Sklavenhölle - Jo Zybell - E-Book

Sklavenhölle E-Book

Jo Zybell

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Beschreibung

Auf der Suche nach einem Ausweg aus der perfekten Falle, der 'Horizontverschiebung' im Herzen Andromedas, stößt Ren Dhark auf das unglaubliche Geheimnis der gelben Ringraumer – und er findet die Sklavenhölle.

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Ren Dhark

Weg ins Weltall

 

Band 18

Sklavenhölle

 

von

 

Jan Gardemann

(Kapitel 1 bis 5)

 

Uwe Helmut Grave

(Kapitel 6 bis 8)

 

Jo Zybell

(Kapitel 9 bis 13)

 

Achim Mehnert

(Kapitel 14 bis 19)

 

und

 

Hajo F. Breuer

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

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Impressum

Prolog

Ende des Jahres 2065 steht die Menschheit am Scheideweg: Auf der nach dem Krieg gegen die Roboter des »Volkes« zu einem Eisklumpen gewordenen Erde leben nur noch 20 Millionen Menschen. Relativ gut aushalten läßt es sich nur in der Hauptstadt Alamo Gordo, deren neuartiger Schutzschirm ihr nicht nur Sicherheit gibt, sondern der auch für angenehm hohe Temperaturen sorgt.

Die restlichen 36 Milliarden Menschen wurden nach Babylon umgesiedelt und richten sich dort unter der Regierung Henner Trawisheims neu ein. So wäre auf der Erde eigentlich viel Platz – hätten nicht die Riiin oder Eisläufer ihren Lebensmittelpunkt nach Terra verlegt. Dieses Volk kann nur bei extrem niedrigen Temperaturen überleben – und ist so naturgemäß gegen jeden Versuch, der irdischen Sonne zu ihrer alten Kraft und dem Eisplaneten Terra zu neuer Wärme zu verhelfen.

Genau diesen Versuch aber hat Ren Dhark mit seiner Expedition in die Nachbargalaxis Andromeda unternommen. Denn es gibt nur einen Weg, um die Sonne wieder stark zu machen: Die Synties, tropfenförmige Energiewesen, die im freien All leben und seit vielen Jahren gute Freunde der Terraner sind, könnten interstellares Wasserstoffgas einfangen und in die Sonne stürzen lassen – so lange, bis sie ihre alte Masse und damit ihre alte Kraft zurückgewonnen hat.

Doch die Synties sind von den gefühllosen, eiskalten Echsenwesen des Glandarenvolks entführt und als Energiequelle mißbraucht worden. Zwar gelingt es Dhark, die Synties zu befreien, aber gewaltige Ringraumer des Geheimen Imperiums, einer noch skrupelloseren Macht, die schon vor mehr als tausend Jahren Krieg gegen die Worgun in Andromeda führte, löschen das Volk der Glandaren gnadenlos aus. Beim Versuch, wenigstens einige von ihnen zu retten, geraten die Flashpiloten Pjetr Wonzeff und Harold Kucks in die Hände des Geheimen Imperiums.

Es gelingt den beiden Männern unerwartet rasch, aus der Gefangenschaft zu fliehen, doch Dhark und die POINT OF sind verschwunden. Eine gefährliche Odyssee durch das unbekannte Sternenmeer führt die beiden schließlich zu einer ehemaligen Stützpunktwelt der Worgun, auf der es nichts gibt außer einer goldenen Gigantstatue. Mit ihrer Hilfe gelingt es, einen Notruf nach Babylon in der Milchstraße abzuschicken. Doch kaum ist dieser Notruf draußen, greifen dreihundert überschwere Ringraumer des Geheimen Imperiums an. Auf der Flucht gelangen die beiden Terraner auf eine ehemalige Welt der Salter – und Harold Kucks trifft mit der Faskia Ssirkssrii seine Seelenpartnerin. Die Echse verleiht ihm unglaubliche Kräfte…

Dhark empfängt den Notruf und bricht erneut nach Andromeda auf, um die verschollenen Gefährten zu suchen. Die werden tatsächlich gefunden, und man könnte sich auf den Heimweg zur Erde machen – wäre da nicht plötzlich die Horizontverschiebung aufgetreten, ein Phänomen, dem nicht einmal die POINT OF entkommen kann. Die bisher unbekannte Portaltechnik der Butwums könnte die Lösung sein – doch da taucht ein Raumschiff des Geheimen Imperiums über der bisher friedlichen Welt auf…

Auf der Erde rekrutiert der Wächter Simon drei Menschen für das neue Wächterprogramm: Svante Steinsvig, Arlo Guthrie und – Doris Doorn! Die INSTANZ von ARKAN-12 schickt sie nach erfolgter Umwandlung auf einen Werftasteroiden in die Milchstraße, wo ein Ringraumer auf sie warten soll.

Doch statt auf das Raumfahrzeug stoßen sie auf einen ebenso mächtigen wie geheimnisvollen Feind, den sie erst im allerletzten Augenblick besiegen können. Rettung kommt vom Planeten Eden: Terence Wallis rüstet die Wächter mit einem brandneuen Ovoid-Ringraumer aus und verlangt dafür nichts außer einem »Gefallen« – bei Gelegenheit. Doch für ihre Jagd nach dem geheimnisvollen Feind brauchen die Wächter noch etwas: die Tachyonentechnik der Eisläufer…

1.

Arc Doorn und Chris Shanton starrten Ren Dhark alarmiert an. Auch die anderen Wissenschaftler der POINT OF, die sich in der Haupthalle des Portalforschungszentrums der mergnaischen Regierungshauptstadt Mergnapolis aufhielten, hatten sich von den Bedienungselementen des Schwarzlochgenerators und des Wurmlochportals abgewandt.

Keiner von ihnen verschwendete jetzt noch einen Gedanken auf die Wurmlochversuche der Butwums. Die Nachricht, daß ihr Mutterschiff von einem Kampfraumer des Geheimen Imperiums angegriffen wurde, hatte die Terraner alles andere vergessen lassen.

Die POINT OF lag auf einem Flughafen am Rand der Stadt. Und wie Hen Fallutas Bericht – der laut aus dem Vipho des Commanders tönte – vermuten ließ, würde der Ringraumer dem massiven Beschuß des Feindes nicht mehr lange standhalten.

Die anwesenden Butwums machten ratlose Gesichter, was sich bei diesen menschenähnlichen Echsenwesen darin äußerte, daß sie die Schuppenwülste über ihren mit Schlitzpupillen versehenen Augen in die Stirn schoben und vage Gesten mit ihren Krallenhänden vollführten.

»Wir haben sofort den Kompaktfeldschirm hochgefahren, nachdem das Intervallum unter dem Beschuß der Gelben gleich bei der ersten Salve zusammengebrochen war«, drang Fallutas erregte Stimme aus dem Vipho.

Die Geräusche im Hintergrund verrieten, daß in der Zentrale der POINT OF die Hölle los war. Befehle wurden gerufen, und der Checkmaster gab mit stoischer Ruhe Statusmeldungen und Warnungen von sich. Es knisterte und rauschte, da das gegnerische Strahlengewitter den Funkverkehr störte.

»Ich kann nicht vorhersagen, wie lange der KFS den Kampfstrahlen der Gelben noch standhält«, fuhr Falluta gehetzt fort, der für gewöhnlich nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen war, nun anscheinend aber doch langsam nervös wurde. »Der Checkmaster hatte empfohlen, den gestaffelten Schutzschirm in dem von Doorn und Shanton entwickelten Alternativmodus zu starten, da sich in unmittelbarer Nähe der POINT OF zahlreiche Besatzungsmitglieder und Butwums aufhalten. Die wären im feindlichen Streufeuer inzwischen ums Leben gekommen, wenn wir den Schirm nicht ausgeweitet hätten. Auch eine Einheit unserer Roboter war draußen stationiert. Bisher gab es anscheinend aber keine Verluste.«

»Der KFS ist im Alternativmodus nicht so leistungsstark wie im Normalzustand«, bemerkte Arc Doorn finster. »Er wird also früher kollabieren.«

»Womit haben Sie das Feuer der Imperialen erwidert?« wollte Ren Dhark von dem Ersten Offizier wissen. Seine markanten Gesichtszüge wirkte angespannt; die braunen Augen starrten düster auf den Bildschirm des Viphos, auf dem Fallutas schweißbeperltes Antlitz zu sehen war.

»Wir feuern mit Nadelstrahlen und Dust«, rief der Erste Offizier. »Doch damit läßt sich gegen das imperiale Großkampfschiff kaum etwas ausrichten.«

»Warum wenden Sie das Mix-Verfahren nicht an?« machte sich Shanton aus dem Hintergrund bemerkbar und strich sich nervös über die Halbglatze. Das Gesicht des schwergewichtigen Mannes hatte rote, hektische Flecken bekommen.

»Der feindliche Ringraumer steht etwa 250 000 Kilometer über uns«, erklärte Falluta. Das Vipho an Dharks Handgelenk hatte Shantons Zwischenruf in die Zentrale der POINT OF übertragen. »Die Imperialen befinden sich außer Reichweite. Die Wuchtkanone kann innerhalb der Atmosphäre auch nicht eingesetzt werden – es sei denn, wir sind scharf darauf, uns selber in die Luft zu jagen.«

»Aber irgend etwas müssen Sie doch unternehmen!« keifte Shanton.

»Der KFS hat den Intervallfeldgeneratoren eine kleine Verschnaufpause verschafft«, meinte Falluta. »Wir könnten das Intervallum wieder aktivieren und in den Boden abtauchen.«

Ren Dhark schüttelte den Kopf. »Das würde das Todesurteil für unsere Leute und die Butwums bedeuten, die sich jetzt noch im Schutz des erweiterten KFS befinden.«

»Die Schleusen sind offen, unsere Leute und die Echsen unter dem Schirm sind gleich an Bord. Was schlagen Sie vor, Commander?« wollte Falluta wissen. Obwohl er unter großer Anspannung stand, redete er jetzt mit ruhiger, gelassener Stimme.

»Der KFS und die Unitallhülle der POINT OF werden noch eine Weile standhalten«, überlegte Dhark, der nun ebenfalls einen kühlen, besonnenen Eindruck machte. »Es bleibt uns also noch etwas Zeit, um zu handeln.«

»Sie haben einen Plan?« erkundigte sich Doorn. Seine langen roten Haare schimmerten stumpf im kalten Licht der Hallenbeleuchtung.

Dhark nickte zurückhaltend. »Ich vermute, der gelbe Ringraumer wurde wie wir von den Impulsen des Mono-Portals nach Basam gelockt. Wenn die POINT OF sich einfach aus dem Staub macht, um einer Vernichtung zu entgehen, werden die Imperialen das Portalforschungszentrum beschießen, denn von hier sind die rätselhaften Energieemissionen ausgegangen.«

»Soll das heißen, wir werden alle sterben?« Ein Butwumwissenschaftler näherte sich den Terranern, die sich um den Commander geschart hatten. Sein Name war Prollak; er war ein junger hitzköpfiger Wurmlochexperte, der hin und wieder dazu neigte, vor Übereifer über das Ziel hinauszuschießen, weshalb er von seinem Mentor Professor Venest bereits oft gebremst und zurechtgewiesen worden war.

»Worauf warten eure Leute denn noch!« rief er aufgebracht und warf die Arme empor, als wollte er die Luft mit seinen Krallen durchschneiden. »Ihr müßt euer Schiff irgendwie in die Nähe des Feindes bringen, um ihn mit euren überlegenen Waffen zu zerstören. Die Leute auf dem Flughafen müssen notfalls geopfert werden, um uns Wissenschaftler zu retten!«

Arc Doorn bedachte den cholerischen Butwum mit einem kühlen Blick. »Diese Imperialen sind wie eine Plage«, ließ er sich dazu herab, dem Butwum zu erklären. »Wenn wir ihr Schiff zerstören, werden bald andere kommen, um nachzusehen, was geschehen ist. Und dann ist es um eure Welt geschehen. So einfach, wie du dir das vorstellst, ist diese Angelegenheit nicht.«

»Wir werden diesen gelben Raumer unschädlich machen«, bestimmte Dhark. »Und zwar nachhaltig, so daß die Roboter und wer auch immer sonst noch in dem verfluchten Kampfschiff steckt, keine Gelegenheit erhalten, einen Notruf abzusetzen.«

»Was genau haben Sie vor?« fragte Shanton.

Der Commander wandte sich an Marschall Nattok. Der Militärherrscher war nicht von der Seite der Terraner gewichen, seit sie in dem Gebiet der Mergnas gelandet waren.

»Ihr besitzt doch sicherlich atomare Waffen, Marschall?«

Nattok vollführte eine kreisende Bewegung mit der Hand. Dhark wußte inzwischen, daß diese Geste mit einem bejahenden Nicken gleichzusetzen war. Nattoks Gebaren haftete jedoch etwas Zögerndes an. Entweder behagte es dem Butwum nicht, den Fremden aus dem Weltall zu verraten, über welche Defensivwaffen die Mergnas verfügten, oder er empfand ein generelles Unbehagen bei dem Gedanken, eine so verheerende Waffe einzusetzen.

Dhark vermutete, daß die zweite Möglichkeit zutreffend war. Der Mergna-Diktator schien nicht annähernd so skrupellos und menschenverachtend zu sein, wie es etwa die bekannten terranischen Vertreter dieser Herrschergattung gewesen waren.

»Wir benötigen bloß eine relativ kleine Atomwaffe«, konnte er den Butwum beschwichtigen. »Aber sie muß durch das Wurmlochportal passen.«

Nattoks Schlitzpupillen verengten sich. »Was hast du vor?« wollte er nun auch endlich wissen.

»Wir werden versuchen, mit Hilfe des Mono-Portals einen atomaren Sprengkopf direkt in das feindliche Schiff zu schicken. Die Entfernung ist nicht allzu groß, so daß die Treffergenauigkeit ziemlich groß sein dürfte.«

»Das ist genial!« rief Prollak begeistert aus. »Mit unseren eigenen Mitteln werden wir den Feind zurückschlagen!«

»Mäßige dich, Prollak!« fuhr Professor Venest seinen Assistenten zornig an. »Ohne die Hilfe der Terraner könnten wir das fremde Raumschiff mit unserem Portal nicht einmal dann anvisieren, wenn es direkt vor der Haustür des Instituts stehen würde.«

Die buntschillernden Schuppen des Professors hatten im Alter etwas an Glanz verloren. Da sein weißer Kittel jedoch einen harten Kontrast zu dem farbenfrohen Schuppenkleid bildete, bot der alternde Butwum noch immer einen ähnlich farbenprächtigen Anblick wie seine erheblich jüngeren Mitarbeiter.

Venest hatte sofort erkannt, welche Schritte unternommen werden mußten, um Dharks Vorhaben zu realisieren. »Mach dich nützlich, Prollak«, polterte er und fuchtelte unwirsch mit den Armen. »Der Zentralrechner muß auf einen Datentransfer aus einer fremden Quelle vorbereitet werden – und beeile dich!«

Prollak gestikulierte hektisch, um dem Professor zu verstehen zu geben, daß er verstanden habe. Ungestüm wandte er sich ab und eilte auf die Steuerkonsole des Hauptrechners zu, der zwar gewaltige Ausmaße besaß, aber nicht annähernd so leistungsstark war wie der Checkmaster.

Shanton stapfte hinter dem jungen Butwum her. Über sein Vipho hatte er Kontakt zu Tino Grappa in der Ortungsabteilung der POINT OF hergestellt.

Mit polternder Stimme redete Shanton auf den Ortungsspezialisten ein, während er Prollaks Tun aufmerksam verfolgte. Der hatte begonnen, am Rechner eine freie Schnittstelle zu generieren.

Grappa hatte alle Hände voll damit zu tun, die Feuerleitstelle der POINT OF mit Koordinaten zu versorgen. Da der Gelbe Ringraumer seine Position ständig leicht veränderte, um den Nadel- und Duststrahlen des gegnerischen Raumschiffes auszuweichen, mußten die Antennen laufend neu ausgerichtet werden.

»Die Sache dürfte doch schwieriger werden, als Sie gedacht haben, Dhark!« rief Shanton zu der Gruppe um den Commander hinüber. »Grappa schickt mir die Koordinaten des Feindschiffes auf mein Vipho. Aber die Gelben bewegen ihren Ringraumer ständig. Es wird also ziemlich knifflig werden, mit dem Mono-Portal einen exakten Wurmlochausgang in den gelben Ring zu projizieren.«

Dhark wandte sich erneut an Marschall Nattok. Dieser hatte General Gerag inzwischen damit beauftragt, die gewünschte Waffe herbeizuschaffen.

»Wie viele dieser Mini-Atomwaffen kannst du uns zur Verfügung stellen, Nattok?«

Der Militärherrscher preßte die Hornlippen aufeinander und verzog das Echsenmaul, das wie eine stumpfe Halbkugel aus der unteren Hälfte des Schuppengesichts ragte.

»Auf die Schnelle nur eine«, antwortete er. »Wir verwahren im Bunker dieser Forschungseinrichtung eine kleine, tragbare Atombombe. Sie ist für den unwahrscheinlichen Fall vorgesehen, daß die Demokraten das Institut erobern. Die Bombe ist sozusagen eine Selbstzerstörungseinrichtung. Jede größere Forschungseinrichtung verfügt über eine solche Bombe. Aus einem anderen Institut eine weitere herbeizuschaffen, ist unter einer halben Stunde nicht machbar.«

»Bis dahin ist der KFS zusammengebrochen und die POINT OF hat mit einer gewaltigen Explosion Mergnapolis und die gesamte Welt zerstört«, stellte Arc Doorn fest. »Wenn sich die Unitallhülle unter Einwirkung der Kampfstrahlen in Energie umwandelt, können die Imperialen anschließend abziehen, weil es hier nichts mehr gibt, das eine wie auch immer geartete Gefahr darstellen könnte.«

»Unser Vorhaben muß also beim ersten Versuch klappen«, stellte Dhark mit rauher Stimme fest.

»Die Atombombe ist unterwegs!« rief General Gerag in diesem Moment von der Kommunikationseinrichtung her, die neben dem Halleneingang an der Wand hing. »Ein Soldat wird in wenigen Minuten mit der Waffe hier eintreffen!«

»Inzwischen werden wir den Portalrechner mit dem Checkmaster verbinden, wie Sie es bereits vorgeschlagen haben«, sagte Dhark zu Doorn. »Nur so können wir das Wurmloch einigermaßen treffsicher justieren. Der Rechner der Butwums ist dieser Aufgabe nicht gewachsen. Und es muß schnell gehen.«

»Wir geben unser Bestes«, brummte Doorn nicht eben optimistisch und machte sich auf den Weg zum Steuerpult des Zentralrechners. »Ich kann aber nicht vorhersagen, wie dieser Elektronenrechner reagieren wird, wenn wir ihn mit dem Checkmaster koppeln. Zeitaufwendige Kalibrierungen und Umbauten können wir uns nicht erlauben.«

»Die Belastung des KFS ist soeben auf achtzig Prozent gestiegen«, machte Falluta sich über Dharks Vipho wieder bemerkbar. Das Knacken und Rauschen, mit dem die Übertragung unterlegt war, war lauter und enervierender geworden. »Was immer Sie planen, Commander – es muß rasch in die Tat umgesetzt werden. Lange halten wir nicht mehr durch!«

Shanton, Doorn und etliche der Butwum-Wissenschaftler waren nun vor der Steuerkonsole versammelt. Shanton nahm sein Vipho ab und verband es mit Hilfe eines Kabels mit dem Hauptrechner.

Nun konnte der Checkmaster über Funk direkt auf die Steuerung des Mono-Portals zugreifen. Die Frage, die sich in diesem Moment jeder in der Halle stellte, war, ob das elektronische System kollabierte, weil es die Fremdimpulse des Hyperkalkulators nicht verarbeiten konnte.

In diesem Fall wäre das Vorhaben von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Gebannt starrten die Männer auf die Anzeigen des Hauptrechners. Die Lämpchen hatten nervös zu flackern begonnen; die Zeiger der Skalen schlugen aus, als würden sie den Herzrhythmus eines völlig ausgepumpten Marathonläufers anzeigen.

Da gab es im Gehäuse des Rechners plötzlich einen kleinen Knall. Funken stoben aus den Nahtstellen der Bleche hervor, und weißer Rauch quoll aus den Lüftungsschlitzen. Der Geruch nach verbranntem Isoliermaterial und verschmorten Aggregaten breitete sich aus.

»Na wundervoll. Der Checkmaster hat aus dem Butwum-Rechner soeben einen Toaster gemacht«, bemerkte Shanton in einem Anflug von Galgenhumor.

»Ich habe lediglich drei Komponenten des Elektronengehirns ausgeschaltet, die eine Übernahme des Systems hinausgezögert hätten und entbehrlich waren«, drang die blecherne Stimme des Checkmasters aus dem mit der Konsole verkabelten Vipho. »Aus Zeitmangel war diese rabiate Vorgehensweise leider unumgänglich.«

»Hast du das System denn jetzt unter Kontrolle?« wollte Shanton wissen.

»Zu dreiundneunzig Prozent. Das müßte für das Vorhaben ausreichend sein.«

Ein erleichtertes, kollektives Durchatmen war in der Halle zu vernehmen.

»Das KFS ist soeben zusammengebrochen!« schrillte Fallutas Stimme, von Störgeräuschen fast überlagert, aus Dharks Vipho und verwandelte die Erleichterung der Anwesenden augenblicklich in kalten Schrecken. »Es bleiben uns jetzt noch exakt dreieinhalb Minuten, bis der Nadelstrahlbeschuß des Feindes die Unitallhülle des Schiffes zum Explodieren bringt!«

In diesem Moment glitt die Hallentür auf, und ein Soldat mit einem eckigen, großen Rucksack auf dem Rücken, stolperte über die Schwelle.

Dem Butwum war anzusehen, daß er die Strecke vom Bunker bis zur Haupthalle des Portalforschungszentrums gerannt war. Schweißperlen waren zwischen den Schuppen hervorgetreten und verstärkten ihr buntes Schillern noch zusätzlich.

Der Mann blieb vor General Gerag stehen und übergab seinem Vorgesetzten die Atombombe – nicht ohne jedoch vorher militärisch korrekt gegrüßt zu haben.

Gerag rannte mit dem Rucksack auf den Armen vor das Portal hin.

Eine mattschwarze Fläche hatte sich in der Mitte des aufrecht stehenden ringförmigen Gehäuses aufgebaut.

Ren Dhark dachte mit Schaudern an die nicht einmal hundert Jahre zurückliegende Zeit, als man auf der Erde Bomben wie diese für einen Segen der Technik gehalten hatte, weil sie beim Einsatz in einem dichtbesiedelten Gebiet nicht Millionen Opfer gefordert hätten, sondern »nur« ein paar Hunderttausend.

Der General stellte den Rucksack ab, klappte die Lasche zurück und hantierte hektisch an den Knöpfen und Schaltern, die darunter zum Vorschein gekommen waren.

Eine rote Lampe flammte auf, und ein leises, helles Surren war zu hören.

»Ich wäre dann soweit!« rief er. »Auf welchen Zeitpunkt soll ich den Zünder einstellen?«

»Eine Minute ab jetzt«, ließ sich der Checkmaster vernehmen. »Auf meinen Befehl hin wirfst du die Bombe in das Wurmloch. Ich habe aufgrund der bisherigen Ausweichmanöver des Feindschiffes ein Bewegungsprofil erstellt, so daß ich mit achtundsiebzigprozentiger Wahrscheinlichkeit vorhersagen kann, in welche Vektoren der Ringraumer sich in den nächsten Sekunden bewegen wird. Das Mono-Portal wurde entsprechend ausgerichtet.«

Während der Checkmaster sprach, nahm Gerag die nötigen Einstellungen vor. Er stemmte den Rucksack über den Kopf, jederzeit bereit, ihn in die Schwärze des Wurmlochs zu schleudern. »Die Zeit läuft!« rief er angestrengt.

»Vorausgesetzt, die Bombe landet an ihrem Bestimmungsort und explodiert«, machte sich der Kontinuumsexperte Iwan Fedorewitsch plötzlich bemerkbar. »Müssen wir in diesem Fall nicht damit rechnen, daß wir über die Wurmlochverbindung von einem Rückschlag getroffen werden?«

Prollak gab ein belustigtes Zischeln von sich. »Und so etwas schimpft sich Experte. Das Portal funktioniert immer nur in eine Richtung. Solange wir es nicht umschalten, haben wir nichts zu befürchten.«

Professor Venest fand keine Zeit mehr, den jungen Wissenschaftler für seine Überheblichkeit zu rügen.

»Jetzt!« befahl der Checkmaster, der die Lautstärke des Viphos auf volle Leistung geschaltet hatte, damit der Befehl trotz der statischen Störgeräusche auch vernommen wurde.

Gerag holte aus und schleuderte den Rucksack in das künstliche Wurmloch.

Die Bombe verschwand in nachtschwarzer Dunkelheit. Angespannte Stille, von dem Surren, Klicken und Summen der Maschinen und Aggregate unheilvoll untermalt, machte sich in der Halle breit.

Alle Anwesenden waren in diesem Moment nur von einem einzigen Gedanken beseelt: Hatte der Sprengsatz sein Ziel erreicht, oder würden sie alle gleich sterben, weil die explodierende POINT OF den gesamten Planeten mit ins Verderben riß?

*

»Der gelbe Ringraumer hat das Feuer eingestellt!«

Tino Grappas Ruf war bis in den letzten Winkel der Zentrale zu vernehmen, denn wie im Portalforschungszentrum der Mergnas hatte sich auch hier angespanntes Schweigen ausgebreitet.

Zum Schluß war den Männern und Frauen in der Zentrale nichts anderes übriggeblieben als zu warten – und zu hoffen, daß es Ren Dhark und seine Begleiter schafften, das Kampfschiff der Imperialen tatsächlich auszuschalten.

Nun richteten sich alle Augen auf die Bildkugel in der Mitte der Halle.

Der gelbe Ringraumer, der in der kugelförmigen Projektionsfläche zu sehen war, war zum Stillstand gekommen. Eben noch hatte die Darstellung leicht geschwankt, da das Feindschiff in ständiger Bewegung gewesen war und die Optiken den chaotischen Manövern nicht immer simultan hatten folgen können.

Jetzt aber stand das Schiff bewegungslos im All, und die Waffen schwiegen.

»Das war Rettung in allerletzter Sekunde!« rief Hen Falluta in sein Vipho, um Dhark über den Verlauf der Dinge zu informieren. »Das imperiale Kampfschiff ist außer Gefecht gesetzt!«

»Wie stark sind die Beschädigungen?« wollte Dhark wissen.

Falluta sah zu Tino Grappa hinüber, der zusammen mit Yell über die Anzeigen der Ortungsgeräte gebeugt dastand. Der Ortungschef hatte den Blick des Ersten Offiziers bemerkt, schüttelte den Kopf und gab mit Handzeichen zu verstehen, daß sie noch etwa fünf Minuten brauchten, um die Meßwerte zu interpretieren. Die aufgefangenen Impulse wurden von der atomaren Strahlung in dem feindlichen Raumer teilweise überlagert und verfälscht.

»Das können wir noch nicht genau abschätzen«, gab Falluta an den Commander weiter. »Äußerlich sind jedenfalls kaum Schäden festzustellen. Ein kleines Stück ist aus der Hülle geplatzt, doch das ist nicht wirklich der Rede wert. Es scheint die Imperialen aber ganz schön erwischt zu haben. Das Schiff rührt sich nicht.«

»Wie bitte?« drang da plötzlich die aufgebrachte Stimme eines Butwums aus Fallutas Vipho. »Wenn das Raumschiff nicht beschädigt wurde, wird die Atombombe ihr Ziel wohl verfehlt haben.«

»Die Bombe ist im Inneren des Ringraumers hochgegangen«, erwiderte Falluta. »Das können wir mit Bestimmtheit sagen.«

»Marschall Nattok«, war nun Dhark wieder zu hören. »Es ist völlig normal, daß die Hülle des Kampfschiffes von der Wucht der Atomexplosion so gut wie nicht angekratzt wurde. Sie besteht aus Unitall, und die Schotts können bei Gefechtsverschluß auch so einiges aushalten.«

»Dieses Ding ist auch aus Unitall?« fragte Nattok entgeistert. »Aber – das Schiff ist doch gelb und nicht blau, wie die POINT OF.«

»Wir vermuten, es handelt sich bei der gelben Tönung bloß um einen Anstrich oder eine Legierung«, erklärte Dhark. »Daß das Schiff tatsächlich keine äußeren Schäden aufweist, untermauert unsere Vermutung. Die Ringraumer der Imperialen bestehen im Kern offenbar tatsächlich aus Unitall.«

Während der Wortwechsel aus Fallutas Vipho schallte, blickte er zu Amy Stewart hinüber. Der weibliche Cyborg hatte die Arme vor der üppigen Brust verschränkt und starrte die Bildkugel mit düsterer Miene an.

Der Erste Offizier konnte sich lebhaft vorstellen, was in diesem Moment in Amys hübschem Kopf vor sich ging: Ihr Gefährte hatte das Leben der Besatzung und die Unversehrtheit der POINT OF riskiert, um den imperialen Ringraumer auszuschalten. Dieses Unterfangen hätte fast in einer Katastrophe geendet.

Falluta grinste kaum merklich, als er sich ausmalte, daß Amy ihrem Lebensgefährten nachher in ihrer gemeinsamen Kabine Vorhaltungen machen würde, weil er mit ihrem und dem Leben der Besatzung gespielt hatte.

Der Erste Offizier fand es nur gerecht, wenn Amy Dhark ein wenig zusetzte, schließlich hatten seinetwegen alle an Bord in den letzten Minuten Blut und Wasser geschwitzt. Da war es doch nur recht und billig, wenn der Commander ebenfalls etwas leiden mußte.

»Der gelbe Ringraumer stürzt ab!« rief Amy in diesem Moment und wirbelte zu Hen Falluta herum, der erschrocken gewahr wurde, daß es ihr vielleicht nicht entgangen war, wie er sie angestarrt hatte.

Augenblicklich war der Erste Offizier wieder bei der Sache. »Grappa, können Sie das bestätigen?« rief er dem Ortungschef zu.

Der nickte angespannt. »An Bord des gelben Raumers sind soeben sowohl der Antrieb als auch die Intervalle komplett ausgefallen. Zuvor haben sich einige Detonationen an Bord ereignet. Die Systeme sind vermutlich durch die Atomexplosion stark beschädigt worden, haben aber erst jetzt ihren Geist vollständig aufgegeben. Das Schiff ist nun der Schwerkraft des Planeten ausgeliefert. Es stürzt direkt auf die Hauptstadt zu!«

»Wir haben ein Problem«, gab Falluta die Meldung hastig an Dhark weiter. »Das Schiff der Imperialen stürzt auf Mergnapolis hinab.«

»Ist das wahr?« war der entsetzte Ausruf des Militärherrschers zu hören. »Mergnapolis wird also doch untergehen? Die Operation ist gescheitert. Wir werden alle sterben!«

*

Während Dhark versuchte, den Marschall zu besänftigen, leitete Falluta die nötigen Schritte ein, um die von Nattok heraufbeschworene Katastrophe zu verhindern.

»Intervallfeld hochfahren und Triebwerk starten!« befahl er dem Checkmaster.

Seine Stirn furchte sich kaum merklich. »Gibt es an Bord irgendwelche Schäden?«

»Ein Intervallfeldgenerator arbeitet nicht korrekt und bringt nur eine Leistung von siebenundneunzig Prozent«, berichtete der Hyperkalkulator. »Es gab beim Zusammenbruch des Intervallums einen partiellen Kurzschluß im Streukonverter. Miles Congollon kümmert sich persönlich um das Problem. Der Schaden wird in voraussichtlich elf Minuten behoben sein. Außerdem sind aufgrund leichter Erschütterungen in der Medizinischen Abteilung einige nicht gesicherte Reagenzgläser…«

»Das reicht«, stoppte Falluta den peniblen Bericht des Bordrechners und wandte sich an den zweiten Offizier Leon Bebir, der neben ihm vor dem Pult der Brücke stand.

»Wir nehmen Kurs auf das abstürzende Raumschiff«, ordnete er an.

Ohne zu zögern, nahm Bebir die erforderlichen Schaltungen vor.

Die POINT OF erhob sich von ihrem Landeplatz, die Teleskopstützen wurden eingefahren, und der gewaltige Ringraumer schwebte nahezu geräuschlos dem Himmel entgegen.

»Ich orte Bioimpulse an Bord des gelben Ringraumers!« rief Tino Grappa plötzlich. »Sie sind schwach und gestreut, so daß ich sie nicht genau lokalisieren und bestimmen kann, wie viele Lebewesen sich an Bord befinden.«

Virtuos waren seine Finger über die Steuerflächen geglitten – und hatte es auf diese Weise endlich geschafft, die alles überlagernde radioaktive Strahlung halbwegs aus den Signalen herauszufiltern.

»Bioimpulse?« Falluta verlor nur selten seine Gelassenheit. Aber jetzt ergriff auch ihn eine nervöse innere Unruhe, die er kaum zu bändigen vermochte.

Wer sich hinter dem Begriff »Geheimes Imperium« verbarg, war bisher nicht bekannt. Sogar der Verdacht, daß es sich bei den Imperialen nicht um eine Roboterzivilisation handelte – wie anfangs vermutet wurde – war nicht gesichert. Fest stand lediglich, daß die Roboter mit kleinwüchsigen Wesen verkehrten. Doch welche Rolle diese spielten und wie sie aussahen, wußte niemand so genau.

Es war unter den Fachleuten der POINT OF über Zwergwesen ebenso spekuliert worden wie über Schlangenkreaturen, denen Arme oder Greifer gewachsen waren…

»Vielleicht ergibt sich jetzt endlich eine Gelegenheit, diese geheimnisvollen Imperialen zu Gesicht zu bekommen«, frohlockte Falluta laut. »Wir müssen den Ringraumer unbedingt bergen und verhindern, daß – wer immer in dem Schiff das Sagen hat – die Selbstzerstörung einleitet.«

»Ich muß dringend davon abraten, das Wrack in Intervallschlepp zu nehmen«, ließ Grappa sich wieder vernehmen. »Das wäre zu gefährlich. An Bord des Feindschiffes gibt es ungeklärte Energieentfaltungen. Sollte es sich dabei um die bereits eingeleitete Selbstzerstörungssequenz handeln, würde die POINT OF arg in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn das Schiff explodiert und wir es in unser Intervallum gehüllt haben.«

»Das hatte ich auch gar nicht vor«, gab Falluta gelassen zurück.

»Alle achtundzwanzig Flash sollen umgehend mit jeweils zwei Robotern bestückt werden. Die schleusen wir an Bord des Wracks. Checkmaster, du übernimmst die Kontrolle über die Maschinen.«

Falluta sah in die Runde. »Wie wir wissen, hinterlassen die Imperialen niemals Spuren. Sie werden also alles daransetzen, das Wrack zu vernichten. Das müssen wir verhindern – koste es, was es wolle.«

»Die Roboter sind bereits unterwegs«, informierte der Hyperkalkulator.

Amy Stewart, die noch immer vor der Bildkugel stand, hatte die dreidimensionale Abbildung des gelben Wracks um fünfundvierzig Grad gedreht. Sie deutete auf ein Loch in der Hülle. Der Druck der Atombombenexplosion hatte dort ein Stück der gelben Hülle herausplatzen lassen.

»In diesem Bereich muß die Rucksackbombe hochgegangen sein«, erklärte sie. »Dort wird es weder Leben noch intakte Geräte geben.«

Sie sah zu Falluta herüber. »Sollte die Selbstzerstörung des Schiffes tatsächlich eingeleitet worden sein, wäre das ein sicheres Zeichen dafür, daß die Zentrale und somit der Hyperkalkulator noch halbwegs intakt sind. Die Bombe ist also vermutlich nicht in der Nähe der Schiffszentrale explodiert, sondern weit entfernt von ihr. Die Flash sollten sich gleichmäßig auf die Ringbereiche aufteilen, die außerhalb des unmittelbaren Wirkungsfeldes der Bombe liegen. Auf diese Weise werden unsere Roboter die Zentrale und die Überlebenden schneller finden.«

»Du wirst den Kurs der Flash entsprechend programmieren, Checkmaster«, befahl Falluta.

In diesem Moment tauchte der gelbe Ringraumer in die äußeren Luftschichten des Planeten ein. Da die Intervallfelder nicht mehr arbeiteten, erzeugte der Reibungswiderstand der Luftmoleküle kleine Elmsfeuer, die bläulich über die gelbe Hülle hinweggeisterten.

Wenig später schoben sich die achtundzwanzig Flash in den Wiedergabebereich der Bildkugel. Wie ein Schwarm winziger Insekten flogen sie in V-Formation auf das abstürzende Wrack zu und nahmen Kurs auf die unbeschädigten Ringsegmente.

Kurz darauf drangen die Beiboote im Schutz ihrer Intervallfelder wie substanzlose Schemen in die gelbe Ringhülle ein und verschwanden.

Es dauerte jedoch nicht lange, da kehrten die Flash auch schon wieder zurück.

»Die Roboter wurden abgesetzt«, informierte der Checkmaster.

»Die Boote sollen einen Sicherheitsabstand zum Wrack wahren«, befahl Falluta. »Wir werden jetzt versuchen, den Sturz des Ringraumers mit Traktorstrahlen abzufangen und von der Stadt wegzulenken.«

»Zweihundert Kilometer nordöstlich von Mergnapolis erstreckt sich ein unbesiedeltes Naturgebiet«, berichtete Grappa, der die Umgebung der Regierungshauptstadt mit den Ortungsgeräten bereits fieberhaft nach einem geeigneten Notlandeplatz abgesucht hatte.

Falluta nickte zufrieden. »Machen wir uns also an die Arbeit, Herrschaften. Fangen wir diese tickende Zeitbombe ab und manövrieren sie in sicheres Gebiet.«

Er sah erneut in die Runde. »Beten wir, daß unsere Roboter die Zerstörung des Ringraumers verhindern können – und eine dieser mysteriösen Zwergkreaturen lebend gefangensetzen. Es muß doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir das Geheimnis dieser skrupellosen Imperialen nicht endlich lüften können.«

»Weder werden Gebete bei der Bewältigung dieser Aufgabe helfen – noch hat eine mystische Gestalt namens Teufel ihre Finger im Spiel«, machte sich Artus plötzlich bemerkbar.

Der ehemalige Großserienroboter hatte sich die ganze Zeit über im Hintergrund gehalten. Hin und wieder hatte ein leichtes Zucken seiner im Vergleich zum kompakten Torso dünn erscheinenden röhrenförmigen Arme darauf hingedeutet, daß er sich in das Geschehen einbringen wollte. Doch seine überragende Intelligenz hatte den Roboter erkennen lassen, daß seine Ratschläge und Kommentare überflüssig waren, da die Menschen und der Checkmaster die heikle Situation offenbar völlig unter Kontrolle hatten.

Doch jetzt hatte der Drang, sich mitzuteilen, über seine Vernunft gesiegt.

»Das war doch nur so dahergeredet«, erklärte Amy stirnrunzelnd. »Niemand würde in dieser Situation die Zeit mit Gebeten verschwenden. Noch vermuten wir, daß Satan mit dem Geheimen Imperium sympathisiert. Falluta wollte nur ausdrücken, daß unser Plan auch dann scheitern könnte, wenn wir alle unser Bestes geben – daß er aber hofft, daß das Glück auf unserer Seite ist und wir endlich eine Gelegenheit erhalten, mehr über die Geheimnisvollen zu erfahren.«

Artus setzte den linken Fuß einen halben Schritt zurück. »Warum teilen sich die Menschen Informationen in einer so heiklen Situation nicht unverschlüsselt mit? Habt ihr Angst, daß jemand, für den die Botschaft nicht bestimmt ist, euch belauschen könnte? Wenn ich mit einem Rechner kommuniziere, verwende ich einen verschlüsselten Code doch auch nur dann, wenn ich Informationen übermittle, die von keinem anderen Programm gelesen werden sollen.«

Amy lächelte dünn und zwinkerte Artus zu. »Es geht hierbei nicht um Geheimhaltung, Artus. Solche Metaphern sprechen die Menschen auf der Gefühlsebene an; wir kommunizieren sozusagen auf einer Metaebene.«

Artus rückte das grüne Stirnband mit dem goldenen »A« darauf zurecht, das um einige Zentimeter verrutscht war, als die POINT OF nach dem Ausfall des KFS von den Kampfstrahlen des gelben Ringraumers gebeutelt worden war.

»Kommunikation auf einer Metaebene«, wiederholte er Amys Worte leise, als wollte er sie für seine akustischen Sensoren noch einmal zitieren, damit sie leichter abgespeichert werden konnten. »Ein interessanter Aspekt. Ich sollte mich in dieser Disziplin auch einmal…«

»Wir haben es fast geschafft!« rief Amy, die sich wieder der Bildkugel zugewandt hatte, in diesem Moment. »Das Wrack wird jeden Moment auf dem freien Feld aufsetzen.«

Artus verschob seine aktuellen Gedanken hastig in den Kurzzeitspeicher, um sich später damit zu beschäftigen. Statt dessen richtete er seine Optik auf das Geschehen in der Bildkugel.

Der POINT OF war es mit Unterstützung der ferngesteuerten Flash tatsächlich gelungen, den Sturz des Wracks notdürftig abzubremsen und dessen Fallrichtung zu beeinflussen.

Jetzt sank das gelbe Raumschiff mit einer Geschwindigkeit von nur noch etwa fünfzig Stundenkilometern auf eine ausgedehnte Buschlandschaft hinab.

Die POINT OF flog im Schutz ihrer Intervallfelder etwa einen halben Kilometer oberhalb des Wracks.

Der Traktorstrahl vermochte den gigantischen GI-Raumer nicht vollständig zu bändigen; das Schiff wäre vermutlich zur Seite ausgebrochen und hätte die unsichtbaren Fesseln zerrissen, wenn das Abbremsmanöver allzu abrupt durchgeführt worden wäre.

Es war eine fliegerische Glanzleistung von Hen Falluta und dem Checkmaster, das unfaßbar schwere Wrack, das von den Naturkräften des Planeten arg gebeutelt wurde, von der Stadt wegzulenken und zu dem Notlandeplatz zu dirigieren, den Grappa ausgesucht hatte.

Der Checkmaster holte alles aus den Traktorstrahlgeneratoren heraus, um die Fallgeschwindigkeit des herabstürzenden Kolosses noch einmal entscheidend abzubremsen.

Ohne vorher die Landebeine auszufahren, krachte das GI-Schiff mit der Wucht eines umstürzenden Wolkenkratzers auf den Boden. Die Hügel ringsum erbebten; der Aufprall jagte Dutzende Schockwellen durch das Erdreich.

Mutterboden und entwurzelte Sträucher wirbelten auf, wo die sich ringförmig ausbreitenden Stoßwellen das Erdreich aufwarfen. Staubwolken wallten zu den Seiten des Wracks auf. Schuppenbewehrte Tiere rannten voller Panik aus ihren einstürzenden Erdbauten und suchten ihr Heil in der Flucht.

Langsam kam die Landschaft wieder zur Ruhe. Nur in der Ferne sackte noch ein Hügel gemächlich in sich zusammen. Unter dem Erdmantel mußte sich ein Hohlraum im Fels befunden haben, in den das Erdreich der Hügelkuppe nun langsam hineinflutete.

*

»Wir empfangen endlich die Signale unserer in dem Wrack abgesetzten Roboter«, rief Grappa aufgeregt.

Die POINT OF schwebte etwa zwei Kilometer östlich des Wracks. Da es noch keine gesicherten Erkenntnisse über die Situation in dessen Innerem gab, befanden sich alle Systeme noch immer in Alarm- und Gefechtsbereitschaft.

Grappa bespielte die Konsole wie ein Tasteninstrument. »Ich speise einen Abschnitt des übertragenen Aufzeichnungspaketes in das Videosystem des Schiffes, damit jeder mitverfolgen kann, was sich drüben zugetragen hat, während wir das Ding abgesetzt haben.«

Er schaute vielbedeutend in die Runde. »Sie sollten sich lieber hinsetzen oder irgendwo festhalten, Herrschaften. Was Sie gleich zu sehen bekommen, wird Sie glatt umhauen!«

Plötzlich änderte sich die Darstellung in der Bildkugel. Die verwüstete Landschaft mit dem gelben Ringraumerwrack in der Mitte verschwand, und eine gelbe, schummerig beleuchtete Halle, deren Rückwand ein hohes Schott ausfüllte, war zu sehen.

Die Darstellung war stark verwackelt, denn obwohl sich das abstürzende GI-Schiff im Klammergriff des Traktorstrahls befand, war es heftigen Vibrationen und Stößen ausgesetzt, die sich wiederum auf den terranischen Roboter übertrugen, von dem die Aufnahme stammte.

Kampfmaschinen des Geheimen Imperiums hielten sich in der Halle auf. Einige der nur bedingt humanoid anmutenden Roboter hielten Strahler in ihren Metallklauen, andere waren mit dicken Waffenarmen ausgestattet.

Die gesichtslosen Karosserien der Roboter waren rußgeschwärzt; die Stummelantennen, die links und rechts des Kopfes emporragten und oben in einer Metallkugel endeten, waren geknickt oder verbogen.

Trotz ihres ramponierten Aussehens, das von der Atomexplosion herrührte, die diese Maschinen durch Zufall einigermaßen heil überstanden hatten, stellten sie für die terranischen Roboter noch immer einen ernst zu nehmenden Gegner dar.

Die Waffen der GI-Kampfmaschinen spuckten pinkfarbene und grellweiße Strahlen aus, die sich in den vordersten terranischen Großserienroboter bohrten. Die geballte Salve brachte die Maschine augenblicklich zum Explodieren.

Der dichte Qualm und die Funken, die zu allen Seiten davonstoben, irritierten die Ortungen der GI-Roboter so sehr, daß sie das Feuer kurzfristig einstellten, was den drei übriggebliebenen terranischen Maschinen die Gelegenheit verschaffte, in Deckung zu springen.

Mit gezielten Nadelstrahlsalven aus ihren Multikarabinern deckten sie die feindlichen Roboter ein. Dabei folgten sie den über Funk übermittelten Zielvorgaben des Checkmasters, der die vollständige Kontrolle über all ihre Daten hatte. Zusätzlich griff das Bordgehirn der POINT OF auf die Informationen zu, die ihm die beiden Flashpiloten Wonzeff und Kucks geliefert hatten.

Während ihrer Gefangenschaft an Bord eines gelben Ringraumers hatten die beiden Männer wertvolle Erfahrungen über die Imperialen Roboter sammeln können – die sich der Checkmaster nun zunutze machte.

So hatten die beiden Männer während ihrer Flucht zum Beispiel zwei Roboter ausschalten können, indem sie mit Nadelstrahlen auf die filigran gearbeiteten Hals- und Schulterpartien der auf den ersten Blick so stämmig und robust erscheinenden Maschinen gefeuert hatten.

Während der Torso und die Gliedmaßen der Roboter nämlich aus widerstandsfähigem Unitall bestanden, waren die Gelenke, Verbindungsstücke und Schläuche am Hals und den Armen bloß aus Stahl, der sich unter der Einwirkung der Nadelstrahlen augenblicklich in Energie umwandelte, so daß die Köpfe und Gliedmaßen der Roboter leicht abgesprengt werden konnten, wenn man über eine ruhige Waffenhand verfügte.

Es dauerte daher nur wenige Minuten, und der Boden der Halle war mit abgerissenen Kopfteilen und Armen übersät. Die nutzlosen Rümpfe der GI-Roboter wankten ziellos hin und her.

Die drei terranischen Maschinen stürzten aus ihrer Deckung hervor und stießen die schwankenden GI-Roboer um, während sie auf das große Schott zustrebten, hinter dem der Checkmaster die Zentrale vermutete.

Augenblicklich machten sich die Roboter daran, die Scharniere und die Verriegelung der Tür mit Nadelstrahlen zu zerstören.

Als sie ihre Arbeit am Schott beendet hatten, waren zwei weitere Roboter eingetroffen. Sie stemmten sich mit dem Rücken gegen die gewaltige Tür und drückten.

Das Schott brach aus den zerstörten Haltevorrichtungen und fiel in den dahinterliegenden Raum.

Es handelte sich tatsächlich um die Zentrale des Ringraumers, wie die halbkreisförmige Brücke und die dank Notenergie immer noch arbeitende Bildkugel in der Mitte der Halle verrieten.

Ohne sich lange umzublicken, rannten drei der Roboter auf die Rechnerwand hinter der Kommandobrücke zu. Plötzlich stoppten sie, brachten die Karabiner in Anschlag und feuerten mehrere Salven auf den Hyperkalkulator.

Eine sich rasch verändernde dreistellige Symbolanzeige leuchtete rot auf den Monitoren der Zentrale. Die beiden links angeordneten Werte zeigten nur einen vertikalen, leicht gebogenen Strich, während die dritte Anzeige in kurzen Intervallen wechselnde Symbole darstellte.

Der Zähler stoppte im selben Moment, da der unter Nadelstrahlbeschuß funkensprühend und qualmend verendende Hyperkalkulator endgültig seinen Geist aufgab.

»Ich habe die Symbole auf den Bildschirmen analysiert«, schallte die blecherne Stimme des Checkmasters in die angespannte Stille der Zentrale der POINT OF. »Die Selbstzerstörung des gelben Raumers wäre acht Sekunden nach Abbruch des Zählvorganges vollzogen worden. Das Schiff wäre genau dann explodiert, wenn es auf den Boden des Planeten aufgeschlagen wäre.«

»Teufel aber auch – das war verdammt knapp!« rief Artus hastig aus, als befürchtete er, ein anderes Besatzungsmitglied könnte ihm mit einer Bemerkung zuvorkommen.

Amy grinste breit – und lachte dann prustend los. Auch Falluta, Grappa und all die anderen Menschen in der Zentrale fielen in das Lachen ein.

»Was ist denn nun wieder los?« rief Artus pikiert. »Habe ich etwa eine falsche Metapher verwendet?«

Amy schüttelte lachend den Kopf. »Nein Artus – aber du hast soeben unsere emotionale Ebene angesprochen. Und das löst bei Menschen, die sich unter starker Anspannung befinden, manchmal gewisse entkrampfende Reaktionen aus.«

Unsicher darüber, was er von der Sache halten sollte, blickte sich Artus um. Doch als er in all die erleichterten, gelösten Gesichter blickte, kam er zu dem Schluß, daß seine Worte bei den Menschen offenbar Gutes bewirkt hatten, und war zufrieden.

Plötzlich verebbte das Lachen jedoch wieder. Die Blicke der Anwesenden waren auf die Bildkugel gerichtet. Erstaunen, Verwunderung – und Entsetzen spiegelte sich in den Gesichtern.

Der Roboter, von dem die Aufzeichnung aus dem Wrack stammte, war hinter die halbmondförmige Konsole der Brücke getreten.

Der Anblick des Wesens, das hinter dem Kommandostand reglos auf dem Boden lag, verschlug allen die Sprache, die diese Videoaufzeichnung in diesem Moment verfolgten.

2.

Als Ban Bandalara die Augen aufschlug, glaubte er zu träumen.

Er flog! Jede Last war von seinem Körper genommen, und er flog tatsächlich. Er war frei und ungebunden. Die Sehnsucht aller Wesen, die von der Natur nicht mit Extremitäten ausgestattet worden waren, die es ihnen erlaubten, der Schwerkraft zu trotzen und sich in die Lüfte zu erheben, hatte sich für ihn, Ban Bandalara, erfüllt: Er konnte fliegen!

Verschmutzte Einbildung, dachte er im nächsten Augenblick, als er erkannte, daß er nicht flog, sondern nur schwebte.

Dann bemerkte er, daß nicht nur er frei in der Luft hing, sondern auch all die losen Gegenstände, die sich in dem Raum befanden.

Meßgeräte, Werkzeuge und Ersatzteile – all dies schwebte wie schwerelos um ihn herum in der sterilisierten Atmosphäre der Reparaturstätte.

Schwerelos! Der Gedanke traf ihn wie ein Schwall Unrat. In einem Kampfschiff sollte normalerweise keine Schwerelosigkeit herrschen!

Benommen stieß er sich mit seinen kurzen Beinen von der Decke ab, der er zu nahe gekommen war, und flog mit lang ausgestrecktem Leib kopfüber auf die Werkbank zu, die fest am Boden der Reparaturstätte verankert war.

Ban klammert sich an eine elektronische Schraubzwinge, in der eine defekte Batterie klemmte. Es handelte sich um eine jener Nuklearbatterien, die in die Waffenarme einiger Kampfroboter integriert waren.

Die Maschine, der die Batterie entnommen worden war, stand mit Stahlklammern fixiert in einer Abfertigungsnische. Die Systeme des Roboters waren in den Ruhemodus versetzt und die Verkleidung des Armes entfernt worden.

Beim Anblick der Kampfmaschine kehrte Bans Erinnerung langsam wieder zurück:

Er hatte die Reparaturstätte aufgesucht, weil der hier tätige Dienstroboter eine Fehlermeldung in die Überwachungsstation geschickt hatte.

Während er die fehlerhafte Nuklearbatterie des Kampfroboters untersucht hatte, war es im System der Wartungsmaschine offenbar zu einer Störung gekommen.

Ban sah sich in dem Chaos der träge durch die Luft gleitenden Werkzeuge und Ersatzteile um – und erblickte den defekten Wartungsroboter schließlich in der oberen linken Zimmerecke der Reparaturstätte.

Die Maschine hatte aus irgendeinem Grund die Preßluftdüsen an den Fußgelenken gezündet, und jetzt drückte der Schub den Roboter kopfüber in die Ecke. Der Reparaturapparat ruderte hilflos mit den Werkzeugarmen, ohne sich dabei jedoch vom Fleck zu rühren.

»Dreckige Wartungsmaschine!« fluchte Ban. »Was hast du angestellt, daß die Schwerkraft hier ausgesetzt wurde?«

Er zog sich an der Werkbank entlang zu dem Regal mit den Ersatzbatterien.

Dort angekommen hangelte er sich an den zylinderförmigen Einheiten, die fest in den Aussparungen der Regalfächer steckten, zur Zimmerdecke empor.

Da seine Arme zu kurz waren, um den Wartungsroboter zu erreichen, stieß er sich gekonnt vom Regal ab, flog auf die Maschine zu und umklammerte den Torso.

Peinlich darauf bedacht, nicht in den Strom der Druckluftdüsen zu geraten, unterbrach er die Energiezufuhr zu den Minitriebwerken mit wenigen Handgriffen.

Die Düsen erstarben, und das enervierende Zischen und Fauchen, das die Triebwerke von sich gegeben hatten, verstummte.

Ban stieß sich von der Maschine ab und ließ sich zu dem Ausgang der Reparaturstätte hinabgleiten.

Das Schott war geschlossen, wie es die Bestimmungen für Räume, in denen nukleares Material verwahrt wurde, vorschrieben.

Ban klammerte sich an dem Gehäuse des Bordkommunikationssystems fest, das neben der Tür hing. Ungeduldig drückte er den Rufknopf, der ihn eigentlich mit der Überwachungsstation verbinden sollte.

Besudelter Taugenichts, dachte er abfällig, während er darauf wartete, daß Dron Dronaruna aus seinem Schlummer erwachte und seinen Anruf entgegennahm.

Verärgert dachte Ban daran, wie nach dem Eintreffen der Fehlermeldung des Wartungsroboters zwischen ihm und Dron die übliche Streiterei darüber ausgebrochen war, wer von ihnen die defekte Maschine untersuchen sollte.

Wie so oft hatte Ban auch diesmal entnervt klein beigegeben und sich auf den Weg in die Reparaturstätte gemacht.

»Fläzt wahrscheinlich in seinem Sessel und hält einen unverdienten Schlummer!« schimpfte Ban, weil die Sprechanlage still blieb.

Mit der Faust schlug er auf das Gehäuse ein. »Wach auf, du Kehricht. Oder soll ich etwa auch noch dafür sorgen, daß die Herrschaften in der Zentrale die Schwerkraft in dieser kotigen Reparaturstätte wieder einschalten?«

Mit finsterer Miene starrte er zu dem Wartungsroboter empor, und wieder fragte er sich, wie es die Maschine geschafft hatte, die Gravitation in diesem Raum auszuschalten.

Ban vermutete, daß der Roboter aufgrund der Fehlfunktion seiner Schwebedüsen die Schwerkraft in der Stätte manipuliert hatte, um an eine Ersatznuklearbatterie für den Kampfroboter heranzukommen, die ganz oben in dem Regal lag.

Die Düsen waren dann aber anscheinend doch gestartet und hatten die Wartungsmaschine in die obere Zimmerecke katapultiert.

»Dron!« schrie Ban zornig und drückte den Rufknopf so tief in das Gehäuse wie es möglich war. »Du faules Aas, wach endlich auf!«

Plötzlich stutzte er. Das Kommunikationssystem schien defekt zu sein. Es drang nicht das leiseste Geräusch aus dem Lautsprecherfeld, und auch der kleine Bildschirm blieb schwarz, anstatt das Rufsymbol zu zeigen.

Ban versuchte eine andere Station anzuwählen – mit dem selben Ergebnis: Es kam keine Verbindung zustande!

Unbehaglich fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht. So viele Fehlfunktionen auf einmal durfte es in einem Kampfschiff nicht geben. Da stimmte doch etwas nicht!

Als die Deckenlampe plötzlich zu flackern anfing, bekam Ban es mit der Angst zu tun. Nervös fuhr er sich mit den Fingern durch das Haar – und zuckte im nächsten Moment zusammen, weil ein stechender Schmerz von seinem Hinterkopf ausgehend durch sein Gehirn geschossen war.

Ban hatte die Hand in einem Reflex zurückgezogen und betrachtete jetzt befremdet das Blut, das an seinen Fingern klebte.

»Ich – habe eine schmierige Wunde am Kopf«, murmelte er und versuchte sich zu erinnern, wie er sich die Verletzung zugezogen hatte.

Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Der Raumer war von einer heftigen Erschütterung gebeutelt worden, kurz nachdem Ban die Reparaturstätte betreten und das Schott sich wieder hinter ihm geschlossen hatte!

Er hatte keine Zeit gehabt, sich in dem Raum umzublicken, fiel ihm nun wieder ein. Eine unsichtbare Riesenfaust hatte ihn statt dessen gepackt und wie Unrat gegen die Werkbank geschleudert.

Ban hatte das Bewußtsein verloren – und erst jetzt schien er wieder richtig bei Sinnen zu sein.

»Wie konnte ich diesen garstigen Vorfall nur vergessen?« wunderte er sich.

Als er sich nun wieder in dem Raum umblickte, tat er es mit anderen Augen. All die Gegenstände, die schwerelos in dem Zimmer schwebten, mußten von der harten Erschütterung aus ihren Halterungen, Schubladen und Steckplätzen gerissen worden sein.

Doch was hatte dem Kampfschiff einen derart heftigen Schlag versetzt?

Ban erinnerte sich vage, daß die Überwachungsgeräte in der Station keinerlei besorgniserregende Werte angezeigt hatten, bevor er sich zur Reparaturstätte aufgemacht hatte.

Es hatte sich zwar bis zu den rangniedrigsten Besatzungsmitgliedern herumgesprochen, daß die MORNO in den Gefechtszustand versetzt worden war. Doch nichts hatte darauf hingedeutet, daß die Situation für Schiff und Mannschaft gefährlich werden könnte. Es hatte alles nach einer Routineaktion ausgesehen, die eine Erkundung und die Zerstörung einer eventuellen Bedrohung für das Imperium zum Ziel gehabt hatte.

Doch nun hatte irgend etwas den Ringraumer getroffen, und etliche technische Anlagen schienen beschädigt zu sein.

Fest entschlossen, herauszufinden, was vorgefallen war, wandte Ban sich dem Schott zu. Er drückte auf das berührungsempfindliche Schaltfeld des Schließmechanismus, und die Tür glitt auf.

Im selben Moment gab das Strahlungsmeßgerät, das zu Bans Dienstausstattung gehörte, einen schrill warnenden Piepston von sich.

Es war Vorschrift, ein solches Meßgerät anzulegen, bevor ein Raum betreten wurde, in dem sich nukleares Material befand – so stand es in den Richtlinien für das Überwachungspersonal an Bord eines Kampfschiffes.

Doch anstatt in der Reparaturstätte anzuschlagen, in der etwa zweihundert Batterien mit spaltbarem Material lagerten, schlug das Meßgerät nun Alarm, als Ban in dem geöffneten Schott stand!

Die nuklearen Batterien in der Reparaturstätte waren trotz Erschütterung unversehrt geblieben – aber irgend etwas hatte den Korridor oder vielleicht sogar das ganze Schiff radioaktiv verseucht!

Instinktiv schlug Ban mit der Faust auf das Schaltfeld. Das Schott glitt zu, und das Strahlenmeßgerät verstummte wieder.

Ban stieß ein entsetztes Keuchen aus. Der harte Schlag gegen das Schaltfeld hatte ihn von der Wand weggeschleudert, so daß er jetzt hilflos durch den Raum trieb.

Doch das war es nicht, was ihn in Schockstarre versetzt hatte – der Anblick der beiden Leichen hatte ihn paralysiert, die draußen am Schott vorbeigetrieben waren, ehe die Tür sich wieder geschlossen hatte.

In Bans Gehirn arbeitete es fieberhaft: Im gesamten Schiff schienen die Gravitation und die Andruckabsorber ausgefallen zu sein.

Auch die Sprechanlage und andere technische Einrichtungen hatten aufgehört zu arbeiten.

Plötzlich überkam ihn die erschreckende Vorstellung, der einzige Überlebende in dem riesigen Raumschiff zu sein.

Da prallte er mit dem Rücken plötzlich gegen den Kampfroboter, der mit Halteklammern in der Wartungsnische festgehalten wurde.

Und dann hatte er eine Idee.

Ban klammerte sich an dem Kopf der Maschine fest, fischte sich ein Multifunktionswerkzeug aus der Luft und machte sich daran, das Kommunikationsmodul aus dem Metallschädel der Maschine zu montieren.

Kaum hatte er das kastenförmige Gerät mit seinen kleinen flinken Fingern herausgelöst, stieß er sich ab und kehrte zur Vipho-Anlage zurück.

Mit wenigen Handgriffen verband er das Kommunikationsgerät des Roboters mit der defekten Bordsprechanlage und schaltete auf die Frequenz der Funkzentrale.

»Hallo, Kommandostand!« rief er mit zittriger Stimme in das Sprechfeld. »Hier ist Ban Bandalara. Lebt bei euch noch jemand?«

Angestrengt lauschte er dem Knistern und Rauschen, das aus dem Lautsprecher drang, und wartete darauf, daß der flimmernde Bildschirm einen Ausschnitt der Zentrale zeigte.

Da hallte aus den Eingeweiden der MORNO plötzlich eine dumpfe Explosion bis zu Ban in die Reparaturstätte. Das Schiff wurde heftig erschüttert; die Wände ringsum vibrierten.

Im nächsten Moment verspürte Ban ein schreckliches Ziehen und Reißen in seinem Magen.

Augenblicklich verschwand das berauschende Gefühl zu schweben. Sein Traum vom selbständigen Fliegen verwandelte sich von einem Moment auf den anderen in einen Alptraum. Ban und das gesamte Kampfschiff schienen haltlos in die Tiefe zu stürzen!

Entsetzt klammerte er sich an dem Gehäuse des Viphos fest und schrie aus Leibeskräften, während die Fallgeschwindigkeit ständig zunahm und sein Magen wie ein selbständiges Wesen die Speiseröhre emporzukriechen begann.

*

»Ban Bandalara!«

Der Ruf aus dem Bordvipho schnitt wie ein Messer in Bans panische Gedanken. Verbissen kämpfte er seine Furcht nieder und zwang, sich die Augen zu öffnen.

Der Bildschirm des Viphos zeigte das verzerrte Gesicht des obersten Befehlshabers. Er klammerte sich an den Lehnen seines Sessels fest und kämpfte sichtlich mit der starken Übelkeit, die auch von Ban Besitz ergriffen hatte.

»Ban Bandalara – melde dich gefälligst!« rief der Kommandant erneut.

»Was ist denn überhaupt los?« kreischte Ban verzweifelt.

»An Bord der MORNO ist eine Atombombe explodiert!« bekam er zu hören. »Fast alle Systeme sind ausgefallen. Du bist der einzige Überlebende außerhalb der Zentrale. Und wir haben hier nur deshalb überlebt, weil wir von der Sektion, in der die Bombe explodierte, am weitesten entfernt sind und das Sicherheitsschott geschlossen war.«

Ban schluckte trocken. »Dron und die anderen – sie sind alle tot?«

»Reiß dich zusammen!« fuhr ihn der Kommandant an. »Du mußt jetzt stark sein, Ban. Das Imperium zählt auf dich!«

Ban riß entsetzt die Augen auf. Die Worte des Kommandanten ließen nichts Gutes erahnen.

Die Situation war offenbar noch viel schlimmer, als er sich in seinem sowieso schon von Panik geschüttelten Gehirn ausgemalt hatte.

»Was – soll ich tun?«

Das Gesicht auf dem Bildschirm zeigte Erleichterung. »Gut zu wissen, daß du zu allem bereit bist, Ban. Wir werden alle sterben. Für uns gibt es keine Rettung – das muß dir klar sein.«

»Nun sag schon, was du von mir erwartest!«

»Die Triebwerke und die Stabilisierungssysteme der MORNO sind komplett ausgefallen«, berichtete der Kommandant mit gepreßter Stimme. »Wir stürzen auf den Planten zu.«

Eindringlich starrte er Ban an. »Ich habe die Selbstzerstörung ausgelöst. Unser Schiff wird exakt zu dem Zeitpunkt explodieren, an dem wir auf dem Boden aufschlagen. Die Hülle der MORNO wird in Energie umgewandelt, was dazu führen wird, daß der Planet zerreißt. Von uns und dem Kampfschiff wird nichts mehr übrigbleiben, was Fremdwesen irgendwelche Informationen über das Imperium liefern könnte.«

»Dann – ist ja alles gut«, erwiderte Ban mit trockener Kehle.

Besorgt stellte er fest, daß ihm die Vorstellung, in wenigen Minuten sterben zu müssen, ganz und gar nicht behagte. War es das Imperium wirklich wert, sein Leben für dessen Erhalt zu opfern, fragte er sich unwillkürlich?

Ban biß die Zähne zusammen: So oder so – er hatte keine Wahl. Sein Ende war beschlossene Sache.

»Nichts ist gut«, schallten ihm die Worte des obersten Befehlshabers aus dem Lautsprecher entgegen. »Der Ringraumer, den wir zerstören wollten, hat Kelas ausgesandt und sich dann von seinem Landeplatz erhoben. Die Salter nehmen Kurs auf uns!«

»Sie… sie wollen uns entern?«

Ban war schockiert: Etwas in ihm jubilierte!

Hätten die Salter sie vernichten wollen, hätten sie es längst getan.

Doch anstatt den schutzlosen Ringraumer zu beschießen, wollten sie ihn offenbar aufbringen und vermutlich auch noch versuchen, Gefangene zu machen.

Das mußte um jeden Preis verhindert werden!

Verbittert ballte Ban die Fäuste. Er würde trotzdem sterben. Egal, was die Fremden taten – es bedeutete in jedem Fall sein Ende!

Der Kommandant hatte sich kurz von dem Vipho abgewendet. Im Hintergrund waren aufgebrachte Rufe und in Panik hervorgestoßene Befehle zu vernehmen, deren Bedeutung jedoch nicht bis in Bans aufgewühltes Bewußtsein vordrang.

»Es sieht schlecht für uns aus, Ban!« rief der höchste Offizier an Bord, nachdem er sich wieder dem Kommunikationsgerät zugewandt hatte. »Wie wir befürchtet haben, sind die Kelas im Schutz ihrer Intervallfelder in unser Schiff eingedrungen und haben fremde Roboter ausgeschleust. Einige von ihnen wurden ganz in der Nähe der Zentrale abgesetzt. Unsere vor dem Schott postierten Kampfmaschinen liefern sich soeben ein Gefecht mit den feindlichen Robotern, die jedoch über eine für Salter-Konstruktionen ungewöhnliche Feuerkraft verfügen. Unsere durch die Atomexplosion sowieso schon in Mitleidenschaft gezogenen Roboter werden die Feinde nicht lange aufhalten können.«

In diesem Moment spürte Ban, wie die MORNO von einer unsichtbaren Kraft gepackt wurde. Das Gefühl, in freiem Fall in endlose Tiefen zu stürzen, verebbte, und er bekam endlich wieder festen Boden unter die Füße.

Ban ahnte, daß sein Schiff vom Traktorstrahl des Fremdraumers erfaßt worden war. Offenbar versuchten die Salter den Sturz des GI-Schiffes abzufangen, um es zu bergen – und zu untersuchen!

Der Kommandant beugte sich vor, so daß sein Gesicht nun den Bildschirm vollständig ausfüllte.

»Du weißt, was gleich geschehen wird, Ban. Die fremden Kelas und die Roboter – sie haben keinen Schutzüberzug.« Er verengte die Augen zu schmalen Schlitzen, als wollte er Ban mit seinem Blick hypnotisieren. »Für den Fall, daß die eingeleitete Selbstzerstörung abgebrochen wird, mußt du alles in deiner Macht stehende tun, das Schiff zu zerstören. Die MORNO darf nicht in die Hände von Fremden gelangen – das mußt du dir immer wieder vor Augen führen!«

»Du – du kannst dich auf mich verlassen. Unsere Familien und Freunde werden auch in Zukunft in Sicherheit leben können – dafür werde ich sorgen!«

Da schallte plötzlich ein krachendes Dröhnen aus dem Lautsprecher an Bans Ohren.

»Die feindlichen Roboter haben das Schott überwunden!« hallte ein gellender Schrei durch die Zentrale. »Wir werden alle sterben!«

Plötzlich sackte der Kommandant in seinem Sessel zusammen und rutschte dann leblos zu Boden.

Gebannt starrte Ban auf den Bildschirm. Nun, da der oberste Befehlshaber die Sicht nicht mehr verstellte, konnte er das riesige Gehäuse des Hyperkalkulators sehen, der eine kompakte Wand aus Abdeckblechen, Leuchtanzeigen und blinkenden Statuslampen bildete.

Plötzlich trafen pinkfarbene Energiestrahlen das Bordgehirn. Mühelos durchdrangen die Lichtlanzen das Gehäuse und richteten verheerende Schäden in den empfindlichen Schaltkreisen des Rechners an.

Als die rückwärts zählende Anzeige auf dem in die Kommandokonsole eingelassenen Bildschirm zum Stillstand kam, wußte Ban, daß das Programm, das die Selbstzerstörung steuerte, ausgelöscht worden war.

Jetzt lag es an ihm, die MORNO zu vernichten!

Da tauchte auf dem Bildschirm des Viphos plötzlich ein fremder Roboter auf.

Ban unterbrach die Verbindung blitzschnell, bevor die Meßfühler der Maschine das Vipho des Kommandanten entdecken und Ban auf dem Miniaturbildschirm bemerken konnten.

Es war besser, wenn die Salter nicht erfuhren, daß es an Bord einen weiteren Überlebenden gab. Einen Überlebenden, der im Begriff war, ihnen große Schwierigkeiten zu machen und ihre verruchten Pläne zu durchkreuzen.

Etwas jedoch hatte Ban stutzig gemacht: Die Bauweise des Roboters, den er für einen flüchtigen Moment gesehen hatte, war ihm vollkommen fremd.

Hatten die Salter etwa neue Modelle entwickelt, ohne daß das Imperium davon erfahren hatte?

Oder handelte es sich bei dem Feind, der sie vernichtend geschlagen hatte, am Ende gar nicht um Salter?

Ban verdrängte den Gedanken. Es gab für ihn jetzt Wichtigeres, als sich in Spekulationen zu ergehen.

Ohne noch länger zu zögern, traf er die erforderlichen Vorbereitungen, um sich auf den Weg zur autarken Selbstzerstörungseinrichtung der MORNO zu machen.

*

Ren Dhark kaute grübelnd auf seiner Unterlippe.

Er hatte vorhin hoch gepokert und das Leben der Besatzung gefährdet, das er genauso zu schützen geschworen hatte, wie er gelobt hatte, alles für die Unversehrtheit der POINT OF zu tun.

Doch manchmal war es eben zwingend erforderlich, bis zum Äußersten zu gehen. Zum Beispiel dann, wenn es darum ging, einen ganzen Planeten und seine Bewohner vor dem sicheren Untergang zu bewahren!

Trotzdem würde er niemals ein Besatzungsmitglied im Stich lassen, und niemals das Mutterschiff durch leichtsinnige Manöver in Gefahr bringen.

Das Leben der Männer und Frauen an Bord der POINT OF war ihm heilig!

Allein aus diesem Grund hatte er Pjetr Wonzeff und Harold Kucks nicht aufgegeben, die viele Wochen lang in Andromeda verschollen gewesen waren. Er hatte fest daran geglaubt, daß die beiden Männer lebten und sich so lange in der fremden Galaxis durchschlagen würden, bis sie schließlich doch noch gefunden wurden.

Und genau dies war dann ja auch eingetreten.

Als Dhark vorhin befohlen hatte, daß die POINT OF für das feindliche Raumschiff weiterhin als Zielscheibe herhalten sollte, hatte er keine Sekunde gezweifelt, daß sein verwegener Plan aufgehen und das Mutterschiff die Mission unbeschadet überstehen würde.

Was er aber nicht mit Sicherheit sagen konnte, war, ob es seinen Leuten nun gelingen würde, die Selbstzerstörung des gelben Ringraumers zu stoppen und anschließend zu verhindern, daß der Koloß auf die Regierungshauptstadt stürzte und Tausende Butwums in den Tod riß.

Was hätte er jetzt nicht alles darum gegeben, an Bord der POINT OF zu sein und die Geschicke des Schiffes selber zu lenken.

Nicht daß er Hen Falluta nicht zutraute, mit der Situation fertigzuwerden. Er hielt nur einfach die Ungewißheit nicht aus. Er haßte es, untätig herumzustehen und nichts anderes tun zu können, als auf Nachrichten zu warten.

Als das Vipho an seinem Handgelenk durch ein kurzes Signal ankündigte, daß ein Anruf von der Zentrale eintraf, riß er den Arm ungestüm vor das Gesicht.

»Wie ist die Lage, Falluta?«

Doorn, Shanton und die vier Wissenschaftler, die sie in das Portalforschungszentrum der Mergnas begleitet hatten, scharten sich neugierig um ihren Commander. Auch Nattok und Gerag traten hinzu.

»Wir haben die Selbstzerstörung stoppen und den gelben Raumer bergen können«, erklärte der Erste Offizier voller Stolz. Sein Gesicht auf dem Minibildschirm wirkte erschöpft und überarbeitet. Doch in seinen Augen lag ein gewisses triumphierendes Leuchten, das Dhark vermuten ließ, daß das Unternehmen ein voller Erfolg gewesen war.

»Haben Sie Gefangene gemacht?«

Falluta preßte kurz die Lippen aufeinander. »Die Besatzung des gelben Raumers ist tot, sämtliche Roboter sind kampfunfähig«, erklärte er zurückhaltend.

»Wie sehen die Lebewesen denn nun aus?« warf Shanton ungeduldig ein.

»Das sehen Sie sich am besten selber an, Herrschaften. Es – ist unfaßbar.«

Die Männer warfen sich verwunderte Blicke zu – aber keiner von ihnen sprach die wilden Spekulationen aus, die Fallutas Geheimnistuerei in ihnen hervorgerufen hatte.

»Konnte die Besatzung denn noch einen Notruf absetzen?« wollte Doorn wissen.

»Morris hat den internen Speicher der Funkzentrale von einem Roboter auslesen lassen«, erklärte Falluta. »Die Imperialen haben keinen wie auch immer gearteten Funkspruch mehr abgegeben, nachdem die Atombombe an Bord explodierte.«

Dhark nickte zufrieden. Das Risiko hatte sich offenbar gelohnt.