Simulative Demokratie - Ingolfur Blühdorn - E-Book

Simulative Demokratie E-Book

Ingolfur Blühdorn

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Beschreibung

Sind die Proteste gegen Stuttgart 21 oder die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke ein weiterer Beleg für die Krise der Demokratie? Oder doch eher für ihre Lebendigkeit? Und ist »Krise« überhaupt noch das richtige Wort? Immerhin bezeichnet der Begriff einen vorübergehenden Zustand, aber über Politikverdrossenheit oder gar »Postdemokratie« wird nun schon seit Jahren lamentiert. Ingolfur Blühdorn schlägt eine andere Lesart vor: Wir erleben, so Blühdorn, einen schleichenden Formwandel des Politischen, den Übergang zur »simulativen Demokratie«, in der demokratische Werte, demokratische Verfahren, ja sogar der demokratische Souverän lediglich simuliert werden.

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Seitenzahl: 357

Veröffentlichungsjahr: 2013

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Sind Proteste wie die der sogenannten »Wutbürger« oder internationale Bewegungen wie Occupy Wall Street ein weiterer Beleg für die Krise der Demokratie? Oder doch eher für ihre Lebendigkeit? Ist »Krise« überhaupt das richtige Wort? Immerhin bezeichnet der Begriff einen vorübergehenden Zustand, aber über Politikverdrossenheit oder gar »Postdemokratie« wird nun schon seit Jahren diskutiert. Ingolfur Blühdorn schlägt eine andere Lesart vor: Wir erleben, so seine These, einen schleichenden Formwandel des Politischen, den Übergang zur »simulativen Demokratie«, in der demokratische Werte, demokratische Verfahren, ja sogar die Idee des demokratischen Souveräns selbst sich gewissermaßen überlebt haben, gleichzeitig aber mehr öffentliche Zustimmung finden denn je – und deshalb als »Simulationen« sorgfältig kultiviert werden.

 

Ingolfur Blühdorn, geboren 1964, lehrt politische Soziologie und Politikwissenschaft an der Universität Bath (GB). Er befasst sich seit Jahren mit dem politischen Erbe der sozialen Bewegungen der Siebziger und Achtziger.

Ingolfur BlühdornSimulative Demokratie

Neue Politik nach derIpostdemokratischen Wende

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Suhrkamp

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2013

edition suhrkamp 2634

Originalausgabe

© Suhrkamp Verlag Berlin 2013

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlag gestaltet nach einem Konzept von Willy Fleckhaus: Rolf Staudt

 

eISBN 978-3-518-73308-0

www.suhrkamp.de

Inhalt

 

1.

Demokratie in der (Dauer-)Krise

1.1

Wutbürger, Indignados und Occupy

1.2

Erfüllung einer Vorhersage?

1.3

Das demokratische Paradox

1.4

Der modernisierungstheoretische Ansatz

1.5

Fahrplan

 

2.

Die Gegenposition: Demokratischer Optimismus

2.1

Modernisierung und Demokratisierung

2.2

Nachhaltige Demokratie

2.3

Demokratische Innovationen

2.4

Überzogene Erwartungen?

2.5

Demokratische Selbstillusionierung

 

3.

Die postdemokratische Wende

3.1

Postdemokratie als Kampfbegriff

3.2

Vom schwachen zum starken Begriff

3.3

Kritische Zwischenfragen

3.4

Emanzipation vom demokratischen Projekt?

3.5

Das postdemokratische Paradox

 

4.

New Politics 2.0

4.1

Postdemokratische Performanz

4.2

Symbolische und simulative Politik

4.3

Postdemokratische Partizipation

4.4

Postdemokratische Repräsentation

4.5

Postdemokratische Legitimation

 

5.

Demokratie und Ökologie

5.1

Ökologische Demokratieskepsis in den Siebzigern

5.2

Jenseits der politischen Ökologie

5.3

Das Paradox der modernen Nachhaltigkeitspolitik

5.4

Postdemokratische Politik der Nicht-Nachhaltigkeit

5.5

Zum Schluss

 

Literaturverzeichnis

 

 

 

für Annette

 

 

 

 

 

Ich bin der Burli;Ich bin grün;Mein Herz schlägt links;Atomkraft? Nein Danke!

1. Demokratie in der (Dauer-)Krise

Könnte es eigentlich sein, dass das demokratische Projekt sich irgendwann erschöpft? Wäre es denkbar, dass die Demokratie einmal ihren progressiven Charakter verliert, ja vielleicht sogar reaktionär wird? Könnte der Schlachtruf »Mehr Demokratie wagen!« einmal seine Attraktivität einbüßen oder gar einen bedrohlichen Klang annehmen?

Längst ist in den westlichen Stammländern der Demokratie offensichtlich, dass die Versprechen, die in diesem Begriff liegen, wohl unerfüllt bleiben werden: Die Politik verliert gegenüber der Macht der Märkte dramatisch an Boden; vermeintlich demokratische Systeme sind fest in der Hand machtvoll organisierter Interessen und haben mit Volkssouveränität – wenn es die je irgendwo gab – immer weniger zu tun. Unaufhaltsam schreiten soziale Ungleichheit sowie die Entmündigung und Verdinglichung der Bürger als bloße Verwaltungsgegenstände oder human resources voran – wobei freilich jeder Schritt der Entmündigung als emanzipatorischer Gewinn kommuniziert wird.

Doch können wir uns vorstellen, dass auch die Idee der Demokratie, ebenso wie sie einst aus bestimmten historischen Bedingungen heraus entstanden ist, sich zu einem späteren Zeitpunkt wieder überlebt? Viel scheint einstweilen dagegen zu sprechen. In modernen Gesellschaften steht alles zur Diskussion, aber nicht die Demokratie. Sie ist über jeden Zweifel erhaben. Skeptische Fragen überhaupt nur zu stellen, widerspricht fundamental unseren etablierten Denkmustern und jeder politischen Korrektheit. Die normative Selbstverpflichtung der Politik- und Sozialwissenschaften scheint demokratiekritische Überlegungen grundsätzlich zu verbieten, da sie jenen in die Hände spielen könnten, die immer schon antidemokratische Interessen hegten – seien es diejenigen, die mit nicht zu überbietender Unverschämtheit auf Kosten der Ausgeschlossenen und »Überflüssigen« (Bude und Willisch 2008) immer mehr Reichtum anhäufen, oder die Anhänger nationalistischer, antilibertärer und neoautoritärer Populismen. Und doch müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass derzeit so etwas wie eine postdemokratische Wende die Qualität der Demokratie und unser Verhältnis zu ihr gründlich verändert. Die bisher unumstößliche Annahme, dass die liberale Demokratie allen konkurrierenden Modellen überlegen sei und in alle Zukunft unsere bevorzugte Form der politischen Organisation und Kultur bleiben wird, ist ins Wanken geraten. Schlagworte wie Demokratieversagen (Shearman und Smith 2007), Demokratieverdruss (Embacher 2009) und Postdemokratie (Crouch 2008) haben Konjunktur. Jacques Rancière spricht gar vom Hass der Demokratie (Rancière 2011). Die entsprechenden Debatten werden flankiert von ebenfalls breit geführten Diskussionen um die Entpolitisierung (Serloth 2009; Hirsch 2010), das Verschwinden der Politik (Fach 2008) und die Postpolitik (Žižek 2010).

Tatsächlich steht die Zukunftsfähigkeitder Demokratie (vgl. Schmidt 2005; Höffe 2009) zur Diskussion: Erstens insofern, als bestimmte materielle und immaterielle Ressourcen zur Neige zu gehen scheinen, die die Demokratie zu ihrer eigenen Reproduktion unverzichtbar braucht; zweitens insofern, als unklar ist, ob die Demokratie überhaupt in der Lage ist, Zukunftsfragen wie den Klimawandel, die Begrenztheit natürlicher Rohstoffe, die Verschuldung der öffentlichen Haushalte oder die rasant wachsende soziale Ungleichheit zu bewältigen. Vor diesem Hintergrund ist es dringend geboten, auch solchen Fragestellungen gründlich nachzugehen, die zunächst provokativ oder riskant erscheinen. Sicher besteht die Gefahr, dabei auch auf Antworten zu stoßen, die dazu missbraucht werden könnten, die Profiteure der Entpolitisierung und Feinde der Demokratie zu entlasten, entschuldigen oder gar zu rechtfertigen. Doch ist es, wie Danilo Zolo richtig anmerkt, die »wesentliche Aufgabe der politischen Philosophie […], radikale Fragen zu stellen […], auch die konsolidierten theoretisch-politischen Kategorien zu problematisieren, einschließlich derer, die der humanistischen und demokratischen Tradition des Westens und seinem Befreiungsprogramm angehören« (Zolo 1997, 213). Tatsächlich ist dies sogar die Bedingung dafür, dass die politische Philosophie sich nicht »auf eine redundante Apologie der existierenden Machtordnung reduziert« (ebd.).

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