Sissinghurst - Vita Sackville-West - E-Book

Sissinghurst E-Book

Vita Sackville-West

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Beschreibung

1930 kaufte die Schriftstellerin Vita Sackville-West mit ihrem Ehemann Harold Nicolson die Ruine von Schloss Sissinghurst in Kent, um dort einen Garten zu erschaffen. Heute bewundern jährlich 160.000 Menschen ihr Lebenswerk: den Garten von Schloss Sissinghurst. Wie der Garten entstand, nach welchen Gesichtspunkten Pflanzen ausgewählt und wo Beete und Rabatten angelegt wurden, wie der Garten das Portrait ihrer Ehe widerspiegelt, all dies findet man in den Tagebüchern und Briefen, in den Gartenkolumnen von Vita Sackville-West und den Rundfunkbeiträgen von Harold Nicolson – minutiös beschrieben und in einem lockeren frischen Ton gehalten.

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Seitenzahl: 126

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Inhalt

[Cover]

Titel

Widmung

Zitat

Wie alles begann

1931

1932

1933

Sissinghurst

1934

1935

1936

1937

1938

1939–1945

1945–1962

Nachweise

Danksagung

Autorenporträt

Übersetzerporträt

Über das Buch

Impressum

Vita Sackville-West und Harold Nicolson 1932 auf den Stufen zum Turm.

Für Nigel Nicolson

Laßt uns pflanzen und fröhlich sein,denn im nächsten Herbstsind wir vielleicht alle ruiniert.Vita Sackville-West

Wie alles begann

Einmal wurde ich einer deutschen Dame vorgestellt, einer äußerst vielseitig gebildeten Lady, die mir erzählte, einer der größten Unterschiede zwischen Engländern und Deutschen sei, daß wir, im Gegensatz zu unseren deutschen Freunden, uns nichts aus Blumen machten. Bestürzt über diese Bemerkung, fragte ich sie einigermaßen ungehalten, was sie damit meine. Sie antwortete, ihr sei aufgefallen, daß es in London weniger Blumenläden gäbe als in Berlin, und daß man sogar in den teuersten Blumenläden in der Bond Street allenfalls, wie sie es nannte, ›ganz gewöhnliche Feld-, Wald-, und Wiesenblumen sähe, wie die Leute sie in ihren Gärten anpflanzten‹. Darauf entgegnete ich, man könne ebensogut sagen, eine ganze Nation hasse Tiere, nur weil sie es ablehne, sie im Zoo zu betrachten. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie die Zurechtweisung in dieser Analogie begriff.

Ich erzählte diese Geschichte einer anderen, aufgeschlosseneren deutschen Dame, während wir in der Umgebung von Frankfurt am Main mit dem Auto unterwegs waren. ›Dabei ist es so‹, sagte ich, ›daß nirgendwo anders als in England, es Leute schaffen, einen Garten anzulegen, wo niemals vorher einer gewesen war.‹ In diesem Moment tauchte auf der Straßenseite ein großes Gebäude auf, daß wie eine Kaserne aussah. Zu meinem großen Erstaunen sah ich, daß der ganze Platz zwischen der Kaserne und der Straße umgegraben und vollkommen bedeckt mit Goldregen und Löwenmäulchen war. ›Naja, ich weiß nicht‹, sagte sie, ›nehmen Sie zum Beispiel diese Kasernen, hier leben einfache deutsche Soldaten …‹ In diesem Moment passierten wir das Eingangstor, wo wir auf einer weißen Tafel die Aufschrift British Rhineland Army, Western Depot, Horne barracks lesen konnten. Und tatsächlich kam gerade ein kleiner englischer Tommy mit einer roten Gießkanne aus dem Tor. Rasch wandte ich mich ab und wechselte das Thema. Ja, unser trockener Witz und unsere Liebe zu Blumen und Tieren sind wahrscheinlich unsere besten Eigenschaften.«

Als Harold Nicolson am 21. März 1930 diese Geschichte im Rundfunk erzählte, ahnte er nicht, daß er wenige Wochen später in genau dieses Abenteuer verwickelt sein sollte, nämlich einen Garten anzulegen, wo niemals vorher einer gewesen war.

Im Jahr 1915 kauften Vita Sackville-West und ihr Ehemann Harold Nicolson Long Barn, ein heruntergekommenes Cottage aus dem 14. Jahrhundert, in der Nähe von Schloß Knole, dem Stammsitz von Vitas Familie seit dem 15. Jahrhundert. Auf Grund der englischen Erbfolgerechte ging der Besitz nach dem Tod ihres Vaters nicht auf sie, sondern auf den nächsten männlichen Erben über.

Am 10. April 1915 zogen sie mit ihrem einjährigen Sohn Benedict (Ben) in Long Barn ein, und in den folgenden Jahren bauten sie das Gebäude um, legten einen Garten an und schufen sich ein Refugium, das viele Turbulenzen ihrer ungewöhnlichen Ehe überlebte. Ihr zweiter Sohn, Nigel, wurde 1917 geboren, und im gleichen Jahr erschien Vita Sackville-Wests erster Gedichtband, dem eine Reihe von Romanen und Biographien folgten.

Anfang 1930, als Vita Sackville-West gerade ihren autobiographischen Roman Schloß Chevron abgeschlossen hatte, erfuhren sie, daß ein an Long Barn grenzendes Gehöft an Geflügelzüchter verkauft werden sollte. Unschlüssig überlegten sie, ob sie das Angebot überbieten sollten oder ob nicht der Moment gekommen sei, Long Barn zu verkaufen und etwas Neues zu suchen. Harold Nicolson war der Meinung, sie hätten die Möglichkeiten, die Haus und Garten boten, ausgeschöpft. Wenige Wochen später hörten sie, daß zwanzig Meilen östlich von Long Barn, in der Nähe des Ortes Sissinghurst, ein Anwesen zum Verkauf stünde.

Nachdem Vita die Anlage mit ihrem Sohn Nigel besichtigt hatte, schrieb sie in ihr Tagebuch: »Ich bin von Liebe überwältigt.«

Die Nicolsons besaßen wenig Kapital und die Erziehung der beiden Söhne war kostspielig – ob sich die finanzielle Lage durch die Veröffentlichung von Schloß Chevron bessern würde, konnten sie nicht wissen. (Es wurde ein Erfolg: bis Ende Juli waren bereits 20000 Exemplare verkauft.) Dazu kam, daß das Schloß nicht viel mehr als eine Ruine war. Es gab keinen einzigen Raum, den man in den Überresten des einstigen Tudor-Herrensitzes aus der Zeit Elizabeth I. hätte beziehen können. Der Garten war so gut wie nicht vorhanden und diente seit langem als Schuttabladeplatz.

Der Schriftsteller Horace Walpole hatte das Schloß Mitte des 18. Jahrhunderts besucht und es als »ein verkommenes Haus und einen zehnmal so heruntergekommenden Garten« bezeichnet. Wenige Jahre später diente es dem Staat als Gefängnis für französische Seeleute im Siebenjährigen Krieg. Um 1800 wurde ein großer Teil des Anwesens abgerissen, und für die nächsten sechzig Jahre waren die restlichen Gebäude das Armenhaus der Gemeinde. Seit 1854 wurden die Gebäude als Ställe oder Scheunen benutzt, in manchen waren Notwohnungen für die Landarbeiter untergebracht. Einzig ein hoher rechteckiger, rosafarbener Sandsteinturm, der von zwei achteckigen Türmchen flankiert wurde, ließ ansatzweise erkennen, was mit viel Geld, Zeit und Arbeit aus der Anlage entstehen könnte.

Über zwanzig Jahre später schrieb Vita Sackville-West:

»Die Anlage von Sissinghurst war nicht neu: sie ließ sich zurückverfolgen bis zur Regierungszeit von Heinrich VIII. Das war in vielerlei Hinsicht von Vorteil. Es bedeutete, daß einige der Tudorgebäude den Hintergrund bilden konnten; es bedeutete, daß einige der hohen, rosafarbenen Steinmauern als Gerippe des zu werdenden Gartens erhalten blieben und zwei Läufe eines noch älteren Grabens, mit einem schwarzen Spiegel stillen Wassers, den Abschluß bildeten. Das Land war vor weniger als vierhundert Jahren urbar gemacht worden, und es war kein schlechter Boden, um ihn zu bestellen. Er bestand hauptsächlich aus dem, was die Geologen Tunbridge Wells Sand nannten: eine etwas irreleitende Bezeichnung, denn er war nicht in dem Sinne sandig, sondern enthielt eine Oberschicht aus hinlänglich bröckligem Lehm mit einer Basis von Ton, wie man leicht feststellen konnte, wenn man nur zwei Spatenstiche tief ging.

Dieses waren die Vorteile, die ich nicht heruntermachen möchte. Doch zu meiner Rechtfertigung muß ich die Aufmerksamkeit auch auf die Nachteile lenken. Das allerlästigste waren die wahrhaft entsetzlichen Haufen von Schutt, die zu beseitigen waren, bevor an das Pflanzen von irgend etwas nur gedacht werden konnte. Das Gelände stand zum Verkauf, seit der letzte Besitzer, ein Bauer, gestorben war. Selbstverständlich hat er die Umgebung des alten Schlosses auch nie als einen Garten angesehen, sondern eher als praktischen Entsorgungsplatz für verrostetes Eisen oder als Parzelle für seine Knechte oder als Auslauf für deren Hühner. Die Unmenge alter Bettgestelle, Pflugscharen, alter Kohlstrünke, alter, zerfetzter Trockenklosetts, alter Drahtknäuel und die Berge von Sardinenbüchsen, alles verwoben in einem Wirrwarr von Winden, Brennesseln und Zwergholunder, hätten ausgereicht, jedermann zu entmutigen.

Doch als ich den Ort an einem Frühlingstag des Jahres 1930 zum ersten Mal sah, entflammte er augenblicklich mein Herz und meine Phantasie. Ich habe mich auf den ersten Blick in ihn verliebt. Und ich wußte, was man daraus machen konnte. Es war Dornröschens Garten: aber ein Garten, der nach Befreiung schrie. Und es war leicht vorauszusehen, sogar zu diesem Moment, welchen Kampf es uns kosten würde, ihn zu befreien.«

Harold Nicolson war zunächst zögerlich. Seine Tagebucheintragungen:

»Ben kommt von Eton zurück. Ich nehme ihn zum Lunch ins Savoy mit und anschließend in einen Disraeli-Film. Als wir heimkommen ruft Vita an und sagt, sie habe das ideale Haus gesehen – ein Anwesen in Kent, in der Nähe von Cranbrook, ein Schloß aus dem 16. Jahrhundert.« (4. April 1930)

»Fahre mit Ben nach Staplehurst. Nach einigem Warten holen uns Vita, Niggs (Nigel) und alle Hunde ab. Dann fahren wir nach Sissinghurst Castle. Beim näher kommen sehen wir die beiden Türme. Vorsichtig machen wir im Matsch die Runde. Mir ist kalt. Ich bin ganz ruhig, aber es gefällt mir.« (5. April 1930)

»Dann fahren Vita und ich zu einem zweiten Besuch nach Sissinghurst. Ich hatte die große Sorge gehabt, daß der Hauptflügel zu schmal zum Ausbauen sei; wir messen aber nach und stellen fest, daß wir fünfeinhalb Meter kriegen. Dann machen wir aufmerksam die Runde durch die Gebäude und gehen schließlich über die Felder an den Bach und um den Wald herum. Plötzlich stoßen wir auf die Nußbaumallee, und damit ist der Fall klar. Von diesem Augenblick an entschließen wir uns zum Kauf. Ein glücklicher Tag.« (6. April 1930)

Wenige Tage später bespricht Vita Sackville-West mit ihrem Anwalt die Finanzierung und ist sicher, daß das Geld aufzubringen ist.

Am 24. April schreibt Harold Nicolson:

»Also, meine Ansicht ist folgende:

a) daß es höchst unklug von uns wäre, Sissinghurst zu kaufen. Wir brauchen 12000 Pfund dafür, und es wird weitere 15000 Pfund kosten, um es instand zu setzen. Das heißt, fast 30000 Pfund, bevor wir irgend etwas damit machen können. Für 30000 Pfund könnten wir ein wundervolles Haus, komplett mit Park, Garage, Heißwasserversorgung, Zentralheizung, historischer Bedeutung und zwei Torhäusern rechts und links davon erwerben.

b) daß es sehr klug von uns wäre, Sissinghurst zu kaufen. Durch seine Adern fließt das Blut der Sackville-Dynastie. Sicher, es kommt aus der weiblichen Linie – aber schließlich sind wir beide Feministen, und Knole ist letztlich auf die gleiche Weise an die Familie gekommen. Für Dich ist es ein alter Familienbesitz: das wiegt Heißwasserversorgung und Zentralheizung auf.

c) Es liegt in Kent. In dem Teil von Kent, den wir lieben. Es ist in sich abgeschlossen. Ich könnte einen Teich anlegen. Die Jungen könnten reiten.

d) Wir mögen es.«

»Nach dem Abendessen ruft Beale [der Makler] an. Er sagt, sie seien mit unserem Preis einverstanden. Ich warte ab, während Vita am Telephon spricht. ›Gut … Ja, gewiß. Aber natürlich!‹ Sie legt auf und sagt: ›Es gehört uns.‹ Wir umarmen uns fest. Dann gehe ich und hole die Pläne und spiele damit.«

12375 Pfund war der Preis für Schloß Sissinghurst am 6. Mai 1930.

Nigel Nicolson schrieb 1973 in seinem Buch Portraiteiner Ehe:

»Vielleicht wird eines Tages ein Buch über die Anlage des Gartens von Sissinghurst geschrieben werden, und es könnte durchaus denselben Titel tragen, wie das vorliegende, denn dieser Garten ist das Portrait einer Ehe, Harold machte den Entwurf, Vita pflanzte ihn an.«

Das Gelände, aus dem der Garten werden sollte, war an die sieben Morgen (28 km2) groß, eben und an zwei Seiten von übriggebliebenen Armen des alten Wassergrabens umschlossen. Es gab enttäuschend wenig wertvolle Pflanzen – keine alten Zedern, Maulbeerbäume oder Eiben. Die gesamte Erbschaft an Pflanzen bestand aus einem Hain mit Nußbäumen (Kenter Haselnüsse und Lambertsnüsse), ein paar alten Apfelbäumen und einer Quitte, obwohl sie später noch das Gestrüpp einer alten, seltenen Gallica-Rose fanden, die jetzt »Sissinghurst Castle« heißt.

Das Gelände war zwar eben, jedoch nicht symmetrisch. »Die Mauern standen ganz und gar nicht im rechten Winkel zueinander; der Hof war nicht rechteckig, sondern sargförmig; der Turm befand sich nicht genau dem Haupteingang gegenüber«, und es gab noch unzählige weitere Tücken, die korrigiert werden mußten.

Ihr Besitz bestand damals aus vier Gebäuden aus herrlichen Backsteinen mit warmem Farbton, Abschnitten eines Wassergrabens, mehreren guten Mauerstücken aus elisabethanischem Zeitalter und den Nußbäumen, die sie sehr schätzten, weil sie in Kent heimisch waren.

Von Anfang an wußten die Nicolsons, was für eine Art Garten sie anlegen wollten, und Harold machte sich an die Ausarbeitung eines umfassenden Plans. Da er als Gärtner inzwischen fünfzehn Jahre Erfahrung hatte, wußte er, daß der Gartenarchitekt »seinen Entwurf genau im Kopf haben muß, bevor er anfängt, zu planieren oder zu pflanzen«. Die Nicolsons wollten einen förmlich angelegten Garten, mit langen Blickachsen, die auf Brennpunkte zuliefen. Einen Garten von grundsätzlich intimer, romantischer Natur, mit eingefriedeten Bereichen und einer Komponente von Geheimnis und Überraschung; einen durch und durch englischen Garten, der zu Klima und Landschaft paßte. Und sie wollten – vor allem Vita – den Garten mit romantischer Verschwendung bepflanzen. Wenige künstlerische Träume sind wohl je so vollkommen verwirklicht worden.

Dies waren, knapp umrissen, die Grundsätze, und es lohnt sich, sie einzeln näher auszuführen.

Über das Förmliche schrieb Harold später1: »Die Hauptachse eines Gartens sollte durch geradlinige Perspektiven, durch geschnittene Heckenreihen, die auf Endpunkte in Form von Statuen oder Steinbänken zulaufen, deutlich gemacht, ja unterstrichen werden. Ausgehend von der Hauptachse werden dann kleine, eingefriedete Gärten angelegt.« Oder in Vitas Worten2: »Wir waren völlig einer Meinung, was den Gesamtentwurf des Gartens anging: lange Achsengänge von Nord nach Süd und von Ost nach West, in der Regel mit Statuen, Torbögen oder einem Paar von Pappelposten als Endpunkt, verbunden mit der intimen Überraschung kleiner geometrischer Gärten, die davon abgehen, fast wie die Zimmer eines riesigen Hauses von den Hauptkorridoren.«

Über das Intime schrieb Harold gewitzt: »Ich gebe zu, daß Versailles, Courances und Villandry erhabene Monumente der Gartenarchitektur darstellen. Doch ist ein Garten zur Freude seines Besitzers da und nicht, um damit großzutun. Niemand könnte mit seiner Familie im Rondell von Versailles sitzen, die Sonntagszeitung lesen und chinesischen Tee schlürfen. Niemand, dem Blumen wirklich etwas bedeuten, möchte sie in Mustern angeordnet haben, als wären es Teppiche aus Shiraz oder Isfahan. Die meisten kultivierten Menschen ziehen den Schatten eines lieben, alten Familienbaums dem Prunk eines Rondells vor, das seine Muster unter dem weiten Himmel zur Schau stellt.«3

Die Idee der Einfriedungen hat neben dem intimen Charakter einen weiteren Vorzug, denn dadurch lassen sich getrennte Saison-Gärten schaffen, die zu verschiedenen Zeiten ihren Höhepunkt erreichen. Vita schrieb: »Von Anfang an stand für uns fest, daß der Garten mit all seinen Räumen und Unterabteilungen jahreszeitliche Züge tragen sollte; er war groß genug, um Platz dafür zu bieten. Wir konnten einen Frühlingsgarten von März bis Mitte Mai haben, einen Frühsommergarten von Mai bis Juli, einen Spätsommergarten von Juli bis August und einen Herbstgarten von September bis Oktober. Der Winter muß sehen, wie er mit ein paar wenigen winterfesten Sträuchern und ein paar frühen Knollen zurechtkommt.«

Hinsichtlich des englischen Charakters vertrat Harold die Ansicht: »Unser hervorragendes Klima bedingt unseren Stil – der englische Rasen ist die Grundlage unseres Entwurfs … Der Gartenarchitekt muß erkennen, daß die Eckpfeiler eines jeden guten englischen Gartens Wasser, Bäume, Hecken und Rasen sind.« Vita war natürlich hocherfreut, daß Sissinghurst »typisch englisch, typisch für Kent« war, »mit der vielfältigen Aussicht auf Wälder, Kornfelder, Hopfengärten und die North Downs, die spitzen Trockenhäuser und die große Scheune.« Und da Worte sie schon immer fasziniert hatten, übernahm sie regionale Ausdrücke für zwei Bereiche im Garten. Sie entdeckte »mit einem Blitz der Freude«, daß rondel das Kenter Wort für den kreisförmigen Boden zum Hopfentrocknen in den Trockenhäusern war, und sie übernahm das Wort für den kreisförmigen Rasen, den sie im Rosengarten angelegt hatten; und sie taufte ihr Nußbaumwäldchen mit dem regionalen Ausdruck nut-plat. Dennoch muß darauf hingewiesen werden, daß Sissinghurst Vita, ganz entgegen seines englischen Charakters, auch an ein Herrenhaus in der Normandie erinnerte.

Was die Fülle angeht, ist Vita beredter. Sie wollte »ein Gewirr von Rosen und Geißblatt, Feigen und Weinreben. Es war ein romantischer Ort, und im Rahmen von Harold Nicolsons Strenge mußte er als solcher behandelt werden.« Sie entwarf Pläne für reiche Bepflanzung und dichte Bodenbedeckung, für umrankte Mauern, viele Rosen, viele wilde, viele altmodische Pflanzen. Der ganze Garten sollte mit verschwenderischer Hand eingerichtet werden.