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Drake ist ein geheimnisvoller Halb-Indianer und bevor er sich Emily wirklich öffnet, vergeht viel Zeit. Zeit, in der Emily mehr und mehr von ihm erfährt, denn um mit ihr schlafen zu können, muss er ihr erst sein Geheimnis offenbaren. Und Emily weiß, wenn sie sich nicht auf ihn einlässt, ihm vertraut, wird sie nie die Wahrheit erfahren. Doch die Wahrheit ist sehr . . . ungewöhnlich. Nachdem Emily endlich sein Geheimnis erfahren hat, entschließt sie sich, trotz aller Widrigkeiten, es mit Drake zu versuchen. Sie wird im Indianer-Dorf vorgestellt und muss viele Prüfungen bestehen. Die Zukunft scheint gesichert und Stunden voller Leidenschaft erwarten sie, doch dann geschieht etwas Unvorhersehbares. Emilys Welt bricht zusammen. Hat ihre Liebe überhaupt eine Chance?
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Seitenzahl: 769
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Sonnentanz
Feuerhaar
Taja Jetsch
Ein erotischer Fantasy Roman.
Impressum
Texte: © Copyright by Taja Jetsch
Umschlag: © Copyright by Taja Jetsch
Verlag: JS-E Verlag
99817 Eisenach
ISBN: 978-3-7418-7720-9
4. Auflage
September 2018
Mein Dank geht an Gisi, Ilse und Holger, die meine schärfsten Kritiker sind und die mich immer wieder tatkräftig unterstützt haben.
Drake
Heute war er zum ersten Mal mit seinen Jungs in der Open-Air Bar, in der SIE seit über einem Jahr mit ihrer kleinen Band auftrat, und sein Herz klopfte. Die Bar, dass „Blue Moon“, war, wie er von seinen Freunden gehört hatte, DAS Szene-Lokal geworden, und fast jedes Wochenende bis auf den letzten Platz ausgebucht. Meistens dann, wenn SIE hier sang. Das erstaunte ihn nicht. In seinen Ohren klang ihre Stimme wie die eines Engels. Er hatte fast das gesamte letzte Jahr gebraucht, bis er soweit war, öffentlich mit seinen Freunden ins Blue Moon zu gehen und ein Bier zu trinken und sich nicht wie sonst, zu verstecken. Aber es hatte sich auch viel verändert.
*****
Drake
Sein Vater hatte ihm lange nicht erlaubt mit einer Handvoll Jungs, die seine engsten Freunde waren, zu einer Tour aufzubrechen. Bis dahin hatte er nur Nordamerika und Kanada unsicher gemacht, denn sein Clan lebte in Montana auf einem der sogenannten Great Plains.
Er liebte es, in Montana zu leben. Dort war er wirklich frei. Das Areal, welches seine Familie und der ganze Clan seit Jahrhunderten bewohnten, war einfach riesig. Große freie Prärieflächen, klare Seen und Wasserfälle, unendlich anmutende Wälder, und das alles zu den Füßen der Rocky Mountains. Unten, im Tal, gab es mildere Temperaturen, dort konnte es im Sommer auch schon mal richtig heiß werden. Im Winter tobte er am liebsten mit seinen Freunden durch die schneebedeckten Berge der Rockys. Hier in der Stadt fühlte er sich unwohl und eingeengt. Doch hier in der Stadt war SIE.
Das, was ihn heute hierher gebrachte hatte, war zu allererst ihr Duft gewesen. Das würde er wohl nie vergessen.
Nach dem er mit seinen Freunden erst monatelang durch Afrika getourt war, waren sie über Ägypten nach Malta gekommen. In Italien hatte er seine Vorliebe für Nudelgerichte und Rotwein entdeckt. Dann ging es über die Schweiz und Österreich zum Bodensee. Hier gefiel es allen sehr gut. Es war nicht mehr so heiß wie in Afrika. Die Kombination aus Bodensee und Alpen ließ sie an zu Hause denken. Sie wollten über München nach Düsseldorf und Hamburg und dann weiter nach Norwegen und Schweden. Doch soweit kamen sie nicht.
Sam hatte ein wenig gegoogelt und entdeckt, dass in Düsseldorf die wohl größte Kirmes am Rhein stattfinden würde.
„Und freitags gibt’s abends auch noch ein Feuerwerk!“, hatte er beim Frühstück in München erklärt. „Da will ich hin!“. Sie waren schon immer beste Freunde gewesen, aber dieses Jahr, das sie nun schon zusammen unterwegs waren, hatte sie noch viel stärker zusammen geschweißt. „Komm schon, Drake“, meinten die anderen. Ihnen würde er sein Leben anvertrauen, was wäre da schon einmal Kirmes und Feuerwerk.
„Na klar, dann mal los.“, sagte Drake „Nach dem Frühstück Klamotten packen und weiter geht’s“.
*****
Drake
„Was für ein Lärm!“, rief Drake seinen Freunden zu und lachte.
„Oh ja“, antwortete Sam und hielt sich demonstrativ die Ohren zu. „Aber auch toll.“ Sie kamen gerade von der Wasserrutsche und Tristan und Maddox waren klatschnass. Drake und Jared waren nur feucht geworden, während Sam, der in der Mitte gesessen hatte, fast gänzlich trocken geblieben war.
„Nä nä nä“, lachte Sam „Ihr seid ja so nass! Los, kommt, ich will zum Rollercoaster.“ Während sie sich durch die Masse treiben ließen, überkam Drake irgendwie ein . . . komisches Gefühl? Eine Ahnung? Ein Geruch? Sein Kiefer schmerzte. Er blieb stehen und sah sich suchend um.
„Was ist los?“, fragte Jared, der neben ihm ging. Drake konnte sehen, dass Jared sofort in Alarmbereitschaft war.
„Ich weiß auch nicht, irgendwie . . .“ Drake ließ den Satz offen und sah sich nochmals um. „Hier ist es so laut, so viele Geräusche, Musik, Gespräche und dann erst noch die ganzen Gerüche: Essen, Alkohol, Pisse, Kotze und was weiß ich noch alles. Komm, egal, es weiß keiner, dass wir hier sind.“ Mittlerweile waren sie an der Achterbahn angekommen. Die Schlange davor war fast mörderisch lang.
Maddox stöhnte, „Das ist nicht dein Ernst, Sam! Hier sollen wir uns anstellen?“
Sam lachte: „Na klar! Schau doch mal, die Loopings!“
Da war es wieder. Während die Schlange sich langsam vorwärts bewegte und seine Jungs lachend und feixend zwei Schritte vorwärtsgingen, blieb Drake stehen und sah sich wieder suchend um. Nichts. Er konnte einfach nichts sehen, nichts riechen. So viele Menschen, aber er konnte keinen einzelnen erkennen.
‚Tief durch atmen, ganz ruhig, tief durch atmen‘ wiederholte er im Kopf. Dann schloss er die Augen und atmete tief ein. Da! Da war es! Ein Duft! Wie frische Lilien und Wald, wenn es geregnet hatte, irgendwie . . . rein. Sein Herz stolperte und er war fast sofort heiß. Langsam öffnete er die Augen. Jared, Maddox und Tristan hatten ihn quasi abgeschirmt, standen wie eine Mauer mit dem Rücken vor ihm und schauten über die Menge hinweg, was nicht schwierig war, denn mit ihren 1,90m waren sie größer als fast alle anderen. Nur Jared und Drake, die noch größer waren, überragten alle.
„Was ist los, Drake?“, schimpfte Jared.
Und dann sah er SIE. Sie kam lachend mit einer Gruppe Frauen auf ihn zu.
„Sie.“, seine Antwort war einfach.
Jared sah sich um. Er begann zu lachen. „Jungs, alles ok. Drake hat nur Frischfleisch gerochen.“ Die Spannung, die kurz vorher noch greifbar war, löste sich auf und sie warteten auf die Gruppe junger Frauen, die auf sie zukam.
„Welche willst du Drake?“, feixte Jared. „Ich nehm die mit den langen Haaren!“ Alle lachten, denn die jungen Frauen, die auf sie zukamen, hatten alle lange Haare. Alle lachten, bis auf Drake, der ganz leise knurrte. Er starrte die junge Frau mit den rotblonden langen Haaren an.
Sie sah aus, als wäre sie in eine Unterhaltung mit einer ihrer Freundinnen vertieft – wie konnte man sich bei dem Lärm nur unterhalten? Ein paar Schritte vor Drake und seinen Jungs blieb die Gruppe stehen und diskutierte, ob sie auf den Rollercoaster gehen sollten. Von irgendwo her erklang das Lied „You keep me hanging‘ on“ von Kim Wilde und er hörte zum ersten Mal ihre Stimme. Sie erschien ihm wie gefiltert durch das ganze Geräuschs-Chaos. Sie sang das Lied mit. Klar, hell, rein.
Drake konnte einfach nicht anders. Irgendwas an dieser Person faszinierte ihn, er musste sie einfach anstarren. Da stand er, Drake, an einem Freitagabend mitten auf der Düsseldorfer Kirmes, hörte nichts mehr außer ihrer Stimme, roch nur noch ihren Duft und sah nur noch ihr Gesicht. Die Jungs neben ihm lachten und ließen blöde Sprüche ab, aber Drake bekam das nur ganz weit hinten am Rand mit. Von irgendwoher kam ein Windstoß und brachte ihren Duft intensiv vorbei. Er sog ihren Duft tief ein und musste sich total zusammen reißen, am liebsten hätte er laut geheult.
Sie musste seine Blicke gespürt haben, denn auf einmal sah sie sich um. Ihr Blick flog über die Menge, über ihn hinweg, auf der Suche nach demjenigen, der sie anstarrte. Sie wurde von einer ihrer Freundinnen angesprochen und Drake musste lachen, denn sie führte eine ähnliche Unterhaltung wie noch vor kurzer Zeit er mit Jared.
Emily
„Ich weiß auch nicht“, sagte sie. „Ist so‘n komisches Gefühl, als würde mich jemand beobachten.“ Sie schaute sich noch einmal langsam um und bewusster die Menschen an, die in unmittelbarer Nähe standen. Ihr waren die Typen, die dort standen, schon aufgefallen. Aber diese Typen hatten irgendwas an sich, so dass sie sich irgendwie nicht traute, ihnen ins Gesicht zu sehen. Von ihnen ging etwas Gefährliches aus. Ihre Atmung beschleunigte sich, ihr Herz klopfte einen Takt schneller. Also flog ihr Blick nur vorbei. Sie lachte über sich selbst. Wie sollte sie diese Aura von Gefahr nur erklären? Gar nicht!
Sie wand sich wieder ihren Freundinnen zu und versuchte herauszufinden, worum es gerade ging. Aber dieses Gefühl, dieses ‚Beobachtet werden‘ und was noch schlimmer war, dieses Kribbeln im Nacken – es ging einfach nicht weg.
‚Was soll schon passieren?‘, dachte sie ‚Ich bin hier von hunderttausend Menschen umgeben‘. Sie hob den Kopf und drehte sich langsam. Diesmal schaute sie genau hin. Die Typen waren groß, sehr groß! Alle relativ schlank, aber scheinbar gut gebaut. Sie trugen Jeans und Lederhosen, Turnschuhe und Boots, T-Shirts und Hemden. Alles ganz normal. Dann glitt ihr Blick höher. Der Typ ganz rechts hatte lange mittelbraune Haare, der daneben war Blond. Der Typ in der Mitte hatte schwarze Haare, nicht kurz, aber auch nicht lang, total zottelig irgendwie. Er trug eine ziemlich dunkle Sonnenbrille. ‚Schnell wegsehen‘ war ein Gedanke, der ihr wie ein Blitz durch den Kopf fuhr und ihr Herz schneller schlagen ließ. Die beiden anderen hatten auch ziemlich dunkles Haar, aber sehr kurz geschnitten. Ihr Blick ging zurück zu dem Typen in der Mitte. Er stand breitbeinig mit seiner schwarzen Jeans und den Boots auf dem Platz, als würde der Platz ihm gehören. ‚Und die anderen sind seine Bodyguards‘, dachte sie, während ihr Blick wieder tiefer wanderte. Er hatte ein blaues Hemd an und die Arme vor der Brust verschränkt.
‚Was hat der für Oberarme! Das kann ja alles nicht echt sein‘, dachte sie und lachte. Langsam wanderte ihr Blick wieder höher und sie sah, dass er quasi in ihrem Tempo den rechten Arm hob und die Sonnenbrille abnahm. Er hatte unglaubliche blaue Augen.
Ihr Herz setzte aus. Um sie herum wurde es still und sie sah nur noch ihn.
‚Quatsch, das kann ich doch von hier aus gar nicht sehen – oder doch?‘ Warum klopfte nur ihr Herz so schnell? Er war es scheinbar, der sie die ganze Zeit anstarrte. Sie wandte den Blick ab. ‚Scheiße‘, dachte sie. ‚Scheiße!‘ Aber sie musste noch mal hinsehen. ‚Das ist doch eine Halluzination!‘ Nein, er war immer noch da und – warum auch immer – er machte den Eindruck, als würde er ihr was sagen wollen. Gerade, als sie fast einen Schritt in seine Richtung gemacht hätte, packten ihre Freundinnen sie und zogen sie weiter. „Komm Em“, riefen sie. „Wir wollen auf die wilde Maus und was essen.“
„Wartet mal, wartet mal“, wollte Emily rufen, während ihre Freundinnen sie an den Typen vorbei zogen. Im Vorbeigehen konnte sie ihm wirklich in die Augen sehen. Ja, sie waren blau, unglaublich blau. Wie das Meer. Und sie verlor sich in ihnen.
„Wartet mal, wartet mal“, schrie Emily und drückte die Fersen in den Boden. Nach einigen Metern blieben ihre Freundinnen endlich stehen und zerrten nicht mehr an ihr. „Was ist denn los?“, wollten sie wissen, doch als Emily sich diesmal umdrehte, konnte sie ihn nicht mehr sehen.
„Oh . . . ach . . . nichts. Dann los Mädels, wir wollen heute noch was erleben!“ Sie drehte sich noch zweimal um, aber sie fand ihn nicht mehr und ihr Herzklopfen ließ einfach nicht nach.
Drake
Sie sah ihn an.
Sie sah ihm direkt in die Augen.
Und er konnte ihr in die Augen sehen, während die Mädels an ihnen vorbei gingen. Sie waren grün. Nein, nicht nur grün, sie waren smaragdgrün. Wie der Wald zu Hause. Und es fühlte sich an, wie . . . versinken, ertrinken, nach Hause kommen. Sein Herz, es schien aus dem Takt zu kommen, nur um dann doppelt so schnell zu schlagen. Er war auf einmal total heiß. Sein Schwanz schwoll an und pochte in der engen Jeans. Und sein Kiefer schmerzte.
Ja, sie war es. Mit Sicherheit! Die Eine! Die, mit der er . . .
Maddox und Tristan hatten ihn gepackt, gaben ihm 'ne Kopfnuss und grölten. Sam stand in der Reihe und war nun fast am Fahrkartenschalter.
„Los“, brüllte er. „Kommt jetzt sofort hierhin oder ich fahre allein!“.
„Wartet mal“, sagte Drake.
„Nee, los jetzt, Sam wartet auf uns. Wir suchen Dir und uns nachher noch was Nettes zum Bumsen. Vielleicht finden wir die Mädels auch wieder. Aber schau mal, hier läuft so viel rum und wir ziehen heute Nacht noch durch die Altstadt.“ Die Worte, die Jared auf ihn losließ, verschwammen.
Die Fahrt auf der Achterbahn dauerte nicht lang, auch wenn sie Drake wie eine Ewigkeit vorkam. Wieso war er überhaupt mitgefahren? Warum hatte er sich nicht abgesetzt? Um sie zu suchen? Ja, um sie zu suchen. Nach der Achterbahn lenkte er seine Freunde hinter ihr her. Er konnte ihren Duft immer noch schwach wahrnehmen, was zwischen all den anderen Gerüchen ziemlich schwer war. Aber er war noch da. Nur: Wo war sie?
Nachdem Drake und die Jungs ihre Runde über die Kirmes gedreht hatten, folgten sie ihrem Geruch und der Masse über die Rheinbrücke in die Düsseldorfer Altstadt. Dort stellten sie sich zu den hunderten Menschen auf den Burgplatz an die Rheintreppen, um sich das Feuerwerk anzusehen. Aber Drake hatte keine Augen dafür. Er sah sich ständig um und hielt die Nase in die Luft. Doch mittlerweile war ihr Geruch verschwunden oder er konnte ihn bei all diesen Menschen einfach nicht mehr wahrnehmen.
Ungekannte Traurigkeit überfiel ihn, sein Herz wurde schwer.
Sie war fort.
Weg.
Nur noch eine Erinnerung.
Wie sollte er sie finden?
Emily
Es war jetzt schon einen Monat her, seit Emily an ihrem Mädelsabend auf der Rheinkirmes gewesen war. Sie stand, nur mit einem großen Badetuch bekleidet, vor dem Spiegel. Sie sah sich an, aber sie sah nicht sich. Sie sah . . . ihn. Immer noch. Seine Augen. Und sie bekam immer noch extremes Herzklopfen, wenn sie nur an ihn dachte. Wie sich wohl seine Lippen auf ihrer Haut anfühlten oder seine Hände? Wie gern würde sie mit ihren Händen durch seine zottelige, schwarze Mähne fahren. Sie schüttelte den Kopf. Sie musste ihn endlich loswerden. Sie würde ihn nie wiedersehen. Er war sicherlich doch nur eine Einbildung gewesen. Es war Zeit, sich fertig zu machen. Heute hatte sie mit ihrer Band „Waterfalls“ einen Probeauftritt. Und wenn sie gut waren, dann könnten sie vielleicht den Job als Bargruppe bekommen.
*****
Drake
„Drake, wir müssen reden.“ Jared ließ die Bemerkung beim Frühstück fallen. Sam und Tristan standen sofort auf. „Wir haben noch was zu erledigen“, und weg waren sie. Maddox blieb ungerührt am Frühstückstisch sitzen, bestellte sich noch einen Kaffee und nahm sein viertes Brötchen. Drake sah fragend von Jared zu Maddox und zurück, während Jared Maddox leicht genervt ansah.
„Nöp, ich bleibe hier. Ich kann sicherlich auch was dazu sagen“, brummelte Maddox mit vollem Mund und biss noch einmal in sein Brötchen.
Langsam dämmerte es Drake. Er ahnte, worauf die Beiden hinaus wollten. „Ich kann noch nicht weg“, sagte er. „So einfach ist das.“
„Erzähl doch erst mal, was genau los ist.“
Drake schluckte. Er wusste nicht genau, wie er es sagen sollte oder wollte. Einiges konnte er sich ja selbst noch nicht eingestehen und es jetzt laut aussprechen, das ging einfach noch nicht. Aber er war sich auch bewusst, dass seine Hinhaltetaktik nicht mehr funktionieren würde und er wusste auch, dass die Jungs weiter wollten.
„Es tut mir leid, aber ich muss SIE finden. Ich muss. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue. Ich MUSS sie finden!“, brach es aus ihm heraus.
„Na, jetzt mal langsam mit den jungen Pferden. Wen musst Du finden?“
„SIE. Die Frau. Die von der Kirmes.“
„Die Frau von der Kirmes? Welche Frau? Ich kann mich an keine Besondere erinnern.“ Maddox lachte.
„Jared, Du weißt, wen ich meine!“
Jared
Jared überlegte kurz. „Die Kleine, die mit den anderen Mädels da war? Die, die Dich am Rollercoaster so angestarrt hatte? Die mit den roten langen Haaren? Wieso denn das?“ Jared war total erstaunt.
War er das wirklich? Hatte er nicht die Veränderung bemerkt, die seit diesem Abend bei seinem besten Freund stattgefunden hatte? Wenn er ehrlich gegenüber sich selbst war, dann musste er die Fragen eigentlich mit ‚Doch!‘, beantworten.
„Ok“, schmunzelte Jared. „Jetzt noch mal langsam und zum Mitschreiben.“
Drake
Drake holte tief Luft. „Ich kann es nicht erklären, Jared. Ich kann es nicht. Aber, an diesem Abend, mit ihr, da ist irgendwas mit mir passiert. Ich kann sie nicht vergessen. Ich habe immer noch ihren Duft in meiner Nase. Ich sehe immer noch ihre grünen, fragenden Augen. Mein Herz schlägt schneller, wenn ich nur an sie denke.“ Er stoppte, suchte nach Worten, holte nochmals tief Luft. „Ich glaube, dass sie die Eine sein könnte. Und ich kann hier nicht weg, bevor ich mir wirklich sicher bin, dass sie es NICHT ist. Wenn ihr weiter wollt, dann müsst ihr ohne mich los. Es tut mir leid.“ So, jetzt war es raus.
„Du meinst . . .“, stammelte Maddox.
„Bist Du Dir sicher?“, fragte Jared.
„Nein, nein, ich bin mir nicht sicher. Ich weiß es einfach nicht. Aber ich . . . ich kann es nicht erklären. Dieses dringende Gefühl, sie zu finden, sie zu sehen, sie zu . . .“.
„Ficken?“, versuchte Maddox zu helfen.
„Nein!“, widersprach Drake. „Nicht, um sie zu ‚ficken‘, sondern eher um sie . . . für mich zu gewinnen. Ich hab das dringende Bedürfnis, sie zu markieren. Ich kann’s nicht erklären.“
„Aber“, stammelte Maddox. „Sie ist nur ein . . .“.
„Ja! Ich weiß!“, unterbrach Drake ihn aufgebracht und knurrte Maddox an. „Sie ist nur ein Mädchen, ich weiß es!“
„Ok.“ Jared schüttelte den Kopf. „Ok. Pass auf, wir müssen den anderen davon erzählen. Wenn SIE wirklich DIE EINE ist, dann müssen wir sie suchen. Aber die Stadt ist groß und ob sie überhaupt hier in Düsseldorf wohnt, wissen wir gar nicht. Sie kann überall sein.“ Er überlegte. „Wir gehen heute Abend in diese neue Bar an der Rheinuferpromenade. Dort trinken wir in Ruhe ein Bier, besprechen die Lage und wie wir vorgehen sollten.“
*****
Drake
Abrupt blieb Drake stehen und Maddox und Sam rannten voll in ihn rein.
„Sie ist hier.“, murmelte Drake. Schlug sein Herz tatsächlich bis zum Hals?
„Ey Bruder, was soll das? Warum bleibst Du stehen?“ Sam war ganz erstaunt. Doch Maddox hatte Drake gehört. Er rief Tristan und Jared zurück. So war es meistens. Während Jared und Tristan vor ihm her gingen, bildeten Sam und Maddox die Nachhut. Oft gingen auch Maddox oder Jared mit ihm, aber er war selten der Erste.
„Sie ist hier.“ Drake hob etwas den Kopf und sog die Luft ganz langsam durch die Nase. „Ja, sie ist hier!“ Die Jungs machten es ihm nach und Drake lachte. Na, sie gaben sicherlich ein lächerliches Bild ab, hier, in der Stadt. Da standen 5 erwachsene Männer im Kreis, hielten die Nase in den Wind und schnüffelten. Langsam schaute er sie der Reihe nach an. Maddox, mit seinen kurzgeschorenen schwarzen Haaren. Er hatte graue Augen. Manche sagten, sie seien hart wie Stahl. Seine Augenbrauen waren etwas buschig und er hatte ein sehr markantes Gesicht. Er war sicherlich der Härteste in ihrer Gruppe und auch sein rechter Haken wurde gerne Stahlhaken genannt. Tristan hatte blonde Haare und das war wirklich selten bei ihnen. Er trug sie hier wieder etwas länger, was sein Gesicht noch weicher wirken lies. Seine Augen waren blau und er ließ viele Mädchenherzen höher schlagen. Er war der weiche Kern. Sam hatte braune Augen und dunkelbraune Haare, wie feuchte Erde. Er trug oft einen Dreitagebart, so wie auch heute. Die Frauen sagten immer, seine Augen seien schokoladenbraun und sie wollten gerne an seiner Schokolade naschen. Sam war eigentlich sowas wie ihr persönlicher Klassenclown. Jared war, genau wie er, noch etwas größer. Seine Haare waren lang und mittelbraun. Er trug sie fast immer als Zopf. Seine Augen hatten eine undefinierbare Farbe, irgendwie grün und braun. Aber so genau konnte man das wirklich nicht sagen. Jared stand ihm noch etwas näher als die anderen. Er war sein bester Freund. Ob sie gut aussahen, wusste Drake nicht zu sagen, er kannte alle schon sein Leben lang. Sie waren zusammen groß geworden, hatten schon als Kinder miteinander gespielt, waren nur ein paar Monate auseinander. Aber sie brachen gemeinsam sicher mehr als ein Herz. Oder Hundert? Oder Tausend?
„Ähm, was suchen wir eigentlich? Weißt Du es, Tristan?“, fragte Sam.
„Nö, keine Ahnung, aber was auch immer es ist, es muss gut riechen.“ Er grinste.
„Ich hab noch was zu erledigen. Geht ihr rein. Ich komm später nach.“ Drake drehte sich um und wollte gehen, doch Jared hielt ihn am Ärmel zurück und ging ein paar Schritte mit ihm.
„Wo willst Du hin? Bist Du bescheuert? Wenn ich das richtig sehe, suchst Du sie nun schon seit – wie lange sind wir hier, seit Juli und nun ist September – und jetzt willst Du gehen? Wohin?“ Jared war ganz aufgebracht.
„Jared, ich muss was erledigen. Allein. Ich komme wieder. Ihr geht da rein.“ Er sah ihm tief in die Augen. „Ist das klar?“ Noch nie hatte Drake seine Autorität so vehement eingesetzt wie heute.
„Du bist bescheuert!“ So leicht ließ Jared sich nicht beeindrucken. „Aber gut, es ist Deine Entscheidung.“ Er drehte sich um. „Kommt Jungs, wir gehen rein.“ Fassungslos starten sie von Drake zu Jared. Es kam so gut wie nie vor, dass Drake ganz allein irgendwo hin ging. Sam zuckte mit den Schultern. „Ok.“
Drake ging ein Stück, bis er sah, dass seine Freunde in der Bar waren. Dann blieb er stehen und atmete tief ein und aus. Was war nur los mit ihm? Er hatte sie gesucht und gefunden und jetzt konnte er nicht da rein gehen? Sonst war er eigentlich ein harter Hund, aber sie . . . sie ließ ihn weich werden. Das durfte doch nicht wahr sein. Sein Herz schlug schon wieder schneller, nur bei ihrem Geruch und sein Schwanz machte sich schon wieder bemerkbar. Er pochte in seiner Hose ‚Nimm sie, nimm sie‘ schien er zu sagen. Er musste sich beruhigen. Er schlug einen Bogen und ging zurück. Drake fand einen Platz draußen und ließ sich ein Bier bringen. Von hier aus konnte er seine Jungs sehen. Sie saßen ziemlich nah an der Tür, lachten und grölten. Aber was noch wichtiger war, er konnte SIE sehen. Sehen, riechen, hören. Er knurrte leise. Gut, dass er eine Jacke mitgenommen hatte, die er sich auf den Schoß legen konnte. Er konnte kaum atmen, geschweige denn sitzen. Sie stand mit ihren Mädels auf einer kleinen Bühne und nahm gerade das Mikro in die Hand.
„Hallo zusammen, guten Abend.“ Alle in der Bar unterbrachen ihre Gespräche und klatschten, viele riefen Hallo. „Viele von Euch wissen ja von meinem geheimnisvollen Fremden“, begann sie und Drake fühlte einen Stich in seinem Herzen – sie hatte jemanden? „. . . und dass ich mir sicher bin, dass er nur eine Halluzination war.“
„Vergiss ihn, Süße!“, rief jemand aus dem Publikum.
„Ja!“, schrie ein anderer. „Nimm mich!“
„Ich will ein Kind von Dir.“, rief ein Dritter und der ganze Saal lachte.
Drake knurrte und Jared drehte sich genau in diesem Moment zu ihm um. Wahrscheinlich hatte er ihn gehört. Er sagte etwas zu den anderen, nahm sein Bier und kam raus.
„Ruhig, Schwarzer, ruhig.“ Jared setzte sich.
Sie lachte. „Ja, ja, aber nur wenn Du blaue Augen hast!“, lachte sie ins Publikum. Blaue Augen? „Augen wie das Meer! Nein? Hast Du nicht? Nun, dann, sorry.“ Wieder lachten alle. „Jedenfalls dachte ich heute, ich hätte ihn gesehen, aber ich saß in der U-Bahn und fuhr an ihm vorbei, während er mit seinen ‚Bodyguards‘ die Treppe hochstieg.“ Alle in der Bar machten ‚Oooh‘ „Ich hab ihn also eventuell gesehen. Nur kurz und dann nur noch von hinten gesehen. Eventuell.“ In Drakes Kopf überschlugen sich die Gedanken. Sie waren heute mit der U-Bahn gefahren. Ein Blick in Jareds Gesicht sagte ihm, dass er dasselbe dachte. „Und deshalb hab ich mir überlegt, ich sing Euch heut mal ein paar Liebeslieder. Seid ihr damit einverstanden?“ Es wurde geklatscht und gejohlt.
„Ok, für Dich, meine Halluzination.“, flüsterte sie leise und die ersten Akkorde von Monrose „What you don’t know“ erklangen. Als Emily
Was Du nicht weißt, ist, dass ich Dich schon tief in meinem Herzen geküsst habe.
sang, musste Drake hart schlucken, denn er stellte sich ihre Lippen auf seinen vor. Auch die nächsten Textzeilen ließen eine Gänsehaut auf seinem Körper zurück
Was Du nicht weißt, ist, dass ich wach liege und wünsche Du wärst heute Nacht hier. Was Du nicht weißt, ist, dass ich Dich geliebt habe, schon lange, bevor wir gelebt haben. Wie solltest Du es wissen, wie könntest Du es wissen. Deshalb werde ich Dir jetzt alles erzählen.
als er sah wie sie die Augen schloss.
Sie sang dann noch weitere Lieder, wie „Dangerous“, „Set Fire to the Rain“, „Shame“ oder „Your Beautiful“. Und in jedem Lied gab es Zeilen, die Drake auf sich bezog. Er verzog das Gesicht, als hätte er Schmerzen. Na ja, ehrlich gesagt, hatte er Schmerzen, in seinem Herzen und in seinem Schwanz.
„So, wir machen jetzt eine kleine Pause. Mein Wasser ist leer. Bis gleich.“ Sie hielt ein leeres Glas in der Hand. Als die Gruppe von der Bühne ging, kamen Tristan, Sam und Maddox zu ihnen raus.
„Maddox hat uns alles erzählt!“, plapperte Tristan sofort los. „Ist sie es? Bist Du Dir sicher? Wie hast Du es gemerkt? Was machen wir jetzt? Wie soll es weiter gehen?“ Alle redeten durcheinander.
„Drake.“, sagte Jared ernst. „Sie ist nur ein . . .“
„Ja, ich weiß.“, unterbrach ihn Drake ruppig.
„Und Du bist . . .“, versuchte es Jared noch mal.
„ICH weiß, was ich bin!“, böse funkelte Drake Jared an.
„Ok, ich wollt’s nur noch mal sagen!“, beschwichtigend hob Jared die Hände. „Also, wie soll es weitergehen?“
„Ich weiß es nicht.“ Drake schüttelte den Kopf. „Ich weiß es einfach nicht.“
Das war vor etwa einem Jahr gewesen. Und heute saß er tatsächlich, mit klopfendem Herzen und feuchten Händen, in der Bar und wartete auf ihren Auftritt. Ob sie noch an ihn dachte? Ob sie ihn wiedererkennen würde? Oder vielleicht hatte sie ihn längst vergessen? Was würde er machen, wenn sie ihn nicht wiedererkennen würde? Wenn sie ihn nicht wollte?
Drake
Das letzte Jahr war hart gewesen, nicht nur für ihn, auch für seine Jungs. Nachdem er SIE endlich gefunden hatte, war er an jedem Abend zu dieser Bar gekommen. Schnell stellte er fest, dass sie nur von donnerstags bis sonntags dort auftrat. Und in der vierten Woche waren sie gar nicht erschienen. Den Barkeeper hätte er fast über die Theke gezogen und ihm das Maul gestopft, wenn nicht just in diesem Moment Maddox und Jared reingekommen wären. Dabei wollte er doch nur wissen, wieso sie nicht da war. Aber der Typ hatte so von ihr geschwärmt, da war er es doch selbst schuld. Alle vier Wochen hatten sie frei. So einfach war das. Jedenfalls hatte er dann eine Zeit lang Hausverbot. ER! Ausgerechnet er!
Jede Woche nahm er sich vor, sich reinzusetzen, sich zu erkennen zu geben, sie anzusprechen. Aber es war nicht gut, er war nicht gut. Er durfte ihr nicht zu nah kommen, er würde sie verletzen und wahrscheinlich auch verlieren, wenn sie die Wahrheit über ihn erfahren würde. Das konnte er nicht riskieren. Deshalb blieb er im Hintergrund. Erfreute sich an ihrem Duft, an ihrem Gesang. Einer seiner Jungs begleitete ihn, hielt sich aber noch weiter im Hintergrund. Er hatte festgestellt, dass sie oft bis nachts zwei, drei Uhr in der Bar war. Oft sang sie sehr lange. An manchen Tagen sang sie viele Lieder mit viel Traurigkeit. Und wenn er das Gefühl hatte, dass sie traurig war, war er auch traurig. So hatte er sich angewöhnt, sie jede Nacht von der Bar nach Hause zu begleiten. Mittlerweile kannte er ihren Namen, wusste, wo sie wohnte, welches Auto sie fuhr und welche Freunde sie hatte, wo sie arbeitete und dass sie einen jungen Hund hatte – ein blondes Labbimädchen namens Soleigh, mit dem sie regelmäßig lange Spaziergänge machte. Hier konnte er sich noch besser verstecken, wenn er sie begleitete. Natürlich heimlich. Und er musste aufpassen, dass Soleigh ihn nicht witterte.
Ja, er hielt Abstand, hielt sich im Dunkeln auf, trug Kapuzenshirts. Wenn sie mit dem Fahrrad unterwegs war, was sie oft machte, wenn das Wetter schön war, konnte er hinter ihr her laufen. Nur einmal hatte er nicht aufgepasst. Er lief im Dunkeln über die Straße hinter ihr her und sie waren noch nicht weit von der Bar entfernt, als sie zurück um die Ecke kam und ihm dabei direkt in die Arme lief.
„Ups, Entschuldigung.“, stotterte sie. Jetzt war er dankbar für das Kapuzenshirt. Er hatte es tief ins Gesicht gezogen. Sie versuchte ihn anzusehen und musste den Kopf dafür weit in den Nacken legen, aber er wich ihrem Blick aus und ging einen Schritt zurück. Ihr Duft, so unglaublich nah. Dort, wo sie ihn mit ihren Händen auf der Brust angefasst hatte, brannte förmlich. Sofort reagierte sein Schwanz auf sie. Er bekam keine Luft. Wie gut, dass es dunkel war!
Emily
„Verfolgen Sie mich etwa?“, was für eine blöde Frage, als ob ein Serienmörder jetzt nein sagen würde – oder ja. „Mein Freund wartet da vorne auf mich! Jens! JENS! Ich bin hier!“.
Drake
Er konnte riechen, dass sie Angst bekam und das Jens der Barkeeper war und nicht ihr Freund, wusste er auch. Er ging noch einen Schritt zurück. Er wollte ihr keine Angst einjagen. Aber sie so nah bei sich zu haben, sie hatte ihn angefasst, ihn weggedrückt, als sie in ihn hineingerannt war. Ihr Duft war betörend. Er konnte kaum atmen, geschweige denn was sagen. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er gedacht, dass ihm das Wasser im Mund zusammen lief. Was war denn das für ein Gedanke? Er war doch kein abgefuckter Vampir! Sam war an diesem Abend mit ihm unterwegs.
„Drake!“, rief er quer über die Straße. „Drake, warte auf mich!“
„Na super, toll, jetzt sind auch noch zwei Typen!“, flüsterte sie. „JENS! JENS! Ich kann Karate!“ Sie schrie fast und Drake roch ihre Angst, die nun übermächtig war.
Sam war bei ihnen angekommen. „Hey, Karate! Das ist ja super! Welcher Gürtel?“, fragte er. Er hörte, wie jemand angerannt kam und laut „Emily! Emily!“ rief. Jens.
„Komm Drake, wir müssen los, die Karre steht dahinten, ich hab sie gefunden. Schönen Abend noch, Mam.“ Er legte Drake den Arm um die Schulter und zog ihn fort.
Emily
„Ist alles ok, Emily? Was wollten die Typen von Dir? Haben sie Dir was getan?“ Jens war ganz aufgeregt.
„Nein, nein, alles ok. Nichts passiert. Irgendwie . . . komisch. Er hat ‚Mam‘ zu mir gesagt.“ Sie schüttelte den Kopf „Ich hab meinen Schlüssel in der Bar vergessen.“
Drake
„Mann, Du bist ja völlig neben der Spur!“, sagte Sam zu Drake. „Ist das so, wenn man . . . ?“, fragte Sam und ließ das Ende offen.
„Woher soll ich denn das wissen?“, schnauzte Drake.
Später, im Hotel, stand er unter der Dusche. Das Wasser war heiß eingestellt und langsam füllte sich der Raum mit Nebel. Er hatte die Hände an der Wand abgestützt, ließ den Kopf hängen und hatte die Augen geschlossen. So lief ihm das heiße Wasser über den Kopf und den Rücken. Er konnte es selbst nicht fassen, was SIE mit ihm machte. Er konnte kaum atmen, wenn sie in seiner Nähe war – und das war sie selten, denn er versuchte immer „Sicherheitsabstand“ zu wahren. Heute Nacht, sie so nah, sie hatte ihn angefasst – seine Brust brannte immer noch an den Stellen, hätte er fast die Beherrschung verloren. Er wollte sie an sich reißen und sie endlich küssen, sie schmecken. Wenn Sam nicht dazugekommen wäre, wer weiß, was passiert wäre. Er war heiß. Nein, er war geil. Notgeil, um ehrlich zu sein. Wenn er seine Augen öffnete, konnte er seinen Schwanz sehen, der aufrecht, hart und groß nach vorne ragte und unaufhörlich pochte. Drake stöhnte und schloss wieder die Augen. Seitdem er sie das erstmal wahrgenommen hatte, konnte er an anderen Frauen nichts Interessantes mehr finden. Sie rochen schlecht. Oder ihre Stimme war eine Note zu hoch oder zu dunkel. Sie hatten keine grünen Augen, in denen er versinken konnte. Oder das Rot ihrer Haare war zu Blond, zu Braun, eben nicht richtig. In Gedanken spielte er immer wieder verschiedene Szenarien durch. Hätte er sie doch einfach in den Arm genommen und sie geküsst. Hätte er einfach die Kapuze runtergezogen. Hätte er was gesagt. Hätte, hätte, hätte. Der Moment war vorbei. Aber er sah immer noch ihre Augen. Er roch immer noch ihre Angst. Die Angst hätte er ihr sicherlich nehmen können. Seine Brust brannte. Er legte seine rechte Hand auf die Stelle, wo sie ihn berührt hatte. Versuchte, ihre Hand zu ertasten. Wenn sie doch nur jetzt hier sein könnte. Was er alles mit ihr anstellen würde! Er wollte sie nicht nur ficken. Ja, das wollte er auch, verflucht, aber nicht nur. Seine Fantasie war nicht aufzuhalten. Drake stellte sich vor, dass sie zu ihm in die Dusche kam. Er roch sie. Sie lehnte sich an seinen Rücken und ihre Hände strichen über seine Brust. Er konnte fast ihre Brüste an seinem Rücken spüren. Sein Herz schlug schneller. Er würde sie herumreißen und sie küssen, hart und wild, sanft und zart. Mit ihrer Zunge spielen. Er stöhnte. Ihre Brüste liebkosen und kosten. Sie mit dem Rücken an sich drücken. Dann könnte er ihre Brüste massieren, mit ihren Brustwarzen spielen, während er seinen Schwanz an ihrem Po reiben konnte. Sein Mund würde an ihrem Nacken verweilen und kleine Bisse zurücklassen. Mit einer Hand würde er über ihren Bauch fahren, tiefer, bis er das Zentrum ihrer Lust fand und sie sich wand. Er stöhnte und knurrte. Seine Hand war tiefer geglitten, bis er seinen Schwanz hielt. Und während er sich vorstellte, wie er ihr Höllenqualen zukommen ließ – oh ja und es würden Höllenqualen für sie werden – massierte er seinen Schwanz. Erst langsam, fast bedächtig. Und während sie in seiner Fantasie unter seinen Händen stöhnte und er sie auf einen Höhepunkt trieb, rieb er seinen Schwanz immer schneller, immer fester. Und als sie kam, kam er auch. Doch er war noch nicht fertig. Weder mit ihr noch mit sich selbst. Seine Fantasie drehte durch, er drehte durch. Er konnte sie fast schmecken, spüren, riechen. Und als er sich vorstellte, sie zu nehmen, hier in der Dusche, das erste Mal tief in sie zu versinken, kam er ein zweites Mal.
„Ich muss was tun, ich muss was ändern, so geht das nicht weiter.“
*****
Emily
Es wurde Morgen, es dämmerte schon. Emily saß immer noch in ihrem Lieblingssessel vor der Terrassentür. An Schlaf war diese Nacht nicht zu denken gewesen. Soleigh hatte es sich vor dem Sessel bequem gemacht und schlief tief und fest. Sie war noch sehr jung und träumte noch viel, sie quiekte im Schlaf und rannte. Jens hatte sie nicht nur zu ihrem Wagen gebracht, sondern auch bis zur Haustür begleitet.
„Soll ich heute Nacht hierbleiben?“, hatte er gefragt. Das hatte sie vehement abgelehnt. Sie wollte allein sein. Irgendwas an dem Typen heute Nacht war ihr komisch vorgekommen und hatte ihr Angst gemacht. Aber irgendwie war er ihr auch vertraut gewesen und das hatte ihr noch mehr Angst gemacht. Immer, wenn sie an den Typen dachte, klopfte ihr Herz schneller . . . aber irgendwie . . . nicht vor Angst. Wer war der Spinner? War er wirklich hinter ihr her gewesen? Oder war es Zufall? Und dann der andere, der dazu gekommen war. Er hatte „Mam“ zu ihr gesagt. Machten das Serienmörder so? Drake, der Typ hieß Drake, den sie angerempelt hatte. Und sie wusste nicht, ob sie sich täuschte, aber seine Brust war unter ihren Händen stahlhart gewesen. Ehrlich gesagt, hatte es sich gut angefühlt. Unwillkürlich dachte sie an den Typen von der Kirmes. Sie hatte ihn fast vergessen gehabt. Aber nur fast. Auch jetzt schlug ihr Herz einen Takt schneller. Anfangs hatte sie ihn noch ständig in der Menge gesucht. Einmal, da dachte sie, sie hätte ihn gesehen, in der U-Bahn. Aber sie war da drin gefangen, konnte nicht raus und er ging schon die Stufen hoch. Vielleicht war er es gewesen, vielleicht auch nicht. Und dann abends im Blue Moon, da saßen diese drei Typen. Sie waren ihr sofort aufgefallen. Aber sie war sich nicht sicher, ob sie zu seinen „Bodyguards“ gehörten. Sie lachte. Ja, sie nannte sie seine Bodyguards. Warum, konnte sie nicht erklären. Es war auch egal. Aber sie wusste es nicht sicher. Wenn ER dabei gewesen wäre, ihn hätte sie erkannt. Und vielleicht auch noch den Typen mit den langen Haaren und dem Zopf. Aber die anderen? Sie schüttelte den Kopf. Als sie nach der Pause zurück auf die Bühne kam, waren auch sie weg. Irgendwann ließ der Zwang, ihn in jedem Gesicht zu suchen, nach. Mittlerweile war fast ein halbes Jahr vergangen. Es war Januar und gerade begann es zu schneien.
‚Ich glaub, ich krieg Kopfschmerzen‘ dachte sie. ‚Wieso muss ich jetzt an ihn denken?‘ Sie musste ins Bett. ‚Ich muss heute Abend wieder auftreten und ich kann und will mich von sowas nicht aus der Ruhe bringen lassen.‘
Emily
Emily stand mit ihrer Band, den „Waterfalls“, hinter der Bühne.
„Es ist wieder voll.“, meinte Sue und kam zurück. Sie hatte, wie immer, Getränke an der Bar besorgt.
„Ja, es ist immer voll, wenn wir hier sind.“, lachte Niki. Alle nickten.
„Emily, das war super, dass Du uns hier diesen ‚Wochenend-Job‘ besorgt hast letztes Jahr. Es macht super viel Spaß hier aufzutreten. Und wir können Musik machen.“
Ihre Gruppe war eine reine Mädchenband. Nun, bis auf den Schlagzeuger, Chris. Chris war voll schwul und stand auch dazu. Aber Schlagzeug spielen, das konnte er. Also, ja, sie waren eine reine „Girls-Band“.
„So, Mädels.“, sagte Henriette, die von allen nur Henni genannte wurde. „Es geht los. Wo ist Sue?“, suchend sah sie sich um.
„Hier! Ich war noch schnell auf dem Klo.“ Alle lachten. Das machte Sue immer so.
Henry stand schon auf der Bühne und sagte sie an.
„Und hier kommen sie. Applaus für unsere Band, die ‚Waterfalls‘.“
Chris betrat, wie immer, als erster die Bühne und setzte sich ans Schlagzeug. Sie hatten sich im Laufe des Jahres eine Reihenfolge angewöhnt. Er machte ein kurzes Solo. Währenddessen betrat Henni die Bühne und stellte sich ans Keyboard. Chris beendete sein Solo und Henni spielte ein paar Tasten am Keyboard. Sue und Niki gingen gleichzeitig auf die Bühne. Sue schnappte sich die E-Gitarre und Niki ihre Westerngitarre. Die beiden stiegen ins Keyboard ein und auch Chris. Emily betrat die Bühne. Hatten auch von Anfang an alle applaudiert, steigerte sich der Applaus nun noch und viele Pfiffen und Johlten. Mittlerweile hatte sich die Gruppe daran gewöhnt. Gerade zu Anfang war dies allen unangenehmen gewesen, aber jetzt waren sie ja schon fast Profis.
Emily verbeugte sich. „Danke, Danke.“, sagte sie.
Drake
Drake saß mit allen seinen Jungs an einem der runden Tische, die in dem Lokal aufgestellt waren. Sie alle vier wollten heute Abend dabei sein. Keiner von ihnen wollte sich das entgehen lassen. Auch seine Jungs grölten. Ihm verschlug es fast den Atem, er zitterte leicht. Sie roch nicht nur wie immer unglaublich gut. Sie sah auch so aus. Ihre langen Haare waren noch ein Stück länger geworden und fielen in leichten Locken über ihren Rücken. Es war heiß für Mai und sie trug ein knöchellanges, grünes weit fließendes schlichtes Kleid ohne Träger. An der Brust war es irgendwie gerafft und sehr eng. Es betonte sehr vorteilhaft ihren Busen. Drake knurrte. Selbst von hier aus konnte er sehen, dass das Grün perfekt zu ihren Augen passte.
Emily
Emily drehte sich zu ihrer Band um und die Musik verklang. Sie stand am Mikro und während sie die Gäste mit „Hallo zusammen, guten Abend.“, begrüßte, wanderte ihr Blick durch die Bar. Sie war wieder zum Bersten voll. Alle Tische waren belegt. Sie wusste, dass Henry, der Besitzer der Bar, im Frühjahr noch ein paar Tische und Stühle gekauft hatte, weil der Laden immer voll war, wenn sie auftraten. Auch die Theke war bis auf den letzten Platz belegt und viele standen im hinteren Teil des Raums an der Wand. Die Bar hatte eine leichte Hufeisenform. Die Bühne war am anderen Ende des Raumes und wie ein umgedrehtes U geformt. Vor der Bühne gab es eine kleine Tanzfläche. Emily stand eigentlich immer vorne in der Mitte. Rechts und links standen Sue und Niki. Chris mit seinem Schlagzeug hinter ihr und Henni stand mal rechts und mal links mit ihrem Keyboard. Die Theke, die sich von ihr aus links befand, nahm die ganze linke Seite ein. Hier konnte man auch viele tolle Cocktails trinken. Die Tische zogen sich durch den ganzen Raum, waren eng gestellt und endeten auf der rechten Seite.
„Hallo, ihr Lieben. Schön, dass wieder so viele gekommen sind. Vielen Dank. Ich sehe auch immer mehr bekannte Gesichter.“ Sie hob die Hand und winkte. Viele Zuschauer hoben die Hand und winkten zurück. Während Emily sprach, folgte auch ihr Blick einem festen Ritual. Sie brauchte das, um ruhiger zu werden, denn sie hatte immer noch etwas Lampenfieber. Und sie wusste, dass viele ihrer „Fans“ – kaum zu glauben, aber sie hatten Fans – diesen Blick mittlerweile wie einen persönlichen Händedruck werteten und darauf warteten.
„Wir haben uns für heute Abend etwas Besonderes überlegt, aber dazu leider erst nach der Pause mehr.“ Sie lachte. „Ansonsten, musiktechnisch, wollten wir heute . . .“ sie verstummte. Ihr Blick hatte den letzten Tisch erreicht. Ungläubigkeit stand auf ihrem Gesicht. Da war er. ER! War er es wirklich? Ihr Herz verhaspelte sich, sie schluckte, schüttelte den Kopf und wandte den Blick wieder nach links zur Theke.
„Also . . .,“, sie räusperte sich. „Also wie gesagt, nach der Pause haben wir für Euch . . .“ Ihre Gedanken rasten, ihr Herz auch. Er war hier? Hier? Aber bestimmt nicht wegen ihr. Nun ja, vielleicht wegen der Band, aber nicht wegen ihr. Sie schaute wieder nach rechts. Dorthin, wo er immer noch saß. Und sie anstarrte? Sein Blick schien sich tief in ihre Seele zu bohren.
„Scheiße.“, sagte sie und da das Mikro schon offen war, hörten es alle. ‚Ich muss mich zusammen reißen!‘, dachte sie. Sie lachte nervös ins Mikro und sagte: „Sorry, aber ich hab was vergessen.“ Damit drehte sie sich um. Niki und Sue standen schon bei ihr.
„Was ist los?“, fragten sie aufgeregt. „Wirst Du krank?“
„Ich kann nicht atmen!“, flüsterte Emily.
„Emily, was ist los? Du zitterst ja!“, fragte Niki.
„Er ist hier!“ Ihre Hände zitterten.
„Wer? Wer ist hier?“
“Meine Halluzination! Bitte, sagt mir, dass er echt ist und ich nicht halluziniere. Er sitzt da hinten am Tisch.“
In der Bar machte sich Unruhe breit. Niki, ganz der Profi, blickte einmal von links nach rechts und zurück. Dann sah sie Henry hinter der Theke, der ein fragendes „Was?“ mit seinen Lippen formte und die Hände hob.
„Henry, bitte bring uns doch noch die Runde Caipirinhas und für jeden ein Glas Wasser hoch. Das haben wir vergessen.“
Henry schaute etwas ungläubig, aber dann lachte er und rief laut „Ok, Mädels, kein Problem.“ Das Publikum lachte und viele riefen: „Ja, Henry, mir auch!“.
„Ja, ich weiß, wen Du meinst und ja, er ist immer noch da. Und ehrlich gesagt, sieht er etwas irritiert in unsere Richtung. Es tut mir leid, Em, aber Du musst Dich zusammen reißen. Und Du weißt ja gar nicht, ob der wegen Dir hier ist. Vielleicht hat der 'ne schreckliche Olle zu Hause und muss sich mal was Aufregendes ansehen.“ flüsterte Niki.
Sue und Emily lachten.
„Du bist unverbesserlich, Niki, danke.“, flüsterte Emily.
„Das erste Lied such ich aus!“ Niki wisperte Sue etwas ins Ohr und diese nickte. Sie sprach noch mit Henni und Chris, während Henry mit den Drinks auf die Bühne kam und jedem von ihnen den Caipi in die Hand drückte.
„Emily?“, flüsterte er. „Ist alles ok?“
Sie nickte, nahm einen großen Schluck und stellte sich vors Mikro. Sie holte tief Luft und als die ersten Töne erklangen, glaubte sie, ihren Ohren nicht zu trauen. DAS sollte sie singen? Sie drehte sich böse blickend zu Niki um, doch diese lächelte nur und zuckte mit den Schultern. Die ersten Töne von Vanessa Amorosi ‚Everytime I close my eyes‘ erklangen und mit voller Leidenschaft begann sie zu singen.
Danach musste sie noch ‘I wanna be your everything’ und ‘You were led on’ von Vanessa Amarosi singen. ‘Run’ von Leona Lewis und ‘Turn to you’ von Melanie C und noch vieles mehr. Die Mädels hatten wirklich kein Erbarmen mit Emily.
Sie versuchte krampfhaft, nicht in seine Richtung zu schauen, aber das war nicht einfach. Wie magnetisch wurde sie von ihm angezogen. Sie wusste nicht, wie sie ihr Herzrasen unter Kontrolle bringen sollte. Und er schaute nur sie an. Natürlich sahen alle zur Bühne, aber an vielen Tischen wurde auch leise gesprochen. Und das war auch ok, schließlich wollten sie eigentlich nur „Begleitmusik“ sein. Nur er bewegte sich nicht. Er saß unbeweglich und schaute sie an. Nur sie. Nach den ersten Takten war ihre Nervosität zwar nicht verschwunden, aber wie immer wurde sie ruhiger und konnte sich nicht nur auf den Text konzentrieren, sondern auch auf ihn. Bei manchen Textzeilen sah sie ihn ganz bewusst an und viele Zeilen sang sie nur für ihn.
„Jetzt machen wir eine kurze Pause. Vergesst nicht, hier gibt’s tolle Cocktails.“ Alle lachten. Kaum waren sie von der Bühne runter, wurde Emily von ihren Bandmitgliedern und Henry umringt.
„Was ist los? Was war los? Ist alles ok? Geht es Dir gut? Was ist passiert? Hast Du Kopfschmerzen?“ Sie redeten alle gleichzeitig auf sie ein.
„Halt!“, sagte Niki. „Jetzt lasst sie doch mal in Ruhe.“
„Henry, ich brauch noch 'nen Caipi, bitte, kannst Du mir einen machen?“
„Erst will ich wissen, was da los war! Dann mach ich Dir einen.
„Ok. Ok.“ Sie schaute in die Runde. „Wisst ihr noch, letztes Jahr, da hab ich doch auf der Rheinkirmes diesen Typen gesehen. Ich weiß, es klang damals schon bescheuert – und heute immer noch – aber ich hatte doch immer dieses Gefühl, als würde uns was verbinden. Ich hab ihn nie wiedergesehen, jedenfalls nicht, dass ich es wüsste, und ihn deshalb ‚meine Halluzination und seine Bodyguards‘ genannt.“ Alle nickten wissend. „Nun, meine Halluzination ist hier und sitzt dahinten am Tisch. Jedenfalls hoffe ich, dass ihr ihn alle sehen könnt und er keine Halluzination ist, sonst muss ich echt zum Arzt.“ Gleichzeitig drehten sich alle um. „Wo? Wer? Welcher ist es?“ wurde gefragt. Sue erklärte es, denn Emily stand immer noch mit dem Rücken zum Raum und wollte nicht in seine Richtung sehen. „Ja! Ja. Es ist unschwer zu erkennen, welchen Du meinst, denn er lässt Dich nicht aus den Augen.“
Henry brummelte ein „Ok“ und verschwand hinter der Bar.
„Und jetzt? Was machst Du jetzt?“, wurde Emily gefragt.
„Keine Ahnung. Abwarten und Tee trinken vielleicht?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“ Sie schaute zu Henry, der Caipirinhas mixte. „Jetzt geh ich erst mal unsere Caipis holen.“, sagte Emily und ging zur Theke. Es dauerte nicht lange, da wurde es dunkel neben ihr, denn ein Schrank hatte sich neben sie gestellt.
„Hey“, sagte er leise. Sie schloss kurz die Augen, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, und sie holte tief Luft, bevor sie sich zum ihm umdrehte. Sie war mit ihren 1,70 schon nicht gerade klein für eine Frau, aber sie musste dennoch den Kopf fast in den Nacken legen, um in seine Augen zu schauen. In ihrem Kopf entstand ein kurzes Déjà-vu, aber sie konnte es nicht fassen. Sie konnte ihm nicht in die Augen schauen. ‚Was, wenn sie nicht blau wie das Meer sind?‘ So blieb sie an seinen Lippen hängen. ‚Scheiße‘, dachte sie. ‚Schlechte Idee‘, denn in ihrem Kopf entwickelten sich sofort Bilder von seinem Mund auf ihrem Mund, auf ihrer Haut. Sie schluckte, atmete flach. In den Augenwinkeln konnte sie sehen, dass er eine Hand hob und dann fühlte sie einen Druck am Kinn, als er ihren Kopf an hob.
„Sieh mich an.“, verlangte er leise. Er sprach deutsch mit einem starken amerikanischen Akzent. Seine Stimme war tief und irgendwie . . . heiser? Nun musste sie ihn ansehen. Um Emily herum wurde es still, nur das Klopfen ihres Herzens war in ihren Ohren zu hören und sie versank in seinen Augen. Es fühlte sich an, als würde er bis in ihre Seele sehen. ‚Wie kitschig‘, dachte sie noch. Aber so war es.
Drake
Drake wusste nicht, woher er die Kraft nahm, sie nicht sofort zu küssen, hier auf der Theke zu nehmen. Ihr Duft, so nah, so rein. Ihre Augen, er versank. ‚Nach Hause kommen, ankommen‘, war sein Gedanke. Sein Herz raste, er bekam keine Luft mehr. Ihre Haut unter seinen Fingern . . . seine Fingerspitzen brannten. Ganz langsam kam sein Gesicht, seine Lippen immer näher. Im Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr. Henry, der die Caipirinhas brachte. Und dann passierten so viele Dinge so schnell hintereinander, dass er es fast nicht fassen konnte.
Emily
Drake knurrte, ganz leise. Aber nicht leise genug. Während Emily wie erstarrt darauf wartete, sich von ihm Küssen zu lassen, hörte sie dieses leise Knurren. Dieses Geräusch allein und sie stand in Flammen. Es gab kein anderes Wort dafür. Ihr Herz sprang fast aus ihrer Brust. Sie hatte augenblicklich eine Gänsehaut. Ihre Brustwarzen stellten sich auf und sie spürte, wie ihr Höschen feucht wurde. Vor Erregung! Sie schluckte heftig. Und der Typ vor ihr sah sie auf einmal total erstaunt an, holte tief Luft durch die Nase und dann lachte er leise.
„Em?“ Henry sah sie fragend an. „Ist alles ok? Oder belästig Dich der Typ?“ Der Moment war vorbei. Emily ging einen Schritt zurück und sah Henry an.
„Es ist alles ok, danke Dir“. Dann schnappte sie sich die Caipis und wollte gehen. Sie stand schon mehr hinter als neben ihm, als er ihr noch ins Ohr flüsterte „Trink nicht so viel.“ Dann war sie an ihm vorbei.
„Was war denn da los? Es sah aus, als wollte er Dich küssen. Wie in Zeitlupe.“, wurde sie von ihrer Band vernommen. Sie waren nicht nur eine Band, sie waren auch Freunde geworden. Richtig gute Freunde. Sie waren oft auch privat zusammen und jeder hatte jeden schon mal im Arm gehabt, sich dessen Sorgen angehört und getröstet.
Emily nahm einen Caipi und trank ihn in einem Zug. „Trink nicht so viel.“, hatte er ihr zugeflüstert. Wer war der denn? Ihr Vater? Ihr Freund? Nein! Sie konnte so viel trinken, wie sie wollte. Sie nahm sich noch ein Glas, drehte sich provozierend um, lächelte ihn an und prostete in seine Richtung. „Für Dich, Du Arschloch!“ flüsterte sie. Sie war sich nicht sicher – konnte sie das wirklich über diese Entfernung sehen? Und gehört haben konnte er sie doch auf keinen Fall – aber sie konnte zusehen, wie sich sein Gesicht verzog und dann schüttelte er leicht den Kopf.
Normalerweise trank sie wirklich nicht viel und drei Caipirinhas in dieser kurzen Zeit waren für sie schon fast zu viel. Aber der Alkohol machte sie mutig. „Leck mich!“ fluchte Emily noch. „Kommt, Mädels, wir müssen wohl wieder hoch.“
Ja, der Alkohol machte sie mutig und warum auch immer, aber sie war sauer auf ihn. Sie stand auf der Bühne und sagte: „Ich hatte ja eingangs gesagt, dass wir uns heute noch etwas – hoffentlich für Euch – Besonderes überlegt haben. Und zwar wollten wir Euch heute ein paar private Dinge erzählen und Euch erlauben, jedem von uns ein paar private Fragen zu stellen. Dazwischen spielen wir immer mal wieder ein paar Lieder. Würde Euch das interessieren?“ Sie hatten eigentlich nicht damit gerechnet, aber die Leute applaudierten und pfiffen und viele riefen „Ja.“ und „Super.“
„Gut, dann erzähle ich Euch kurz was von uns. Am Schlagzeug, das ist Chris. Und ja, Chris ist schwul. Aber seht ihr hier vorn an der Theke den unglaublich gutaussehenden Kerl? Das ist Rafe, sein Freund. Also haltet Euch lieber fern von Chris.“ Viele lachten.
„Am Keyboard, das ist unsere Henriette, aber wir sagen nur Henni zu ihr. Unsere Henni steht auf Frauen und sie ist noch nicht vergeben. Wer sie also kennenlernen möchte, kann sie gerne ansprechen.“ Emily lachte ins Mikrofon. „Aber bitte keine Jungs - Eure Chance Mädels!“ Aus dem Publikum waren viele Stimmen wie „Oh nein!“ oder „Wie schade!“ zu hören, aber auch Gekicher.
„So, Sue mit der E-Gitarre ist verlobt und wird nächstes Jahr heiraten.“ Es wurde geklatscht. „Der Typ neben Rafe ist Bastian, ihr Freund. Er ist übrigens Boxer.“
„Unsere Niki ist mit ihren grade mal etwas über zwanzig Jahren unsere Jüngste und unser Küken. Sie ist noch nicht vergeben und wer sich in der langen Reihe der Verehrer anstellen möchte, muss erst mal an uns vorbei. Aber bitte, versucht es. Dann bringt aber bitte ein Gesundheitszeugnis und natürlich auch Eure Lohnabrechnungen mit!“ Der ganze Saal lachte.
Abgesprochen war, dass nun Niki etwas zu Emily sagte, aber die redete einfach weiter.
„Wisst ihr, ich glaub, ich kann nicht mehr lange auftreten.“ Erstaunen machte sich unter den Zuschauern breit. „Ja, es ist nämlich so, ich fürchte, ich bin krank. Ich habe nämlich Halluzinationen.“ Viele lachten und Emily lachte mit. „Letztes Jahr habe ich Euch doch von meiner Halluzination und seinen Bodyguards erzählt.“ Viele riefen ‚Ja!‘ und lachten. „Nun, er ist hier. Meine Halluzination ist hier und hat mit mir gesprochen und mich angefasst. Und nun möchte ich von Euch wissen, ob ich wirklich halluziniere oder ob ihr ihn alle sehen könnt. Wenn ihr ihn nämlich nicht sehen könnt, dann muss ich Montag mal dringend zum Arzt.“ Viele lachten, manche drehten sich suchend um. ‚Was machst Du hier?‘, fragte sie sich selber. ‚Keine Ahnung!‘. Sie wollte ihn verletzten. Irgendwie. Aber warum? Sie wusste es nicht.
„Dort.“, sagte sie nur und zeigte auf den Tisch, an dem Drake mit seinen Jungs saß. „Komm!“, rief sie „Komm!“, sie winkte. Seine Jungs lachten, nur er nicht. Er wurde sauer. Was sollte das hier werden?
„Ich hab natürlich auch keine Ahnung, wie er heißt. Also, Du dahinten, komm, komm her.“ Sie winkte ihn zu sich.
Tristan schubste ihn vom Stuhl und rief laut „Drake! Er heißt Drake!“ Sam sagte: „Na, geh schon. Geh jetzt da hin!“
„Also – Drake – würdest Du bitte kurz zu mir kommen?“ Wen verletzte sie hier eigentlich? Ihn? Oder nicht doch sich selber? Ihr Herz schlug viel zu schnell und auch ihre Atmung war nicht gerade langsam. Und dann stand er vor der Bühne. Sie nahm das Mikro und fragte die Leute. „Also, er steht jetzt direkt hier vor mir. Könnt ihr ihn sehen?“ Viele applaudierten und riefen: „Ja!“.
„Drake“, sagte sie und irgendwo ganz hinten im Kopf hatte sie wieder ein Déjà-vu, aber auch dieses Mal konnte sie es nicht festhalten. „Bist Du eine Halluzination?“, fragte sie. Vereinzelt wurde gelacht. Er schaute sie böse an. „Nein.“, brummte er. Am liebsten hätte er laut geknurrt, aber das ging hier natürlich nicht.
„Aha, also keine Halluzination?“
„Nein!“
„Puh, wisst ihr was Leute. Ich bin beruhigt. Ich hab echt schon gedacht, ich würde bekloppt werden. Danke, Drake.“ Damit war er entlassen. Sie ließ ihn einfach stehen. Er hasste es, in der Öffentlichkeit zu stehen, aber das war er hier. Er warf ihr noch mal einen bösen Blick zu und ging dann langsam zu seinem Tisch zurück.
„Ok, also, ich bin auch noch nicht vergeben und wenn Ihr ausseht wie der Typ, dann habt ihr keine Chance bei mir! Gut, jetzt habt ihr erst mal ein paar Infos und ihr könnt Euch ein paar Fragen überlegen, wenn ihr wollt. Wir spielen einen Song.“ Emily drehte sich um und Sue fragte, was denn das für eine Aktion gewesen war und ob sie nun irgendwas erreicht hatte. Emily sagte nichts, sah sie nur an. „Wir spielen jetzt Pink ‚u and ur hand‘.“ Hiermit drehte sie sich um und stellte sich ans Mikro. Drake hatte sie noch nie so rocken gesehen, aber der Text machte ihn noch wütender. Maddox lachte laut. „Na, die haut dir aber voll eine rein.“ Danach gab es tatsächlich viele, die Fragen stellten. Eine Frage war, warum ihre Band „Waterfalls“ hieß.
„Hast Du schon einmal nackt unter einem Wasserfall gestanden?“ „Nein.“ Sie lachte „Aber ich!“
Drake
Drake verschluckte sich an seinem Bier und hustete. Sein Schwanz reagierte sofort. Er war sowieso schon total heiß von der Aktion an der Bar, ihre Erregung die er riechen konnte, als er leise geknurrt hatte. Und nun auch noch das Bild, wie sie nackt unter einem Wasserfall stand. Mit der Faust schlug er auf den Tisch.
Emily
Um ein Uhr nachts hatten sie ihr letztes Lied gespielt und der Laden leerte sich. Die „Waterfalls“ standen noch, wie immer, auf der Bühne und redeten über den Abend miteinander.
„Oh Gott“, flüsterte Emily auf einmal. „Oh Gott, was hab ich getan? Ich muss mich hinsetzen.“ Sie setze sich auf eine der drei Stufen, die zur Bühne führten. „Ich glaub, mir ist schlecht.“
„Tja, ehrlich gesagt, ich weiß auch nicht, was das für 'ne Aktion da oben sein sollte. Aber wenn ich ehrlich bin, hast Du ihm viel zu viel von Dir verraten. Und hast Du damit irgendwas gewonnen oder erreicht? Glaubst Du wirklich, dass er nach dieser Aktion noch mal hierher kommen wird?“ Sue schimpfte.
Emily
„Ich bring sie nach Hause.“ Drake stand neben ihnen.
„Ich bin selber mit dem Wagen hier!“, schnauzte sie ihn sofort an.
„Du kannst nicht mehr fahren. Also bringe ich Dich nach Hause.“ Drake ließ keine Diskussion zu.
„Dann fahre ich mit der U-Bahn! Und außerdem wird es noch dauern, wir haben hier noch was zu erledigen!“
„Ich warte.“ Drake wandte sich ab, marschierte zu seinem Tisch zurück und setzte sich hin.
„Niki . . .“ Emily war irgendwie verzweifelt.
„Hm, ich weiß auch nicht warum, aber ich glaub, Du bist in guten Händen bei ihm. Also, lass Dich nach Hause bringen. Nimm ihn mit ins Bett und lass Dich mal wieder so richtig gut durchvögeln. Das tut Dir gut. Und morgen rufst Du mich an und erzählst mir alles. Alle schmutzigen Details!“.
Wütend packte Emily ihre Sachen und stapfte ohne ein Wort des Abschieds raus. Drake stand auf und folgte ihr. Mit Abstand. So wie er es das letzte Jahr fast jeden Abend gemacht hatte, wenn sie hier gewesen war. Nur diesmal war er öffentlich da.
*****
Emily
Emily ging stinksauer Richtung U-Bahn. Am liebsten hätte sie irgendwas zerschlagen, in ihn reingeschlagen. Der Weg war nicht weit, aber sie drehte sich ein paar Mal um und sah, dass er so 10m hinter ihr her ging. Und noch mal weiter hinten liefen noch zwei Gestalten. ‚Also doch seine Bodyguards‘, dachte sie.
„Hau ab!“ rief sie laut durch die Nacht. „Hau ab und lass mich in Ruhe!“
„Das kann ich nicht.“, sagte er leise, aber sie konnte ihn natürlich nicht hören.
Warum war sie eigentlich so wütend auf ihn? Er hatte ihr nichts getan. Sie wusste es nicht. Sie fühlte sich verletzt, verraten. Aber warum? Warum? Weil ihr bis heute nicht wirklich bewusst war, dass sie sich in ihn verliebt hatte? Oder vielleicht auch mehr? Und dann war er heute da. Heute! Wo war er das letzte Jahr gewesen? Er hatte versucht, sie zu küssen. Oder hatte sie sich das eingebildet? In ihren Augen brannten Tränen.
Sie rannte die Stufen zur U-Bahn runter. Hoffentlich war die Bahn schon da, sie konnte rein springen und ihm entkommen. Außer Atem und mit klopfendem Herzen stand sie unten. Doch das Glück war heute nicht auf ihrer Seite. Die Bahn war nicht da, dafür standen weiter hinten zwei Männer. Emily spürte sofort, dass die beiden nicht ganz ‚koscher‘ waren. Instinktiv drehte sie sich nach Drake um, aber der war nicht da. Logisch, wenn sie ihn brauchte, war er nicht da! Emily blieb ganz vorne stehen. Ihr Herz klopfte schnell und ihre Hände wurden feucht.
‚Oh Mann, Scheiße, Scheiße, Scheiße!‘ Ihr kam sofort die Situation aus dem letzten Jahr in den Kopf, als sie dachte, ein Serienmörder stand vor ihr. Wieder dieses Déjà-vu-Gefühl. Die beiden Männer kamen näher. Sie machten blöde, laute und anzügliche Bemerkungen, die Emily hören konnte und wahrscheinlich auch sollte.