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Globalisierung, Uniformität, Umweltprobleme und Materialismus prägen die Städte heute weltweit. Seit einem Jahrhundert versucht man erfolglos, mit aufeinanderfolgenden einseitigen Lösungen, von der Gesunden Stadt bis zur Ökostadt, diese Probleme zu lösen. Der Grund wird hier in einem einseitigen Stadtverständnis gesehen, dessen Ursache in einem fehlenden, ganzheitlichen Menschenbild liegt. Vor diesem Hintergrund werden geistige, seelische und materielle Stadtideen der Vergangenheit und der Gegenwart dargestellt. Auf der Grundlage eines pragmatischen Menschenbildes wird dann ein mögliches Leitbild zukünftiger ganzheitlicher und nachhaltiger Humaner Stadtentwicklung für Lehre, Forschung und Praxis beschrieben.
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Seitenzahl: 37
Veröffentlichungsjahr: 2015
Michael Trieb
Städte alsTraum
Vom Kosmischen Peking über das Himmlische
Jerusalem bis zur Humanen Stadt
ISA EDITIONS
Herausgeber
Prof. Dr.- Ing. Seog-Jeong Lee
Prof. Dr.-Ing. habil. Michael Trieb
Prof. Dipl.-Ing. Dita Leyh
Prof. Dr.-Ing. Yajin Zhang
Dr.-Ing. Philipp Dechow
Text und Graphik
Prof. Dr.-Ing. habil. Michael Trieb
M.Sc. Anna Oelrichs
© 07/2017, zweite Auflage Stuttgart / IE 1 de
Stadt als Traum - jeder Mensch trägt, - bewusst oder meist unbewusst - ein Stück Stadt als Traum in sich. Der chinesische Wanderarbeiter, der in der Großstadt die Hoffnung für sich und die Zukunft der Seinen sieht.1 Der arabische Jugendliche, der von Kameraden, Freundinnen und sinnvollen Arbeitschancen in einer vielfältigen Großstadtwelt träumt. Die amerikanische Geschäftsfrau, die es in die Großstadt zieht, weil sie beruflichen Erfolg ebenso wie ein reiches persönliches Leben anstrebt.2 Die europäische Künstlerin, die aus ihren engen heimatlichen Verhältnissen ausbricht, um in einer Großstadt nicht nur die denkbar beste Ausbildung zu suchen, sondern auch ihre eigene künstlerische Entwicklung entfalten zu können.
So sind Städte in uns allen, als Hoffnung, Sehnsucht oder als Traum. Auch dann, wenn wir schon Großstädter sind, aber von einer anderen Großstadt träumen, die das hat, was uns in unserer eigenen Stadt fehlt. Wie dem introvertierten Stuttgarter vielleicht manchmal das lebendige Berlin, der lebendigen Marseillerin das alles verheißende Paris, dem gestressten Paulistanos das lebenslustige Rio de Janeiro, der nüchternen Chicagoerin das kosmopolitische New York, dem materialistischen Shanghaier das sachliche, aber künstlerisch geprägte Peking. Jeder dieser Stadtträume ist einerseits individuell – jeder trägt seine eigene Form von Stadttraum in sich. Andererseits vielen gemeinsam: der Stadttraum ist eine intersubjektive Realität.
Jeder dieser individuellen Stadtträume ist Teil eines Kollektivtraumes der Menschen von einer Stadt, von Berlin, Paris, New York, Moskau, Peking, Seoul, Rio de Janeiro oder Santiago de Chile. Jede dieser Städte – und unzählige andere – hat ihren eigenen Charakter, Atmosphäre und Image, ist Brennpunkt von Geschichte, Gegenwart und Zukunft, verkörpert Hoffnung, Entwicklung, Höhepunkte und Niederlagen, Abstieg und Auslöschung menschlicher Schicksale. Oft in parallelen Entwicklungen, wo die Einen aufsteigen, sinken gleichzeitig die Anderen. Städte sind sich ständig wandelnde sichtbare Artefakte unsichtbarer Netzwerke technischer, sozialer, wirtschaftlicher, kultureller menschlicher Beziehungen, die auf den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Menschen einer Stadt, eines Landes, einer ganzen Kultur beruhen.
Stadt ist so ein von Menschen gemachter lebendiger Organismus, der Ort der materiellen Existenz, der sozialen Menschenbegegnung und der geistigen Kreativität der Menschen.3 Die Idee von Stadt - was ist Stadt? - und ihrer jeweiligen Interpretation, ist eine viele Jahrtausende alte Entwicklung - die Schaffung eines menschengemachten Kosmos, eine kleine Welt für sich, in der man Geboren, Aufwachsen, Leben, Alt werden und Sterben kann, ohne die Stadt je zu verlassen. Diese Stadtidee aber wurde zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Kulturen neu interpretiert und von Weltanschauungen getragen, die ihr Kraft und Wirksamkeit gaben.
Mehr denn je scheint heute das Thema Stadt ein Leitgedanke in Kunst, Literatur und Science-Fiction zu werden. In der Malerei etwa ist Stadt wohl immer schon ein Dauerthema, mal als Hintergrund oder Umrahmung, später aber auch als eigenes Sujet. Das reicht von zahllosen Darstellungen des himmlischen Jerusalem unbekannter Maler über Stadtansichten Canalettos und William Turners, über Marc Chagall, Lyonel Feininger, Franz Marc, Paul Klee bis hin zu Gerhard Richter, um nur einige Beispiele zu nennen. Künstler wie Christo4verwandeln Stadtsituationen selbst in Kunst, Lichtkünstler versetzen ganze Städte in einen nächtlichen Traum von Stadt. Und von Anfang an war die Stadt ein integraler Bestandteil der großen Filme oder Filmserien, von Fritz Langs „Metropolis“ bis zu Donna Leons venezianischen Krimifilmserien und den Münsteraner „Tatort“-Folgen im deutschen Fernsehen, die abends die echten Städte leeren.
In der Literatur, ob Dichtung, Belletristik, Kriminalliteratur oder Science-Fiction, ist Stadt ein unerschöpfliches Thema, von Kinderbüchern über ganze Gedichtbände5 bis hin zu zahllosen Romanen, wie beispielsweise von Charles Dickens, Victor Hugo, Alfred Döblin6, Dos Passos, Bertolt Brecht, Rudolf Stibill7