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Wenn Sie erfüllenden Sex nicht mehr dem Zufall oder den «perfekten Voraussetzungen» überlassen wollen, ist die beste Zutat Sexbewusstsein: Selbstvertrauen und Selbstsicherheit in Sachen Erotik und Achtsamkeit sich selbst und dem Partner gegenüber gehören ebenso dazu, wie zu erkennen, ob und wo es Störfaktoren in Ihrem Liebesleben gibt. Beatrice Poschenrieder erklärt anhand von Fallbeispielen aus ihrer Beratungspraxis, wie Körper, Geist und Seele beim Sex zusammenwirken, wie ein harmonisches Miteinander gelingen kann und wie Sie mittels Eigenanalyse und praktischer Übungen Ihr Sexbewusstsein optimieren können.
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Seitenzahl: 404
Veröffentlichungsjahr: 2011
Beatrice Poschenrieder
Sexbewusstsein
So finden Sie erotische Erfüllung
Rowohlt Digitalbuch
Wenn ich Leute frage «Was ist am wichtigsten für tollen Sex?», bekomme ich zwar auch Antworten wie «ein guter Vibrator» oder «ein schalldichtes Schlafzimmer», mit Abstand am häufigsten jedoch «der richtige Partner» oder «ein erfahrener und tabuloser Partner». Wie kommt es dann bloß, dass in erstaunlich vielen Beziehungen, in denen der Partner gewiss der «Richtige» ist, der Sex nicht so toll ausfällt? Oder dass er mit jemandem, der alle Finessen beherrscht, dennoch völlig daneben sein kann?
In den fast 20 Jahren, seit ich mich beruflich mit «Partnerschaft und Erotik» befasse, habe ich festgestellt, dass einige Menschen viel öfter erfüllenden Sex haben als andere, und zwar auch mit einem nicht perfekten Partner (sofern man sich mag und anziehend findet) und unter keineswegs perfekten Bedingungen. Zutaten wie «Liebe», «Erfahrung» oder «Tabulosigkeit» sind sicher eine feine Sache, aber keine unabdingbare Voraussetzung – sondern eher, wie man mit sich, mit dem anderen und mit Sex an sich umgeht; unter anderem, ob man den Willen aufbringt, Zeit und Energie zu investieren und teilweise auch über den eigenen Schatten zu springen.
Wenn Sie erfüllten und erfüllenden Sex nicht mehr dem Zufall oder den «perfekten Voraussetzungen» überlassen wollen, dann ist die Hauptzutat Sexbewusstsein. Hierbei handelt es sich nicht um eine bestimmte Eigenschaft, es setzt sich vielmehr aus mehreren Elementen zusammen. Dieses Buch zeigt Ihnen ein Element nach dem anderen. Zuerst behandle ich sexuelles Selbstbewusstsein im Sinne von Selbstvertrauen und Selbstsicherheit: «Ich bin okay, mein Körper ist okay, und das, was ich im Bett mache oder nicht mache, ist okay.» Wer dies auslebt, muss allerdings auch gewisse Grenzen beachten, denn beim Sex im landläufigen Verständnis ist ja nicht nur ein anderer Mensch involviert, sondern man dringt auch in dessen intimste Bereiche vor, genauso wie man ihn in seine eigenen intimsten Bereiche lässt – körperlich wie seelisch. Daher spielt bei Sexbewusstsein auch immer eine Rolle, was «normal» ist und was nicht (bzw. was mehrheitlich, gesellschaftlich, kulturell als «normal» betrachtet wird und was nicht) und was man dem anderen sowie sich selbst zumuten kann. Denn obwohl viele aus Zurückhaltung zu geringe Ansprüche stellen, gibt es auch einige, die dem Partner definitiv zu viel zumuten.
Sexbewusstsein heißt aber auch, ganz bewusst mit Sex umzugehen: also ihn nicht einfach routinemäßig ablaufen zu lassen, ihn nicht als Mittel zum Zweck einzusetzen oder nur dumpfen Trieben ihren Lauf zu lassen (wobei Letzteres mitunter sehr gut sein kann, wenn es zur Situation passt – ungünstig ist nur, wenn es der einzige Sexstil ist). Stattdessen gilt es, achtsam mit sich, seinem Körper und seinem Partner umzugehen. Das gelingt aber nur, wenn man dabei nicht von Ängsten, Unsicherheit, Ärger, Egozentrik, Unlust, Müdigkeit oder ähnlichen Beeinträchtigungen regiert wird. Entsprechend setzt einer der Aspekte von Sexbewusstsein bei der Fähigkeit an, sowohl beim Partner als auch bei sich selbst zu erkennen und zu erspüren, was dem Zusammenspiel, dem Genuss und der Hingabe hinderlich ist. Weil sehr viele dieser Vorgänge unbewusst ablaufen, sind sie nur schwer zu durchschauen. Daher kennt man oft nicht einmal die Gründe, warum der Sex nicht so toll ist, wie er sein könnte, geschweige denn findet man die richtigen Lösungswege. Ihr Bewusstsein für solche Vorgänge zu schärfen, ist eines der Anliegen dieses Buches. Und um dann auch Störfaktoren zu ändern bzw. neue Wege zu wagen, benötigt man wiederum sexuelle Selbstsicherheit – und damit schließt sich der Kreis.
Kurzum: Es gibt nicht das eine Rezept, um Sexbewusstsein zu erlangen – es ist ein Prozess, in dem viele Faktoren zusammenwirken, ineinandergreifen und sich gegenseitig ergänzen. Einiges, was ich auf den folgenden Seiten anführen werde, kennen und leben Sie vielleicht längst, anderes wird Sie womöglich dazu anregen, Ihr Bewusstsein zu erweitern und sich selbst sowie Ihren Partner besser verstehen zu lernen.
Somit liefert Ihnen dieses Buch kaum konkrete Anleitungen für Sexpraktiken – es geht im Kern um die Psychologie von Sexualität und um das Zusammenspiel zwischen Körper, Geist und Seele. Und um allzu viele theoretische Erklärungen zu vermeiden, erläutere ich etliches anhand realer Beispiele: Fälle aus meiner Beratungspraxis, die mir im persönlichen Gespräch sowie telefonisch geschildert wurden, sowie Briefe und Mails aus meinen Kummerkästen. Neben ausführlichen Kommentaren zu den individuellen Fragestellungen finden Sie auch hieraus abgeleitete Tipps und praktische Übungen.
Die Personen und Sachverhalte, von denen ich berichte, sind alle echt, zum Schutz der Betroffenen habe ich lediglich die Namen und andere persönliche Angaben geändert. Übrigens: Viele, die meine Hilfe suchen, kommen nicht als Paar, sondern als Einzelperson auf mich zu.
«Ich weiß, wie man einen Mann sexuell um den Finger wickelt», sagte mir kürzlich eine Freundin, «ich kann z.B. diesen Trick mit der Perlenkette um den Penis, ich kann Kondome mit dem Mund überstreifen und ich habe einen Tabledance-Kurs absolviert.» Eine andere berichtet mir ständig davon, wie sie es mit wechselnden Liebhabern auf Küchentischen treibt, bis sie zusammenbrechen (die Tische und manchmal auch die Liebhaber). Obwohl ich Frauen, die das alles draufhaben, von Herzen beglückwünsche: Ich gehöre nicht unbedingt dazu – nicht mehr. Und tabulos bin ich auch nicht; da halte ich es mit dem Spruch: Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein. Doch ich verurteile die wilden Feger keineswegs, genauso wenig verspüre ich Neid oder Minderwertigkeitsgefühle. Ich und Sex – das ist heute ein sehr entspanntes Thema. Wenn ich welchen habe, gehe ich so damit um, dass er mir Spaß macht (und meinem Freund auch, nehme ich an, zumindest will er viel davon). Natürlich ist nicht jeder Akt ein Feuerwerk (das wäre ja auch anstrengend), geht mal einer daneben, ist’s auch wurscht, und wenn wir mal eine Zeitlang wenig Sex haben, mache ich mir auch keine Sorgen.
Ich werde auch Ihnen nicht das Ziel nahelegen, zur perfekten Liebhaberin oder zum Sexgott zu werden, wie manche Bücher das empfehlen. Denn ich will Sie weder stressen noch unter Druck setzen. Ebenso wenig werde ich Ihnen raten, alle Hemmungen fallen zu lassen, denn Hemmungen haben auch ihren Sinn – das werden Sie noch sehen. Stattdessen werde ich Ihnen erklären, wie Sie ein gutes Gespür und Bewusstsein für Ihre Sexualität, Ihre körperlichen Reaktionen und Ihre ganz eigenen Zusammenhänge erlangen. Damit Sie noch genauer erkennen können, ob Sie Ihr volles persönliches Potenzial schon entfaltet haben – egal wie das aussehen mag und welche Ansprüche andere diesbezüglich hegen – und damit Sie sich mit Ihrer Art und im Sex mit Ihrem Partner jederzeit wohl fühlen. Denn trotz aller sexuellen Befreiung: Wir sind sexuell noch lange nicht frei, das Unwohlsein lauert überall.
Vor kurzem hielt ich in Berlin einige Vorträge zum Thema «Sex für Gestresste». Eine gute Bekannte verschickte fleißig Einladungen in ihrem Freundeskreis, der überwiegend aus modernen, erfolgreichen, selbstsicheren Großstädtern besteht, die mitten im Leben stehen zwischen Berufs- und Freizeitstress. Sie war davon ausgegangen, dass die Fragestellung gerade bei ihnen auf Interesse stoßen würde. Doch nicht einer kam, stattdessen erntete sie etliche angesäuerte Reaktionen nach dem Motto «Denkst du etwa, ich hätte das nötig?!»
Ein ähnliches Unbehagen ergreift sehr viele, wenn sie in einen Sexshop gehen, die Erotik-Abteilung einer Videothek oder Buchhandlung betreten, einen Sexratgeber kaufen oder ihn gar in der Öffentlichkeit lesen; einige fühlen sich auch sehr unwohl dabei, vor dem Partner aufreizende Unterwäsche zu tragen, ihm eine ungewöhnliche erotische Phantasie zu erzählen, Sextoys zu besorgen und mit ihm gemeinsam zu benutzen, zusammen einen Pornofilm anzuschauen usw. Woher kommt dieses Unbehagen? Nun, man könnte ja den Eindruck erwecken, dass man da ein Defizit habe oder dass man «geil» oder «auf Sex aus» sei.
Kann schon sein, dass andere das denken. Aber wer auch im Sexuellen über echtes Selbstbewusstsein verfügt, stört sich nicht besonders daran, der steht dazu: Na klar habe ich Sex! Und ich tue sogar aktiv etwas dafür, damit es noch besser wird!
Darf ich Ihnen ein Selbstexperiment vorschlagen? Setzen Sie einfach mal spaßeshalber einige der oben genannten Beispiele um und beobachten Sie, wie Sie sich dabei fühlen. (Mein Tipp an Frauen: Erkunden Sie, ob es in Ihrer Nähe einen Erotikshop für Frauen gibt.)
Können Sie mit Leichtigkeit und gelassener Überzeugung vor Ihrem Partner und anderen Menschen dazu stehen, dass Sexualität ein ganz natürlicher Teil Ihres Lebens und Wesens ist? Für den Sie auch Wagemut und Energie aufbringen? Oder gehören Sie eher zu den etwa 95% der Menschen, bei denen das nicht ganz zutrifft? Willkommen im Club! Denn diese Stufe zu erklimmen ist gar nicht so einfach. Manchen fällt es leichter, weil sie schon von Haus aus eine ordentliche Portion Selbstwertgefühl und Un-Verschämtheit mitbringen. Bei den meisten von uns wurde das jedoch nicht grade gefördert. Jeder Mensch bringt eigentlich zwei seelische Grundbestrebungen mit auf die Welt: erstens nach persönlichem Wachstum (einschließlich Entfaltung) und Autonomie, zweitens nach Verbundenheit mit anderen. Diese Bestrebungen treten nicht nur häufig in direkten Konflikt miteinander – etwa ob man sich in einer bestimmten Situation lieber anpassen oder seine eigenen Interessen vertreten sollte –, sie werden auch noch von Anfang an derartig von außen gebremst und beschnitten, dass bei den meisten Erwachsenen von der einen und/oder der anderen nicht mehr viel übrig ist.
«Zu Selbstbewusstsein wurde ich nicht gerade erzogen», eröffnete mir die schüchterne Vera (30) bereits zu Anfang unserer Beratung, «aber das hat bestimmt nur wenig mit meinen sexuellen Problemen zu tun.»
Doch, und ob! (Wie sehr es gerade bei Vera zutrifft, werden Sie im Verlauf der nächsten Kapitel noch sehen.) Ohne Selbstbewusstsein ist es nämlich kaum möglich, zu seiner Sexualität zu stehen und seine eigene Art ganz selbstverständlich zu leben. Da dies ein enorm wichtiger Teil von Sexbewusstsein ist, gehe ich hierauf als Erstes ein.
Damit Sie mit den Begriffen nicht durcheinanderkommen, nenne ich das selbstbewusste «Zu-seiner-Sexualität-Stehen» im Folgenden Sex-Selbstsicherheit. Und diese braucht man unter anderem für die Bett-Kommunikation, um Wünsche zu äußern, den Partner zu korrigieren und zu lenken, Neues auszuprobieren, ein gesundes Maß an sexuellem Egoismus an den Tag zu legen – und genau in diesen Punkten hakte es bei Vera. Aber sie sind allesamt extrem wichtig, um ein hohes Lustlevel zu erreichen, teils auch den Orgasmus. Das erklärte ich auch Vera, denn beides erlangte sie mit ihren bisherigen Partnern nicht, obwohl sie von Natur aus eine kräftige Libido hat.
«Sven fragte mich neulich, ob ich auf meine Kosten käme», erzählte Vera mir. «NEIN!!! Das habe ich ihm aber nicht gesagt.»
«Warum nicht?», hakte ich nach, «das wäre doch die beste Gelegenheit gewesen, Sven zu sagen, was Ihnen fehlt. Immerhin sind Sie schon über ein Jahr zusammen.»
«Ich will ihn nicht verletzen. Außerdem weiß ich nicht, ob es nicht doch an mir selbst liegt, dass unser Sex nicht gut ist. Vielleicht stell ich mich auch einfach zu blöd an.»
Vera suchte den «Fehler» in erster Linie bei sich selbst. Etwas in ihr glaubte, dass Sven sie nicht mehr mögen würde, wenn sie ihm etwas Unbequemes sagte und Ansprüche stellte. Er wusste das alles aber gar nicht, er war vielmehr der Meinung, für sie sei alles in Ordnung. Warum sollte er dann etwas anders machen?
Vera wiederum ging immer davon aus, dass Sex ja eine natürliche Sache sei, also «von selbst» laufen müsse. Dass man folglich gar nicht so viel reden und korrigieren müsse, wenn zwei Menschen sich lieben. Da der Sex mit Sven holperte, war ihre Befürchtung: Entweder unsere Liebe ist nicht stark genug, oder wir sind sexuell halt nicht kompatibel. Auf die schlichte Einsicht, dass der Sex für sie nicht gut war, weil sie ihn einfach machen ließ und ihre eigenen Bedürfnisse nicht einbrachte, kam sie gar nicht. Einer der ersten Schritte zu mehr Sex-Selbstsicherheit kann darin bestehen, sich selbst davon zu überzeugen, dass man sich einbringen darf.
Diese Erkenntnis allein reicht aber noch nicht aus. Denn in Ihrem Kopf und Verhalten wird es nur dann verankert, wenn Sie es auch in die Tat umsetzen. Das sagte ich auch Vera und fügte hinzu: «Binden Sie Ihre Ideen und Wünsche schrittweise stärker in Ihr aktives Handeln ein. Dazu gehört freilich auch, Fehlschläge zu riskieren und hinzunehmen. Was einen selbstbewussten Menschen von einem zu wenig selbstbewussten unterscheidet, ist unter anderem Risikobereitschaft sowie die Einstellung, dass es okay ist, wenn einmal etwas misslingt.»
Mein Tipp (nicht nur für Vera, sondern auch für Sie): «Sie verringern die Gefahr von Fehlschlägen, indem Sie sich nicht überfordern. Ansonsten erscheint die Hürde zu groß, und man schreckt davor zurück. Sind die Schritte hingegen klein und für Sie machbar, ist die Chance auf Erfolgserlebnisse deutlich höher.
Außerdem: Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn Ihr Partner nicht gleich mitzieht, nicht sofort versteht, worum es geht, oder eine ablehnende Reaktion zeigt. Viele Menschen empfinden Änderungen als unbequem, manche sind womöglich insgeheim verunsichert. Versuchen Sie es an einem andern Tag noch mal, vielleicht auf eine andere Art.»
«Für Sie ist das leicht, Sie können das aus dem Effeff», seufzte Vera. Das stimmt, doch das war ja nicht immer so. Es hat lange gedauert, und ich wünschte, jemand hätte mir viel früher all das beigebracht, was ich heute weiß. Man denkt zwar das ein oder andere Mal, dass man schon über absolut genug Sex-Selbstsicherheit verfügt. Aber oft genügt ein einziges Ereignis, das zeigt, dass es damit gar nicht so weit her ist, etwa weil es recht erschütterbar ist. Und dann kann es zu kleinen oder großen Krisen kommen, die unter Umständen sogar eine bleibende Unsicherheit oder gar Störung auslösen. Ich spreche hier keinesfalls von Vergewaltigung und Missbrauch, sondern von Ereignissen, die eigentlich gar keine größere Erschütterung auslösen müssten, oder auch von Dingen, die Menschen mit echter Sex-Selbstsicherheit gar nicht erst passieren würden, weil sie rechtzeitig Grenzen setzen oder anders mit bestimmten Themen umgehen.
Ein Beispiel kommt aus meinem eigenen Leben: Ab 16 sammelte ich meine ersten sexuellen Erfahrungen. Ich hatte einen sehr netten ersten Freund, mit dem ich eine nette Sexualität entwickelte. Nach ein paar Jahren trennten wir uns, und im Lauf der Zeit sammelte ich mit anderen Jungs weitere Erfahrungen, die okay bis gut waren. Mitte 20 hatte ich dann einen Freund, den ich sehr liebte, sodass es mir wichtig war, ihm rundum zu gefallen. Doch er kritisierte mich heftig: Ich sei im Bett total langweilig, und meine Intimzone sehe «fies» aus (was dann auch unsere Trennung einleitete). Von da an rannte ich mit einem Sexkomplex durchs Leben, stellte plötzlich alle vorigen Erfahrungen in Frage und zermarterte mir das Hirn, ob andere das ebenso empfunden hatten und das auch in Zukunft so empfinden würden. Das brachte mich dazu, den Männern beweisen zu wollen, dass ich eine tolle Nummer im Bett sei – infolgedessen veranstaltete ich zu viel Zirkus, war mit dem Gefühl zu wenig bei meinem Partner und bei mir selbst und ging mit einigen zu wenig sensibel um. Heute tut mir das wirklich leid.
Die Lehre, die man daraus ziehen kann: Je wichtiger für uns das Thema oder der Partner, desto stärker und nachhaltiger kann unser Selbstbewusstsein ins Wanken gebracht werden. In welchem Ausmaß das passiert, hängt allerdings davon ab, wie stark die eigene innere Basis ist (mehr dazu ab S. 28).
Eine solche Erschütterung widerfährt beileibe nicht nur jungen Menschen, wie ich es damals war, oder schüchternen Personen wie Vera. Einer meiner ehemaligen Klienten, Udo (53), hielt sich über Jahrzehnte (!) für einen begnadeten Liebhaber, der jeder Frau Ekstase und Höhenflüge bescheren kann («Ich habe alles erlebt, ich weiß, wie’s läuft, mir kann keiner etwas erzählen»). Dieser Mann geriet letztlich an eine Frau, die ihm sehr deutlich zeigte, dass er sie nicht befriedigen konnte, dass sie aber durchaus in der Lage war, anderweitig vielfache Orgasmen zu erlangen. Das stürzte ihn in eine solche Krise, dass er eine anhaltende Erektionsstörung sowie eine Depression entwickelte. Sein Selbstbild vom Superlover war keiner echten Sex-Selbstsicherheit entsprungen, sondern das Produkt einer Selbsttäuschung, so dass es durch die erlebte «Ent-Täuschung» in sich zusammenfiel wie ein Kartenhaus (mehr dazu in Kapitel 6).
Die «Zutaten» sind unter anderem:
Selbstliebe
innere Stabilität (siehe S. 28)
Fähigkeit, auf gute Art Grenzen zu ziehen (siehe Kapitel 5)
Fähigkeit, auf gute Art seine Bedürfnisse zu äußern (siehe Kapitel 11)
Erfahrung – die sich vor allem durch Mut und Offenheit stetig erweitern lässt
Wissen über die Sexualität von Männern und Frauen im Allgemeinen, über die eigene und die des Partners im Speziellen sowie über körperliche und seelische Grundlagen (siehe Kapitel 2).
positive Rückmeldungen – die man nur bekommt, wenn man auch die Fähigkeit besitzt, auf den Partner einzugehen. Von daher haben auch Achtsamkeit und Einfühlungsvermögen einen großen Anteil am Ganzen (siehe Kapitel 9).
Zu all diesen Punkten werden Sie in diesem Buch noch sehr viel mehr erfahren.
Auch bei meiner Klientin Ines (25) würden Sie nie denken, dass sie praktisch keine Sex-Selbstsicherheit hat. Im Alltag ist sie eine extravagante Erscheinung: eine kleine, sehr zarte Schneewittchen-Schönheit, modern und stilvoll zurechtgemacht, ungemein gebildet und eine gut verdienende Künstlerin. In ihrer Sexualität jedoch knirscht es an allen Ecken und Enden. Was sie selbst am meisten stört, ist, dass sie fast nie Lust hat, zu wenig feucht wird, ihr der Verkehr Schmerzen bereitet und sie zudem andauernd befürchtet, ihrem Freund Jens im Bett zu wenig «bieten» zu können. Jens wiederum stört, dass sie weder das Liebesspiel einleitet noch einzelne Elemente initiiert und dass sie niemals leidenschaftlich-hemmungslos wird, sondern durchweg wie ein braves Engelchen wirkt: leise, zurückgenommen, ihn lieb anlächelnd. Warum das so ist, werden Sie noch erfahren. Auf jeden Fall besaß Ines bis vor kurzem nicht einmal genug Selbstbewusstsein, um Jens zu bremsen, wenn ihr beim Sex etwas zu viel wurde oder sie Schmerzen dabei hatte.
Ein anderes Beispiel ist Andreas (40): Stünden Sie ihm gegenüber, sähen Sie einen großen, attraktiven Mann im edlen Anzug mit tadelloser Haltung, der in jeder Chef-Etage eine gute Figur machen würde. Doch dieser beruflich sehr erfolgreiche und überaus liebenswürdige Mensch ist im Sexuellen «klein mit Hut».
Andreas wandte sich an mich, weil er im Begriff war, aus seiner Ehe auszusteigen, und ich ihm dabei helfen sollte herauszufinden, ob er das durfte. Der Entschluss fiel ihm wahnsinnig schwer, weil er seine Frau als Menschen nach wie vor sehr mochte und sie drei Kinder hatten. Trotzdem hatte er sich zwei Jahre zuvor auf eine andere Frau eingelassen und sich immer mehr in sie verliebt. Eigentlich ist Andreas kein typischer Fremdgänger: 22 Jahre lang war er ein treuer und guter Partner gewesen. Ich fragte ihn, was seine Gattin (Anne, 39) hätte tun können, damit er sich gar nicht erst auf die andere Frau eingelassen hätte. Er sollte alle Gründe auflisten. Er dachte ein Weilchen nach und sagte:
«Erstens hat Anne mit jedem Baby mehr zugenommen, und ich habe mich nicht getraut, ihr zu sagen, dass sie mit jedem Kilo Übergewicht weniger attraktiv für mich wird. Seit dem dritten Kind hat sie einen Bauch wie im siebten Monat. Das stört sie zwar auch selbst, aber sie tut nichts dagegen. Sie hat sich außerdem seit langem nicht mehr sexy angezogen, sich auch nicht mehr für mich hübsch gemacht. Ich hatte insgesamt das Gefühl, es ist ihr egal, ob ich sie begehre, weil sie mich auch nicht mehr begehrt – ja, dass sie mich nicht mal mehr so richtig als Mann sieht.
Zweitens hätte sie mir zeigen müssen, dass sie mich auch körperlich noch mag, indem sie mich manchmal in den Arm nimmt, mich küsst oder mit mir schmust.
Drittens war unser Sex so kreuzbrav und langweilig, dass er mich nicht mehr gereizt hat. Es war mehr eine Art Pflichtübung, der wir zweimal im Monat nachgekommen sind. Wenn wenigstens mal ein bisschen gegenseitiger Oralsex oder mehr als nur eine Stellung drin gewesen wäre …»
Ich wollte es genauer wissen: «Wie – wolltest du nicht auch irgendwelche Spezialpraktiken oder mal Sex im Wald oder etwas in der Art?»
«Nein. Nur das, was ich gesagt habe … Oh Mann», stöhnte er genervt, «im Beruf bin ich so durchsetzungsfähig, aber in Sachen Sex habe ich offenbar überhaupt kein Selbstbewusstsein. Meinst du, ich hätte auch nur einmal den Mund aufgekriegt, um ihr zu sagen, was mir nicht gefällt? Nein. Stattdessen hab ich einfach weiterhin mit ihr geschlafen, obwohl ich überhaupt keine Lust dazu hatte. Weil es sie beunruhigt hätte, wenn wir keinen Sex mehr gehabt hätten. ‹Augen zu und durch›, habe ich mir gedacht. Das Blöde daran, sich auf so eine Art selbst zu vergewaltigen, ist aber, dass man einen regelrechten Widerwillen dagegen entwickelt – sogar dem Menschen gegenüber, den man doch eigentlich lieben möchte.»
Hier wird deutlich, wie eng Selbstbewusstsein und Selbstliebe zusammenhängen. Andreas brachte sich selbst so wenig Liebe entgegen, dass er innerhalb der 22 Jahre mit Anne seine Bedürfnisse weder ernst nahm noch sich selbst zugestand. Die unbewusste Überzeugung dahinter: Es steht mir nicht zu, erotische Wünsche zu haben und mich dafür einzusetzen.
Dem leistete seine Frau leider auch Vorschub, indem sie den Sex streng limitierte. Wenn Andreas auch nur im Ansatz vom gewohnten kleingesteckten Rahmen abweichen wollte, wurde er in seine Schranken verwiesen; und das gar nicht so oft mit Worten, ein Nein lässt sich auch auf Hunderte nonverbale Arten ausdrücken.
Nur einmal wagte er einen Sonderwunsch an sie zu richten: Nach der Schwangerschaft und der Geburt des ersten Kindes hatten Andreas und Anne fast ein Jahr lang keinen Sex mehr; er fragte sie, ob sie sein «Dingsbums» per Hand oder Mund ein wenig stimulieren könnte – sie verzog das Gesicht und entgegnete genervt: «Auch das noch!»
Die Botschaft, die Andreas interpretierte: «Was willst du mir da Schreckliches zumuten? Wie kannst du bloß so egoistisch und rücksichtslos sein?!» Danach behelligte er Anne, da er ohnehin schon so wenig Sex-Selbstsicherheit besaß, erst recht nicht mehr mit seinen Bedürfnissen. Konfliktscheue Menschen wie Andreas können mit einer solchen Duldungshaltung durchaus viele Jahre lang durchs Leben kommen. Aber unterdrückte Grundbedürfnisse lösen sich nicht einfach in Luft auf. Sie hocken in unserem Innern und lauern darauf, sich ihren Weg nach draußen bahnen zu können. Bei manchen kommen sie dann in versteckter oder verzerrter Form zum Vorschein (etwa durch übermäßigen Alkohol- oder Tabakkonsum, zu viel Essen, Kaufsucht, Arbeitssucht, ständige Gereiztheit, Aggressivität, häufige Herabsetzung des Partners o.Ä.). Und bei manchen führen sie eben dazu, dass sie fremdgehen oder sich in jemand anderen verlieben.
Es bleibt festzuhalten, dass das öffentliche/berufliche, das private/innerpartnerschaftliche und das sexuelle Selbstbewusstsein eines Menschen völlig unterschiedlich ausgeprägt sein können. Und oftmals wirkt es auch nur so, als ob bei jemandem diese Facetten gut ausgeprägt seien.
Umgekehrt gilt aber, dass alles, was Ihr allgemeines Selbstbewusstsein, Ihr Selbstwertgefühl und Ihre innere Stabilität stärkt, auch Ihre Sex-Selbstsicherheit verbessert. Allerdings dürfen Sie sich darin nicht vom Partner abhängig machen! Etwa erwarten, dass er einen Mangel an Selbstwertgefühl durch aufbauende Worte, Komplimente, Liebesbeweise und -bekundungen ausgleicht. Keine Frage: Falls Sie mit jemandem zusammen sind, der Sie permanent niedermacht (durch Worte, Gesten, Mimik und Verhalten), weil er sein Mini-Ego darauf aufbaut, Sie das aber nicht ganz realisieren, wird es ziemlich schwierig für Sie sein, sich nicht runterziehen oder einschüchtern zu lassen. Aber Sie sind es sich selbst schuldig, dies nicht mehr zuzulassen – auch wenn das die Trennung bedeutet.
Natürlich kann ich Ihnen hier keine komplette Anleitung für mehr Alltags- oder Rundum-Selbstbewusstsein liefern – das würde spielend ein weiteres Buch füllen –, aber ein paar wertvolle Hinweise:
Selbstsicherheit ist in erster Linie das, was man nach außen verkörpert: sicheres Auftreten, sichere Körpersprache, sicheres Sprechen usw. (natürlich spiegelt sich darin auch Ihr innerer Zustand – aber zu einem gewissen Grad kann man Unsicherheit auch durch lässiges, dominantes oder festes Auftreten überspielen).
Selbstwertgefühl kommt von innen – es basiert auf der tiefen, praktisch unerschütterlichen Überzeugung, etwas wert und liebenswert zu sein, sich selbst anzunehmen (was gesunde Selbstkritik keineswegs ausschließt).
Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl sind sich sehr ähnlich, Selbstvertrauen bezieht sich aber stärker auf das Handeln und Wirken eines Menschen: «Ich traue mir etwas zu und vertraue darauf, dass es gut so ist.»
Selbstbewusstsein liegt zwischen den drei vorgenannten Begriffen und hat auch viel mit Bewusstsein zu tun: «Ich bin mir meiner selbst bewusst: was ich kann, was ich nicht kann, was ich will, was ich nicht will, und ich vertrete dies auf eine Weise, die mich selbst und alle um mich herum wohlwollend und respektvoll behandelt.»
Apropos «sich selbst respektvoll behandeln»: Luise (18) wendet sich an meinen anonymen Internet-Kummerkasten:
«Liebe Beatrice,
ich bin sehr verzweifelt. Ich habe seit vier Monaten meinen ersten richtigen Freund. Da ich noch Jungfrau bin, hat er gesagt, ich soll mir Zeit lassen. Doch seit ein paar Wochen spüre ich schon, dass er zu drängeln anfängt. Derweil habe ich mich auf Petting eingelassen. Jedes Mal wenn ich bei ihm übernachte, zieht er mich aus und macht Andeutungen, dass er mit mir schlafen will, und ich komme mir überrumpelt und bedrängt vor. Er legt sich auf mich, lässt mir überhaupt keine Freiheit (ich fühle mich dann ganz eingeengt!), fängt an, mich so hektisch zu küssen, dass ich gar nicht mehr wegkann, und will mich fingern, was mir eigentlich mehr weh tut, als dass es mir etwas bringt.
Es ist einfach alles total unromantisch und kalt. Ich liege da wie ein Stück Fleisch, über das er sich hermacht. Habe ich irgendwie Komplexe?»
«Dein Selbstbewusstsein könnte durchaus größer sein», antworte ich ihr, «denn dann würdest du ihm klipp und klar sagen, wie du dich dabei fühlst und was er lassen soll.»
«Wie soll ich ihm denn klarmachen, dass er viel zu hektisch ist und ich mich dadurch bedrängt fühle? Ich will ihn ja nicht verletzen.»
Ich entgegne: «Lieber lässt du dich auf eine unangenehme Art behandeln? Hilfe, nein, das kann’s nicht sein!»
«Ja, stimmt», schreibt sie zurück. «Mich ärgert ja, dass er nicht merkt, dass mir seine ruppige Art nicht gefällt, aber irgendwie fühle ich mich auch schuldig.»
Luise denkt, sie sei ihrem Freund Sex schuldig und vielleicht sogar, dass sie dabei auch noch Lust zeigen sollte. Stattdessen sollte sie aber lieber ihre Verärgerung ernst nehmen. Der junge Mann überrumpelt, bedrängt, drangsaliert sie, und anscheinend ist er zu aufgeregt oder zu erregt, um auf ihre Signale zu achten, die ihm deutlich sagen müssten, dass es ihr nicht gefällt.
Aber es liegt ein Stück weit auch an ihr: Er kann ja nur so vorgehen, weil sie es zulässt! «Mädel», schimpfe ich mit ihr, «warum zum Teufel liegst du denn da wie ein Opferlamm auf der Schlachtbank? Warum wehrst du dich nicht? Und warum sagst du ihm nicht, wie er es besser machen könnte?»
«Woher soll ich das wissen, wenn ich vor ihm nur flüchtige Flirts gehabt habe. So blöd es auch klingen mag, ich habe keinen Vergleich», wendet sie ein.
Das ist zwar ein Argument, aber eben nur bedingt. Wer sich selbst respektvoll behandelt, benötigt keinen Vergleich mit anderen, um zu wissen, was er mit sich machen lässt und was nicht. Offenbar hat noch niemand Luise erzählt, dass Sex etwas ist, was auch ihr gefallen muss (und kann), nicht nur dem Mann.
Sexuelle Selbstbehauptung muss keineswegs egoistisch sein. Denn der andere kann ja auch ganz freundlich nein sagen oder eine Alternative anbieten.
Die meisten Betroffenen, die sich damit schwertun, haben aus der Kindheit Überzeugungen verinnerlicht wie «Wenn ich mich selbst behaupte, wird man böse auf mich» und/oder «meinen Wünschen wird sowieso nicht entsprochen» (also setze ich mich erst gar nicht der Gefahr einer Zurückweisung aus). Und Probleme mit der Selbstbehauptung dehnen sich fast immer auch auf das Sexuelle aus. Und zwar mit eher unguten Folgen …
Andere wiederum gestehen sich zwar zu, Sexwünsche zu haben und diese auch an ihre/n Partner/in zu richten, aber nicht das Recht auf Paarsexualität, falls der andere nicht mehr mitmacht – so wie Helmut (56), der mir schreibt:
«Meine Frau und ich sind 31 Jahre verheiratet. Den letzten Geschlechtsverkehr hatten wir vor fünf Jahren. Auch schon davor gab es sehr selten Sex. In den ersten Jahren unserer Ehe habe ich schon eine Eheberatung vorgeschlagen, aber meine sonst recht liebe Frau hatte dafür nie ein Einsehen, leider.
Ich darf zärtlich zu ihr sein. Vor einigen Jahren befriedigte sie mich noch mit Hand und Mund. Seitdem tut sie aber auch dies nicht mehr. Sie sagt, dass sie das nicht brauche, sie komme ohne Sex aus. Sie weiß, dass ich Nähe, Zärtlichkeit und Sex sehr vermisse. Ich liebe sie sehr, mache ihr Geschenke, bin geduldig und zärtlich mit ihr.
Nun habe ich mich schon auf Partnersuchportalen eingetragen, aber eigentlich mag ich nicht so recht, ich schäme mich. Und so habe ich mich auch noch mit keiner anderen Frau getroffen.
Ich war jetzt mal allein bei einem Therapeuten. Der schlug mir käuflichen Sex oder Trennung vor. Als Christ schäme ich mich noch mehr. Meine Frau könnte ich auch nicht verlassen – oder doch? Ich weiß es nicht. Soll ich mal eine Gruppentherapie machen?»
Ich antworte ihm: «Gruppentherapie? Was versprechen Sie sich davon? Dass man Ihnen sagt, wie Sie es schaffen, für den Rest Ihres Lebens keinen Sex mehr zu haben? Das wäre natürlich Unsinn.
Eine Gruppentherapie würde nur dann Sinn ergeben, wenn Sie dort lernen, sich zu behaupten, sich im Zweifelsfall auch zu trennen und auf eigenen Füßen zu stehen, wenn grundlegende Bedürfnisse in der Partnerschaft nicht erfüllt werden. Und genau das ist ja offensichtlich der Fall.
Sie haben innerhalb einer festen Beziehung ein Recht auf eine gemeinsame Sexualität. Natürlich haben Sie kein Recht, das zu erzwingen. Aber Sie haben das Recht, die Partnerschaft aufzulösen, wenn Ihnen schon seit langer Zeit jegliche Form von körperlicher Verbindung verweigert wird, obwohl Sie durchaus bereit wären, auf die Wünsche ihrer Partnerin einzugehen und/oder fachliche Hilfe (etwa Eheberatung) hinzuzuziehen. Bei einer lang anhaltenden Verweigerung ist die Chance sehr gering, dass das gemeinsame Liebesleben wieder ins Rollen kommt. Und wenn es so ist wie bei Ihnen – seit fünf Jahren kein Sex mehr! –, dann wird das nichts mehr mit der Erotik zwischen Ihnen und Ihrer Frau, falls Sie einfach in der Ehe steckenbleiben (warum sollte Ihre Frau ihr Verhalten überdenken oder ändern, wenn Sie sowieso dableiben?).
Deshalb verstehe ich, warum der Therapeut Ihnen käuflichen Sex oder Trennung vorschlug. Wobei ich persönlich den Gang zu einer Prostituierten nicht so gut finde, denn ich nehme an, Sie wünschen sich nicht nur Sex, sondern er soll auch mit Liebe und Intimität verbunden sein.
Sie sind erst 56; wenn wir davon ausgehen, dass Sie 90 werden: Wollen Sie für die nächsten 34 Jahre ohne Sex, ohne Erotik, ohne körperliche Zuwendung verbringen? Wo ist bloß Ihre Selbstliebe? Wenn man jahrelang in einer unerfüllten Beziehung bleibt, statt zu gehen, ist der Grund niemals nur Liebe – sondern auch Abhängigkeit, Angst vor dem Alleinsein, Angst davor, auf sich allein gestellt zu sein, usw.
Eine intensive Einzeltherapie wäre der geeignete Weg, um an diesen Dingen mit Ihnen zu arbeiten und um Sie darin zu bestärken, Ihren Weg zu finden und Ihr Lebensglück in die Hand zu nehmen. Möglicherweise fände Ihre Frau sogar ihre Lust auf Sie wieder, wenn Sie diese Stärken entwickeln würden (was allerdings auch die Stärke beinhaltet, ohne Ihre Frau leben zu können).»
Zurück zu Andreas und seiner Frau Anne, die ihn zu späteren Beratungssitzungen ein paar Male begleitete. Sie hatte Probleme, über Erotik zu sprechen und überhaupt wahrzuhaben, warum dieses Thema dazu geführt haben sollte, dass Andreas’ Gefühle für sie eingeschlafen waren. Wie ihr Ehemann verfügt auch Anne über keine gute Sex-Selbstsicherheit, auch wenn sie das lange Zeit nie so gesehen hätte – weil sie es nie hinterfragt hatte und weil von ihr nie etwas anderes gefordert worden war als das kleine bisschen, das sie zu geben und zu leben bereit war. Erst als es ihr zum (Trennungs-) Verhängnis wurde, fing sie an zu begreifen, dass sie in diesem Bereich viel versäumt hatte. Was sie nicht sah und ich ihr so deutlich nicht sagen wollte: Andreas und sie waren sexuell auf der Stufe von 16-Jährigen stehengeblieben, und sie steht dort immer noch. Von der selbstbewussten, selbstbestimmten, lustvollen und experimentierfreudigen Sexualität vieler 39-jähriger Frauen ist sie meilenweit entfernt.
Als ich in einem meiner Workshops von Andreas und Anne erzählte, rief eine Teilnehmerin angriffslustig: «Aber wenn sie damit glücklich ist, auf ihrer Stufe stehenzubleiben, wieso sollte sie das nicht dürfen? Das kannst du ihr doch lassen, oder?»
Na sicher darf sie das. Aber ihr guter Ehemann ist weg, bei einer anderen, bei und mit der er seine Bedürfnisse ausleben darf. Er darf nämlich auch.
Wenn in einer Paarbeziehung beide Partner ein sehr niedriges Level an sexueller Entwicklung und an Lust haben, ist das kein Problem. Doch das kommt wirklich selten vor. Ausgesprochen viele Menschen kommen zu mir, weil sie darunter leiden, dass innerhalb ihrer festen Beziehung nicht einmal ihre sexuellen Grundbedürfnisse erfüllt werden, geschweige denn ihre Sonderwünsche. Und immer entwickelt dieses Leiden eine beziehungssprengende Gewalt: Es erzeugt Frust, Wut, Groll, mindert die Zuneigung und verführt dazu, seinen Bedarf anderweitig auszuleben. Die Anschauung, dass man der Ehe und der Familie zuliebe doch bitte schön zurückzustecken und sich damit abzufinden habe, dass man keinen oder keinen guten Sex hat, ist lange überholt. Sie hat schon früher schlecht funktioniert, und heute funktioniert sie gar nicht mehr, denn die Gelegenheiten, sich auszuleben, haben um ein Vielfaches zugenommen.
Auch in zwei anderen Punkten wäre Anne eventuell besser damit gefahren, ihre Sex-Selbstsicherheit zu hinterfragen und daran zu arbeiten: Erstens entging ihr eine Menge Spaß. Zweitens liebte sie Andreas ja, und sie hatte (bzw. hätte) im Lauf der Jahre an unzähligen seiner Gesten, an seiner Mimik, seinen Andeutungen und vielem mehr erkennen können, dass er sich sexuell weit mehr wünschte, als er bekam. Würde man dann normalerweise, wenn man seinen Partner liebt, nicht versuchen, sich mehr in seine Richtung zu bewegen? Es geht ja beileibe nicht darum, dass er sich etwas Extremes von ihr gewünscht hätte.
Aber warum kam sie ihrem Mann in dieser Hinsicht nicht entgegen, obwohl sie ihn liebte? Die Antwort ist: Weil sie Angst vor erwachsener Sexualität hat; genaugenommen eine ganze Reihe an – überwiegend unbewussten – Ängsten: etwa, dass sie die Anforderungen einer solchen Sexualität nicht erfüllen könnte (also Angst davor, zu versagen und nicht zu genügen); dass sie dann «bestimmte Sachen machen» müsste (inklusive einer diffusen Angst vor Schmerzen, Demütigung u.Ä.); oder dass die Dinge überhandnehmen könnten und dass sie sich dann zeigen müsste (was u.a. Scham erzeugen würde sowie Angst, das eigene «anständige» Selbstbild zu verlieren).
Leider ist Angst mitunter stärker als Liebe. Genauer gesagt: Manchmal werden wir stärker von unseren Ängsten gesteuert als von Liebe und Trieben.
… ist nicht etwa Trieb, innerer Antrieb, Wut, Egoismus oder Ähnliches, sondern Angst. Die meisten Ängste sind uns nicht einmal bewusst, weil sie praktisch schon immer Teil unserer Denkmuster sind – etwa die menschlichen Ur-Ängste vor dem Unbekannten/Ungewissen, vor Ablehnung und vor dem Ausschluss aus der Gemeinschaft. Bei zu wenig Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl und Selbstsicherheit funken sie uns viel zu häufig dazwischen und bewirken, dass wir weder klar denken können noch zu guten Lösungen finden.
Ines, Udo, Vera und Andreas haben eines gemeinsam: Sie stellen unter anderem einen zu hohen Anspruch an sich selbst. Eine tief verankerte Grundannahme in ihnen, die sie kaum einmal klar benennen können, lautet: «Wenn der andere mich nicht gut findet, kann ich mich selbst nicht akzeptieren und werde auch nicht akzeptiert.»
Auf einer noch tieferen Ebene glauben sie: «So wie ich bin, bin ich nicht gut genug, deshalb muss ich ziemlich viel tun, um gut genug zu sein.» Das ist den Betroffenen kaum je bewusst, wirkt aber in ganz viele Lebensbereiche hinein.
Hinter fast allen «Blockaden» und inneren Widerständen verbergen sich Ängste. Und hinter Wut, Gereiztheit und Druck-Machen stehen neben Ängsten auch Frustration, Enttäuschung und/oder Traurigkeit. Es lohnt sich, seine wahren Emotionen ausfindig zu machen, denn solange sie im Untergrund rumoren und einen unbewusst lenken, hat das weit üblere Folgen, als wenn sie einem bewusst sind.
Hier einige Tipps, um ihnen auf die Schliche zu kommen:
Tipp 1: Die Hintergründe hängen nicht nur mit einschneidenden Erfahrungen Ihres Erwachsenenlebens zusammen, sondern fast immer auch mit Vorgängen aus der Kindheit (ich werde Ihnen im Folgenden noch viele Beispiele dafür liefern). Und nicht nur das: Viele von uns rutschen in Situationen der Unsicherheit oder Überforderung sogar automatisch in bestimmte (gewohnte) Verhaltensweisen zurück, die eher in die Altersstufe der Kindheit oder Jugend gehören (etwa Aggression, Trotz, Verkriechen, sich kleinmachen).
Wenn man es schafft, sich davon bewusst zu lösen und sich zu beruhigen, sodass das Gehirn wieder eine Denkfähigkeit bekommt, die Erwachsenen entspricht, erhöht sich die Chance, dass man auch erwachsen reagiert. (Allerdings gibt es Menschen, die so gut fahren mit ihren kindlichen Automatismen – wie Hysterie, Wutanfälle, emotionelle Ausbrüche, Zickereien, Schmollen, impulsives unüberlegtes Handeln, Überempfindlichkeit –, dass sie hartnäckig daran festhalten und Plattitüden von sich geben wie «Ich bin eben noch nicht so unsensibel wie die meisten anderen» oder «Ich habe halt noch ein Stück Kind in mir bewahrt».)
Tipp 2: Verborgene Ängste und Gründe für «Blockaden» bekommt man manchmal heraus, indem man in einer ruhigen Stunde aufschreibt, was passieren könnte, wenn das Problem gelöst oder einfach nicht mehr vorhanden wäre. Beispielsweise:
«Das Unangenehme/Bedrohliche daran, wenn wir ein richtig gutes Sexualleben hätten, wäre …»
«Was passieren könnte, wenn ich bei ihm endlich zum Orgasmus käme, wäre …»
«Wenn meine Frau/mein Mann sexuell sehr aufgeschlossen und erfahren wäre, müsste ich befürchten, …»
Versuchen Sie, möglichst mehrere Mutmaßungen zu notieren, denn es trifft selten nur eine einzelne zu. (Mehr zum Thema «Widerstände aufdecken» liefern die nachfolgenden Kapitel.)
besteht vor allem aus drei Komponenten:
1. Selbstwertgefühl, das unter anderem die Überzeugung beinhaltet: «Ich bin zwar nicht perfekt, aber im Großen und Ganzen in Ordnung» – weswegen man auch Nachsicht gegenüber sich selbst und anderen übt.
2. Urvertrauen in die Welt: «Alles wird gut – und selbst wenn mal etwas schiefläuft, ist die Welt letztlich in Ordnung und mein Leben ebenso; und wenn andere nicht so reagieren, wie ich das gern hätte, haben die Ursachen dafür entweder mit ihren eigenen Problemen zu tun oder mit etwas, was ich ändern kann (z.B. meinen eigenen Umgang mit ihnen)».
3. die Fähigkeit, sich zu beruhigen: «Etwas versetzt mich zwar gerade in Unruhe, aber ich bemühe mich jetzt erst einmal um Fassung, damit ich wieder klar denken kann. Denn egal, was auch kommen mag: Ich werde es schaffen, damit klarzukommen.» (Zu diesem Aspekt zählen auch Akzeptanz, Geduld und abwarten zu können, ohne negative Gefühle zu entwickeln, sowie die Fähigkeit, sich abzulenken.)
Wer sich von Ereignissen, Umständen und von anderen Menschen unverhältnismäßig lange aus dem Gleichgewicht werfen lässt, hat zu wenig seelische Stabilität – damit einher gehen zum Teil auch Ungeduld, Kontrolldrang, Grenzüberschreitungen, Mangel an Respekt. Das betrifft z.B. Udo und Klaus, die sich beide für selbstbewusste Macher halten (Klaus werden Sie im nächsten Kapitel kennenlernen) – aber durch die Weigerung ihrer Frauen, sexuell nach ihren Vorstellungen zu «funktionieren», wird Udo depressiv, und Klaus ist tagelang schlecht gelaunt.
Ines wiederum schildert: «Als ich ausnahmsweise mal die Initiative ergriff, meinte Jens, er habe gerade nicht genug Lust. Eigentlich ist das ja sein gutes Recht, aber ich war total verletzt. Der Abend war gelaufen, und ich war noch eine Woche lang geknickt und gekränkt.» So eine Dynamik erschwert natürlich zusätzlich die Sex-Kommunikation zwischen den beiden! Der Partner spürt ja die Überempfindlichkeit und traut sich kaum noch, etwas zu tun oder zu sagen, was beim anderen unliebsame Reaktionen hervorrufen könnte.
Ich riet sowohl Udo und Klaus als auch Ines, intensiv an ihrer seelischen Stabilität zu arbeiten.
Udo, der sich gern mit dem Attribut «sehr sensibel, also einfühlsam» schmückt, erwiderte daraufhin, ich erwarte wohl von ihm, dass er sich ein «dickeres Fell» zulege, also «stumpf und unsensibel» werden solle. Beides ist nicht richtig. Wie viele Menschen, verwechselt er Überempfindlichkeit mit Sensibilität im Sinne von Einfühlungsvermögen. Fakt ist: Es gibt Menschen, die in sich ruhen, inneres Gleichgewicht haben, also sich weder vom Partner noch von anderen leicht aus dem Lot bringen lassen, und dennoch mit großer Feinfühligkeit und Empathie ausgestattet sind. Ihr Gespür für Verletzungen und Unfairness ist ebenso hoch wie das der Empfindlichen. Der Unterschied besteht darin, dass sie ruhig bleiben oder sich ganz schnell beruhigen und einen guten Weg finden, damit umzugehen; zudem sehen sie keine Angriffe und «feindlichen Pfeile», wo keine sind.
Selbstbewusstsein im Alltag zu leben ist in der Regel viel einfacher als in sexuellen Kontexten. Wer unabhängig genug ist, kann z.B. ohne weiteres «sein Ding durchziehen» und seinen ganz eigenen Stil verfolgen, wie er mit seinem Leben und seinen Angelegenheiten umgeht. Im Zusammenleben mit einem Partner oder Familienangehörigen ist das nicht mehr ganz einfach – wegen der großen Nähe. Und noch weniger einfach ist es beim Sex innerhalb einer Paarbeziehung. Es gibt zwar auch hier Menschen, die «einfach ihr Ding durchziehen», doch das führt unweigerlich zu Problemen (z.B. wenn der Partner dann den Sexboykott einläutet: teils direkt, indem er schlichtweg nein sagt, teils indirekt, durch Lustlosigkeit, Funktionsstörungen der Geschlechtsorgane, Schmerzen, Erkrankungen usw.). Eine weit größere Anzahl von Menschen jedoch mutet dem Partner zu wenig zu, oft nicht mal die eigene Sichtweise. Denn sie befürchten, schlecht dazustehen, den anderen zu verstören, unter Druck zu setzen oder negative Reaktionen zu erzeugen. Ob das wirklich eintritt, hängt zwar ganz wesentlich davon ab, wie man sein Anliegen vorbringt (dazu mehr in Kapitel 11), aber viele, denen das nicht bewusst ist, verlegen sich aufs Abwarten, auf indirekte Signale oder Anspielungen. Im Sexuellen wird unheimlich viel «gemauschelt», das muss nicht das Schlechteste sein, führt aber häufig dazu, dass man nicht oder falsch verstanden wird.
Klarheit ist für Sexbewusstsein ein zentraler Punkt! Je mehr Klarheit herrscht, desto sicherer und selbstverständlicher kann man selbst und kann ein Paar mit Sex umgehen. (Ich meine damit allerdings nicht, den anderen ungefiltert mit Spezialwünschen und Kritik zu konfrontieren! Behutsamkeit und Taktgefühl sind gerade hier unverzichtbar.) Klarheit bedeutet in diesem Zusammenhang: sich darüber klarwerden, was man wirklich will; wo die eigenen Grenzen sind; ob und wie weit man seine Grenzen öffnen/erweitern möchte; wie man den Partner bzw. seine Aktionen und Reaktionen empfindet. Es geht aber auch darum, sich bewusstzumachen, ob man in dem einen oder anderen Bereich unsicher ist oder «ambivalente» – also widerstreitende – Gefühle hat (z.B., dass man etwas will und gleichzeitig nicht will). Übrigens: Eine Unsicherheit oder Ambivalenz muss nicht unbedingt aufgelöst werden; man kann auch erst mal einfach akzeptieren, dass sie da ist.
Klarheit umfasst zudem, dem Partner all diese Dinge klar zu kommunizieren. Ein Bekannter von mir schwärmte einmal über seine Ex-Partnerin: «Das Sexuelle mit ihr war einfach toll.» Ich wollte wissen: «War sie jederzeit und zu allem bereit?» Er lächelte: «Nein. Das Tolle war, wie klar sie mit Sex umging. Sie sagte z.B.: ‹Du kannst von mir eine Menge kriegen, aber keinen Analsex. Sag mir, was du möchtest, und ich sage dir, ob ich es dir geben kann.› Und wenn sie Lust auf Sex hatte oder auch keine, teilte sie mir das ebenso entspannt mit.»
Unsicherheiten und Ambivalenzen, die den Beteiligten nicht klar sind, kommen letztlich auf die eine oder andere Weise trotzdem zum Tragen (etwa durch Widerstände, Schuldgefühle, Aggressivität oder inneren Rückzug). Meist lösen sie dann noch mehr Unsicherheit sowie zusätzlich Ärger und Frust aus. Daher empfiehlt es sich, gleich offen dazu zu stehen, dass gewisse Dinge manchmal eben nicht gut laufen, dass man selbst Defizite hat oder Mist gebaut hat – wer ist schon perfekt? Hier ist ein Selbstakzeptanz-Mantra nützlich: «Selbst wenn ich …, bin ich okay und bringe mir Achtung entgegen.»
Ein freundliches Nein ist meist besser als ein Ja, hinter dem Sie nicht wirklich stehen. Geliebt werden Sie trotzdem.
Genauso wie unsere Gewohnheiten, Wertvorstellungen und Prinzipien ist vieles von dem, was wir als unsere «Natur» empfinden, keineswegs angeboren, sondern erworben (etwa indem wir es viele Jahre lang von den Eltern vorgelebt bekommen haben und es inzwischen als so selbstverständlich empfinden, dass wir es weder in Frage stellen noch ändern). Anderes hat sich dynamisch aus unserem Lebensumständen und unseren individuellen Anlagen heraus entwickelt. Wer etwa als Kind zu wenig beachtet wurde, wird sich später wahrscheinlich entweder zu sehr anpassen oder zum Einzelkämpfer werden. Wer regelmäßig einen lieblosen Umgang in der Familie miterlebt hat, könnte später enge Bindungen und Intimität meiden. Wer viel gemaßregelt wurde, wenn er Dinge in Eigenregie versuchte, wird später tendenziell passiv und zurückhaltend, stellt sich dann oft «blöd» an oder sitzt Dinge einfach aus. Wenn einem die Mutter sehr vieles buchstäblich «aus der Hand genommen» und nur selten zugelassen hat, dass man die kleinen und großen Dinge seiner Lebenswelt selbst erprobt, entwickelt man kaum Vertrauen in sich selbst und zu wenig Forscherdrang.