheit ihre Liebe zu zerstören droht, stellt sich die Frage: Können zwei Menschen, die sich immer wieder verlieren, einander wirklich halten?

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Seitenzahl: 305

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über den Autor

Christine Lange ist 1990 in Halle (Saale) geboren und aufgewachsen.

Nach der Schule hat sie eine Ausbildung zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste, Fachrichtung Bibliothek absolviert. In diesem Beruf arbeitet sie bis heute.

Geschichten schreibt sie seit ihrer Kindheit. Allerdings mehr für sich allein. Doch mit der Veröffentlichung ihres ersten Buches hat sich das geändert.

Enit Marflow ist das offene Pseudonym von Christine Lange. Es dient zur Abgrenzung zwischen Liebesroman und Erotik.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 – Jette

Kapitel 2 – Nick

Kapitel 3 – Jette

Kapitel 4 – Nick

Kapitel 5 – Jette

Kapitel 6 – Nick

Kapitel 7 – Jette

Kapitel 8 – Nick

Kapitel 9 – Jette

Kapitel 10 – Nick

Kapitel 11 – Jette

Kapitel 12 – Nick

Kapitel 13 – Jette

Kapitel 14 – Nick

Kapitel 15 – Jette

Kapitel 16 – Nick

Kapitel 17 – Jette

Kapitel 18 – Nick

Kapitel 19 – Jette

Kapitel 20 – Nick

Kapitel 21 – Jette

Kapitel 22 – Nick

Kapitel 23 – Jette

Kapitel 24 – Nick

Kapitel 25 – Jette

Kapitel 26 – Nick

Kapitel 27 – Jette

Kapitel 28 – Nick

Kapitel 29 – Jette

Kapitel 30 – Nick

Kapitel 31 – Jette

Kapitel 32 – Nick

Kapitel 33 – Jette

Kapitel 34 – Nick

Kapitel 35 – Jette

Kapitel 36 – Nick

Kapitel 37 – Jette

Kapitel 38 – Nick

Kapitel 39 – Jette

Kapitel 40 – Nick

Kapitel 41 – Jette

Kapitel 42 – Nick

Kapitel 43 – Jette

Kapitel 44 – Nick

Kapitel 45 – Jette

Kapitel 46 – Nick

Kapitel 47 – Jette

Kapitel 48 – Nick

Kapitel 49 – Jette

Kapitel 50 – Nick

Kapitel 51 – Jette

Kapitel 52 – Nick

Kapitel 53 – Jette

Kapitel 1 – Jette

Decke ausgebreitet, Gitarre liegt bereit, Sammelbüchse ist aufgestellt – kurz gesagt: Alles fertig für einen erfolgreichen Arbeitstag. Ich nehme meine Gitarre in die Hand und beginne zu spielen.

Anfangs stehe ich immer, damit die Leute mich wahrnehmen. Im Verlauf des Tages setze ich mich dann auf meine Decke. Gerade bei Balladen kommt da mehr Gefühl rüber. Das zeigen auch meine Einnahmen. Die Leute mögen mich und mein Repertoire an Songs. Obwohl ich lediglich ein paar Akkorde auf der Gitarre zupfe, werfen bereits die Ersten etwas in meine Büchse. Motiviert beginne ich, mein erstes Lied zu singen. Ich habe mich für ‚I am‘ von Hilary Duff entschieden.

Das Lied passt zu mir und meiner Geschichte. Je authentischer die Songs sind, desto mehr klimpert die Büchse.

Plötzlich kommt ein Polizeiwagen mit Blaulicht und Sirene angerauscht. Er bleibt fast unmittelbar vor mir stehen und ich sehe zwei Polizisten aussteigen. Ein großer, muskelbepackter Typ mit stechendem Blick ist dabei.

Das ist einer, der nur Polizist geworden ist, um etwas zu sagen zu haben, geht mir durch den Kopf. Der Zweite dagegen sieht freundlicher aus. Er ist etwas kleiner als sein Kollege, strahlt aber mehr Autorität aus als der Muskelprotz.

Er sieht lächerlich gut aus, stelle ich fest. Als ich merke, dass sein Blick mich streift, konzentriere ich mich wieder auf meine Musik. Ich bin nicht zum Vergnügen hier! Trotzdem entgeht mir nicht, dass die beiden Polizisten in einem Laden schräg gegenüber verschwinden. Jetzt kann ich mich wieder ausschließlich auf meine Musik konzentrieren.

Einige Zeit später kommen beide wieder auf die Straße und sehen sich um. Der Muskelprotz gestikuliert wild herum und deutet auf mich. Beide sehen misstrauisch zu mir als sie auf mich zukommen. Ich wäge einen Augenblick meine Chancen ab, wie weit ich komme, wenn ich meine Sachen schnappe und weglaufe. Doch ehe ich eine Entscheidung treffen kann, stehen beide Männer bereits vor mir.

„Einen schönen guten Tag“, begrüßt mich der kleinere der beiden freundlich. Ich nicke zur Begrüßung und beobachte sie argwöhnisch.

„Wie lange machen Sie hier schon Musik?“, werde ich gefragt.

Na super, seufze ich innerlich. Die verlieren keine Zeit mit Höflichkeiten. „Ein paar Wochen“, antworte ich wahrheitsgemäß.

„Ich meinte eigentlich, wie lange Sie heute hier schon stehen“, erklärt mir der Polizist freundlich.

„Dann drücken Sie sich doch eindeutig aus“, erwidere ich schnippisch. Überrascht zieht er die Augenbrauen hoch. „Heute stehe ich schon eine Weile hier.“ Scheinbar kommt meine unpräzise Antwort nicht gut an.

„Schön“, sagt er knapp und ich merke, wie er sich auf die Zunge beißen muss, um nicht noch etwas Unpassendes anzufügen. „In dem Laden dort drüben wurde vorhin etwas gestohlen. Haben Sie das mitbekommen?“

Ich sehe zu dem Haus, auf welches er zeigt und überlege, ob mir irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen ist.

„Also?“, werde ich ungeduldig gefragt.

„Haben Sie es eilig?“, gebe ich zurück.

Dem Mann kommt ein frustriertes Stöhnen über die Lippen. „Sagen Sie es einfach, wenn Ihnen nichts aufgefallen ist. Dann können wir weiter unserer Arbeit nachgehen.“

„Glauben Sie nur nicht, dass ich nichts zu tun habe“, antworte ich genervt. Sofort mustern mich die beiden von oben bis unten. Sag es schon, fordere ich ihn stumm auf. Ich bin es gewohnt, dass die Leute abfällige Bemerkungen über meine Straßenmusik machen. Für viele Menschen zählt das nicht als Beruf. Bei mir ist es allerdings Berufung.

„Darf ich Ihre Genehmigung sehen?“, fragt der Polizist und holt mich aus meinen Gedanken.

„Was?“, rufe ich überrascht aus. Damit habe ich nicht gerechnet. Scheinbar versteht er keinen Spaß.

„Die Genehmigung, dass Sie hier Musik machen dürfen“, erklärt er ruhig.

„Okay, hören Sie“, beginne ich, „da drüben war vorhin ein komischer Typ, der ewig vor dem Laden herumgeschlichen ist. Ich habe aber nicht genauer hingesehen und kann Ihnen auch keine Beschreibung geben. Mehr weiß ich echt nicht.“

Die beiden nicken zufrieden und der Wichtigtuer macht sich Notizen. Der andere mustert mich weiter argwöhnisch. Selbstverständlich ist ihm aufgefallen, dass ich keine Genehmigung vorgelegt habe.

„Danke“, öffnet endlich der Muskelprotz seinen Mund.

Für sein Aussehen hat er eine überraschend hohe Stimme, denke ich überrascht. Normalerweise müssten die beiden ihre Stimmen tauschen. Die tiefe, kratzige Stimme passt genauso wenig zu dem Hübschen. Schnell verbiete ich meinem Kopf diese Gedanken. Konzentriere dich. Auch wenn er gut aussieht, ist er immer noch ein Bulle!

„Dann noch einen schönen Tag“, verabschieden sich die beiden von mir.

Doch ehe sie gehen, beugt sich der Kleinere dicht zu mir und flüstert: „Besorgen Sie sich lieber eine Genehmigung, falls Sie jemand erwischt, der nicht so nett ist wie ich.“ Mehr als ein geschocktes Keuchen kommt mir nicht über die Lippen.

Ehe ich es richtig fassen kann, was er da zu mir gesagt hat, sind die beiden schon in ihrem Wagen verschwunden. Als sie losfahren, sehe ich ihnen eine Weile hinterher.

„Wer war denn das Schnuckelchen?“, fragt jemand hinter meinem Rücken. Erschrocken drehe ich mich um.

„Ach Sie sind es“, rufe ich beruhigt aus. Mein treuester Fan Tina Frank steht vor mir. Sie ist eine ältere Dame, die ihr Herz auf der Zunge trägt. Unumwunden spricht sie immer alles aus, was sie denkt. Wir sehen uns fast jeden Tag und sie wirft immer etwas in meine Sammelbüchse.

Jetzt runzelt sie die Stirn und fragt: „Hatten wir nicht über das alberne Sie gesprochen?“

„Oh ja, Entschuldigung“, antworte ich, lege mir die Hände über die Augen und versuche es erneut. „Du bist es.“

Tina nickt lächelnd. „Schon besser. Also, wer war jetzt dieses Schnuckelchen von einem Mann?“

„Welchen von beiden meinst du?“, frage ich nach.

Sie lacht kurz und mustert mich dann eindringlich. „Jetzt tu mal nicht so, als wüsstest du das nicht. Ich meine den Hübschen, der so nah bei dir stand. Der andere definiert sich doch nur über seinen Körper, um die Leere in seinem Kopf zu überspielen!“

Ich muss über ihre Analyse schmunzeln, ehe ich zu einer Erklärung ansetze: „Das waren zwei Polizisten, die einen Dieb suchen. In dem Laden dort drüben wurde offenbar geklaut. Mehr weiß ich auch nicht. Sie wollten wissen, was ich gesehen habe.“

„So so“, erwidert Tina mit zweideutigem Blick. „Und warum stand er dann so nah bei dir? Für mich sah das eher so aus, als könnte er sich nicht entscheiden, ob er dich stürmisch küssen soll oder nicht.“

Jetzt verdrehe ich die Augen. „Was du nun wieder denkst! Er hat mitgekriegt, dass ich keine Genehmigung habe, hier zu stehen. Deshalb hat er mir geraten, mir eine zu besorgen. Das wollte er mir ins Ohr flüstern, damit sein Kollege nichts mitbekommt.“

„Natürlich“, sagt Tina gedehnt, nicht überzeugt von meiner Erklärung.

Ich seufze. „Ich gebe ja zu, dass er ganz gut aussieht...“

„Ganz gut?“, unterbricht sie mich. „Den würde ich nicht von der Bettkante schubsen, wenn ich nur ein paar Jahre jünger wäre.“

„Also schön“, korrigiere ich mich. „Er sieht toll aus. Trotzdem fange ich doch nichts mit ihm an. Außerdem ist er alles andere als interessiert an mir, so wie er sich verhalten hat.“

„Vielleicht ist das seine Art dir zu zeigen, dass er Interesse hat“, überlegt Tina laut. Ich sehe sie ungläubig an. „Männer sind nun mal komisch“, erklärt sie achselzuckend. „Aber ich will dich nicht weiter vom Geldverdienen abhalten. Bis zum nächsten Mal.“ Als sie geht, wirft sie einen Schein in meine Büchse. Zehn Euro, stelle ich überrascht fest. Ich muss ihr unbedingt sagen, dass sie nicht so viel Geld für mich ausgeben soll. Obwohl ich noch einige Stunden lang meine Songs zum Besten gebe, kann ich meinen Kopf trotzdem nicht davon abhalten, dass er über den Polizisten nachgrübelt. Tinas Worte gehen mir ebenfalls nicht aus dem Kopf.

„Vielleicht ist das seine Art dir zu zeigen, dass er Interesse hat“, hat sie gesagt.

Ob das stimmt? Ich hatte nicht das Gefühl, dass er sonderlich von mir beeindruckt war. Wer weiß, wie die Szene aus der Entfernung gewirkt hat.

Da die beiden jetzt weg sind und ich sie vermutlich nie wiedersehen werde, beschließe ich, die ganze Geschichte aus meinem Kopf zu verbannen.

Kapitel 2 – Nick

Was war das denn, fragt mich meine innere Stimme irritiert. Ich habe definitiv eine Grenze überschritten, und das ärgert mich. Die kleine Straßenmusikerin hat mich ganz schön durcheinandergebracht. Dabei kann ich nicht einmal sagen, warum. Ihre bloße Existenz hat gereicht, um dein Gehirn ein paar Etagen nach unten sacken zu lassen, nervt mich mein Kopf weiter.

„Nick? Hörst du mir zu, Alter?“, fragt mich mein Partner Mark.

„Sorry, was hast du gesagt?“, erkundige ich mich, weil ich keine Ahnung habe, worum es geht.

„Ich wollte wissen, was du der Kleinen noch zugeflüstert hast“, erklärt er mir und sieht mich neugierig an. „Wolltest du sie zu einer schnellen Nummer überreden oder was?“

Das ist so typisch für Mark. Wenn es nicht um Sex geht, ist es nicht wichtig.

Zugegeben, ich gebe selten einen Korb. Allerdings bin ich nicht so verzweifelt, dass ich mir im Dienst ein Date klarmache. Außerdem bin ich mir nicht sicher, was die kleine Kratzbürste von einem One-Night-Stand gehalten hätte.

„Natürlich nicht“, sage ich schließlich. „Ich habe ihr nur gesagt, dass sie gut spielt.“

Da Mark jede Gelegenheit nutzt, um sich als der böse Polizist aufspielen zu können, werde ich ihm nicht die Wahrheit sagen. Sonst würde er dem Mädchen nur Probleme machen.

„Sah aber nach etwas anderem aus. Die Kleine sah aus, als hättest du sie betatscht“, gibt mein Partner zurück und sieht mich mit einem anzüglichen Grinsen an.

„Quatsch“, dementiere ich. Zu meinem Glück bekommen wir einen Einsatz zugeteilt und unsere sinnlose Diskussion ist beendet.

Nach Feierabend gehe ich noch einmal an der Stelle vorbei, an der wir heute Morgen die Straßenmusikerin gesehen haben. Zu meinem Pech ist dort niemand mehr. Bestimmt hat sie ihre Sachen gepackt, nachdem wir mit ihr gesprochen hatten, überlege ich. Könnte sein, dass sie doch Angst bekommen hat, nach meiner Aussage. Dabei meinte ich es nur gut. Immerhin drückt nicht jeder ein Auge zu. Die Leute vom Ordnungsamt sind da nicht so zimperlich.

Ich spaziere eine Weile durch die Gegend und habe noch einmal die Szene vor Augen. Genau genommen habe ich nur sie in meinem Kopf. Ich versuche herauszufinden, was mich an ihr so in den Bann gezogen hat. Eindeutig ihre Reaktion auf uns, wird mir klar. Ihre Abwehrhaltung war mehr als eindeutig. Trotzdem ist sie schlagfertig und lässt sich nichts sagen. Ich hätte mich ihr doch anbieten sollen!

Ihre Reaktion auf meine Nähe hat Bände gesprochen. Sie findet mich definitiv nicht abstoßend. Natürlich ist mir klar, dass ich gut aussehe. Nur deshalb rennen mir die Mädels hinterher. Es gab auch Zeiten, in denen ich das ausgenutzt und die Aufmerksamkeit genossen habe. Trotzdem waren das alles nur oberflächliche Geschichten und dauerten selten länger als eine Nacht. Keine war ernstlich an mir interessiert und das galt andersrum genauso. Aber bei der Straßenmusikerin war es anders.

Ich hätte sie nach ihrem Ausweis fragen sollen, überlege ich. Dann wüsste ich jetzt wenigstens, wie sie heißt und als Polizist ist es mein gutes Recht, den Personalausweis einzusehen, wenn wir eine Zeugenbefragung durchführen.

Ohne groß darüber nachzudenken, beschließe ich, schnell etwas einkaufen zu gehen. Als ich mich an die Schlange vor der Kasse anstelle, sehe ich vor mir eine Frau, die mir seltsam bekannt vorkommt. Sie trägt einen Gitarrenkoffer mit sich herum. Plötzlich dreht sie sich um und sieht mich verwundert an.

Das ist die Straßenmusikerin, wird mir klar. Manchmal muss der Mensch Glück haben. Doch sie scheint mich nicht zu erkennen oder lässt es sich nicht anmerken. Wobei mir Ersteres wahrscheinlicher vorkommt. Wenn ich meine Uniform nicht anhabe, erkennen mich die wenigsten Menschen wieder.

Gott sei Dank geht es an der Kasse schnell und ich erwische sie noch draußen vor dem Laden.

Kurzerhand spreche ich sie an: „Na, Feierabend?“

Wahnsinnig einfallsreich, lästert mein Kopf.

Erschrocken dreht sie sich zu mir herum, mustert mich eingehend und stellt dann fest: „Sie sind der Bulle von heute Morgen.“

Ich bin es gewohnt so tituliert zu werden. Normalerweise habe ich dafür immer den passenden Spruch auf Lager, aber bei ihr verschlägt es mir die Sprache.

„Was wollen Sie von mir?“, fragt die Straßenmusikerin ungeduldig. „Nach ihrem Aussehen zu urteilen, sind Sie nicht mehr im Dienst und sollten mir eigentlich nicht auf die Nerven gehen.“

Jetzt kommt endlich wieder Leben in mich. „Ich hatte nicht damit gerechnet, Sie wiederzusehen. Haben Sie sich um die Erlaubnis gekümmert?“

„Vielleicht habe ich mich gerade nicht verständlich ausgedrückt, aber ich sagte: Sie sind nicht im Dienst. Folglich werde ich Ihnen auch keine Fragen beantworten“, erklärt sie mir, dreht sich um und geht.

So schnell entkommst du mir nicht, beschließe ich still und folge ihr. „Warum sind Sie denn so abweisend?“, rufe ich ihr hinterher. „Ich wollte doch nur helfen. Das Ordnungsamt drückt kein Auge zu.“

Abrupt bleibt sie stehen und fragt wütend: „Was soll das werden? Eine kleine Erpressung?“

„Nein, natürlich nicht“, antworte ich kopfschüttelnd und hebe abwehrend die Hände. „Ich wollte mich nur mit Ihnen unterhalten.“

„Okay, pass auf. Ich unterhalte mich nicht mit Leuten wie dir. Du bist Polizist und wenn du deine Uniform trägst, beantworte ich dir alle Fragen, weil es mir Ärger bringt, wenn ich das nicht mache. Aber du bist privat hier, auch wenn ich das jetzt zum dritten Mal sagen muss. Ist das jetzt in deinem nicht sonderlich schlauen Köpfchen angekommen?“ Nachdem sie ihren Monolog beendet hat, bleibt mir die Luft weg.

Die Kleine ist super, ruft meine innere Stimme aus. Frag sie nach einem Date!

Ich räuspere mich und antworte dann mit freundlicher Stimme: „Wenn wir schon beim Du sind, kannst du mir auch deinen Namen verraten. Ich habe keinen Bock dich mit ‚Straßenmusikerin‘ anzusprechen.“

Sie atmet tief durch und scheint ihre Chancen abzuwägen, ob sie mir entkommen kann. „Wenn du mich dann in Ruhe lässt“, sagt sie daraufhin seufzend. „Ich bin Jette. Hat mich gefreut dich kennenzulernen und tschüss.“

Ich stemme die Hände in die Seiten und bemerke, dass ihr Blick kurz zu meinen Oberarmen wandert. Mein Muskelspiel scheint sie nicht kalt zu lassen.

„Vielleicht darf ich mich auch noch kurz vorstellen?“, frage ich dann. „Ich bin Nick und nebenbei: Ich bin kein Bulle, sondern Polizist. Heute Abend schon was vor?“

Ihr kommt ein entsetztes Keuchen über die Lippen. „Fragst du mich gerade ernsthaft nach einem Date?“

„Klar, warum nicht? Wie du festgestellt hast, bin ich privat unterwegs und da kann ich machen, was ich will“, erwidere ich schulterzuckend. Sie schüttelt über mein Verhalten den Kopf. Das gibt mir die Chance, sie näher in Augenschein zu nehmen.

Jette trägt figurbetonte Kleidung und regt damit eindeutig meine Fantasie an. Ihre langen Haare hat sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, der hin- und herschwingt, wenn sie den Kopf bewegt. Außerdem hat sie große, neugierige Kulleraugen.

Sie wirkt fast etwas kindlich, denke ich überrascht. Trotzdem gefällt mir, was ich sehe. Bei ihr würde ich definitiv nicht Nein sagen.

„Okay, du Spinner“, setzt sie zu einer Antwort an. „Es ist schön, dass du machen kannst, was du willst. Trotzdem werde ich garantiert nicht mit dir ausgehen.“

„Wir müssen nicht miteinander ausgehen“, erkläre ich mit tiefer Stimme und gehe einen Schritt auf sie zu. „Von mir aus können wir diesen Schritt überspringen.“

Wieder kommt ein Keuchen über ihre Lippen. Dieses Geräusch macht mich an. Ich merke, wie sich in mir ein Verlangen nach ihr ausbreitet.

„Wir überspringen hier gar nichts“, erklärt sie mit fester Stimme. „Ich will nichts von dir, und jetzt verpiss dich!“

Aus dem Augenwinkel bemerke ich, dass einige Leute uns misstrauisch mustern. Daher trete ich wieder einen Schritt zurück, um deutlich zu machen, dass es nicht das ist, wonach es aussieht. Schließlich will ich nicht riskieren, dass irgendwer die Polizei benachrichtigt.

Die Polizei ist schon da, erinnert mich mein Kopf und ich muss über meine eigenen Gedanken lachen. „Ist angekommen“, sage ich zu Jette. „Dann bis zum nächsten Mal.“

„Kann ich gern drauf verzichten“, grummelt sie vor sich hin und geht. Das gibt mir die Gelegenheit, ihr hinterherzusehen.

Es wäre leicht für mich, ihr hinterherzugehen und herauszufinden, wo sie wohnt.Überrascht von dem Gedanken schüttele ich den Kopf und begebe mich in eine andere Richtung.

Auf meinem Weg nach Hause komme ich nicht von meinem Gespräch mit Jette los. Sie fasziniert mich, und zwar nicht nur in sexueller Hinsicht. Das ist so klar, als würde es auf einem Werbeplakat stehen.

So etwas ist mir noch nie passiert. Mehr als eine schnelle Nummer wollte ich bisher von keiner Frau. Ja, vielleicht bin ich ein Arsch, der Frauen ausnutzt, aber bisher hat sich keine beschwert. Sie wussten alle meine Qualitäten zu schätzen und ich habe ihnen klargemacht, woran sie bei mir sind.

Jette ist an mir interessiert, bin ich mir sicher. Ich werde auch sie von mir überzeugen, koste es, was es wolle.

Den restlichen Weg überlege ich mir eine Strategie, wie ich von ihr doch noch das bekomme, was ich will.

Kapitel 3 – Jette

„So ein selbstgerechtes Arschloch!“, rufe ich in meiner leeren Wohnung aus und schmeiße die Kühlschranktür zu. Die Begegnung mit Nick hat mich ganz schön aus der Bahn geworfen. Was glaubt er, wer er ist?

Ich bin es gewohnt, von Kerlen angemacht zu werden. Als Straßenmusikerin bekomme ich ständig irgendwelche Angebote von schmierigen Typen. Das scheint der Job so mitsichzubringen. Trotzdem dachte ich, er wäre anders.

Der Kerl weiß, wie gut er aussieht und nutzt das schamlos aus, denke ich wütend. Wahrscheinlich funktioniert seine Masche bei zahllosen Frauen. Es soll ja Frauen geben, denen egal ist, mit wem sie rummachen. Ich bin nicht so einfach zu haben.

Immer noch wütend lasse ich mich auf meine Couch fallen. Am meisten ärgert mich, dass ich den Typen nicht aus dem Kopf kriegen kann. Er braucht mehr als ein hübsches Gesicht und ein paar Muskeln, um mich rumzukriegen, beschließe ich.

Trotzdem gefällt er dir, mischt sich meine innere Stimme ein.

Er gefällt mir nicht, widerspricht mein Kopf. Gott, wie ich solche Diskussionen mit mir selbst hasse!

Nick gefällt mir nicht, Punkt. Je öfter ich mir das sage, desto eher hat diese Sache ein Ende. Ich werde nicht mit ihm ausgehen und ich werde schon gar nicht mit ihm ins Bett hüpfen. Immerhin ist er Polizist und das bringt nur Ärger. So, wie ich ihn einschätze, gefallen ihm Frauen nur zu einem Zweck. Wenn sie ihm langweilig werden, springt er zur Nächsten. Nein, danke. Das brauche ich definitv nicht.

Ich hole mir eine Tafel Schokolade aus der Küche. Das hilft immer, um auf andere Gedanken zu kommen. Und danach werde ich ins Bett gehen, beschließe ich. Morgen verschwende ich garantiert keine Gedanken mehr an ihn.

Am nächsten Morgen muss ich feststellen, dass ich immer noch einen gewissen, gut aussehenden Polizisten im Kopf habe. Ich habe die ganze Nacht von ihm geträumt. Mein Kopf hat die wildesten Fantasien ausgearbeitet, sodass mich mein erster Weg direkt unter eine kalte Dusche führt.

Wieso komme ich nicht von ihm los, frage ich mich. Es muss an seinem Aussehen liegen. Wenn er hässlich wäre, würde es mir leichter fallen, ihn aus meinem Kopf zu streichen.

Nach einem schnellen Frühstück mache ich mich auf den Weg zu meinem Lieblingsplatz. Schnell sind meine Sachen ausgepackt und ich verliere mich in meine Musik. Das klappt jedoch nicht lange. Nach zwei Liedern habe ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Vorsichtig lasse ich meinen Blick schweifen und sehe Nick an der Wand eines Hauses auf der anderen Straßenseite lehnen. Er trägt wieder seine Polizeiuniform, was bedeutet, dass er im Dienst ist.

Wie wahrscheinlich ist es, ein und denselben Menschen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen über den Weg zu laufen?

Nachdem er bemerkt hat, dass ich ihn gesehen habe, stößt er sich lässig von der Wand ab und kommt über die Straße auf mich zu.

„Na, wieder da?“, fragt er unverfänglich und lächelt mich unschuldig an.

„Jetzt tu mal nicht so, als wärst du zufällig hier“, sage ich und spüre, wie ich wütend werde. „Verfolgst du mich jetzt?“

„Tja, Süße, ob du es mir glaubst oder nicht“, antwortet er großspurig, „aber ich bin wirklich nicht absichtlich hier. Mein Partner brauchte Zigaretten und wir waren gerade hier in der Nähe. Hast du dir mein Angebot überlegt?“

Leider sind gerade nicht viele Menschen in der Nähe. Allein aus diesem Grund konnte er diesen Spruch bringen. Ich wage mich näher zu ihm heran. Immerhin habe ich noch die Gitarre umhängen. Die sorgt für ein bisschen Abstand. Das verhindert leider nicht, dass mir sein Geruch in die Nase steigt und das Gehirn vernebelt.

„Wenn ich jetzt Nein sage, verhaftest du mich dann?“, frage ich provokativ.

„Dafür brauche ich leider einen triftigen Grund und den bietest du mir gerade nicht. Aber wenn du auf Fesselspielchen stehst, lässt sich da sicher etwas arrangieren“, erwidert er mit einem schmierigen Lächeln.

Ich sehe ihn fassungslos an und überlege, ob er das gerade wirklich gesagt hat. Glücklicherweise muss ich auf sein Statement nicht antworten, da sein Partner auf der Bildfläche erscheint. Stattdessen trete ich wieder einen Schritt zurück und warte ab, was passiert.

„Gibt es hier ein Problem?“, fragt Nicks Partner und baut sich vor mir auf.

Als ob mich das einschüchtern würde, geht mir durch den Kopf.

„Nein, alles gut. Bist du fertig?“, geht Nick dazwischen. Sein Partner nickt und geht in Richtung Auto. Nick dreht sich noch einmal zu mir um.

„Wir sehen uns“, sagt er und zwinkert mir zu.

„Hoffentlich nicht“, rutscht es mir heraus. Ich kann gerade noch sehen, wie sich ein wissendes Grinsen auf sein Gesicht legt, ehe er seinem Partner hinterhergeht.

„Darf ich dich auf ein Eis einladen?“, ertönt eine Stimme von der Seite und erschreckt mich damit zu Tode.

„Tina“, rufe ich aus. „Musst du mich so erschrecken?“

„Oh, Entschuldigung“, antwortet sie amüsiert. „Ich hätte wissen müssen, dass deine gesamte Aufmerksamkeit auf dem Sahneschnittchen da hinten lag.“

„So ein Quatsch“, streite ich ab. „Der Typ ist ein arroganter Mistkerl, der mich verfolgt.“ Wütend werfe ich ein letztes Mal einen Blick in die Richtung, in die Nick verschwunden ist.

„Wie du meinst“, erwidert Tina mit zweifelndem Blick. „Darf ich dich jetzt auf ein Eis einladen oder nicht?“

Obwohl mir nicht ganz wohl bei der Sache ist, stimme ich zu. Ich kenne sie inzwischen recht gut und ahne, dass sie nicht ohne Grund mit mir Eis essen gehen will.

Nachdem jede von uns einen Eisbecher vor sich hat, stelle ich fest, dass ich die richtige Vermutung hatte. Tina beobachtet mich eine ganze Weile verstohlen.

„Also, was möchtest du mir sagen?“, frage ich sie, als ich ihre Blicke nicht mehr aushalte.

Tina sieht mich verwundert an und fragt unschuldig: „Was soll ich dir denn sagen wollen?“

„Du weißt, dass wir nicht ohne Grund hier sitzen und ich weiß, dass wir nicht ohne Grund hier sitzen“, erkläre ich ihr und seufze genervt. „Was ist los?“

„Also gut“, gesteht Tina. „Ich habe dich vorhin mit dem schicken Polizisten reden sehen. Habt ihr euch angenähert?“ Verschmitzt zwinkert sie mir zu.

„Wie kommst du denn darauf?“, rufe ich entsetzt aus. „Ja, wir haben uns unterhalten. Daran ist auch nichts Verwerfliches. Aber wir haben uns definitiv nicht angenähert und das werden wir auch nicht. Zumindest wenn man von mir ausgeht.“

Tina rutscht aufgedreht auf ihrem Stuhl herum. „Aber er will was von dir? Wie aufregend!“

Manchmal frage ich mich, wie alt sie wirklich ist, denke ich, belustigt über ihre Reaktion. Doch dann werde ich wieder ernst, weil mir der Grund für ihre Aufregung auf einmal mehr als deutlich bewusst wird.

„Das ist überhaupt nicht aufregend“, versuche ich sie zu beruhigen. „Er will mich ins Bett kriegen, das ist alles. Ich habe aber keine Lust darauf, eine von vielen Kerben an seinem Bettpfosten zu sein.“

„Er sieht gar nicht so aus, als würde er dich nur aus diesem Grund wollen“, erwidert Tina und macht einen Schmollmund. „Willst du ihm denn nicht wenigstens eine kleine Chance geben?“

„Nein“, antworte ich sofort. „Ich überlasse ihn gern dir.“

Vor Schreck verschluckt sie sich an ihrem Eis. Ich klopfe ihr sanft auf den Rücken, bis sie aufhört zu husten.

„Deswegen mag ich dich so“, sagt sie dann atemlos. „Ich glaube allerdings, dass ich ein paar Jahre zu alt bin für den jungen Mann.“

„Ich will ihn jedenfalls nicht haben“, mache ich ihr noch einmal klar. „Er nervt mich, redet nur dummes Zeug und ist zu selbstverliebt. Nur weil man gut aussieht, springt einen nicht gleich jede Frau an.“

Tina legt den Kopf schief und mustert mich amüsiert. „Er hat ja mächtig Eindruck auf dich gemacht, Schätzchen.“

Ich schnaube verächtlich. „Das wüsste ich aber. Können wir jetzt das Thema wechseln, bitte?“ Das war scheinbar genau der falsche Satz. Jetzt fängt sie erst richtig an zu lachen, während ich sie verständnislos ansehe.

„Gib ihm eine Chance“, bittet sie mich. „Vielleicht überrascht er dich.“

Anstatt etwas zu erwidern, esse ich mein Eis auf.

Kapitel 4 – Nick

„Hey Süßer“, werde ich am Tresen meiner Lieblingskneipe angesprochen. „Darf ich mich zu dir setzen?“

„Nein“, wehre ich ab. „Ich möchte allein sein und mein Bier trinken.“ Die Dame wirft mir einen beleidigten Blick zu und verschwindet. Manchmal nervt mich meine Wirkung auf Frauen, denke ich wütend und unterdrücke ein lautes Stöhnen. Ich sollte mir ein Schild umhängen, dass ich heute nicht angesprochen werden will.

Nachdem ich mein Bier ausgetrunken habe, bestelle ich mir direkt noch eins. Es ist bereits das dritte, aber das ist mir herzlich egal. Vielleicht kriege ich Jette betrunken aus dem Kopf. Ich spüre bereits die Wirkung des Alkohols, allerdings lässt er das Bild von ihr vor meinem inneren Auge nicht verblassen.

Sie hat mich abgewiesen, überlege ich immer wieder. Scheinbar hat sie ihre Prinzipien und ich gehöre zu der Sorte Mann, um die sie einen Bogen macht.

Seit Stunden überlege ich, wie ich sie doch noch von mir überzeugen kann. Leider ohne Erfolg.

Plötzlich klingelt mein Handy und ich lese verschwommen den Namen meiner Mutter auf dem Display. Die hat mir gerade noch gefehlt! Trotzdem nehme ich den Anruf entgegen, weil mir klar ist, dass sie mich nicht in Ruhe lassen wird.

„Was kann ich für dich tun?“, frage ich kühl.

„Wo bist du denn? Im Hintergrund ist es so laut“, ruft meine Mutter ins Telefon.

Widerwillig lege ich das Geld für mein Bier auf den Tresen, erhebe mich von dem Barhocker und gehe nach draußen.

„So besser?“, frage ich in den Hörer.

„Viel besser“, bestätigt meine Mutter. „Wie geht es dir?“

„Es geht mir gut. Ich nehme keine Drogen und gehe regelmäßig arbeiten“, spule ich meinen Standardtext herunter.

„Das wollte ich mit der Frage gar nicht ausdrücken“, versucht sich meine Mutter zu verteidigen.

Ich beschließe, ihren Satz zu ignorieren und dieses Gespräch so schnell wie möglich zu beenden. „Was kann ich für dich tun?“

„Ich wollte nur hören, wie es dir geht und ob ich etwas für dich tun kann“, erklärt sie.

„Nein, kannst du nicht. Ich komme sehr gut allein klar.“

Alle paar Wochen führen meine Mutter und ich dieses Telefonat und jedes Mal nervt es mich mehr. Sie versucht, ihr Gewissen zu beruhigen, aber das lasse ich nicht zu.

„Na gut“, antwortet sie schließlich. „Lass es mich wissen, wenn du irgendetwas brauchst.“

„Das werde ich ganz sicher nicht. Mach’s gut.“ Damit lege ich auf und atme anschließend tief durch.

Die Telefonate mit meiner Mutter strengen mich an. Ich möchte eigentlich nicht mit ihr reden, aber ihre penetrante Art macht es mir unmöglich, ihre Anrufe zu ignorieren. Außerdem habe ich sie lieber am Telefon als vor meiner Wohnungstür.

Um mich abzureagieren und den Alkohol aus meinem Körper zu kriegen gehe ich spazieren. Unverhofft komme ich erneut an der Stelle vorbei, an der ich Jette zum ersten Mal über den Weg gelaufen bin.

Die kleine Zicke geht mir nicht aus dem Kopf, denke ich ein wenig belustigt. Noch nie war ich so angetan von einer Frau. Wenn ich einen Korb bekommen habe, bin ich zur nächsten übergegangen. Bei ihr ist das anders. Ich will sie nicht nur ins Bett kriegen, wird mir klar. Ich will sie kennenlernen. Trotzdem weiß ich nicht, wie ich das anstellen soll. Sie sträubt sich zu sehr gegen mich.

Ich überlege, womit ich sie vielleicht beeindrucken kann. Sie scheint allein für die Musik zu leben, erkenne ich nach einer Weile und bleibe abrupt stehen. Das ist es! Schnellen Schrittes gehe ich nach Hause und schnappe mir meine Gitarre.

Nachdem ich sie gestimmt habe, spiele ich ein paar Akkorde. Ich bin ein wenig eingerostet, aber ich komme schnell wieder rein. Jetzt muss ich nur ein passendes Lied finden und einstudieren. Hoffentlich steht sie morgen an der gleichen Stelle. Ich habe keine Lust, die ganze Stadt nach ihr abzusuchen.

Als ich am nächsten Tag mit meiner Gitarre auf Arbeit aufkreuze, ist Marks Misstrauen sofort geweckt.

„Was willst du denn mit dem Ding hier?“, ruft er mir bereits von Weitem zu.

Ich unterdrücke ein Augenrollen und entgegne: „Dir auch einen guten Morgen und das geht dich nichts an.“

Er kneift die Augen zusammen und mustert mich eingehend. „Es ist wegen dieser Straßenmusikerin, oder?“, trifft er genau ins Schwarze.

„Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?“, frage ich verschwörerisch.

„Klar, das weißt du doch“, erwidert er und grinst mich schmierig an.

Ich weiß genau, worauf er anspielt, ignoriere jedoch den aufsteigenden Kloß in meinem Hals und antworte: „Sehr gut. Ich auch.“

Es dauert einen Moment, ehe Mark durchschaut, was ich für ein Spiel gespielt habe. Als es bei ihm Klick macht, bin ich bereits auf dem Weg zum Umkleideraum.

„Jetzt komm schon. Die Kleine ist heiß. Erzähl mir, was da zwischen euch läuft“, lässt Mark nicht locker und kommt hinter mir her.

„Zwischen uns läuft gar nichts. Ich hatte nur Bock mal wieder Musik zu machen. Ende der Geschichte“, erkläre ich ihm und versuche, so unbeteiligt wie möglich zu klingen. Wenn Mark einmal misstrauisch ist, habe ich keine ruhige Minute mehr, geht mir durch den Kopf.

„Wenn du meinst“, lässt Mark endlich locker. „Aber sollte dir beim Musikmachen zufällig die kleine Musikerin über den Weg laufen, dann lass nichts anbrennen.“

Diese Bemerkung musste sein, denke ich genervt. Er ist es nicht anders von mir gewohnt. Ich habe tatsächlich nie etwas anbrennen lassen. Trotzdem möchte ich Jette nicht nur aus diesem Grund. Sie fasziniert mich und weckt meinen Jagdinstinkt.

Das kann ich Mark allerdings unmöglich erklären. Er würde das nie verstehen, da er genauso ein Aufreißer ist wie ich normalerweise. Mit dem feinen Unterschied, dass ihm Frauen und ihre Gefühle überhaupt nichts bedeuten. Er nimmt sich, was er will, ohne Rücksicht auf Verluste.

„Können wir dann los?“, reißt mich Mark in die Gegenwart zurück. „Ich will hier keine Wurzeln schlagen.“

„Musst du auch nicht“, erwidere ich und schließe die letzten Knöpfe an meiner Uniform. „Ich bin soweit. Ab auf die Straße, Partner.“

Den restlichen Teil des Tages bin ich nicht hundertprozentig bei der Sache. Immer wieder schleicht sich Jette in meinen Kopf. Ich male mir tausend Mal aus, wie sie auf mich reagieren wird, wenn wir uns heute Nachmittag über den Weg laufen.

Hoffentlich gefällt ihr meine Darbietung, überlege ich nervös. Mir kommt ein Lachen über die Lippen. Seit wann bin ich so unsicher? Die Mädels liegen mir zu Füßen und bei ihr wird es nicht anders sein!

Mark entgeht mein innerer Monolog nicht. „Alter, es ist gleich Feierabend“, seufzt er theatralisch. „Dann kannst du zu deiner Holden und ihr dein Ständchen singen. Auch wenn ich nicht verstehe, was der ganze Aufwand soll.“

„Ich will zu niemandem“, versichere ich ihm weiterhin. „Heute habe ich einfach nur Lust auf meine Gitarre und ein bisschen Musik. Wenn ich nebenbei jemanden aufreißen kann, werde ich allerdings nicht Nein sagen.“

Der letzte Satz scheint Mark zu beruhigen, denn er lacht hämisch. „Wann hast du mal keine Frau abgeschleppt? Das wird schon. Die Frauen stehen auf gutaussehende Männer mit Gitarre.“

Wenigstens konnte ich ihn von Jette abbringen, freue ich mich. Wenn sie mich doch will, wird er es früh genug erfahren.

Als wir endlich Feierabend haben, kann ich gar nicht schnell genug aus meiner Uniform kommen. In Rekordzeit habe ich mich umgezogen und mein Aussehen im Spiegel gecheckt. Meine Haare sind etwas unordentlich und fallen mir ins Gesicht, aber ich entscheide mich, es so zu lassen.

Den meisten Frauen gefällt der verwegene Look und Jette wird darin keine Ausnahme sein, denke ich überheblich.

Ich schnappe mir meine Gitarre, gehe nach draußen und bete zum tausendsten Mal, dass Jette da ist, wo ich sie vermute.

Kapitel 5 – Jette

In dem Moment, als ich ein neues Lied anspielen will, taucht der Bulle auf. Er trägt eine Gitarre und kommt frech grinsend auf mich zu.

Ohne seine Polizeiuniform sieht er auch nicht schlecht aus, geht mir einmal mehr durch den Kopf. Er trägt eine tief auf den Hüften sitzende Jeans mit vielen Taschen und dazu ein eng anliegendes Shirt.

Bei dem T-Shirt bleiben keine Fragen offen, signalisiert mir meine innere Stimme.

„Was gibt’s?“, frage ich kurz angebunden, ohne vom Boden aufzustehen.

„Ich dachte, vielleicht könntest du Unterstützung beim Geldverdienen gebrauchen“, erwidert er und klopft sanft auf seine Gitarre.

„Ich brauche keine Hilfe“, antworte ich unwirsch. Er verdreht die Augen.

„Dann verdiene ich mir eben etwas dazu“, sagt er bockig und richtet seine Gitarre. Er beginnt zu spielen. Bereits nach den ersten Akkorden ist mir klar, dass er schon länger spielen muss.

Er ist wirklich gut, denke ich beeindruckt, versuche aber, mir nichts anmerken zu lassen. Ich bin bemüht, ein teilnahmsloses Gesicht zu machen. Sonst denkt er nur, dass ich an ihm interessiert bin.

Nach einer Weile beginnt er zu singen. Seine Singstimme ist ebenfalls tief und kratzig. Aber nachdem ich eine Weile zugehört habe, komme ich zu dem Schluss, dass es mir gefällt. Er trifft jeden Ton von Sunrise Avenue’s ‚6-0‘.

Er muss ziemlich von sich überzeugt sein, denke ich genervt. Während Nick immer näher kommt und mir bei jedem Wort tief in die Augen sieht, wird mir warm. Irgendwann halte ich es nicht mehr aus und sehe woanders hin.

Einige Leute gehen an uns vorbei und werfen etwas in meine Sammelbüchse. Als er fertig ist, blickt er mich erwartungsvoll an.

„War ganz nett“, sage ich ungerührt.

„Dein Gesicht sagt aber etwas anderes“, erwidert Nick grinsend.

„Bilde dir bloß nicht zu viel darauf ein“, gebe ich zurück. Kurzerhand packe ich meine Sachen zusammen.

„Was wird das?“, fragt er irritiert.

„Ich bin fertig für heute. Dank deiner Gesangseinlage ist meine Büchse voll“, erkläre ich.

Er klopft sich stolz auf die Brust. „Vielleicht sollte ich meinen Job an den Nagel hängen und auch Straßenmusiker werden.“ Ich verdrehe die Augen. Als ich mich auf den Weg mache, bemerke ich, dass er mich begleitet.