Silvia-Duett - Folge 07 - Tessa Philipp - E-Book

Silvia-Duett - Folge 07 E-Book

Tessa Philipp

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Beschreibung

Zwischen zwei Feuern:

Ein Sommertag in der Heide. Wie verwunschen liegt die Landschaft in der Glut der Mittagshitze. Und wie eine Fee aus einem Märchen erscheint dem Wanderer die einsame Frau im Gras. Gefühle werden wach, Träume für wenige Stunden Wirklichkeit. Dann - vorbei. Zwei Menschen trennen sich, kehren namenlos in ihre Welt zurück. Aber in Isabels wie auch in Timos Herzen lebt der andere weiter. Und mit dieser Sehnsucht im Herzen gibt Isabel einem Mann ihr Jawort, der dem Fremden aus der Heide ähnlich sieht - und doch ganz anders ist. Bis sie dann eines Tages zwischen zwei Brüdern steht, die sich zutiefst hassen ...

Wegen unüberwindlicher Zuneigung:

Wild trommelt Carl Schuster gegen die Tür. Mein Gott, sie ist doch im Laden, warum öffnet sie nicht? Es geht um ihr Leben! Nebenan brennt alles lichterloh, und sie ist in höchster Gefahr.

Paulette Fischer, die Besitzerin der Wollboutique, entschließt sich nur zögerlich, jetzt nach Ladenschluss noch die Tür zu öffnen. Und danach läuft alles wie ein zu schnell gedrehter Film ab: die Versuche, von ihrem Geschäft zu retten, was zu retten ist, der Einsatz der Feuerwehr - und mitten in dem Chaos der Mann, dem sie ihr Leben verdankt. Allerdings ist er nicht der gute Mensch, für den sie in dieser Situation hält ...

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Seitenzahl: 219

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Inhalt

Cover

Impressum

Zwischen zwei Feuern

Wegen unüberwindlicher Zuneigung

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock / Grekov’s shutterstock / FCSCAFEINE

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-0953-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Zwischen zwei Feuern

Ein Sommertag in der Heide. Wie verwunschen liegt die Landschaft in der Glut der Mittagshitze. Und wie eine Fee aus einem Märchen erscheint dem Wanderer die einsame Frau im Gras. Gefühle werden wach, Träume für wenige Stunden Wirklichkeit.

Dann ist es vorbei. Zwei Menschen trennen sich, kehren namenlos in ihre Welt zurück.

Aber in Isabels wie auch in Timos Herz lebt der andere weiter. Und mit dieser Sehnsucht im Herzen gibt Isabel einem Mann ihr Jawort, der dem Fremden aus der Heide ähnlich – und doch ganz anders ist. Bis sie dann eines Tages zwischen zwei Brüdern steht, die sich zutiefst hassen …

Es war ein Tag wie aus dem Bilderbuch.

Strahlende Augustsonne ließ das lilafarbene Heidekraut in einem goldenen Licht leuchten. Dazwischen setzten die dunkelgrünen Wacholder einzigartige Farbakzente.

Vom Wilseder Berg, einer fast einhundertsiebzig Meter hohen Erhebung mitten in der Lüneburger Heide, schaute Isabel Weichsler wie verzaubert in den sogenannten Totengrund hinab, in dem dicht an dicht die Wacholderbüsche standen.

Einige waren schon uralt und bildeten seltsam verzweigte Formen, dazwischen wuchsen frische zartgrüne Wacholdersetzlinge, die einen wunderbaren Kontrast bildeten.

Ein Summen lag über dem sandigen Grund, ungezählte Bienen waren unterwegs, um Nektar für Honig zu sammeln.

Jetzt, um die Mittagszeit, war es still, die meisten Wanderer und Ausflügler saßen beim Essen in einem der gemütlichen Heidelokale.

Isabel genoss die Ruhe. Sie begann zu träumen, als sie in das grüne, von der Sonnenhitze flirrende Tal hinabblickte.

Es gab so viele Sagen und Märchen, die sich um dieses Gebiet rankten, von Elfen, Zwergen und Heidegeistern.

»Es ist wunderschön, nicht wahr?«, fragte wie aus dem Nichts eine Stimme hinter ihr.

Isabel schrak heftig zusammen und fuhr herum.

»Mein Gott«, sagte sie und atmete erleichtert auf. »Haben Sie mich erschreckt! Einen Moment lang habe ich wirklich geglaubt …«

Sie hielt inne und warf einen Blick auf den jungen Mann, der unbemerkt näher gekommen war.

»Was haben Sie geglaubt?«, fragte der große, schlanke Fremde und musterte sie belustigt aus klaren, blauen Augen. »Am Ende haben Sie mich mit irgend so einem Heidegeist verwechselt, der sich heimlich anschleicht. Die sollen ja hier ihr Unwesen treiben. Aber vielleicht bin ich sogar der Elfenkönig?«

Isabel musste lachen. »Na ja, das wäre gar nicht so übel, aber eigentlich sehen Sie nicht danach aus. Sie kommen mir doch sehr real vor. Aber recht haben Sie schon. Ich habe Sie nicht kommen gehört …«

»… und da dachten Sie, ich sei ein Wesen aus einer anderen Welt«, scherzte der junge Mann.

Tatsächlich sah er in seiner sportlichen Kleidung, Jeans und dunkler Lederjacke doch sehr diesseitig aus.

Ein leichter Wind bewegte seine lockigen, haselnussbraunen Haare, die er etwas länger trug.

Strahlend lächelte der Mann die hübsche Isabel an.

»Wollen Sie da hinunter, in den Totengrund? Da kann man sich verlaufen. Sie sollten aufpassen. Leider kann ich Sie nicht begleiten, ich bin mit ein paar Freunden hier. Wir haben Fahrräder gemietet. Sie warten auf mich am Wilseder Heimatmuseum. Ich hab mich bloß mal kurz abgesetzt, um ein Stück zu Fuß zu gehen. Und es hat sich gelohnt, wie ich sehe. Sonst hätte ich Sie nicht hier getroffen …«

»Also, wissen Sie!« Isabel lachte. »Sie tauchen aus dem Nichts auf und raspeln Süßholz! Was soll ich davon halten?«

Sie schüttelte in gespielter Entrüstung den Kopf, dabei gefiel ihr der attraktive Fremde ausnehmend gut.

»Aber ich meine es ernst«, sagte er mit seiner warmen, dunklen Stimme. »Als ich Sie so stehen sah, so verträumt, da hätte ich am liebsten ein Foto von Ihnen gemacht … Wie die Heidefee persönlich, die ihr Reich überblickt, so sind Sie mir vorgekommen.«

»Sie sind wohl ein poetischer Typ«, antwortete Isabel schlagfertig und blitzte ihn aus ihren schönen, samtbraunen Augen an.

»Da haben Sie gar nicht mal so unrecht«, entgegnete der nette Fremde. »Mein Beruf hat tatsächlich mit dem Schreiben zu tun, ich bin nämlich Journalist. Da muss man beides können: Knallharte, realistische Berichte liefern, aber auch offen sein für Fantasie und Poesie.« Er lachte sein offenes, gewinnendes Lachen. »Wissen Sie was, schöne Heidefee? Ich lasse meine Freunde warten, und wir beide spazieren ein Stück gemeinsam in Richtung Wilsede.«

»Einverstanden«, meinte Isabel vergnügt. »Aber nur, weil ich ohnehin nach Wilsede wollte! Dort ist es nämlich schattig, und mir ist es einfach zu heiß, um noch lange herumzuwandern. Ich bin hier, um auszuspannen. Hitze und Stress hab ich in Hamburg genug.«

Der Fremde legte mit einer leichten Geste den Arm auf ihren schmalen Rücken.

»Aha – eine Karrierefrau also, wenn ich recht vermute!«

»Wenn Sie so wollen – bis zu einem gewissen Grad, ja. Sie haben mir verraten, dass Sie Journalist sind, also dürfen Sie auch wissen, welchen Beruf ich habe. Ich bin freiberufliche Grafikerin. Zum Glück habe ich immer so viele Aufträge, dass ich es nicht bereue, selbstständig zu sein. Aber ich muss die Termine beachten und bin meistens sehr im Stress. So einen Wochenendurlaub wie diesen kann ich mir zeitlich nur selten erlauben. Aber das schöne Wetter hat mich einfach verlockt.«

»Das haben Sie völlig richtig gemacht«, erwiderte der gut aussehende, junge Mann. »Wohnen Sie hier irgendwo in der Nähe in einem Hotel?«

Isabel nickte eifrig.

»Ja, im Hotel ›Heidbach‹ in Undeloh.«

»Nicht möglich!«, rief der Fremde aus. »Ich wohne auch dort, allerdings nur bis morgen. Wie schon gesagt, ich treffe mich hier mit einigen Freunden, auch Journalisten. Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit. Aber die Pflicht ruft – ich trete schon übermorgen eine Reise nach Frankreich an. Ich werde für meine Zeitung einen Reisebericht über die Bretagne schreiben.«

»Sie haben einen interessanten Beruf«, sagte Isabel und versuchte, ihren Begleiter vorsichtig von der Seite zu betrachten. Er sah gut aus, und sie genoss seine Nähe.

Aber offensichtlich schien er nicht die Absicht zu haben, ihre Bekanntschaft zu vertiefen.

Kein Wunder – jemand, der so viel auf Reisen war wie er, hatte genug Gelegenheiten, um Leute kennenzulernen – und schöne Frauen. Da lag ihm gewiss nichts daran, ausgerechnet sie näher kennenzulernen. Und vielleicht war das auch besser so.

Trotzdem hatte dieser kurze Weg nach Wilsede durch die blühende Heide etwas Zauberhaftes an sich.

Die beiden gingen schweigend nebeneinander durch die sonnige Landschaft, berührten sich immer wieder wie selbstverständlich, bis schließlich ihre Hände ineinander lagen.

Da war ein stummes Verständnis, das Isabel nicht erklären konnte.

Auch der gut aussehende Mann neben ihr musste sie immer wieder verstohlen ansehen.

Was für ein wunderschönes, graziles Geschöpf, dachte er, eine ungewöhnliche Frau. So eine wie sie hat bestimmt an jedem Finger zehn Verehrer. Übermorgen bin ich schon wieder weg, in Frankreich. Vielleicht ist sie verlobt oder sogar verheiratet? Nein, einen Ring trägt sie nicht … Ich könnte sie fragen, aber ich werde es nicht tun, diese märchenhaft schöne Stunde soll so bleiben, wie sie ist – unberührt von Fragen nach dem Woher und dem Wohin.

Wie auf Verabredung blieben sie beide an einer Lichtung stehen.

Die ersten alten Häuser des Wilseder Museumsdorfes kamen bereits in Sicht. Von fern sah man die Pferdekutschen den breiten Sandweg entlangfahren. Ganz weit weg graste eine Heidschnuckenherde.

Stimmen drangen zu den beiden hinüber.

Impulsiv beugte sich der fremde junge Mann zu Isabel hinunter und zog sie in seine Arme.

Und sie ließ es geschehen, dass er sie zart, aber doch verlangend küsste. Sie wusste nichts von ihm, kannte ihn nur diese eine verzauberte Stunde – aber in diesem zärtlichen Kuss schien er ihr unendlich vertraut.

Gibt es so etwas?, dachte Isabel, und sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Ich lasse mich von einem Fremden umarmen und küssen, ohne eine einzige Frage zu stellen …

»Hallo, Timmy, da bist du also!«, rief plötzlich jemand vom Radweg.

Eine Gruppe von Männern auf Fahrrädern tauchte auf. Verstohlen grinsend starrten sie zu den beiden hinüber.

»Was hast du denn da Hübsches in der Heide gefunden, Timmy? Willst du uns nicht miteinander bekannt machen?«

»Ich glaube, ich gehe jetzt lieber«, sagte Isabel.

Irgendwie ärgerte sie sich über die Männer auf den Rädern. Sie hasste spöttisches Gerede. Ihr weiter Rock wehte hinter ihr her, als sie nach einem kurzen Abschiedsgruß unter den Wilseder Bäumen verschwand.

Mit zusammengepressten Lippen sah ihr der junge Mann, den seine Freunde »Timmy« gerufen hatten, nach. Ob er sie doch noch einmal sehen würde, abends, im Hotel?

»Wirklich, ein süßes Häschen«, meinte einer der Radler.

»Spar dir deine dummen Bemerkungen«, erhielt er von Timmy als Antwort.

»Es ist doch wohl nichts Ernstes?«, erkundigte sich der Freund in scheinheiliger Anteilnahme. »Na ja, mach dir nichts draus, Timmy. In Frankreich gibt es auch schöne Mädchen. Übrigens haben wir dir dein Rad mitgebracht. Hoffentlich bist du nach diesem süßen Erlebnis überhaupt imstande, noch weiterzufahren. Wir wollen noch bis Bispingen radeln.«

»Warum sollte ich nicht mehr fahren können?«, entgegnete Timmy ärgerlich. Er schwang sich auf sein Rad und fuhr der Gruppe voran.

Von Weitem sah Isabel den Männern nach. Sie verfolgte die Gruppe mit den Blicken, bis nur noch winzige Pünktchen zu erkennen waren. Dann machte sie sich seufzend auf den Rückweg nach Undeloh in ihr Hotel.

***

Noch einmal begegnete Isabel dem jungen Mann, der ihr, trotz aller Ablenkungsmanöver, nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte.

Am Abend drangen Gelächter und Stimmengewirr aus der gepflegten Bar des Hotels.

Isabel hatte den Abend, der hochsommerlich warm war, auf der Terrasse des Hotels verbracht.

Gerade als sie in ihr Zimmer gehen wollte, trat ihre Heidebekanntschaft vom Mittag aus der Tür, die zur Bar führte. Er schien überrascht, aber sehr froh zu sein, sie wiederzusehen.

»Ich habe Sie beim Abendessen im Restaurant schon vermisst«, sagte er leise, und seine Stimme klang bedeutend ernster als am Mittag. »Sie müssen meine Freunde entschuldigen. Die meinen es nicht so. Wenn sie keine Witze machen können, sind sie eben nicht zufrieden. Niemand wollte Sie beleidigen.«

»Ich bin nicht so empfindlich«, entgegnete Isabel in unverbindlichem Ton. »Sie brauchen sich überhaupt keine Gedanken zu machen. Es war nett, Sie getroffen zu haben. Wie heißt es doch immer? Man soll den Augenblick genießen.«

»Das haben wir getan«, meinte er etwas zögernd. »Aber, um ehrlich zu sein, ich wünschte, ich könnte den Augenblick verlängern …«

»Das wäre vielleicht gar nicht gut«, hörte Isabel sich sagen. »Illusionen sind nur dann schön, wenn sie nicht zerstört werden. Also, lassen wir doch alles, wie es ist.«

»Kommen Sie doch mit in die Bar«, bat er. »Wir feiern gerade Abschied. Ich muss ja leider schon morgen früh aufbrechen. Wollen Sie nicht ein Glas mit uns trinken?«

»Eigentlich möchte ich mich nicht in eine Männergesellschaft mischen«, meinte Isabel zögernd. »Als Frau stört man doch nur, wenn Männer unter sich sind.«

»Schade«, sagte der junge Mann leise. »Überhaupt schade, dass unsere Begegnung so flüchtig war. Sozusagen zwischen Tür und Angel.«

Ein beklemmendes Gefühl schnürte Isabel für einen Moment die Kehle zu. Hatte er nicht recht? Aber dann hatte sie sich schnell wieder gefangen.

»Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Reise nach Frankreich«, sagte sie freundlich. »Sie werden sicher viele schöne Erlebnisse haben.«

»Vielleicht«, entgegnete er, und seine Hand griff impulsiv nach der ihren. »Aber das schönste Ereignis der letzten Zeit wird für mich die Begegnung mit Ihnen bleiben.«

Plötzlich zog er sie in einer jähen Aufwallung an sich und vergrub sein Gesicht in ihren duftenden braunen Locken.

»Ich werde an dich denken«, murmelte er mit zärtlicher Stimme. »An die wunderschöne Unbekannte aus der Heide.«

Isabel spürte seinen Mund auf dem ihren, und wieder ließ sie es geschehen, ohne sich dagegen zu wehren. Ihr Gefühl war stärker, obwohl ihre Vernunft sie warnte.

Warum küsst du diesen Fremden?, fragte sie sich verwirrt.

Aus der Bar waren laute Stimmen zu hören.

»Wo ist denn unser Timmy schon wieder, dieser Schwerenöter? Ob er die süße Puppe vom Wildseder Berg sucht?« Gelächter ertönte, und jemand rief: »Geschmack hat er, das muss man ihm lassen!«

Mit einem jähen Ruck riss Isabel sich los.

Das fehlte noch, dass sie einem Casanova zum Opfer fiel!

»Leben Sie wohl«, rief sie, und ohne sich noch einmal umzudrehen, verschwand sie im Aufzug.

In der Hotelhalle blieb ein leichter Duft ihres Parfüms zurück.

Mit gesenktem Kopf stand der gut aussehende Mann in der Halle.

»Nicht einmal ihren Namen weiß ich, dabei wollte ich sie gerade danach fragen …«, murmelte er vor sich hin. »Sicher hält sie mich für einen Taugenichts, der mit jeder Frau anbandelt, die ihm über den Weg läuft.«

Eine Weile blickte er in den stillen Hotelgarten hinaus.

Es war eine milde Vollmondnacht. Ein leiser Wind brachte den Duft nach sommerlichen Blüten durch die geöffnete Terrassentür herein.

»Diesen Abend werde ich so schnell nicht vergessen«, murmelte der junge Mann.

Dann gab er sich einen Ruck und kehrte zurück in die fröhliche Runde seiner Freunde.

***

Isabel schlief schlecht in dieser Nacht.

War der Vollmond daran schuld, oder das nicht zu unterdrückende Verlangen, diesen Mann noch einmal zu sehen, dessen Kuss sie so bereitwillig erwidert hatte?

Immer wieder wachte Isabel aus wirren Träumen auf, in denen sie seine klaren, blauen Augen vor sich sah. Erst gegen Morgen schlief sie ziemlich fest ein.

Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als Isabel mit einem Satz aus dem Bett sprang. Es war schon zehn Uhr!

Wahrscheinlich hätte sie noch länger geschlafen, wenn nicht Türenschlagen sie geweckt hätte.

Vorsichtig spähte sie aus dem Fenster. Im hellen Sonnenlicht sah sie den Fremden über den Vorplatz des Hotels gehen, in der Hand einen kleinen Koffer. Ohne dass sie sich dessen bewusst war, verkrampfte sie ihre Hände ineinander.

Am liebsten hätte sie das Fenster aufgerissen, sich weit hinausgebeugt und gerufen: »Geh nicht fort! So dürfen wir uns nicht trennen!«

Aber sie stand unbeweglich und blickte nur der immer kleiner werdenden Gestalt nach.

Endlich war der Mann hinter den Bäumen verschwunden. Motorengeräusch erklang, und ein dunkler Wagen fuhr vom Parkplatz.

Die Sonne schien fast noch intensiver als am Vortag, neue Gäste kamen an, und fröhliches Stimmengewirr erfüllte das Heidehotel.

Aber dennoch erschien es Isabel, als läge ein Schatten über allem. Ihre unbeschwerte Stimmung war einer merkwürdigen Melancholie gewichen.

Sie drehte ein paar Runden im Schwimmbad und sonnte sich dann in einer Liege im Hotelgarten.

Langsam fand sie wieder zu sich selbst zurück.

»Ich bin wirklich ein dummes Ding«, murmelte sie vor sich hin. »Von irgendwo taucht ein Mann auf, und ich verliebe mich sofort in ihn, wie ein Teenager. Mit fast dreißig Jahren sollte ich eigentlich etwas vernünftiger sein.«

Sie schüttelte den Kopf über sich selbst.

Aber trotz aller Ablenkungen gelang es ihr nicht, das Bild des Mannes aus ihren Gedanken zu verbannen.

Im Gegenteil, je mehr sie es versuchte, desto deutlicher sah sie ihn vor sich, sein gut geschnittenes Gesicht, seine blauen Augen, deren Blick sie sofort gefangen genommen hatte, und sie spürte seine Lippen noch immer auf den ihren.

Am nächsten Tag reiste Isabel wieder ab. Zu Hause in Hamburg wartete eine Menge Arbeit auf sie.

Wie hatte er sie genannt? »Karrierefrau.« Ja, vielleicht war sie das.

Aber es war oft schwer genug, den Anforderungen des Alltags gerecht zu werden ohne einen Menschen an ihrer Seite, der sie wirklich liebte und zu ihr stand.

In erster Linie war sie eine Frau, die sich nach Liebe und Zärtlichkeit sehnte. Da gab es romantische Träume in ihrem Herzen, von denen niemand etwas wusste.

Und ein neuer Traum war nun hinzugekommen. Sie wollte ihn hüten wie einen Schatz.

***

Das Telefon klingelte. Seufzend legte Isabel den Entwurf für das Werbeplakat beiseite, an dem sie gerade gearbeitet hatte.

»Hallo, Isa«, sagte ihre Freundin Nadine am anderen Ende der Leitung mit fröhlicher Stimme. »Hast du heute Abend schon etwas vor? Ich weiß, es kommt etwas plötzlich, aber du musst unbedingt zu der Ausstellung in Peers Galerie kommen! Dieser begabte, junge Maler, Frank Drechsler, stellt seine Bilder dort aus. Es wird ein interessanter Abend werden!«

Peer Lackner, Nadines Verlobter, besaß im Herzen der Hansestadt eine kleine, renommierte Kunstgalerie und veranstaltete in regelmäßigen Abständen Ausstellungen begabter Nachwuchskünstler. Dazu wurden Freunde und Bekannte von Peer und Nadine eingeladen.

»Ich weiß nicht so recht«, meinte Isabel zögernd. »Zeitlich kann ich es mir eigentlich gar nicht erlauben. Ich bin mit meiner Arbeit ein bisschen im Rückstand. Eigentlich wollte ich heute Abend noch zwei Entwürfe fertig machen …«

»Du mit deiner Arbeit«, erklang es schmollend am anderen Ende der Leitung. »Denkst du eigentlich auch noch mal an etwas anderes? Dein Privatleben bleibt dabei völlig auf der Strecke. Warum ist die Sache mit Benno denn vor einem Jahr gescheitert? Doch nur, weil du nie Zeit für ihn hattest.«

»Fang doch nicht wieder damit an, Nadine«, unterbrach Isabel ihre Freundin ein wenig schroff. »Mit Zeitmangel hatte das überhaupt nichts zu tun. Wir haben einfach nicht zueinandergepasst. Benno war viel zu oberflächlich und dachte nur an sein Vergnügen. Warum musst du mich dauernd daran erinnern? Es geht mir gut. Ich bin lieber allein, als dass ich mit einem Mann, mit dem es nur Streit gibt, eine Beziehung führe.«

»Na ja«, gab Nadine zögernd zu, »du hast sicher recht. Aber als deine beste Freundin darf ich mir doch Sorgen um dich machen, oder? Du hockst da in deinem Zeichenatelier und schuftest vor dich hin. Ab und zu solltest du dir wenigstens eine Abwechslung gönnen. Und den heutigen Abend solltest du nicht verpassen! Es werden interessante Leute da sein.«

»Vermutlich willst du wieder den Versuch machen, mich mit irgendeinem Mann zu verkuppeln«, stellte Isabel lachend fest. »Ich kenne dich doch. Wenn du ›interessante Leute‹ sagst, meinst du doch ausschließlich Männer damit.

»Na und?«, verteidigte sich ihre Freundin. »Warum auch nicht? Ich weiß gar nicht, warum du so gegen Männerbekanntschaften bist. Sieh Peer und mich an. Wir sind glücklich. Warum solltest du nicht auch mal den Richtigen finden?«

»Schon gut«, beschwichtigte Isabel. »Ich komme!«

Lächelnd legte sie den Hörer auf.

Nadine war ständig darum bemüht, sie sozusagen »an den Mann« zu bringen. Aber bei Isabel hatte sie kein leichtes Spiel.

Immer wieder klagte Nadine, die eine Modeboutique besaß, über Isabels hohe Ansprüche, die sie, ihrer Meinung nach, an Männer stellte.

Das stimmte so jedoch nicht.

Isabel betrachtete eine Liebesbeziehung nur aus einem anderen Blickwinkel als viele andere Frauen. Weniger oberflächlich. Sie erwartete von einer Beziehung mehr als nur Vergnügen und Zerstreuung. Sie wollte ihr ganzes Herz mit einbringen.

***

Obwohl die Arbeit sich auf ihrem Zeichentisch türmte, war Isabel später doch froh, ein wenig Ablenkung zu haben. Nun war sie Nadine richtig dankbar.

Der Abend war warm, und die Dämmerung war gerade hereingebrochen, als Isabel in ihr kleines weißes Sportcoupé stieg, um zu Peer Lackners Galerie zu fahren.

Die junge Frau trug ein leichtes, pfirsichfarbenes Leinenkostüm mit goldenen Knöpfen. Die schöne Pastellfarbe kontrastierte reizvoll mit Isabels duftigen, dunklen Haaren.

»Du siehst ganz toll aus«, begrüßte sie Nadine gleich am Eingang.

Tatsächlich richteten sich die Blicke der Anwesenden bewundernd auf Isabel.

Peer, Nadines Verlobter, begrüßte sie begeistert. Obwohl er die blonde Nadine wirklich liebte, war er Isabels geheimer Bewunderer.

»Hallo, Isa, schön, dass du gekommen bist. Du musst dir gleich mal die Aquarelle ansehen. Ich finde, sie sind außergewöhnlich schön. Unser junger Künstler gibt zu großen Hoffnungen Anlass. Aber zuerst möchte ich dich ein paar Freunden vorstellen, die du noch nicht kennst.«

Er führte sie zu einem Tisch, auf dem ein kleines kaltes Büfett angerichtet war, und drückte ihr ein Champagnerglas in die Hand. Peer verstand es, seinen Vernissagen einen festlichen Rahmen zu verleihen.

Jeder der anwesenden Gäste war elegant gekleidet, es herrschte angeregtes Geplauder, und der Künstler war von einer Gruppe Interessenten umringt.

Isabel begrüßte freundlich lächelnd einige von Peers Bekannten.

Schließlich stellte Peer sie einem großen, blonden Mann vor.

»Isa, das ist Arno Peters, ein guter Bekannter, der nur aus Zeitmangel noch nicht auf unseren Ausstellungen gewesen ist. Er ist nämlich der Chef der Firma ›Peters & Co. – Export und Import‹. Und seine Freizeit ist knapp bemessen. Ein Manager, dem die Firma Tag und Nacht am Herzen liegt.« Peer lachte, als habe er einen besonders guten Witz gemacht. »Bitte seid mir nicht böse, wenn ich euch einen Moment allein lasse«, sagte er jetzt in verbindlicherem Ton. »Ich sehe gerade, dass neue Gäste ankommen, und Nadine scheint schon ganz ungeduldig zu sein.«

Damit war er auf und davon.

Isabel warf ihrer goldblonden Freundin in dem eleganten Taftkleid einen schnellen Blick zu. Dass Peer sie diesem gut aussehenden Unternehmer so nachdrücklich vorgestellt hatte, war mit Sicherheit Absicht gewesen!

Also hatte Isabel doch richtig vermutet: Nadine wollte sie wieder einmal verkuppeln!

Isabel musste ein wenig lächeln. Sie kannte ihre Freundin zu gut, um deren Absichten nicht zu durchschauen. Aber sie konnte ihr unmöglich böse sein! Und außerdem war dieser Arno Peters ein sehr gut aussehender und charmanter Mann.

Isabel hatte nichts dagegen, mit ihm diesen Abend zu verbringen.

»Einen schönen Namen haben Sie, Isabel«, meinte Arno Peters, während er sie zu einer modernen Sitzgruppe führte. »Er passt zu Ihnen. Ich habe gar nicht gewusst, dass Peer und Nadine eine so bezaubernde Bekannte haben.«

»Von Ihnen habe ich vorher auch noch nichts gehört«, antwortete Isabel schlagfertig. »Leider ist mir auch Ihre Firma kein Begriff, das müssen Sie bitte entschuldigen. Es gibt so viele Firmen in Hamburg für den Export-Importhandel, da bin ich nicht auf dem Laufenden.«

»Wie sollten Sie auch«, meinte Arno Peters, der ihr gegenüber Platz genommen hatte.

Seine eisblauen Augen musterten sie eindringlich.

Isabel konnte sich von seinem Blick nur schwer losreißen.

Warum nur? Hatten seine Augen nicht eine gewisse Ähnlichkeit mit denen des fremden Mannes, den sie in der Heide getroffen hatte?

Seitdem konnte Isabel nicht mehr in blaue Augen sehen, ohne an ihn zu denken. Immer wieder tauchte sein Bild vor ihr auf.

»Peer erzählte mir, dass Sie freiberufliche Grafikerin sind«, führte Arno Peters das Gespräch fort.

Die schöne junge Frau ihm gegenüber schien ein wenig geistesabwesend zu sein. Woran mochte sie denken?

Isabel schrak zusammen.

»Ach ja – Sie haben mit Peer schon über mich geredet?«

»Nur flüchtig«, erwiderte Arno Peters und strich sich ein nicht vorhandenes Stäubchen von seinem makellosen dunkelblauen Designer-Anzug.

»Peer sagte mir, dass Sie heute Abend noch kommen würden. Ich bin wirklich froh, dass Sie hier sind. Gelegentlich langweilen mich solche Ausstellungen, und ich gehe dann nur aus Pflichtgefühl hin, um den Gastgeber nicht zu enttäuschen.«

Isabel musste lachen.

»Also, dann scheinen Sie für Kunst keine Ader zu haben, nicht wahr? Vorsicht – denn Sie könnten sich bei mir unbeliebt machen! Ich übe ja selbst einen künstlerischen Beruf aus.«

In gespieltem Schuldbewusstsein biss sich Arno auf die Lippen.

»Sie haben mich enttarnt, aber Sie müssen mir verzeihen! Mir bleibt zu wenig Zeit, um mich mit Kunst zu beschäftigen, obwohl ich gute Bilder sehr schätze. Ich habe einige in meinem Büro hängen. Allerdings habe ich die meisten praktisch von meinem Vater übernommen. Ich würde mich freuen, wenn Sie mich einmal besuchen würden – vielleicht gefallen Ihnen nicht nur die Bilder.«

Unter seinem intensiven Blick wurde Isabel heiß.

Ohne Zweifel verstand es dieser Mann, Frauen mit seinem kühlen hanseatischen Charme zu erobern. Zudem sah er wirklich so gut aus, dass man ihn immer wieder ansehen musste. Groß, sportlich gebaut, umwerfend blond.

Sein Haar war modisch geschnitten, sein markantes Gesicht leicht gebräunt, und sein Lächeln war teils gewinnend, teils distanziert. Diese Mischung machte ihn überaus interessant.

Arno Peters betrachtete sein entzückendes Gegenüber sehr wohlgefällig.

Isabel Weichsler gefiel ihm ausnehmend gut. Um ehrlich zu sein, er hatte noch nie eine Frau getroffen, die ihn auf den ersten Blick so tief berührt hatte.

Arno hatte schon verschiedene Damenbekanntschaften gehabt, aber die Richtige war nie dabei gewesen.

Er stellte hohe Ansprüche an eine Frau: Sie musste sowohl intelligent, als auch bildschön sein, ein tadelloses Auftreten haben und das richtige Maß an Bildung.

In seiner Stellung konnte er sich nichts anderes leisten. Arno achtete auf Etikette und guten Geschmack.

Eine Frau musste gleichermaßen sein Gefühl wie seinen Intellekt ansprechen. Oberflächliches Getue war nicht nach seinem Geschmack.

Aber diese grazile, schöne Isabel gefiel ihm so gut, dass er den heftigen Wunsch verspürte, sie wiederzusehen. Er hatte es gleich gemerkt: Sie war nicht irgendein hübsches Dummchen, sondern ein außergewöhnliches Geschöpf.

Auch Isabel konnte sich der Faszination, die dieser Mann ausstrahlte, nicht entziehen. Er erschien selbstsicher, ohne arrogant zu wirken, und die Höflichkeit, mit der er sie behandelte, war vorbildlich.

***

»Ich finde, dass wir uns kennengelernt haben, sollte entsprechend gewürdigt werden. Was halten Sie von einem Glas Wein?«, schlug Arno nach Beendigung der Vernissage vor.

Isabel stimmte zu, und gemeinsam verließen sie die Galerie.

Nadine schaute ihnen mit einem triumphierenden Lächeln nach.

»Siehst du, Peer, ich glaube, unsere Isa hat angebissen! Arno ist ja auch ein ganzer Mann. Ich finde, die beiden passen zusammen.«

»Na ja«, meinte Peer etwas zögernd. »Es ist zu früh, um darüber Mutmaßungen anzustellen. Eine gute Partie ist er auf alle Fälle. Wenn es sie nicht stört, dass er ein sehr korrekter Typ ist, der auch noch nachts für die Firma da ist, wenn’s drauf ankommt, dann raufen sich die zwei vielleicht zusammen.«

»Wir wollen mal abwarten«, meinte Nadine zufrieden und lehnte sich an die Schulter ihres Verlobten. »Ich wäre jedenfalls froh, wenn Isa endlich den Richtigen fände. Sie ist schließlich auch schon Ende zwanzig. Und mir kann keiner erzählen, dass sie sich nicht nach einem privaten Glück sehnt. Dass sie sich so in ihrer Arbeit vergräbt und mehr Aufträge annimmt, als sie eigentlich verkraften kann, ist doch nur ein Ersatz. Vielleicht gibt es ja demnächst eine Verlobungsfeier bei Arno Peters.«

»Du mit deiner Neigung, Schicksal zu spielen«, meinte Peer kopfschüttelnd. »Aber du meinst es gut, das weiß ich. Und was mich betrifft, ich beuge mich gern dem Schicksal, das mich mit dir verbandelt hat. Obwohl du manchmal eine kleine Nervensäge bist, Nadine.«

Und er küsste sie zärtlich auf den roten Schmollmund.

***

Spät am Abend kamen Arno und Isabel aus dem hübschen Weinlokal, in dem sie es noch eine ganze Weile ausgehalten hatten.

Isabel stellte fest, dass die Zeit wie im Fluge vergangen war. Sie hatte sich gut mit dem blonden Unternehmer unterhalten. Er verstand es, geschickt auf jedes Thema einzugehen. Außerdem imponierte es ihr, dass er sich wie ein wirklicher Gentleman verhielt.

»Es war ein schöner Abend«, sagte sie zum Abschied. »Vielen Dank, Herr Peters.«

»Ich habe mich zu bedanken«, erwiderte er höflich. »Aber ich bitte Sie, nennen Sie mich Arno. Ganz so pedantisch bin ich nämlich nicht, wie es vielleicht manchmal den Anschein hat.«

Isabel fühlte seine Hände, die sich auf ihre Schultern legten und sie näher zogen.