Splitter der Nacht - Katrin Ils - E-Book

Splitter der Nacht E-Book

Katrin Ils

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Beschreibung

Die Sache mit Monstern ist, dass sie die Hand beißen, die sie füttert. Die Schattenmagierin Jara wird vor die Wahl gestellt: Entweder sie verrät ihren Meister, oder sie erleidet ein Schicksal, das schlimmer ist als der Tod. Die Kämpfe verfeindeter Magier tränken die Straßen der Stadt bereits mit Blut und Jara muss entscheiden, welchem der Monster ihrer Welt sie in diesem Kampf vertraut. Ihr bleiben drei Tage, um ihr eigenes Leben zu retten, bevor sie das grausame Los ihrer Freundin ereilt.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Contents

Splitter der Nacht

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Epilog

Dämonologie

Karte Madat

Nachwort

Autorin

Impressum

Splitter der Nacht

Kurzroman

Für Bojana und Jery

> Queens <

KAPITEL 1

»Hast du das gehört?«, wisperte Fai.

Jara schüttelte den Kopf. Sie hatte die Feuermagierin noch nie so angespannt gesehen wie in dem stillen Flur des Adelshauses Sarith. Ein paar Räume weiter war ihr Meister damit beschäftigt, die Sicherheitszauber um das Amulett zu lösen, wegen dem sie in die Villa eingebrochen waren.

Der Geruch von getrockneten Blumen und Holzwachs umgab sie, und die kostbare Seidentapete schimmerte im Zwielicht. Eine Atmosphäre von gelangweiltem Reichtum lag in den Räumen, doch die Feuerweberin schien dagegen immun. Im Gegenteil, Fai sah sie beschwörend an, und Jara seufzte innerlich und tauchte ihren Geist in die Dunkelheit.

Ihre Schatten begrüßten sie freudig, als Jara durch sie nach Leben in dem Haus spürte. Fai brannte neben ihr in Rot und Schwarz, und sie wusste es besser, als zu genau in die Finsternis ihrer Seele zu blicken. Die Wachen und die wenigen zurückgebliebenen Dienstboten lagen immer noch in dem traumlosen Schlaf, in den sie sie versetzt hatten. Der Rest ihres Zirkels hatte sich im Haus verteilt. Die Dunkelheit teilte raunend ihre Positionen mit, und Jara zog ihre Magie zurück.

Fai sah sie erwartungsvoll an, und Jara schüttelte den Kopf.

»Wir sind alleine«, wisperte sie ungeduldig. Assar plante den Diebstahl des Amuletts seit Tagen, und ihr Meister hatte nicht die Angewohnheit, Fehler zu machen. Auch wenn der Splitter der Nacht Jaras Meinung nach die Mühe nicht wert war. Doch sie hatte gelernt, Assars Entscheidungen nicht zu hinterfragen.

Fais Blick irrte misstrauisch durch den dunklen Flur. »Ich habe ein schlechtes Gefühl bei der Sache«, murmelte sie.

Jara sah sie an. Fai neigte nicht zu Nervosität. Etwas wie Unruhe begann sich in Jara zu regen, als sie die fahrigen Bewegungen verfolgte, mit denen die Feuermagierin ihr langes Haar zurückstrich. Die Schatten strichen Kunde bringend durch Jaras Geist, und sie atmete auf.

»Assar und Selah haben den Nachtsplitter«, sagte sie leise, ohne sich ihre Erleichterung anmerken zu lassen. »Sie -–« Fais bernsteinfarbene Augen flammten warnend auf, im selben Moment als Jaras Schatten um sie herum in die Höhe rauschten.

Magie zerriss die Stille des Anwesens. Einen Wimpernschlag lang starrte Jara ungläubig auf die Kämpfer, die in den Gang drängten. Wieso habe ich sie nicht gespürt? Ich hätte sie fühlen müssen! Ihre Schatten hatten sie noch nie im Stich gelassen!

Fai versetzte ihr einen brutalen Stoß. »Weg hier!«, schrie sie. »Es sind zu viele!«

Es war zu spät. Zauber schossen brüllend auf sie zu, grelle Blitze im Zwielicht des Hauses. Jara riss ihre Schatten um sich, als Fais Schutzschild neben ihr hochschoss. Der Aufprall trieb sie zurück. Ihre Schatten fauchten wütend, formten Zähne und Klauen, und Jara setzte sie frei.

Sie schossen auf die Magierin zu, wühlten sich in die Finsternis ihrer Feinde - und prallten jaulend zurück. Jara riss die Hände mit einem Schrei vor die Augen, als das Licht schmerzhaft durch die Schatten und durch sie schnitt. Was zum -? Fai zerrte sie mit.

Sie rannten den Gang entlang, duckten sich durch Türen und liefen weiter, die Fremden auf den Fersen. Fais Zauber setzte die Luft hinter ihnen in Brand, während Jaras Schatten durch die Gänge flossen und sie leiteten, fort von ihren Verfolgern. Die Magier hatten den Zauber, der sie vor Jara verborgen hatte, fallen gelassen, und ihr Herz klopfte hart gegen ihre Rippen, als ihre Schatten ihr die Welle aus Flammen zeigten, die die Adelsvilla flutete. Es sind zu viele. Viel zu viele.

»Hier lang«, keuchte Jara, und Fai folgte ihr mit grimmigem Gesichtsausdruck.

»Einen Kampf können wir vergessen«, sagte sie, als sie in einem kleinen Teezimmer innehielten. »Kannst du uns verbergen?«

»Ja«, sagte Jara langsam. Die Dunkelheit raunte warnend in ihrem Geist, ihre Verfolger kamen wieder näher.

»Aber?«, fragte Fai ungeduldig.

»Sie haben sich vor meinen Schatten verborgen, sie haben Lichtzauber dabei …«

»Sie waren auf dich vorbereitet.«

»Ja.«

Sie wechselten einen Blick. Assar macht keine Fehler.

»Hast du erkannt, von welchem Zirkel sie sind?«, fragte Fai nachdenklich.

»Nein.« Es gab dutzende Zirkel in Madat, und jeder einzelne davon hätte sie mit Freuden getötet. Jara ließ ihren Blick durch den dunklen Raum schweifen, dessen Türen sie weiter in das Haus hineinführen würden. Wir müssen hier hinaus. Sie wagte es nicht, nach den anderen zu suchen. Vorbereitet wie ihre Feinde waren, würden sie ihre eigenen Kräfte dafür nutzen, nach dem Aufflackern von Schattenmagie zu tasten. Ein Zauber würde sie verraten. Jara schluckte.

»Wir müssen hier hinaus«, sagte sie laut, als sie die Verbindung zwischen ihr und den Schatten zu lösen begann. Unverständnis floss durch das Band, als die Dunkelheit sehnsüchtig nach ihr griff und abgewiesen wurde.

›Später‹, murmelte Jara ihnen zu und ignorierte die Übelkeit, die die Abwesenheit ihr verursachte. Sie rief sich die letzte Information ins Gedächtnis, die sie erhalten hatte.

»Der Weg zu den Dienstboten hinunter scheint der beste zu sein, nur eine Wache.«

Fai nickte und warf ihr langes Haar entschlossen hinter ihre Schultern.

»Lassen wir sie den Tag verfluchen, an dem sie beschlossen haben, sich mit uns anzulegen«, knurrte sie. Jara folgte ihr mit einem schmalen Lächeln.

Die menschenleeren Räume lagen gespenstisch in ihrer Stille. In der Ferne hörten sie Kampfgeräusche, doch um sie herum blieb es ruhig. Es ist zu still. Jaras Hände waren feucht und ihr Nacken prickelte. Es gab genug Zauber, die die Sinne der Gegner verwirrten, doch sie alle verlangten gehörige Kraftanstrengungen von dem Zaubernden. Assar war vermutlich geschmeichelt, dass jemand all das auf sich nahm, nur um ihn und seinen Zirkel der Dunklen Flamme zu beseitigen, doch Jara biss sich misstrauisch an dem einen Gedanken fest: Warum?

Es gab einfachere Wege, einen Zirkel auszulöschen, als die Villa eines Adeligen zum Schlachtfeld zu erklären. Wir haben es schließlich oft genug getan. Und auch wenn die Stadtwache die Auseinandersetzungen zwischen Zauberwebern gerne ignorierte, wenn es ein Anwesen der besseren Gesellschaft traf, würden sie eine Ausnahme machen. Immerhin waren es die verbleibenden Adeligen, die ihren Sold bezahlten.

»Wenn wir uns nicht beeilen, haben wir die Soldaten auch noch am Hals«, wisperte Fai, als ob sie ihre Gedanken gelesen hätte. Jara nickte nur wortlos. Normalerweise wäre sie in die Schatten getreten, doch sie wagte es nicht.

Sie lief den Gang entlang, ihre Magie ein fernes Flüstern in ihrem Geist. Ich hoffe, Selah ist in Ordnung. Die Zauberin war noch ein Kind. Assar hatte sie mitgenommen, weil dieser Einbruch leicht sein sollte, eine sichere Sache. Jaras Kehle schnürte sich bei dem Gedanken zusammen, was der fremde Zirkel aus einer Begabten wie Selah machen würde. Schluss! Sie hat Assar.Und Bea.Bea wird … Sie verbat sich jeden Gedanken an die Wasserzauberin. Sie konnte sich nicht die kleinste Ablenkung erlauben.

Sie bewegten sich so leise wie möglich durch das Haus. Jara spürte die Schatten an den äußeren Rändern ihres Bewusstseins entlangstreichen, ihre Abwesenheit ein körperlicher Schmerz. Die beiden fanden sich in einem weiteren Teezimmer wieder, die schlanken Beine der Möbelstücke ragten knochengleich in das Halbdunkel des Raumes.

Sie durchquerten das Zimmer mit raschen Schritten. Jara legte die Hand auf den Türgriff, als ein leises Geräusch sie innehalten ließ. Sie warf einen warnenden Blick über ihre Schulter, und Fai erstarrte mitten in der Bewegung. Wieder das Geräusch, ein Rascheln, gefolgt von einem verhaltenen Klirren. Sie sind vor der Tür.

Sie sprangen in dem Moment zurück, in dem die Türflügel mit einem Krachen aufsprangen. Die Magier stürmten herein und Fai und Jara gingen eilig in Deckung.

»Ergebt euch!«, donnerte eine weibliche Stimme durch den Raum. Jara hätte fast gelacht; Fai schnaufte amüsiert. Jara tauschte einen raschen Blick mit ihr. Sie wussten beide, dass der Weg hinter ihnen versperrt sein würde, falls sie versuchen sollten, in diese Richtung zu fliehen. Jara sah Blutlust in den Augen der Feuermagierin blitzen, als sie sich ihren Feinden zuwandte.

Diese waren mit ihrer Geduld bereits am Ende. »Dann sterbt«, kam es kalt.

Fai verdrehte die Augen. Sie sah Jara an. Jetzt! befahl ihr Blick lautlos, bevor sie aus der Deckung hervorstieß wie ein fleischgewordener Albtraum aus Feuer und Hitze. Jara folgte ihr. Ihre Schatten wirbelten um sie herum, und sie zog sie um sich, um aus der Dunkelheit heraus anzugreifen. Ein Mann drehte sich nach ihr um, sein Blick suchend. Sie sah den Zauber auf seinen Lippen fast zu spät.

Seine Magie fand sie und zerschmetterte das Tischchen neben ihr. Verdammt!

Fluchend gab Jara ihren Schutz auf und ging zum Angriff über. Der Raum schmolz vor ihren Augen zusammen, bis alles, was sie sah, die Angreifer vor ihr waren. Fai war ein wirbelnder Schemen neben ihr. Energie schlug grelle Funken in der Luft, als Jara die Attacke des Mannes beiseite fegte und ihre Schatten auf ihn hetzte. ›Zerstört ihn nicht!‹ Sie musste Fai nur einen Augenblick verschaffen, Zeit, um eine Lücke in der Deckung ihrer Gegner zu finden.

Ihre Magie schlug gegen die geistigen Schutzschilde der anderen, riss Spalten, groß genug, dass sie hindurchschlüpfen konnte und aufwühlen, was ihre Feinde in den Tiefen ihrer selbst vergraben hatten, was sie vergessen wollten.

Jara sah nicht hin, als ihre Schatten hervorzerrten, was verborgen in den Fremden faulte. Ihre Energie floss mit ihnen mit, sie war neben Fai und doch überall. Die Männer und Frauen wehrten sich. Jara hieß ihre Energie tiefer bohren, als Fais Zauber die abgelenkten Spruchweber mit tödlicher Präzision trafen.

Macht heulte auf, als ihre verbliebenen Feinde zur Gegenwehr übergingen und sie dazu zwangen, ihre Kraft an ihrem Schutzschild zu verbrennen. Mit einem wütenden Schrei brachte Jara ihre Schatten wieder in Position. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als sie zu frieren begann: Das vertraute Zeichen, dass sie zu viel Magie einsetzte.

Jara ignorierte es, als sie sich den Angriffen verbissen zur Wehr setzte. Licht blitze auf, doch dieses Mal war sie vorbereitet und zog sich rechtzeitig zurück.

Das Bild an der Wand über ihr ging in Flammen auf, und Jara sprang im letzten Moment zur Seite, bevor es krachend zu Boden stürzte. Bastarde!

Sie hörte Fai schreien, die Luft im Raum kochte vor Energie und Jara ließ ihren Schutzschild fallen und ihre Schatten losstürmen. Sie schlugen ihre Krallen in das Innerste ihrer Angreifer, und Jara schrie mit Fai, als sie ihre Fäuste schloss und den Verstand ihrer Gegner zerbrach wie Glas. Feuer wehte heiß an ihr vorbei, und sie riss den Kopf zurück.

Als sie wieder klar sah, waren Fai und sie die Einzigen im Raum, die noch standen. Blut rauschte in ihren Ohren, ihr Atem ging keuchend, doch ein triumphierendes Lächeln verzerrte ihre Lippen. Aasfresser! Alle miteinander.

Fai grinste sie an, ihr Gesicht schweißbedeckt. »Ich gehe voraus«, sagte sie. »Sieh zu, dass du noch etwas aus ihnen herausbekommst.«

Jara nickte. Ihre Hände bebten vor Erschöpfung, und Fai sah nicht besser aus, als sie sich fühlte, aber sie würden hier hinauskommen. Sie ließ den Blick über die Gefallenen schweifen. Nicht alle waren tot, doch die Überlebenden wünschten zweifelsohne, dass sie es wären. Jara hockte sich zu einer Frau, die schreckensstarr ins Nichts blickte. Jara tauchte erneut in ihren Geist ein. Wenn sie gewollt hätte, hätten ihre Schatten sie an den Ort geführt, in dem das Bewusstsein der Frau gefangen war, ihr die Bilder gezeigt, die das unmenschliche Wimmern über ihre Lippen dringen ließ.

Doch Jara hatte bereits genug gesehen, bevor sie ihr siebtes Lebensjahr erreicht hatte und ihre Schatten noch nicht hatte kontrollieren können. Sie durchstreifte die Erinnerungen der Magierin auf der Suche nach Informationen über ihren Auftrag, den Zirkel, die Strategie und fand - nichts.

»Verflucht«, murmelte sie. Alles, was sie zu fassen bekam, waren Erinnerungsfetzen an einen Kasernenhof. Was bedeuten konnte, dass die Frau zur Stadtwache gehört hatte, bevor einer der Zirkel sie angeworben hatte - oder dass wirklich die Madater Wache gekommen war. Woher wussten die, was wir vorhatten?

Sie stand auf. Assar würde sich darum kümmern. Wenn er noch lebt. Doch der vertraute Druck auf ihrer Brust ließ sie wissen, dass der Zauber, mit dem er sie gebunden hatte, noch intakt war. Sie würde seinen letzten Atemzug spüren, der Moment, an dem sie wieder frei sein würde. Jara rieb sich harsch über das Gesicht, um die Gedanken zu vertreiben. Konzentrier dich!

Sie trat aus dem Raum und folgte Fai. Der Gang war verdächtig still. Ihre Schatten wirbelten aufgeregt die Wände entlang, und sie musste sich dazu zwingen, nicht mit ihnen in die Dunkelheit zu tauchen. Je weniger sie auf ihre Magie zurückgriff, desto sicherer war sie.

Wachsam bog sie um die Ecke, als ein Laut sie innehalten ließ, ein Ächzen, wie sie es nur zu gut kannte: die mühevollen Atemzüge eines Verwundeten. Vor ihr stand einer der Angreifer, triumphierend über einen Toten gebeugt. Jaras Blick wanderte zu dem regungslosen Körper am Boden, zu den bernsteinfarbenen Augen, die ihr schmerzerfüllt entgegenstarrten. Fai!

Hass wallte schwarz um sie herum auf. Jara ließ alle Vorsicht fallen. Die Schatten strömten in ihren Geist und warfen sich dem Magier entgegen, rissen an seiner Seele, und der Mann taumelte zurück. Sie ließ nicht locker, zerrte hervor, was in ihm verfaulte, bis sie seinen Verstand splittern hörte. Er gab einen tierähnlichen Laut von sich, als er am Boden aufschlug.

Jara beugte sich zu Fai, als eine Frau um die Ecke bog. Mit dunklem Lächeln stieg Jara über den wimmernden Körper des Magiers vor ihr und trat auf sie zu. Sie spürte die Finsternis um sich, hörte das angriffslustige Zischen ihrer Magie.

Der erste Zauber der Kämpferin prallte harmlos von ihr ab. Energie sammelte sich neu um die Frau, doch Jara war schneller. Sie verschwendete keine Zeit mit Feinheiten, als sie durch das Bewusstsein der Fremden stieß. Dunkelheit und Falschheit wölbten sich ihr entgegen, und sie packte den Schmerz, der unter allem lauerte, und zerschlug die Mauern, die ihn zähmten.

Die Frau brach in die Knie. Jara rief ihre Schatten zu sich, die sich freudig um sie schlängelten, als sie an Fais Seite zurückkehrte. Die Feuermagierin hatte das Bewusstsein verloren. Jara tastete rasch über die Verletzungen, die aus der Nähe nicht ganz so schlimm aussahen, wie sie befürchtet hatte.

»Fai.« Sie legte die Hand auf die viel zu heiße Wange, als ein Geräusch sie herumfahren ließ. Bea stolperte in den Gang. Die schwarzen Locken fielen wirr in ihr Gesicht, der Blick der blauen Augen streiften gehetzt über sie.

»Jara«, brachte die Wasserzauberin hervor. »Wir müssen hier weg!«

Ihr angstvoller Ton presste Jaras Herz zusammen. Sie sah zurück zu Fai.

»Lass sie.« Beas Augen waren vor Furcht fast schwarz. »Sie sind gleich hier! Komm!«

Und Jara rannte. Sie lief neben Bea durch die Villa, die Ausgangshalle zum Greifen nahe. Schreie wurden hinter ihr laut, Zauber verfehlten sie knapp. Bea strauchelte neben ihr, und Jaras Herz presste sich verräterisch zusammen, doch dann fand die Wasserweberin ihr Gleichgewicht wieder und rannte weiter.

»Komm!« Beas Hand griff nach ihrer und eine unangebrachte Leichtigkeit durchflutete Jara, als sie durch die zerstörten Zimmer liefen. Sie waren gerade dabei, Abstand zu gewinnen, als Bea langsamer wurde. Besorgt sah Jara den fahlen Ton, den ihre Haut angenommen hatte. Der Lauf schien ihre letzten Kraftreserven zu verbrennen.

Jara passte ihre Schrittlänge an und spürte ihre Verfolger mit jedem Atemzug näherkommen. Beas Hand hatte sich um ihre verkrampft, sie hielt sich an Jara fest, den Blick starr geradeaus gerichtet.

»Ich kann nicht mehr lange«, keuchte Bea, und die Worte pressten Jaras Kehle zusammen. Wenn die Wassermagierin so weit war, eine solche Schwäche zu gestehen …

Ich lasse dich nicht hier zurück. Sie sprach es nicht aus. »Du kennst dich hier besser aus als ich«, sagte sie stattdessen. Bea hatte den Plan der Villa in jedem freien Moment studiert. Jara sah neuen Mut in ihren Augen aufleuchten.

»Komm.« Bea beschleunigte ihre Schritte wieder. »Schnell!«

Jara ließ sich führen, ihre Sinne geschärft. Sie schlüpften durch eine schwere Holztür, und der Klang ihrer Schritte veränderte sich. Heller Marmor leuchtete durch die Dunkelheit.

»Wo sind wir?«, keuchte Jara, als ihre Schatten eine Warnung kreischten. Sie zerrte Bea gerade noch rechtzeitig zur Seite. Energie schlug in den Stein, auf dem sie eben noch gestanden hatten. Ohne nachzudenken brachte Jara sich zwischen den Magier und Bea. Der Fremde zog eine spöttische Augenbraue hoch. Dann hob er die Hand.

Jara drehte sich gerade noch rechtzeitig herum, um zu sehen, wie der Zauber aus dem Boden stieß und Beas Brust durchbohrte.

»Nein!« Ihr eigener Schrei gellte durch den Saal, als Bea mit fast komischem Erstaunen an sich hinuntersah. Blut lief aus der Wunde, viel zu viel und viel zu schnell. Nein, nein, nein, nein, nein!

»Bea!« Sie machte einen Schritt auf die Wassermagierin zu. Das Letzte, was Jara sah, war der leere Blick Beas aufgerissener Augen, als die junge Frau zusammenbrach. Dann flutete Licht den Raum und schnitt durch ihren Geist mit der Endgültigkeit von blankem Stahl.

KAPITEL 2

Das Licht blendete sie, fesselte sie an Ort und Stelle. Stach in ihre Augen wie Klingen, und Jara griff vergeblich nach ihren Schatten, die von den magischen Flammen außerhalb ihrer Reichweite gehalten wurden. Sie spürte sie am Rande ihres Bewusstseins, ein kühler Wirbel aus Blutlust und Angst. Ihr Blut rauschte in ihren Ohren, die Luft schmeckte nach Metall, und sie konnte den Magier näherkommen hören.

Seine Schritte knirschten über den Schutt am Boden, Spuren des Kampfes, den sie gerade verlor. Noch ist es nicht vorbei. Die Lüge lag klebrig auf ihrer Zunge, als sie ihre trockenen Lippen befeuchtete und ihren Dolch zog. Ihr ganzer Körper schmerzte, ihre Macht ein unruhiges Summen unter ihrer Haut. Wieder tastete sie danach und spürte ihr Herz stolpern.

Bea.

Der Gedanke hallte in ihrem Inneren wider. Sie verlagerte ihr Gewicht, streckte die Hand aus, um einen Zauber zu formen, für den sie die Energie nicht mehr hatte. Der Druck auf ihrer Brust verstärkte sich warnend. Ihre Magie flackerte auf - und erlosch. Beim nächsten Atemzug schmeckte sie Blut.

Sie biss die Zähne zusammen, zwang ihre protestierenden Muskeln in eine Angriffsposition. Sie bekommen mich nicht lebend. Das gleißende Licht ließ ihre Augen tränen, ließ die Welt um sie herum hinter einem Vorhang aus weißem Schmerz verschwinden. Die Schritte kamen immer näher, das Echo der Halle warf sie zurück, und sie konnte nicht sagen, aus welcher Richtung sich der Mann näherte. Einen verzweifelten Atemzug lang hoffte sie darauf, die anderen kommen zu hören, Assar, Selah, Fai, sogar Tarak wäre ihr recht. Doch Fai lag sterbend einen Raum weiter, und die Götter alleine wussten, welches Schicksal dem Rest ihres Zirkels widerfahren war. Sie war die Letzte. Die anderen waren tot oder auf der Flucht. Ich hätte fliehen sollen. Doch fliehen hätte bedeutet, Bea zurückzulassen. Bea, deren Blut nun die weißen Marmorfliesen des Anwesens tränkte, nur wenige Schritte hinter ihr. Jara würgte die Tränen hinunter. Sie konnte es sich nicht leisten, daran zu denken, nicht jetzt.

Die Schritte des Mannes kamen vor ihr zu stehen. Jara konnte ihn nicht sehen, doch sie spürte, dass er nahe war. Nahe genug, um ihn zu berühren? Ihre Lippen formten den Befehl für den Zauber wider besseres Wissen. Ihre Magie loderte in ihr auf – und erstarb mit grausamer Endgültigkeit. Sie fühlte sich verraten, obwohl sie gewusst hatte, wie diese Nacht ausgehen würde, in dem Moment, in dem das magische Licht von allen Seiten aufgeflammt war. Als ob ich in einen Scheiterhaufen getreten wäre. Ihre Lippen verzogen sich zu einem humorlosen Lächeln. Der Scheiterhaufen würde kommen.

»Ergib dich.« Die Stimme war ruhig und bestimmt. Er gab ihr eine Wahl, die sie nicht hatte. Der Kampf hatte sie ausgebrannt. Ohne Energie und ihre Schatten hatte sie der Stadtwache nichts entgegenzusetzen, und sie wussten es beide. Jara hob den Dolch und die Bewegung schmerzte. Sie konnte einen heldenhaften Versuch unternehmen, dem Mann vor ihr die Klinge ins Herz zu stoßen, in der Hoffnung, dass er sie töten würde. Doch auch hier wussten sie beide, dass es eine vergebliche Hoffnung war.

»Eure Feuerweberin.« Fai. »Sie lebt noch.«

Das Licht dimmte sich, weit genug, dass Jara in das Gesicht vor ihr blinzelte. Harte Gesichtszüge, eine Aura aus Gewalt und Macht. Kampfmagier. Sie tastete nach ihren Schatten, doch es war vergeblich. Das magische Feuer hielt sie weiter aus ihrer Reichweite, und Jara hätte am liebsten geschrien.

So hielt sie ihre Gesichtszüge zu der unbewegten Maske gefroren, die ihre Meisterin ihr beigebracht hatte. Schwäche, Kalahs Worte donnerten durch sie, wird dich töten. Am Ende war es ihre Meisterin selbst gewesen, die sie um ein Haar getötet hätte, und sie war ihr entkommen, nur um nun der Stadtwache in die Hände zu fallen. Die Stadtwache, die Fai hatte.

Ihre Finger zitterten vor Erschöpfung, der schweißnasse Dolchgriff entglitt ihr um ein Haar. Sie sollte die Klinge gegen sich selbst richten, es war der einzige Ausweg, der ihr blieb. Doch tief in ihr heulte es wütend auf. Sie hatte zu viel überstanden, um ihr Leben wegzuwerfen. Noch war es nicht vorbei, auch wenn der Mann vor ihr das glauben mochte.

»Dein Widerstand verschlimmert das Los eurer Feuerhexe.« Sein Ton sagte alles. »Ergib dich.«

Jara sah in kalte Augen, grau wie Schwertstahl. Sie ließ ihre Hand sinken, die immer noch zu einem Zauber erhoben war, den sie nicht mehr formen konnte. Ihr Dolch folgte einen Atemzug später, in dem Laut, mit dem er auf dem Marmorboden aufschlug, schwang etwas Endgültiges mit. Es war dem Magier Antwort genug. Kleidung raschelte, als der Mann nähertrat.

Instinktiv wollte sie zurückweichen, doch ihre Beine bewegten sich nicht. Energie hielt sie am Boden fest. Verdammter Aasfresser! Die Zauberweber der Stadtwache waren gründlich und nicht dumm genug, sie zu unterschätzen. Schade. Durch den Tränenschleier sah Jara die Fessel, die sie von ihrer Macht abschneiden würde, und Panik krallte sich in ihre Kehle und presste ihr die Luft ab.

Das Licht flammte wieder mit voller Heftigkeit auf, und wäre Jara nicht die Schattenmagierin gewesen, die sie war, hätte sie geschrien. So presste sie ihren Kiefer aufeinander, als das Licht wie Blitze durch ihren Kopf schossen und ihn mit gleißendem Schmerz füllte. Metall legte sich brennend kalt um ihr Handgelenk. Eine fremde Macht schnitt durch sie, wühlte sich in ihr Innerstes, schob sich zwischen Jara und ihre Macht und trennte sie.

Ein Wimmern entkam ihr. Übelkeit stieg in ihre Kehle und sie erbrach sich, kämpfte gegen den Schwindel an, der sie in die Knie zwingen wollte. Eine Hand stützte sie, und Jara versuchte nicht, sie abzustreifen. Sie sollte sich darüber ärgern, Schwäche gezeigt zu haben, doch ihr fehlte die Kraft dafür. Sie war sich sicher, dass es nicht bei diesem Laut bleiben würde. Die Methoden der Stadtwache im Umgang mit Freien Magiern waren hinlänglich bekannt.

Das Licht wurde endlich schwächer und ihre Augen erholten sich. Bunte Punkte tanzten vor ihrem Blick. Sie konnte ihre Schatten sehen, doch ohne ihre Kräfte waren sie ihr keine Hilfe. Sie hörte sie sehnsüchtig raunen, unverständliche Laute am Rand ihres Bewusstseins. Sie wandte den Blick von den dunklen Ecken ab und ließ ihn durch den Raum schweifen. Fast wünschte sie, sie hätte es nicht getan.

Die ehemals prunkvolle Halle der Adelsvilla war ein Schlachtfeld. Die Wände waren geschwärzt von den Kampfzaubern, Sprünge liefen über den Marmorboden wie Adern, es roch nach dem kalten Metall ihrer Zauber und Beas Blut. Bea, die regungslos und still auf dem Boden lag. Jara schluckte. Über ihr schwebten die magischen Lichter an der Decke, die im selben Moment entbrannt waren, als Bea getroffen zusammengebrochen war. Eine Falle.

Sie sah in das Gesicht des Mannes, der sie verhaftete. Auch an ihm war der Kampf nicht spurlos vorübergegangen. Schweiß glänzte auf seiner Stirn, seine Kleidung wies die Zeichen abgewehrter Zauber auf, Brandspuren zogen sich über sein Hemd. Ihr Blick verweilte kurz auf der locker sitzenden Kleidung. Keine Uniform. Kein Hinweis darauf, dass er tatsächlich zur Stadtwache gehörte. Jara brachte ein verächtliches Lächeln zustande.

»Braucht die Stadtwache nun schon Hilfe von euch Speichelleckern?« Die Speichellecker nannten sich selbst die Ergebenen und waren jene Zirkel, die mit der Gunst des Königs operierten und sich seinen wahnsinnigen Gesetzen beugten. Schwach, dröhnte die Stimme ihrer Meisterin durch ihre Gedanken.

Der Ergebene vor ihr verzog keine Miene, auch wenn sie Wut in seinen Augen aufblitzen sah. Er hielt den linken Arm in einem unnatürlichen Winkel an seinen Körper gepresst, doch der Griff, mit dem er sie packte, war fest und sein Blick hart. Jara wusste, dass sie kein Mitleid von ihm zu erwarten hatte. Nicht, dass sie damit gerechnet hatte.

»Gehen wir.«

Jara bewegte sich nicht. Sie drehte sich ein letztes Mal nach Bea um. Ihre Freundin lag, wo der Zauber des Ergebenen sie niedergestreckt hatte. Ihre hellgrüne Tunika war dunkel von ihrem Blut, ihre schwarzen Locken verdeckten ihr Gesicht, und Jara war dankbar dafür. Sie wollte sie nicht so in Erinnerung behalten, zerbrochen. Sondern mit ihrem spitzbübischen Grinsen, dem Funkeln in ihren blauen Augen, mit dem sie vor ein paar Stunden noch die letzten Anweisungen gegeben hatte.

Der Druck des Mannes verstärkte sich, wurde schmerzhaft, und Jara bemerkte mit Entsetzen, dass ihr Tränen in die Augen traten. Schwach. Sie wandte hastig den Blick von Bea ab und ließ sich von dem Magier über den Schutt aus der Halle führen.

»Marak!« Die Soldatin, die zu ihnen getreten war, wies ebenfalls Spuren des Kampfes auf, auch wenn sie deutlich besser davongekommen war als ihr Partner.

---ENDE DER LESEPROBE---