Silvia-Gold 75 - Yvonne Uhl - E-Book

Silvia-Gold 75 E-Book

Yvonne Uhl

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Beschreibung

Sie liebte ihn mehr als ihr Leben
Warum schrieb sie ihm einen Abschiedsbrief?
Von Yvonne Uhl

Ihr Ballkleid ist eine Pariser Schöpfung aus pastellweißer Seide. Corinna von Stolzenberg betrachtet sich in dem alten, schadhaften Kristallspiegel. In wenigen Minuten wird Niels Wichmann sie zum Opernball abholen: Er, der erfolgreiche Großindustrielle, hat es geschafft, ihr Jawort zu erringen. In zehn Tagen soll die Hochzeit sein.
Corinna schließt die Augen. Tränen quellen zwischen den Wimpern hervor. Sie denkt an Manuel, den Mann, den sie mehr liebt als ihr Leben. Trotzdem hat sie ihm einen Abschiedsbrief geschrieben, weil ihr keine andere Wahl blieb ...

Ein Roman mit Nachhall über die Chance, wiedergutzumachen und das Glück - vielleicht - für immer festzuhalten.

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Seitenzahl: 133

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Inhalt

Cover

Impressum

Sie liebte ihn mehr als ihr Leben

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: martin-dm / iStockphoto

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-7716-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Sie liebte ihn mehr als ihr Leben

Warum schrieb sie ihm einen Abschiedsbrief?

Von Yvonne Uhl

Ihr Ballkleid ist eine Pariser Schöpfung aus pastellweißer Seide. Corinna von Stolzenberg betrachtet sich in dem alten, schadhaften Kristallspiegel. In wenigen Minuten wird Nils Wichmann sie zum Opernball abholen: Er, der erfolgreiche Großindustrielle, hat es geschafft, ihr Jawort zu erringen. In zehn Tagen soll die Hochzeit sein.

Corinna schließt die Augen. Tränen quellen zwischen den Wimpern hervor. Sie denkt an Manuel, den Mann, den sie mehr liebt als ihr Leben. Trotzdem hat sie ihm einen Abschiedsbrief geschrieben, weil ihr keine andere Wahl blieb …

Als es klingelte, sah Corinna erschrocken auf die mit Diamanten besetzte Armbanduhr, ein Geschenk von Nils zum letzten Weihnachtsfest.

Sie öffnete die Tür, und Nils Wichmann trat ein.

„Corinna, mein Liebling!“ Er blieb stehen und blickte sie voller Bewunderung an. „Wie schön du bist“, flüsterte er. „Umso schwerer fällt es mir, dir zu sagen …“

„Was ist geschehen?“, fragte sie.

Er griff nach ihren Händen und zog sie zu sich heran.

„Corinna, ich muss sofort nach Hamburg fliegen“, teilte er ihr hastig mit.

„Du musst verreisen?“, hauchte sie. „Aber der Opernball …“

Nils Wichmann hob eine Hand und strich Corinna über die zarte Wange.

„Gerade als ich mich für den Ball umkleiden wollte, Corinna, erreichte mich ein Anruf unseres Werksleiters in Hamburg-Wandsbek. Dort ist ein Feuer ausgebrochen, ich muss sofort hin. Es kann sich um Brandstiftung handeln.“

Corinna erblasste. Nils hatte von seinem Onkel Ferdinand das große Stahlwerk „Wichmann & Söhne“ geerbt, das schon seit mehr als einhundertfünfzig Jahren bestand. Onkel Ferdinand war einer der beiden Wichmann-Söhne gewesen, die das Werk seinerzeit nach dem Tod ihres Vaters geerbt hatten.

Der andere Sohn namens Robert hatte sich schon als junger Mann aus der Verantwortung befreit und alles Ferdinand überlassen. Ferdinand war längst verstorben, und im Alter von fünfundzwanzig hatte sein Großneffe Nils, dessen Großmutter seine Schwester gewesen war, das Werk in eigener Regie übernommen.

„Ja, dann musst du sofort nach Hamburg fliegen.“ Ihre Stimme klang traurig. „Schade, und ich hatte mich so auf den Ball gefreut.“

Nils zog sie an sich.

„Du brauchst doch nicht zu verzichten“, flüsterte er. „Um neun Uhr holt dich Onkel Robert ab. Er wird an meiner Stelle dein Ballherr sein.“

„O Nils, das ist doch kein Ersatz“, sagte Corinna niedergeschlagen.

„Du kannst Onkel Robert die Freude nicht verderben, Corinna. Geh bitte hin, aber flirte nicht mit anderen Männern, ich bekäme es ja doch heraus.“ Er riss sie an sich und suchte ihre Lippen.

Corinna schloss die Augen. Einmal würde sie ihn lieben, und dann würde sie sich an die gierigen Küsse, die jeder Zärtlichkeit entbehrten, gewöhnen können. Abrupt ließ er sie los.

„Ich muss los, die Maschine steht schon aufgetankt zum Start bereit. Ich rufe dich an, gleich morgen, wenn ich in Hamburg beim Frühstück sitze, meine kleine Prinzessin.“

Er riss sich von ihr los, umfasste noch einmal ihre schöne, anmutige Gestalt mit den Augen, dann drehte er sich um und ging davon. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.

Corinna ließ sich an ihrem Frisiertisch nieder und starrte ihr Spiegelbild an.

Was soll ich alleine auf dem Opernball?, fragte sie sich.

Wie so oft musste sie an Manuel von Paraquin denken. Sie waren einander vor zwei Jahren begegnet. Manuel war groß, elegant und dunkelhaarig, und er hatte diesen unnachahmlichen Charme, der jedes Frauenherz zum Schmelzen brachte.

Seit einem Jahr hatten sie sich nicht mehr gesehen. Corinna wusste nicht einmal, ob er noch in der Stadt war. Sie hatte mehrmals versucht, in seinem Apartment anzurufen, doch er wohnte nicht mehr dort.

Sie hatte in Manuels Armen gelegen und sich ihm hingegeben, ihm aber verschwiegen, welche Sorgen auf ihr gelastet hatten.

Als Kind hatte Corinna sich immer ausgemalt, dass ihr Vater das Schloss ihrer Vorfahren wieder zurückkaufen würde. Aber ihr Traum war unerfüllt geblieben. Sie war die letzte Stolzenberg, ihr Vater hatte ihr nur Schulden hinterlassen.

Corinna musste an ihre Mutter denken. Sie war eine kleine, energische Baroness aus dem Hunsrück gewesen, die eine stattliche Mitgift mit in die Ehe gebracht hatte. Ihre Mühen, den Gatten von seinem Leichtsinn und seiner Verschwendungssucht zu befreien, waren jedoch vergeblich gewesen.

Immer wieder hatte Erwin Graf Stolzenberg an der Börse spekuliert und hohe Summen riskiert. Er war meist gescheitert, und die Armut war bei ihnen eingezogen.

Vor fünf Jahren war ihre Mutter an Herzversagen gestorben. Zwei Jahre später war ihr Vater tödlich verunglückt.

Er hatte seiner Tochter einen hohen Schuldenbetrag hinterlassen, Schulden, die sie als seine einzige Hinterbliebene bezahlen musste.

Corinna hatte nicht gewusst, welche Kräfte in ihr steckten. Auf das Studium an der Hochschule hatte sie verzichtet und jede Arbeit angenommen, die sich ihr geboten hatte. Im Reisebüro hatte sie ihre ausgezeichneten Sprachkenntnisse verwerten können, sie hatte als Reiseführerin bei Stadtrundfahrten, als Hotelsekretärin und als Dolmetscherin Geld verdient. Und innerhalb von zwei Jahren hatte sie zehntausend Euro der Schulden begleichen können.

Ihre Liebe zu Manuel von Paraquin hatte ihr oft Kraft gegeben, die Strapazen zu überstehen.

Manuel von Paraquin war Fotograf aus Passion, aber er hatte nur wenig Erfolg damit, seine Fotos zu verkaufen. Das kleine Apartment, das er bewohnte, war noch nicht einmal vollständig möbliert gewesen. Corinna hatte trotzdem gehofft, er würde einmal während ihrer einjährigen Bekanntschaft von Heirat sprechen.

Aber Manuel war ein Mensch, für den nur die Gegenwart zählte. Er lebte in den Tag hinein und dachte niemals an später, nicht einmal an die nächste Woche.

Wenn Papa mich nicht mit diesem verhängnisvollen Erbe belastet hätte, dachte sie, wäre ich bei Manuel geblieben. Aber nun musste ihre Liebe zu ihm immer ein Traum bleiben.

Ja, sie musste die Liebe zu Manuel tief in ihrem Herzen verschließen. Es war aus und vorbei.

Wahrscheinlich würden sie sich niemals mehr begegnen.

Corinna nickte ihrem Spiegelbild zu. Onkel Robert, der sie gleich abholen würde, war ein netter alter Herr. Sie mochte ihn ganz gern.

Da läutete es auch schon.

♥♥♥

Der Opernball in der Kreisstadt Lindenstein fand traditionsgemäß jedes Jahr im Januar statt.

Alles, was Rang und Namen hatte, fuhr in die große Stadthalle. Die Mitglieder des Opern-Ensembles des Stadttheaters sorgten jedes Mal für die künstlerisch-musikalische Unterhaltung. Das große Opernorchester spielte klassische Tänze, aber auch moderne Rhythmen.

Lindenstein war eine aufstrebende Kreisstadt, die vor allem von den vielen Beschäftigten der Wichmann-Hauptwerke lebte. Die Stadthalle war vor zehn Jahren auf Initiative des damaligen Werksbesitzers Ferdinand Wichmann gebaut worden. Vorher hatten die Opernbälle im Foyer des Stadttheaters stattgefunden.

Als Corinna Komtess Stolzenberg neben Robert Wichmann den großen Saal betrat, trafen sie die ersten bewundernden Blicke. Sie schritt anmutig am Arm des alten Herrn von Gruppe zu Gruppe und begrüßte Bekannte. Immer wieder musste sie erklären, dass ihr Verlobter leider im allerletzten Augenblick geschäftlich hatte verreisen müssen.

Corinna lächelte verhalten, ließ sich Handküsse geben und verstand es, auch die Damen, in deren Augen sie vorher Neid und Missgunst gelesen hatte, durch nette Plaudereien für sich zu gewinnen.

Plötzlich blickte sie auf, weil sie sich beobachtet fühlte. Und sie sah in das Augenpaar von Manuel Graf Paraquin.

Manuel hatte Corinna bereits gesehen, als sie den Saal betreten hatte. Er war in Begleitung einer Bekannten aus dem Fotoinstitut Koschbach, für das er hin und wieder Fotos schoss.

Als er sich gerade mit Sabine Tressner nach den Klängen eines Walzers drehte, begegnete er Corinnas Blick.

Starr sah er ihr in die Augen, dann tanzte er mit Sabine weiter.

Sie wird immer schöner, dachte Manuel. Und immer kälter, stolzer.

Manuel zweifelte daran, ob die schöne Verlobte des Großindustriellen Wichmann wirklich noch die Corinna war, die er einst in den Armen gehalten hatte.

Hatte sie sich damals nicht bedingungslos ihrer Leidenschaft ausgeliefert?

Ihren Abschiedsbrief vor einem Jahr hatte er von Anfang an als Lüge empfunden.

… tut mir so leid, dir zu sagen, Manuel, dass unsere Beziehung zu Ende gehen muss. Ich habe eingesehen, dass wir nicht zueinanderpassen, und auf einem Flirt wie unserem kann man keine Zukunft aufbauen …

Wie verlogen diese Worte gewesen waren, hatte er spätestens eine Woche danach gemerkt, als er die Verlobungsanzeige in der Zeitung gelesen hatte. Corinna und dieser Wichmann also …

Da war es ihm wie Schuppen von den Augen gefallen. Er war Corinna also zu arm gewesen!

„Was ist eigentlich mit Ihnen los, Manuel?“, fragte Sabine. „Sie träumen ja mit offenen Augen.“

„Hoffentlich leidet dadurch mein Gefühl für den Rhythmus nicht“, entschuldigte er sich bei seiner Tänzerin. „Bin ich Ihnen auf die Zehen getreten?“

Sabine lachte. Sie konnte manchmal aussehen wie ein Lausbub. Sie hatte kurzes, gewelltes rötlich schimmerndes Haar und grüne Augen. Eine Schönheit im üblichen Sinne war sie nicht, aber ein guter Kamerad, auf den man sich verlassen konnte, und irgendwie herzerfrischend.

„Nein, Ihre Augen hatten nur etwas so Geistesabwesendes, als ob Sie ein Gespenst gesehen hätten!“, sagte Sabine.

Ich bin längst über diese Geschichte mit Corinna hinweg, dachte Manuel. Auch wenn es mich immer noch wurmt, dass sie mich damals wegen dieses Wichmanns einfach sitzen ließ und nicht einmal den Mut besaß, es mir persönlich zu sagen!

Als Manuel Corinnas Blicken einige Zeit später erneut begegnete, bemerkte er einen eigentümlichen Ausdruck darin.

Sie tanzte mit dem Bürgermeister an ihm und Sabine vorbei. Und in ihren braunen Augen war ein solches Flehen, ein so sehnsüchtiges Drängen, dass er ihr wie erstarrt nachsah.

Er hatte während des einen Jahres, als Corinna und er ein festes Liebesverhältnis gehabt hatten, gelernt, die Sprache ihrer Augen zu verstehen.

Was wollte sie von ihm? Er wollte mit ihr nichts mehr zu tun haben.

Sabine Tressner merkte sehr wohl, wie zerstreut Manuel war. Die Kolleginnen im Fotoinstitut hatten sie alle aufgezogen, als sie ihnen erzählt hatte, dass sie mit Manuel Graf Paraquin den Opernball besuchen wollte.

„Mit dem willst du zum Ball? Sabine, den spannt dir doch in kürzester Zeit eine andere Frau aus, so wie der aussieht!“

Lächerlich, dachte Sabine. Bisher hatte Manuel nur mit ihr getanzt. Aber etwas schien ihn abzulenken.

Kurz darauf trafen sie Cox.

In Wirklichkeit hieß der junge Mann mit den dunklen Locken Albert Cochem, aber alle Welt rief ihn nur Cox. Er war freier Pressefotograf und hatte den Auftrag, für die LINDENSTEINER NACHRICHTEN Fotos vom Opernball und seinen prominentesten Gästen zu machen.

Cox trat, als die Kapelle eine Pause gemacht hatte, auf sie zu.

„Hallo, Manuel. Hallo, Sabine“, sagte er. „Heiß hier, wie?“

Auch Cox trug einen Smoking, aber er passte ihm nicht so richtig. Die Hosenbeine waren etwas zu kurz, und über der Brust spannte die Jacke ein wenig.

„Bist du bald fertig hier, Cox?“, fragte Sabine.

„Nein. Noch lange nicht. Ich muss noch die Bürgermeisterfamilie fotografieren und natürlich die schöne Komtess.“

„Welche schöne Komtess?“, fragte Sabine arglos. „Wo ist eine schöne Komtess?“

Cox schnitt eine Grimasse.

„Typisch Sabine“, sagte er zu Manuel. „Sie hat wieder einmal keine Ahnung, was um sie herum vorgeht.“

In diesem Augenblick schritt Corinna Komtess Stolzenberg am Arm von Onkel Robert an ihnen vorbei.

„Sie können nur Komtess Stolzenberg meinen“, sagte Manuel laut. „Da ist sie ja … soeben geht sie vorbei!“

„Oh, natürlich“, sagte Cox. Er riss seine Kamera hoch und versperrte Corinna und dem alten Herrn Wichmann den Weg.

„Darf ich bitten, meine Herrschaften? Ein Foto für die LINDENSTEINER NACHRICHTEN.“ Er drückte dreimal hintereinander auf den Auslöser. „Vielen Dank, Komtess Stolzenberg. Auch Ihnen, Herr Wichmann.“

Ganz deutlich hatte Manuel den verstörten Blick von Corinna bemerkt, den sie ihm zugeworfen hatte. Er lächelte und hob die linke Braue.

„Will mir mal bitte einer von euch erzählen, wer Komtess Stolzenberg ist?“, bat Sabine.

„Sie ist …“, sagten Cox und Manuel wie aus einem Munde, dann sprach Cox allein weiter. „Sie wird in zehn Tagen Nils Wichmann heiraten.“

„Ach …“ Sabine war beeindruckt. „Sie sieht fantastisch aus. Und der alte Herr ist …“

„Ihr künftiger Großonkel.“ Cox war bestens informiert. „Wenn das Foto etwas geworden ist, kommt es ganz groß heraus. Die Komtess hätte Fotomodell werden sollen!“

Sie tauschten noch ein paar belanglose Sätze.

„Hier, Manuel. Wollen Sie nicht einmal die Kamera halten und mir erlauben, wenigstens einmal mit Sabine zu tanzen?“, sagte Cox nach einer Weile.

„Warum nicht?“, erwiderte Manuel und nahm dem jungen Kollegen die Kamera ab. Dann schlenderte er zur Bar hinüber und ließ sich ein Glas Sekt geben.

„Komm zur Garderobe … bitte!“, hörte er plötzlich eine Stimme hinter sich raunen, als er das Glas in Empfang nahm.

Diese Stimme hätte er unter Tausenden wiedererkannt. Sein Genick versteifte sich. Ich denke nicht daran, ihrem Wunsch zu folgen, dachte er.

Manuel wandte den Kopf und sah Corinna am Rande der Tanzfläche auf die weit geöffnete Saaltür zugehen.

Langsam trank er sein Glas leer und stellte es auf die Theke zurück.

Dann ging auch er in großem Bogen auf die Saaltür zu. Er verneigte sich vor einer älteren Dame, in der er die Leiterin der städtischen Bibliothek erkannte, und schritt langsam die Steinstufen hinunter zur Garderobe, die unmittelbar vor dem Ausgang in einer Nische lag.

Sein Schritt stockte, als er beobachten konnte, wie sich Corinna Komtess Stolzenberg soeben ein kurzes schwarzes Jäckchen um die nackten Schultern legte und auf den Ausgang zuging.

Er folgte ihr ins Freie.

„Manuel …“

Corinna hatte ihn zur Seite gezogen und den Kragen ihrer Jacke hochgeschoben.

„Ich wüsste wirklich nicht, Corinna, was wir uns noch zu sagen hätten!“, murmelte er. Ihr zartes Parfum erinnerte ihn an früher. Und gerade diese Erinnerung hatte er doch verdrängen wollen.

„Ich wollte noch einmal mit dir reden. Manuel, ich …“ Corinna suchte nach Worten. „Glaube bitte nicht, dass alles so einfach für mich ist!“

„Niemand hat dich gezwungen, dich mit Wichmann zu verloben und ihn in zehn Tagen zu heiraten, oder?“, erkundigte er sich rau. „Lass doch das Theater, Corinna.“

Sie blickte auf. Ein Flehen stand in ihren Augen, das er nie zuvor in ihnen gelesen hatte.

„Ich habe oft versucht, dich anzurufen, aber du bist ja aus deinem Apartment ausgezogen“, fuhr sie fort.

„Ja, ich konnte vor Kurzem in das uralte Wachhäuschen in der Stadtmauer übersiedeln“, erklärte er.

„Wie geht es dir, Manuel? Bist du mit deinem Leben zufrieden?“

Er schob sie ein Stück von sich weg. Ihre Nähe beängstigte ihn geradezu, machte ihm die Brust schwer, hinderte ihn, frei durchzuatmen.

„Hast du eine andere?“, hauchte sie.

„Nein. Ich arbeite übrigens im Augenblick an einem Kulturfilm, den ich dem Fernsehen anbieten will. Warum fragst du?“

„Weil es mich interessiert.“ Sie senkte den Kopf.

„Das nehme ich dir nicht ab, Corinna!“ Manuels schlanke, kräftige Gestalt straffte sich. „Sei mir nicht böse, aber ich durchschaue dich. Wichmann ist reicher als ich, bekannter, prominenter. Das ist der Grund, dass du mich verlassen hast. Und du warst zu feige, es mir direkt zu sagen, und hast stattdessen diesen Brief geschrieben.“

„Ja, ich war feige.“ Corinna seufzte schwer. Er merkte, dass sie mit den Tränen kämpfte.

„Wo ist eigentlich dein Multimillionär?“

„In Hamburg. Er musste vorhin hinüberfliegen und kommt erst morgen wieder“, flüsterte sie. „Ich bin mit seinem Großonkel hier. Und ich … wir müssen wieder in den Saal, sonst fällt es auf!“

„Ja.“

Stumm blieben sie voreinander stehen.

„Könnten wir nicht nach dem Ball noch …“ Ihre Stimme brach ab. „Ich möchte einmal noch so mit dir sprechen wie früher, dir alles sagen, mich dir anvertrauen!“, bat sie.

„Nein. Ich habe kein Interesse mehr daran, mit dir irgendwo allein zu sein.“

„Verzeih mir bitte“, bat sie leise. „Es ist verständlich, dass du so bitter bist und mit mir nichts mehr zu tun haben willst. Aber …“

Corinna war fest entschlossen, ihm endlich die Wahrheit zu sagen. Dass sie den Antrag von Nils Wichmann nur angenommen hatte, weil die Gläubiger ihres verstorbenen Vaters ihr im Nacken gesessen und sie nicht mehr ein noch aus gewusst hatte.

Er sollte nicht schlecht von ihr denken.

Corinnas Nähe ließ Manuels Herz schneller schlagen.