Sex vor Gericht - Alexander Stevens - E-Book

Sex vor Gericht E-Book

Alexander Stevens

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Beschreibung

Seine Geschichten übertreffen jeden Roman. Alexander Stevens, Anwalt für Sexualstrafrecht, berichtet von seinen spannendsten und skurrilsten Fällen: vom angesehenen Gynäkologen, der jahrelang den Intimbereich seiner Patientinnen fotografiert und die Bilder ins Internet stellt; vom Geschäftsführer einer Restaurantkette, der Frauen auf den Toiletten nachstellt; aber auch vom schüchternen Sonderling, der unschuldig als pädophiler Triebtäter abgestempelt und verurteilt wird. Nicht selten sind die Gerichtsverhandlungen ein Drama für sich. Alexander Stevens erzählt, was passiert, wenn es vor Gericht um Sex geht.

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Seitenzahl: 219

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Alexander Stevens

Sex vor Gericht

Ein Anwalt und seine härtesten Fälle

Knaur e-books

Über dieses Buch

Inhaltsübersicht

VorsorgeDie MenschenhändlerinSchatten des GrauLust1000. KapitelStadt, Land, SexGeldNachtlinieEdwardNie mehr Sex mit der RichterinSchmutzige NummerDer FruchtzwergSpanner langer HanselVergewaltigtDer Maler und sein PinselEine Tüte dazu?Lola stöhntSpaßLiebe deinen NächstenBabysitter für den PapaKüchenpsychologieDer HörerDer KinderfreundDie Sprache der Liebe
[home]

Vorsorge

Das ist meine Vagina.«

Die attraktive Schülerin zeigte mir eine gestochen scharfe Nahaufnahme. Ein bisschen zu nah und zu scharf für meine Begriffe, denn der Fotoausdruck hätte auch aus einem Anatomiebuch für Mediziner stammen können. Hätte sie mir nicht gesagt, dass es sich bei dem Foto um ihre – respektive eine – Vagina handelt, es hätte aus meiner Sicht auch jedes andere Körperorgan darstellen können.

Das besagte Bild ihrer Vagina hatte die Schülerin ihrer Aussage nach im Internet gefunden. Wie genau und warum, wollte sie allerdings nicht sagen. Im Internet gibt es jedenfalls bekanntlich nichts, das es nicht gibt, und anscheinend eben auch Interessenten für sehr detaillierte Vagina-Nahaufnahmen in eher medizinisch als erotisch inszenierter Pose.

Dass jedoch ein renommierter Chefarzt einer bekannten »Promiklinik« für das Vaginabild aus dem Internet verantwortlich sein sollte, war hingegen schon eine kühne Behauptung. Der Mediziner war in Justizkreisen auch als Gutachter bekannt und wurde aufgrund seiner hochgeschätzten Expertise bewundernd gerne auch nur »der Professor« genannt.

Allerdings beharrte die Schülerin darauf, dass sie selbst noch nie ihre Vagina fotografiert und auch sonst noch niemand das gute Stück zu sehen bekommen habe – mit Ausnahme des »Professors«.

Zu Letzterem war sie auf Empfehlung ihrer besten Freundin vor gut vier Monaten zu ihrer ersten gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung gegangen. Es war ihr erster Besuch bei einem Frauenarzt, weshalb sie seine Untersuchungsmethoden nicht weiter hinterfragt hatte. Obwohl es ihr schon seltsam vorgekommen war, dass es bei der Untersuchung mit dem Ultraschallgerät zu diversen »Blitzen« gekommen war, die den sonst eher abgedunkelten Raum hell erleuchteten.

Aber was nun der renommierte Arzt genau mit diesem Bild ihrer Vagina zu tun hatte, konnte sich die attraktive Blondine auch nicht recht erklären. Das Bild musste bei der Untersuchung entstanden sein und dann seinen Weg ins Internet gefunden haben. Sie beharrte darauf, dass es sich bei dem Bild definitiv um eine Abbildung ihrer Vagina handelte.

Deshalb hatte die Schülerin auch Strafanzeige gegen den stadtbekannten Frauenarzt erstattet. Wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen. Allerdings mit wenig Erfolg.

Ihrer Story hatte man keinen Glauben geschenkt. Nur wenige Wochen später erhielt sie eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft, dass in ihrem Fall noch nicht einmal Ermittlungen veranlasst worden seien.

In der Begründung zu den angezeigten Lichtblitzen bei der Ultraschalluntersuchung hieß es lapidar, dass Untersuchungen im Vaginalbereich unter Nutzung der hierzu notwendigen technischen Gerätschaften zu den ureigensten Aufgaben eines Frauenarztes gehörten und nicht strafbar seien. Hinsichtlich der angeblich aufgefundenen Fotos ihrer Vagina hatte der Staatsanwalt noch angemerkt, dass sich Vaginen aufgrund der bei allen Frauen gleichgearteten Physiologie nicht auf Übereinstimmung vergleichen ließen.

Woran der Staatsanwalt diese Erkenntnis allerdings festmachte – anhand seiner eigenen profunden Erfahrungen oder weil er besonders sachkundig auf dem Themengebiet war –, ließ er offen.

Ein Anfangsverdacht gegen den »Professor«, der auch schon für den sachbearbeitenden Staatsanwalt zahlreiche Gutachten gefertigt hatte, liege jedenfalls nicht vor.

Gut, realistisch betrachtet konnte ich meiner Mandantin in der Sache tatsächlich keine großen Hoffnungen machen. Die meisten Leute würden vermutlich nicht einmal ihre eigene Hand im Internet wiedererkennen, geschweige denn Körperteile, die man im Alltag noch seltener zu Gesicht bekommt.

Andererseits traute ich dem »Professor«, dem der Ruf anhaftete, seine gerichtlichen Gutachten getreu dem Motto »Wer zahlt, schafft an« zu fertigen, durchaus einen Hang zum Illegalen zu. Und die Verfahrenseinstellung des sachbearbeitenden Staatsanwaltes war aufgrund der wenig profunden Ausführungen zu den Themen Vaginen und gynäkologische Untersuchungen leicht angreifbar.

Die dem Staatsanwalt übergeordnete Generalstaatsanwaltschaft würde ihn im Falle meiner Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung mit hoher Wahrscheinlichkeit anweisen, seine Behauptungen noch mal von fachkundiger Seite verifizieren zu lassen.

Aber allein mit der Beschwerde gegen die Verfahrenseinstellung war meiner Mandantin noch nicht geholfen. Denn Beweise für ihre Anschuldigungen gegenüber dem Frauenarzt gab es ja nach wie vor keine.

Optimal wäre ein Lockvogel gewesen, der bzw. die einen Vorsorgetermin mit dem »Professor« vereinbaren würde, um die Vorwürfe meiner Mandantin gegebenenfalls bestätigen zu können. Wenn es dabei ebenfalls zu dubiosen Lichtblitzen und vaginalen Internetbildern kommen würde, wäre der »Professor« überführt.

Nur, freiwillig würde sich wohl kaum jemand zur Verfügung stellen. Und anders als in Amerika, wo Polizistinnen sich sogar als Prostituierte ausgeben, um Rotlicht- und andere Sexualdelikte aufzudecken, wird im deutschen Rechtssystem tunlichst alles gemieden, was auch nur im Entferntesten sexuell konnotiert ist.

So wird Sexualstrafrecht an deutschen Universitäten erst gar nicht unterrichtet, geschweige denn in den Staatsexamina geprüft. Und Polizistinnen werden auch nicht als Lockvögel für Sexualdelikte eingesetzt. Sexualstrafsachen sind schmuddelig, und mit Schmuddel will die konservative deutsche Justiz möglichst nichts zu tun haben.

Eine Frau aus meinem eigenen Freundes- oder Bekanntenkreis konnte ich auch kaum auf den zwielichtigen Frauenarzt ansetzen, wenn die Vorwürfe, die meine Mandantin erhob, wirklich zutrafen. So abgebrüht ist man selbst als Anwalt nicht.

Einzige realistische Chance bot also die Erstellung eines Vergleichsgutachtens des Vaginabildes aus dem Internet mit dem »Original« meiner Mandantin.

Ließe sich verifizieren, dass das Foto aus dem Internet mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Vagina der Schülerin darstellt, so würde die Staatsanwaltschaft ihre Augen nicht mehr vor den mutmaßlichen Machenschaften des renommierten Frauenarztes verschließen können. Der Staatsanwalt wäre zumindest gezwungen, etwas genauer beim Herrn »Professor« nachzuhaken.

Wie und woran allerdings ein Sachverständiger einen solchen Vaginenvergleich festmachen würde, war mir persönlich ein Rätsel. Vielleicht will man es auch zur Wahrung der eigenen Sexualität gar nicht so genau wissen. Jedenfalls würde das Vergleichsgutachten einige Zeit in Anspruch nehmen, so die profunde Diagnose des mit diesem Unterfangen beauftragten Gutachters.

 

Der »Professor« bemerkte im ersten Moment gar nicht, dass die Tür seines Behandlungszimmers während seiner laufenden Untersuchung aufging. Zu sehr war er mit der auf dem Gynäkologenstuhl liegenden Patientin beschäftigt. Den kurzen Lichtblitz nahmen die eintretenden Polizeibeamten noch wahr, bevor sie dem verdutzten Mediziner die Handschellen anlegten.

Das von mir für meine Mandantin in Auftrag gegebene Vergleichsgutachten war nicht nur zu dem Ergebnis gekommen, dass zwischen dem Foto aus dem Internet und der Vagina der Schülerin eine hundertprozentige Übereinstimmung bestand; der Sachverständige hatte auch fachkundig erläutert, dass gynäkologische Ultraschalluntersuchungen keinesfalls Lichtblitze erzeugten.

Da konnte selbst der dem »Professor« so wohlgesinnte Staatsanwalt nicht anders, als auf meinen Antrag hin einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss für die Praxisräume des Frauenarztes zu erwirken.

Dass der »Professor« bei dem unangekündigten Besuch der Polizei auch noch in flagranti beim Fotografieren der Vagina einer seiner Patientinnen mittels einer Art Kamerabrille samt eingebautem Blitzlicht erwischt wurde, war purer Zufall. Vermutlich genauso zufällig wie das von der Schülerin im Internet entdeckte Bild ihrer Vagina.

Freilich wollte auch der renommierte Herr »Professor« nicht angeben, wie das Vaginabild der Schülerin ins Internet gelangt war. Aber das musste er auch nicht. Es war offensichtlich, dass das mit »Behandlungsraum 4« beschilderte Zimmer neben dem Empfang definitiv kein Behandlungsraum war. Anstelle von medizinischen Gerätschaften fanden die Polizisten dort vielmehr ein hochtechnisiertes Rechenzentrum vor, mit zahlreichen Servern, drei aneinandergereihten Computerbildschirmen und einem professionellen Videoschnittsystem zum Bearbeiten von Filmen.

Wie viele Bilder und Videos es letztlich waren, die der renommierte Arzt von den Vaginen seiner Patientinnen ohne deren Wissen oder gar Zustimmung auf eine pornographische Bezahlseite im Internet hochgeladen hatte, blieb im Ergebnis unklar. Verständlicherweise scheuten die meisten Patientinnen ein Vergleichsgutachten ihrer Vagina mit den ausgewerteten Bilddateien vom Server. Meine Mandantin war leider die einzige, die sich getraut hatte.

Doch ohne den Beweis, dass es sich bei den aufgefundenen Fotos tatsächlich um die Vaginen zahlreicher anderer Patientinnen handelte, wurde der »Professor« nur wegen des einen Fotos meiner Mandantin verurteilt. Er kam mit einer kleineren Geldstrafe davon.

Als Gerichtsgutachter wurde der »Professor« aber seither nicht mehr bestellt, auch nicht von dem sachbearbeitenden Staatsanwalt.

[home]

Die Menschenhändlerin

Frau F. war vom ersten Moment an dabei gewesen. Vor gut zwei Wochen hatte Frau F. das Mädchen in Bulgarien aufgesucht, angeblich um ihr einen attraktiven Au-pair-Job in Deutschland zu vermitteln. Frau F. hatte gutes Geld geboten für drei Monate Kinderbetreuung und Aushilfsarbeiten im Haushalt, bei freier Kost und Logis. Das Mädchen wollte sich die Chance nicht entgehen lassen und war einverstanden.

 

Es war ein verlassenes, von einer hohen Mauer umschlossenes Gelände mit einem einzelnen großen Backsteingebäude, auf dem das Mädchen von zwei finstergesichtigen, bulligen und am ganzen Körper tätowierten Männern aus der schwarzen Limousine gezerrt wurde. Auf Befehl von Frau F. nahmen ihr die beiden Männer die Augenbinde ab. Frau F.s zuvor noch so freundlicher Gesichtsausdruck war eiskalt. Die beiden Männer, die Frau F. auf der Fahrt nach Deutschland als ihre Brüder vorgestellt hatte, hatte Frau F. fest im Griff.

 

In der Wohnung, in der das bulgarische Mädchen zunächst mit Frau F. und ihren Brüdern angekommen war, gab es keine Kinder und keine Gastfamilie. Der wahre Grund, warum Frau F. das Mädchen nach Deutschland gelockt hatte, ließ nicht lange auf sich warten. Kurz nachdem sie in Frau F.s Wohnung angekommen waren, kam sie auch gleich zur Sache. Ob sie es »freiwillig« mit zahlungswilligen Männern machen würde oder ob sie dazu erst noch ein paar schmerzhafte »Lektionen« benötige, hatte Frau F. das Mädchen direkt gefragt.

Natürlich hatte das junge Mädchen weder das eine noch das andere gewollt. Sex gegen Geld, so etwas würde sie niemals tun. Außerdem hatte sie einen festen Freund.

Frau F. stellte ihre Frage nur einmal. Da das Mädchen zu lange mit seiner Antwort zögerte, wurde es von den Männern brutal niedergeschlagen, ins Auto geschleppt und auf dieses gottverlassene Gelände verbracht, umgeben von Schotter, Kies, Bäumen und einer unüberwindbar hohen Mauer. Außer dem großen verlassenen roten Backsteingebäude in der Mitte des Areals war nichts zu sehen, nichts zu hören. Mit einem festen Tritt in ihre Kniekehlen gaben die beiden grobschlächtigen Männer ihr das Kommando loszugehen.

Das rote Backsteingebäude, in das das Mädchen geführt wurde, wirkte unbewohnt. Innen waren alte Möbel aus längst vergangenen Tagen, die zum Teil mit vergilbten Laken abgedeckt waren. Die Männer brachten sie durch zwei Zimmer und durch einen langen Korridor zu einer kleinen, unscheinbaren Holztür. Von dort aus führte eine steile Treppe hinab in ein feuchtes, finsteres Kellergewölbe. Deutlich war das Geräusch von fließendem Wasser zu hören. Eine einzelne provisorisch angebrachte Glühbirne spendete schwaches Licht, der Boden war dreckig und feucht. Frau F. war nicht mehr zu sehen.

Einer der Männer ließ das Mädchen los, um eine schwere, in der gegenüberliegenden Wand eingelassene Eisentür aufzuschließen. Das Aufschieben der Tür bereitete dem muskulösen Mann ersichtlich große Mühe. Dahinter befand sich eine weitere Tür, die mit einem elektronischen Codeschloss versehen war. Nach Eingabe einer Zahlenkombination öffnete sie sich automatisch. Die Tür war ganz offensichtlich erst vor kurzem eingebaut worden.

Das Mädchen wurde von den beiden Riesen gepackt und in den nahezu finsteren Kellerraum geworfen. Sie fiel auf den feuchten, kalten Kellerboden, hörte, wie die Tür ins Schloss fiel, dann war es dunkel. Nur durch einen kleinen Türspalt drang ein wenig Licht in ihr Gefängnis. Niemand würde sie hier finden.

Erst nachdem sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie die Umrisse der anderen beiden Frauen erkennen. Sie saßen zusammengekauert in der Ecke. Sie rührten sich nicht und sagten auch nichts.

Als sicher war, dass die bulligen Männer auch wirklich weg waren, fing eine der Frauen an, auf Bulgarisch zu sprechen. Mit schwacher Stimme erzählte sie, dass sie schon seit zwei Tagen hier eingesperrt sei, ohne Essen und Trinken. Die Männer hätten gesagt, nur wenn sie verspreche, mit anderen Männern gegen Bezahlung Sex zu haben, werde sie das Kellerverlies lebend verlassen.

Die andere Frau rührte sich gar nicht mehr. Das Mädchen wusste nicht, ob sie überhaupt noch lebte.

Nach gefühlt mehreren Stunden öffnete sich die Tür zu ihrem Verlies. Eskortiert von den bulligen Brüdern trat Frau F. ein. Frau F. sah das Mädchen mit ihrem eiskalten Blick nur an. Sie musste nichts sagen. Das Mädchen wusste, sie hatte keine andere Wahl. Wenn sie auf Frau F.s Forderung nicht eingehen würde, dann würde sie dort unten sterben. Ohne Widerrede folgte sie Frau F.

Von nun an tat das Mädchen alles, was Frau F. von ihr verlangte.

Was mit den anderen beiden Frauen in dem Verlies passiert ist, wusste das Mädchen nicht. Sie hatte sich auch nicht getraut nachzufragen.

 

Die Polizei hatte den Notruf sehr ernst genommen. Das Polizeiaufgebot war enorm. Sofort wurden Frau F. und ihre Brüder von einem Sondereinsatzkommando festgenommen und getrennt voneinander vernommen.

Der Vater des bulgarischen Mädchens hatte die Polizei informiert. Seine Tochter hatte ihn in einem unbeobachteten Moment von dem Nobelbordell aus, in dem sie für Frau F. anschaffen ging, anrufen und ihn um Hilfe bitten können.

Zwar war Frau F. dem Mädchen die ersten beiden Wochen noch auf Schritt und Tritt gefolgt, ab der dritten Woche hatte sie die Aufsicht über das Mädchen jedoch gänzlich dem Zuhälter des Bordells übertragen. Das Mädchen hatte sofort die erstbeste Gelegenheit genutzt, um Hilfe zu holen.

Obwohl die Polizei nicht gerade zimperlich mit Frau F. und ihren Brüdern umging, schwiegen sie beharrlich. Weder mit unlauteren Drohungen noch mit haltlosen Versprechungen ließen sich die drei dazu bewegen, den Beamten endlich das Kellerversteck preiszugeben.

Dass die Nerven der Ermittler blank lagen, war nachvollziehbar. Alle waren sich nach der Aussage des bulgarischen Mädchens sicher, dass Frau F. und ihre Bande noch mehr Frauen ohne Essen und Trinken in dem geheimen Kellerverlies gefangen hielten. Wenn Frau F. oder ihre Gorillas nicht bald das Versteck verraten würden, dann drohten die entführten Frauen einen qualvollen Tod zu sterben – wenn es nicht ohnehin schon zu spät war.

Unmittelbar nach der Rettung des bulgarischen Mädchens hatte die Polizei deshalb angefangen, Anwesen in der ganzen Umgebung auszukundschaften, aufzubrechen und zu stürmen, auf die die Beschreibung des Mädchens halbwegs gepasst hatte. Ohne Erfolg.

Das Einzige, was Frau F. und ihre beiden Lakaien gesagt hatten, war, dass sie einen Anwalt sprechen wollten. Diesen Wunsch konnten die Polizisten ihnen nicht verwehren. Sobald gegen jemanden ein Haftbefehl erlassen wird, hat er in Deutschland unbedingten Anspruch auf einen Anwalt, den er sich frei aussuchen darf. Und kann der Verhaftete sich keinen Anwalt leisten, muss der Staat das Geld hierfür vorstrecken.

Frau F. wählte aus dem dicken gelben Telefonbuch, das die Polizisten ihr wütend hingeknallt hatten, ausgerechnet mich aus. Sie kannte mich nicht, es war reiner Zufall.

Noch ehe ich Frau F. persönlich sprechen konnte, wurde ich auf dem Gang des Polizeipräsidiums von der ermittelnden Staatsanwältin abgepasst. Das war kein Zufall. In eindringlichen Worten erklärte sie mir kurz den Sachverhalt und forderte mich unverblümt dazu auf, das Versteck mit dem geheimen Kellerverlies aus Frau F. »herauszukitzeln«. Nach der glaubhaften Schilderung des Mädchens gehe es schließlich um das Leben weiterer zur Zwangsprostitution verschleppter Frauen, die einen qualvollen Tod zu sterben drohten.

Im Prinzip wollte mich die Staatsanwältin damit relativ offen zu einem strafbaren Parteiverrat anstiften, denn sämtliche Informationen, die mir ein Mandant anvertraut, unterliegen der anwaltlichen Schweigepflicht. Ohne ausdrücklichen Willen des Mandanten darf ich schon von Gesetzes wegen keine Mandatsgeheimnisse offenbaren. Tue ich es doch, mache ich mich grundsätzlich selbst strafbar. Das wusste auch die Staatsanwältin.

Das Problem ist nur, Recht und Gesetz sind in der Theorie schön und gut. Wenn es aber jenseits der Gesetzbücher und Rechtsbibliotheken plötzlich um Leben oder Tod geht und Stunden oder gar Minuten hierüber entscheiden, können eherne Theorien und juristische Lehren schnell verblassen. Was ich auch tun würde, es wäre in jedem Fall keine rein rechtliche, sondern auch eine schwierige moralische Entscheidung, dachte ich mir, als der Wachtmeister mich zu Frau F. in die Zelle führte.

Frau F., die übrigens ausgezeichnet Deutsch sprach, passte in das von der Staatsanwältin gezeichnete Bild: herrischer Gesichtsausdruck, kräftiger Händedruck, eine eher ungepflegte Erscheinung, düsterer Blick und vor allem diese ruhige, aber in jeder Silbe dominant klingende Stimme. Gepaart mit den im Raum stehenden Vorwürfen verursachte mir das Treffen ein ziemlich mulmiges Gefühl.

Ich versuchte dennoch sachlich zu bleiben, die sich womöglich im Todeskampf befindenden Mädchen in dem Kellerverlies unmittelbar vor Augen, und erläuterte Frau F. die rechtlichen Möglichkeiten, die es für sie gab. Sollten Frau F. und ihre »Brüder« das Kellerversteck offenbaren und mit der Polizei zusammenarbeiten, würde das angesichts der Schwere und Dringlichkeit des Falls ganz erhebliche Auswirkungen auf die spätere Strafe haben. Würden die Frauen noch lebend gerettet, könnte Frau F. sogar mit einer deutlich milderen Strafe davonkommen.

Es ist eine alte Faustregel im Strafrecht: Je früher das Geständnis, desto größer die Strafmilderung.

Und selbst wenn die polizeiliche Hilfe für die Frauen zu spät kommen würde, könnten Rettungsbemühungen und ein frühes Geständnis von Frau F. immer noch den Unterschied zwischen fünfzehn oder zwanzig Jahren Gefängnis und darüber hinaus machen. Denn auch wenn auf Mord grundsätzlich lebenslange Freiheitsstrafe steht, gibt es in weniger schweren Fällen die Möglichkeit, schon nach fünfzehn Jahren Haft eine Außervollzugsetzung auf Bewährung zu beantragen.

Eine Zusammenarbeit mit den Behörden konnte sich also in jedem Fall für Frau F. lohnen. Zumindest versuchte ich, es ihr angesichts des ungewissen Schicksals der mutmaßlich verschleppten Frauen schmackhaft zu machen.

Frau F. beharrte jedoch darauf, dass sie nichts wisse. Sie verzog dabei keine Miene. Auch weitere Bemühungen meinerseits, mir doch bitte die Wahrheit zu sagen und mit den Behörden zusammenzuarbeiten, um nicht nur die eingesperrten Mädchen vor einem schlimmen Schicksal, sondern auch sich selbst vor einer hohen Strafe zu bewahren, halfen nichts.

Frau F. konnte oder wollte nichts sagen. Das Einzige, was sie zugab, war, das von der Polizei gerettete Mädchen ursprünglich mal aus Bulgarien nach Deutschland mitgenommen zu haben. In Deutschland angekommen, hätten sich aber ihre Wege getrennt. Mit Zwangsprostitution hätten weder sie noch ihre Brüder etwas zu tun.

Ich sagte Frau F. wahrheitsgemäß, dass ich dann vorerst nicht viel für sie tun könne, ehe ich die Ermittlungsakten bekäme. Danach erst könnte ich die weitere Verteidigungsstrategie mit ihr besprechen.

Frau F. zur Verabschiedung die Hand zu geben fiel mir nicht leicht. Ich hatte den eingesperrten Frauen gegenüber ein verdammt schlechtes Gewissen.

Der Staatsanwältin teilte ich mit, dass meine Mandantin ihr leider nichts zu sagen habe. Quittiert wurde es mir mit einem enttäuscht-wütenden Gesichtsausdruck. Für die Staatsanwältin war ich nun einer dieser unanständigen Strafverteidiger, der sich für die falsche Seite des Rechts entschieden hatte.

Sie ärgerte sich bestimmt, dass Frau F. ausgerechnet mich als ihren Verteidiger gewählt hatte. Aus vorangegangenen Begegnungen mit mir wusste die Staatsanwältin nämlich, dass ich nicht zu der Sorte von Verteidigern gehöre, die ihre Mandanten zu vorschnellen Geständnissen überreden, nur um bei der Justiz gut dazustehen und dann von den Richtern oder Staatsanwälten weitere Pflichtverteidigungen vermittelt zu bekommen. Ich sah ihr an, dass sie es mir durchaus zutraute, ihr das Versteck zum Schutze meiner Mandantin nicht zu verraten, selbst wenn ich es gewusst hätte.

Aber was die Staatsanwältin über mich dachte, war mir letztlich egal. Schließlich belastete mich das Schicksal der eingesperrten Frauen keineswegs weniger, auch wenn mir die Entscheidung, ob ich für oder gegen meine Mandantin Stellung beziehen würde, aufgrund von Frau F.s beharrlichem Schweigen erspart geblieben war.

Auch die beiden Brüder von Frau F. – mittlerweile ebenfalls anwaltlich vertreten – hatten keinerlei Angaben gemacht. Die Ermittlungen der Polizei waren bislang ergebnislos geblieben. Weder meldete sich ein weiteres Mädchen bei der Polizei, noch gab es einen Leichenfund. Und eine Aussage von den mutmaßlichen Tätern erzwingen konnten die Ermittler auch nicht. Das verbot das Gesetz.

Zwang oder gar Folter sind in einem Rechtsstaat strikt verboten, und das zu Recht: Zu leidvoll sind die Erfahrungen aus der Geschichte. Und täten die Polizisten es doch, dann würden sie sich nicht nur strafbar machen, das mit Folter erpresste Geständnis wäre auch nicht gerichtsverwertbar. Eine moralische Zwickmühle. Recht und Gesetz gegen die potenzielle Rettung von Menschenleben.

Die einzige Hoffnung der Polizei und Staatsanwaltschaft war daher eine weitere Vernehmung des aus dem Bordell geretteten Mädchens. Diese Vernehmung wollte man zunächst vermeiden, um sie zu schützen. Das Mädchen war mittlerweile an einem geheimen Ort untergebracht, von dem nur der leitende Kriminalbeamte der eigens gegründeten Sonderkommission »Keller« wusste. Die Polizei ging fest davon aus, dass es sich um einen ganzen Menschenhändlerring rund um Frau F. handeln musste, der vor nichts zurückschrecken würde. Man wollte auf Nummer sicher gehen – schließlich war das Mädchen die einzige Zeugin.

 

Die Situation berührte mich, ich zerbrach mir an diesem Abend lange den Kopf darüber. An Einschlafen war nicht zu denken. Zur Ablenkung schaltete ich den Fernseher an, ohne wirklich wahrzunehmen, was an mir vorbeiflimmerte. Mein Blick ging durch den Fernseher hindurch, ich überlegte fieberhaft, wie ich Frau F. vielleicht doch noch davon überzeugen könnte, das Kellerversteck preiszugeben.

Dabei war das Nachtprogramm an diesem Abend durchaus sehenswert. Als eine dunkel gekleidete Gestalt eine schwere Eisentür und danach eine weitere mit einem elektronischen Zahlenschloss gesicherte Tür öffnete und zusammen mit einem Komplizen ein junges Mädchen in ein dunkles Kellerverlies brachte, konzentrierte sich meine ganze Aufmerksamkeit auf diese alte »Tatort«-Folge. Der einsame Schotterplatz, das rote Backsteingebäude, die schwarze Limousine und das Geräusch von fließendem Wasser. Selbst die Autofahrt mit verbundenen Augen war mit der Aussage des bulgarischen Mädchens identisch.

Meine am nächsten Morgen sogleich an die Staatsanwältin und Polizei übermittelte Fernsehempfehlung ließ die heiß gelaufenen Nerven aller Beteiligten schlagartig abkühlen. In der ARD-Mediathek war die »Tatort«-Folge für alle schnell abrufbar.

Damit konfrontiert, gab das Mädchen schließlich zu, alles erfunden zu haben. Sie war tatsächlich freiwillig nach Deutschland gekommen. Frau F. und ihre Brüder hatte sie um eine Mitfahrgelegenheit nach Deutschland gebeten, um als Prostituierte in besagtem Nobelbordell Geld zu verdienen.

Das Mädchen hatte Frau F. und ihren Begleitern erzählt, als Au-pair-Mädchen in Deutschland arbeiten zu wollen. Als aber der Vater des Mädchens, der schon vor einigen Jahren nach Deutschland ausgewandert war, überraschend in dem Bordell als Kunde auftauchte und seine eigene Tochter dort erkannt hatte, musste sie sich schnell eine gute Ausrede einfallen lassen.

Die »Tatort«-Folge hatte sie kürzlich im Nachtprogramm gesehen.

[home]

Schatten des Grau

Paragraph 1:

Die SKLAVIN hat dem HERRN vier Mal im Monat binnen zwölf Stunden Vorlaufzeit auf Kommando des HERRN für jeweils eine Therapiesitzung (siehe hierzu Paragraph 3) zur Verfügung zu stehen. Ausnahmen hiervon sind nur zulässig bei erheblichen Krankheitsfällen, die von einem Arzt attestiert sein müssen, oder in Trauerfällen von Verwandtschaft ersten Grades.

 

Paragraph 2:

Die SKLAVIN hat sich dem HERRN gegenüber jederzeit devot, höflich und zuvorkommend zu verhalten. Sie darf dem HERRN niemals widersprechen.

Den HERRN hat die SKLAVIN stets mit »Mein HERR« anzusprechen und dabei eine unterwürfige Haltung zu bewahren.

Das Sprechen ist der SKLAVIN nur nach Aufforderung durch den HERRN gestattet.

 

Paragraph 3:

Der HERR vollzieht an der SKLAVIN Therapiesitzungen.

Eine Therapiesitzung beträgt mindestens sechzig Minuten.

In Vorbereitung auf jede Sitzung hat sich die SKLAVIN gänzlich zu entkleiden und einen ledernen Bauchgurt mit Befestigungsösen, Arm- und Fußbänder mit Befestigungsösen sowie ein Lederhalsband mit Karabinerhaken anzulegen. Gegebenenfalls hat die SKLAVIN hiervon abweichend oder zusätzlich die vom HERRN für die jeweilige Therapiesitzung eigens verordnete therapeutische Kleidung zu tragen.

Unmittelbar vor Beginn der Therapiestunde wird der SKLAVIN vom HERRN ein geeignetes Objekt seiner Wahl in Vagina und/oder Anus eingeführt, dessen Länge und Umfang sich jeweils nach Art der bevorstehenden Therapie ausrichtet.

Weiterhin hat die SKLAVIN während der Sitzungen stets einen vom HERRN zur Verfügung gestellten Knebel im Mund zu tragen, der nur vom HERRN entfernt werden darf.

 

Paragraph 4:

Der Therapieverlauf wie auch der Verlauf der einzelnen Sitzungen gestaltet sich ausschließlich nach Maßgabe des HERRN.

 

Paragraph 5:

Im Einzelnen hat die SKLAVIN mindestens einmal pro Therapiesitzung den oralen und/oder vaginalen und/oder analen Geschlechtsverkehr mit dem HERRN oder einer von ihm zu bestimmenden dritten Person zu vollziehen.

Sie hat einmal pro Monat die gleichzeitige Penetration von Mund und/oder Vagina und/oder Anus durch den HERRN und eine oder zwei von dem HERRN zu bestimmende dritte Person zu erdulden.

Weiterhin hat die SKLAVIN einmal pro Monat gleichgeschlechtliche Sexualpraktiken mit einer weiblichen Hilfsperson nach Maßgabe des HERRN zu tolerieren und/oder vorzunehmen.

Die Wahl der zusätzlichen Sexualpartner ist ausschließlich dem HERRN überlassen.

 

Paragraph 6:

Die SKLAVIN hat jedwede Fesselung mit Handschellen, Seilen oder Kabelbindern sowie die Verbringung in eigens angefertigte Pranger, Käfige und Seilzuganlagen widerstandslos zu erdulden. Hierzu gehört insbesondere die sog. Blackbox, ein blickdichter, sargähnlicher Holzkasten mit verschiedenen integrierten Öffnungen, durch die der Insasse ertastet und penetriert werden kann.

 

Paragraph 7:

Die SKLAVIN hat nach Maßgabe des HERRN zur Vorbereitung auf die therapeutischen Sitzungen von dem HERRN ausgewählte Erotik- und Pornofilme gemeinsam mit diesem anzusehen und sie gegebenenfalls mit dem HERRN auf dessen Wunsch hin detailgetreu nachzustellen.

 

Paragraph 8:

Die SKLAVIN hat jederlei körperliche Züchtigung als Strafe für Zuwiderhandlungen (Paragraph 9) widerstandslos hinzunehmen.

 

Paragraph 9:

Jegliche Zuwiderhandlung gegen die oben aufgeführten Pflichten der SKLAVIN werden von dem HERRN mit strengen Strafen geahndet.

Die Wahl der geeigneten und angemessenen Bestrafung ist hierbei allein dem HERRN überlassen.

 

Paragraph 10:

Art, Dauer und Umfang der verordneten Strafen liegen im freien Ermessen des HERRN. Die Einzelstrafe darf aber die Dauer einer Therapiesitzung nicht überschreiten. Insbesondere wird der HERR als Strafen für die ungehorsame SKLAVIN folgende Züchtigungsmittel in Betracht ziehen:

– Streiche mit Gerte, Rute, Bambusstock und Peitsche auf Hand- und Fußflächen, Gesäß, Oberschenkel und Brüste;

– das Führen an einer Hundeleine;

– das Tragen einer Hundemaske;

– das Aufhängen an den Hand- und Fußgelenken (v.a. an der sogenannten Spanischen Schaukel).

Vertragsrecht gehörte nicht gerade zu meinen Lieblingsfächern während des Jurastudiums. Meidet man das Wirtschaftsstrafrecht, wird man als Strafrechtler auch normalerweise nicht mehr mit Vertragsrecht behelligt. Zumindest hatte ich nichts mehr damit zu tun gehabt, bis ich in der Haftzelle auf den Verfasser des obigen Vertrages treffen sollte.