Star Trek - New Frontier 17: Mörderisches Spiel - Peter David - E-Book

Star Trek - New Frontier 17: Mörderisches Spiel E-Book

DAVID PETER

0,0

Beschreibung

Captain MacKenzie Calhoun hat schon unglaublichen Herausforderungen gegenübergestanden, aber keines seiner früheren Abenteuer hätte ihn auf die zeitgleiche Bedrohung durch zwei der zerstörerischsten Kräfte vorbereiten können, mit denen er es jemals zu tun hatte. Als Mackenzie Calhoun versucht, diese neuen Feinde zu überlisten, wagt er ein gefährliches Spiel, bei dem das Schicksal der Besatzung der Excalibur und möglicherweise das Leben von Milliarden bedroht ist …

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 392

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



MörderischesSpiel

PETER DAVID

Based on

Star Trek

created by Gene Roddenberry

Ins Deutsche übertragen vonHelga Parmiter und Claudia Kern

Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – NEW FRONTIER: MÖRDERISCHES SPIEL wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.

Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern, Übersetzung: Helga Parmiter und Claudia Kern; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Katrin Aust;

Satz: Rowan Rüster/Amigo Grafik; Cover Artwork: Martin Frei;

Print-Ausgabe gedruckt von CPI Moravia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice. Printed in the Czech Republic.

Titel der Originalausgabe: STAR TREK – NEW FRONTIER: BLIND MAN’S BLUFF

German translation copyright © 2019 by Amigo Grafik GbR.

Original English language edition copyright © 2011 by CBS Studios Inc. All rights reserved.

™ & © 2019 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc.All Rights Reserved.

This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.

Print ISBN 978-3-95981-958-9 (April 2019) · E-Book ISBN 978-3-95981-959-6 (April 2019)

WWW.CROSS-CULT.DE · WWW.STARTREKROMANE.DE · WWW.STARTREK.COM

Inhalt

XENEX

HAUPTQUARTIER DER STERNENFLOTTE

TENDARA-KOLONIE

BRAVO-STATION

COMPUTERKERN DER U.S.S. EXCALIBUR

HAUPTQUARTIER DER STERNENFLOTTE

XENEX

U.S.S. EXCALIBUR

DAYSTROM-INSTITUT

XENEX

HAUPTQUARTIER DER STERNENFLOTTE SAN FRANCISCO

XENEX

U.S.S. EXCALIBUR

DAYSTROM-INSTITUT

U.S.S. EXCALIBUR

HAUPTQUARTIER DER STERNENFLOTTE

XENEX

U.S.S. EXCALIBUR

DIE SPECTRE

U.S.S. DAUNTLESS

XENEX

U.S.S. EXCALIBUR

TRANSPORTSCHIFF DER BRÜDER

DIE SPECTRE

U.S.S. EXCALIBUR

U.S.S. DAUNTLESS

U.S.S. EXCALIBUR

U.S.S. DAUNTLESS

HAUPTQUARTIER DER STERNENFLOTTE

U.S.S. EXCALIBUR

XENEX

XENEX

Jetzt

M’k’n’zy Calhoun war allein, was ihn zu folgender Frage veranlasste: Wo zum Teufel sind sie?

M’k’n’zy achtete darauf, dass sich die Felswand des Bergs in seinem Rücken befand. Sein Atem ging gleichmäßig und jeder, der ihn gehört hätte – auch wenn er sich sicher war, dass niemand in der Nähe war –, hätte darin weder Anspannung noch Stress wahrgenommen. Hätten diese Beobachter zusätzlich biologische Sensoren eingesetzt und aus der Entfernung seinen Puls gemessen, wäre ihnen aufgefallen, wie langsam und regelmäßig sein Herz schlug. Als würde er entspannt auf einem Handtuch am Strand liegen.

Kurz gesagt wäre niemand, der sich mit M’k’n’zys momentaner Lage beschäftigt hätte, auf die Idee gekommen, dass er um sein Leben kämpfte.

Man hätte vermuten können, dass M’k’n’zy, der, so lange er zurückdenken konnte, um sein Leben gekämpft hatte, die Angst und den Adrenalinschub, die andere in ähnlichen Situationen überkamen, hinter sich gelassen hatte. Damit hätte man diesen Mann jedoch unterschätzt. Es hatte nichts damit zu tun, dass er sich einfach daran gewöhnt hatte. Stattdessen war seine Reaktion das Resultat eines langen Trainings, das er sich seit dem Beginn seiner Laufbahn als Kriegsherr von Xenex auferlegt hatte.

Er hatte sich nicht immer so verhalten. Als er im zarten Alter von vierzehn Jahren seinen ersten Gegner getötet hatte, hatte er gekeucht und gespürt, wie die Aufregung seinen Körper durchströmte. Er hatte lange Minuten gebraucht, um sich zu beruhigen. Dabei hatte er auf die Leiche seines Feindes gestarrt und den Gedanken, dass seine Hand ihm den tödlichen Schlag versetzt hatte, ebenso sehr genossen wie gefürchtet.

Doch er hatte schon bald erkannt, dass solch nutzlose Konzepte wie Furcht oder Aufregung seiner Effizienz als Killer schadeten. Und das war ein Kriegsherr schließlich: ein Killer, der seinen Job sehr, sehr gut beherrschte. Sogar so gut, dass andere bereit waren, ihm durch das Tor zur Hölle zu folgen, wenn es auf der anderen Seite einen Feind zu besiegen gab.

Also hatte M’k’n’zy mit gnadenloser Härte an sich gearbeitet und die Kontrolle über seine Biologie übernommen. Er betrachtete seine Reaktionen (oder ihr Fehlen) als ein Werkzeug oder eine Fähigkeit, die man verbessern konnte, ebenso wie Zielgenauigkeit oder den Umgang mit dem Schwert. Wenn er die Männer betrachtete, die er in den Kampf führte, sah er das Lodern in ihren Augen und den Zorn in ihren Bewegungen. Dann wünschte er sich, er könne ihnen etwas von seiner Kaltblütigkeit abgeben. Doch er wusste, dass jeder Grenzen hatte und dass diese Männer das Beste aus den Fähigkeiten, die ihnen die Götter gegeben hatten, herausholten. M’k’n’zy besaß einfach die Gabe – gekoppelt mit einem Gespür für drohende Gefahren, das ans Übernatürliche grenzte –, einen Kampf so leidenschaftslos anzutreten, dass man ihn für einen Zuschauer hätte halten können.

Das führte dazu, dass manche, die M’k’n’zy in Aktion sahen, zu der Schlussfolgerung gelangten, ihm wäre der Ausgang seiner Kämpfe egal. Einige behaupteten sogar flüsternd, wenn er nicht in der Nähe war, dass er unter einer Art von Todessehnsucht litt.

Nichts hätte weiter von der Wahrheit entfernt sein können. M’k’n’zy sehnte sich nicht nach dem Tod. Deshalb hatte er die sehr erfolgreiche Technik, sich vom Kampf zu distanzieren, entwickelt. Zu viele Leute starben bei Scharmützeln, weil sie sich vom Kampfgetümmel mitreißen ließen und daher entweder Fehler begingen oder so weit vorpreschten, dass sie auf einmal vor Angst erstarrten, weil sie glaubten, ihre Lage sei aussichtslos geworden. Wenn man über die Möglichkeit des eigenen Todes nachdachte, dann sah man ihn vor seinem geistigen Auge, eine mentale Visualisierung, die in der Realität unweigerlich Konsequenzen haben würde. Wenn man sich vorstellte, dass es einem Gegner gelang, einem mit der Axt den Schädel zu spalten oder ihn mit dem Phaser wegzuschießen, führte das oft dazu, dass man tatsächlich geköpft wurde.

Wer zögert, verliert. Ein weises und treffendes menschliches Sprichwort, dem M’k’n’zy voll und ganz zustimmte.

Die emotionale Distanzierung vom Kampfgetümmel war also die beste Überlebensstrategie. Dieser Philosophie hatte M’k’n’zy bisher sein Leben verschrieben und dank ihr atmete er noch.

Allerdings war nicht ganz klar, wie lange das so bleiben würde.

Wo zum Teufel sind sie?, fragte sich M’k’n’zy erneut. Er ließ nicht zu, dass die Sorge um seine Anhänger sein Urteilsvermögen trübte. Vielmehr ärgerte es ihn, dass sie nicht wie vereinbart am Treffpunkt erschienen waren. Er hatte lange genug gewartet. Ihm war klar, dass sie nicht mehr auftauchen würden. Dafür gab es zwei mögliche Erklärungen: Sie waren bis auf den letzten Mann massakriert worden – was er natürlich nicht hoffte – oder es war dem Feind gelungen, ihnen den Weg zum Treffpunkt abzuschneiden. Diesen Umstand hatte M’k’n’zy selbstverständlich in Betracht gezogen und deshalb einen zweiten Treffpunkt vereinbart.

Noch war jedoch offen, ob M’k’n’zy ihn erreichen würde.

Er richtete seine geschärften Sinne auf seine Umgebung, um herauszufinden, ob er wirklich allein war. Der steinige Pass, auf dem er sich verbarg, eignete sich hervorragend für einen Überfall. Er stand unter einem Felsvorsprung, der ihn vor den Blicken derer verbarg, die sich möglicherweise über ihm befanden. Gleichzeitig konnte er von dem Pass die Schlucht unter sich einsehen. Jeder, der versuchte, die sich durch den ganzen Berg ziehende Schlucht zu durchqueren, würde ein leichtes Ziel abgeben.

Er musste jedoch davon ausgehen, dass seine Feinde nicht ganz so dumm waren. Wenn doch, würde er dieses Geschenk zu seinem Vorteil nutzen. Aber er konnte nicht einfach so herumsitzen und darauf warten, dass irgendjemand auftauchte, den er abschießen konnte. Dadurch würde sich das Treffen mit seinen Truppen nur noch weiter verzögern.

Außerdem waren seine Gegner nicht gerade lautlos. Ihre Rüstungen klirrten lautstark bei jeder Bewegung. Hinzu kam, dass sein sechster Sinn, der ihn noch nie im Stich gelassen hatte, ihn vor keiner konkreten Bedrohung warnte. Er schwebte nicht in Gefahr, zumindest momentan nicht.

M’k’n’zy kannte sich in den Bergen von Xenex besser aus als jeder andere. Er wusste, dass es in der Nähe seiner Position einen steilen, aber nicht einzusehenden Pfad gab, der ihn zum Fuß des Bergs bringen würde, ohne ihn einem möglichen Angriff auszusetzen. Diesen Pfad unbemerkt zu erreichen, würde ebenfalls nicht schwer sein.

Am besten wäre es gewesen, die Nacht abzuwarten, aber M’k’n’zy wollte nicht so lange von seinen Truppen getrennt sein. Sie brauchten ihn. Sie standen einem verheerenden, beinahe schon übermächtigen Feind gegenüber und konnten auf seine Führung und seine Fähigkeiten nicht verzichten. Er verfluchte die Tatsache, dass er mit ihnen über größere Entfernungen hinweg nicht kommunizieren konnte, und schwor sich, dass er – wenn diese Angelegenheit erledigt war – der xenexianischen Armee die Ausrüstung besorgen würde, die sie brauchte, um diesen Krieg zu gewinnen. Er musste davon ausgehen, dass seine Feinde miteinander in Verbindung bleiben konnten. Als ob die Xenexianer nicht schon genug Probleme hätten.

Die Sonne stand noch nicht ganz im Zenit, als M’k’n’zy beschloss, nicht länger zu warten. Er blieb so dicht wie möglich an der Felswand, während er sich auf den Weg zu dem Pfad machte, der ihn nach unten bringen würde. Von dort aus würde er sich in Richtung Osten wenden und versuchen, dabei Wege zu nehmen, die ihm Deckung boten. An ein paar Stellen würde er für Beobachter sichtbar sein, aber daran ließ sich nichts ändern. Er würde sich auf seine Reflexe und seine Erfahrung verlassen müssen.

Gelegentlich war der Planet selbst die beste Waffe im Kampf gegen Eindringlinge. Leute von anderen Welten litten normalerweise unter dem brutalen xenexianischen Klima. Leider war das in diesem Fall nicht so. Den Feind, dem M’k’n’zy gegenüberstand, störte die Hitze ebenso wenig wie ihn selbst. Das Klima würde den Feind weder zermürben noch dazu bringen, sich frustriert von Xenex abzuwenden. Wenn er und seine Truppen ihn loswerden wollten, dann mussten sie listiger sein als er und ihn ausmanövrieren.

Die Minuten krochen dahin. Auf dem Weg nach unten rechnete M’k’n’zy ständig mit einem Angriff. Er hielt sein Schwert ruhig und fest in der Hand.

Drei Meter vor dem Ende des Pfads blieb er wie angewurzelt stehen.

Irgendetwas stimmte da vorne nicht. Er wusste nicht, was, doch es reichte, um ihn in höchste Alarmbereitschaft zu versetzen. Er sah sich angestrengt nach einer Bedrohung um, entdeckte jedoch keine. Aber die Haare in seinem Nacken hatten sich aufgerichtet, also ging er keinen Schritt weiter.

Er warf einen Blick nach unten und hob einen Stein auf, der neben seinen Füßen lag. Er war schwer und fast rund. M’k’n’zy hielt ihn einen Moment lang in der Hand, dann rollte er ihn den steinigen, unebenen Pfad hinunter. Der Stein hüpfte klackernd nach unten und einige Momente lang war sich M’k’n’zy sicher, dass sein sechster Sinn ihm etwas vorgegaukelt hatte. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Es war gut, dass niemand ihn umbringen wollte, aber das bedeutete auch, dass der Instinkt, auf den er sich so lange verlassen hatte, auf einmal nicht mehr funktionierte.

Der Boden vor ihm explodierte.

Landmine, schoss es ihm durch den Kopf, noch während die Druckwelle ihn nach hinten warf. Er verfluchte seine Nachlässigkeit. Er hätte sich mit dem Rücken an den Felsen pressen sollen anstatt wie ein Idiot auf dem Weg zu stehen und darauf zu warten, dass etwas passierte. Er landete schwer auf dem Boden und schürfte sich die Ellenbogen auf. Schmerz schoss durch seine Arme. In gewisser Weise war er froh darüber. Der Schmerz erinnerte ihn barsch daran, dass er nichts als selbstverständlich betrachten und keine Möglichkeit außer Acht lassen durfte.

Er hörte ein vertrautes Klirren unter sich. Sein ausgezeichnetes Gehör verriet ihm, dass sich ihm nur eine Person näherte. Wahrscheinlich hatte der Feind einen Soldaten zurückgelassen, der die Falle bewachen sollte. Und dieser Soldat, das erkannte M’k’n’zy, würde nicht mit einem kampfbereiten Gegner, sondern mit einer zerfetzten Leiche rechnen.

Dieser Gedanke ließ ihn sofort handeln. Zögern lag M’k’n’zy nicht im Blut. Er befand sich rund drei Meter oberhalb des Pfadendes. Er kam hoch und sprang ohne innezuhalten den steilen Pfad hinunter. Einen Moment lang hing er in der Luft, was sich befreiend anfühlte, dann landete er lautlos auf dem Boden. Er hatte einen Arm ausgestreckt, sodass er nicht in sein eigenes Schwert fallen konnte, was seiner legendären Karriere ein unrühmliches Ende gesetzt hätte.

Er lief lautlos nach vorn und sah nur Sekunden später genau das, was er erwartet hatte.

Eine gepanzerte Gestalt mit einem Helm, der den Kopf komplett umschloss, sodass man das Gesicht nicht erkennen konnte, stand am Anfang des Pfads, der sich hinauf durch die Hügel schlängelte. Sie benutzte einen Thermoscanner, der es ihr ermöglichte, ihre Umgebung zu sehen. M’k’n’zy wusste, dass ihm nur noch wenige Sekunden blieben, bis die Gestalt ihn wahrnehmen würde, deshalb stürmte er auf sie zu.

Er war zu langsam.

Die gepanzerte Gestalt drehte sich um, sah ihn an und hob den Arm, sodass sich ihre Handfläche auf M’k’n’zy richtete. Es frustrierte ihn, dass seine Feinde keine Handfeuerwaffen benutzten. Einen Blaster oder Disruptor oder Phaser hätte er der Gestalt aus der Hand schlagen und sich damit einen Vorteil verschaffen können. Doch diese Bastarde hatten ihre Waffen in die Körperpanzerung integriert. Man konnte sie also nicht einfach entwaffnen. Man konnte sie nur umbringen. Davor schreckte M’k’n’zy zwar nicht zurück, aber es kam ihm wie eine Verschwendung vor. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn er seine Feinde hätte überwältigen und verhören können. Doch sie hatten nur zwei Modi: Angriff und Tod.

M’k’n’zy hatte gegenüber seinem Gegner nur einen einzigen Vorteil. Dessen Waffe benötigte, nachdem sie abgefeuert worden war, einige Sekunden, um sich neu aufzuladen. M’k’n’zys Schwert war hingegen sofort wieder einsatzbereit.

Energie knisterte im Metallhandschuh der gepanzerten Gestalt und M’k’n’zy wusste, dass er seine Bewegungen perfekt abstimmen musste. Er musste seinen Gegner außerdem dazu bringen, den Angriff durchzuziehen. Er legte sein ganzes Körpergewicht in den Schwung, der ihn vorwärtstrieb, stieß dabei einen heulenden Kampfschrei aus und vermittelte der Gestalt so den Eindruck, dass er nicht von seinem Weg abweichen würde, also entweder nicht wusste, welche Waffe ihn erwartete, oder sie einfach ignorierte.

Die gepanzerte Gestalt schoss einen Energiestrahl ab, als M’k’n’zy noch rund drei Meter von ihr entfernt war.

Er wurde nicht langsamer. Stattdessen sprang er zur Seite und stieß sich von der Felswand zu seiner rechten ab. Er spürte, wie die Luft neben ihm knisterte und einige seiner Haare versengt wurden. Hätte der Strahl ihn getroffen oder auch nur gestreift, wäre er erledigt gewesen.

Dank seines Ausweichmanövers war er nun in Reichweite seines Angreifers. Er sah das Ziel, auf das er sich konzentrieren musste: einen kleinen Lüftungsschlitz an der Seite des Helms, den die Kreaturen benötigten, um die Temperatur im Inneren ihrer Rüstungen zu regulieren. Er war unglaublich schmal, scheinbar zu schmal, um ein Risiko darzustellen. Das war nur ein kleiner Konstruktionsfehler in der Panzerung, nichts, was ihnen hätte gefährlich werden sollen.

M’k’n’zy stieß die Schwertspitze nach vorn und versuchte, mit ihr den Schlitz zu treffen.

Das wäre ihm beinahe gelungen.

Die gepanzerte Gestalt bewegte sich jedoch viel schneller, als man es ihr bei ihrem Aussehen zugetraut hätte. Sie hob die Hand und schlug die Schwertklinge beiseite, bevor diese in den Schlitz eindringen konnte. Ihre Waffe hatte sich noch nicht wieder aufgeladen, doch das spielte keine Rolle. Die Gestalt schwang die Faust herum, traf M’k’n’zy mit voller Wucht an der Schläfe und schleuderte ihn zu Boden. Der kochend heiße Handschuh versengte ihm die Haut. Er schrie, als er auf den Boden krachte und ihm das Schwert aus der Hand geprellt wurde.

M’k’n’zy warf sich herum und sah, wie die Stiefelsohle seines Gegners auf seinen Kopf zuschoss. Er rollte sich zur Seite und entging haarscharf dem Angriff. Der Tritt verfehlte seinen Kopf, traf aber sein Schwert, das unter der Wucht zerbrach.

M’k’n’zy kam rasch auf die Beine und dachte über seine nächsten Schritte nach, doch die Gestalt verhinderte, dass er erneut angreifen konnte. Ihre Waffe war wieder schussbereit. Die Gestalt hob die Hand und es war kaum vorstellbar, dass sie M’k’n’zy aus dieser geringen Entfernung verfehlen würde.

Die gepanzerte Gestalt schoss.

Und verfehlte ihn.

M’k’n’zy hatte sich schneller als möglich erschien fallen lassen und die Luft über seinem Kopf knisterte erneut. Die Felswand hinter ihm explodierte, Steinsplitter spritzten durch die Luft. Er hob die Arme, um seinen Kopf zu schützen, und hörte gleichzeitig, wie die Steine auf die Panzerung seines Gegners prasselten.

Dann entdeckte M’k’n’zy einige Steinsplitter ganz in seiner Nähe. Er ergriff sie, sprang auf und prallte gegen die gepanzerte Gestalt, noch während er mit der Hand ausholte und, so fest er konnte, zustieß. Er berührte die überhitzte Panzerung sehr viel länger als beim ersten Mal, was die Schmerzen umso schlimmer machte. M’k’n’zy hätte am liebsten geschrien, während er sich wie eine Fledermaus an ihr festklammerte und Steinsplitter in den Lüftungsschlitz stieß. Er wollte der Gestalt nicht die Genugtuung verschaffen, seine Schwäche zu hören.

Stattdessen schlug er mit der Faust zweimal auf den Schlitz. Mehr konnte er nicht tun, sonst hätten die Schmerzen, die die Berührung der Panzerung verursachte, ihn überwältigt. Er ließ los, fiel zu Boden und ging in die Hocke. Sein kampfgestählter Verstand dachte bereits über den nächsten Angriff nach.

Doch wie sich herausstellte, war das unnötig. Die gepanzerte Gestalt taumelte und tastete nach dem Lüftungsschlitz. M’k’n’zy sah begeistert, dass die Steinsplitter, die sich darin verklemmt hatten, sich nur schwer entfernen lassen würden. Die dicken Finger des Handschuhs konnten sie nicht packen.

Die gepanzerte Gestalt zuckte und drehte sich um die eigene Achse wie die Marionette eines betrunkenen Puppenspielers. Die Beine zitterten, die Knie gaben nach, seine Hände umklammerten den Helm. Einen Moment lang glaubte M’k’n’zy, er würde tatsächlich zum ersten Mal den ungeschützten Kopf einer dieser verdammten Kreaturen zu sehen bekommen. Er war sich nicht sicher, ob sie ohne den Helm lebensfähig waren, da er nicht wusste, woher sie stammten. Und er war auch nicht hundertprozentig davon überzeugt, dass er, sollte die Kreatur ihm ihren Kopf offenbaren, der Versuchung, diesen mit dem nächstbesten Stein zu Brei zu schlagen, würde widerstehen können.

Die gepanzerte Gestalt zitterte immer heftiger und dann hörte M’k’n’zy eine dumpfe Explosion in ihrer Rüstung. Der Soldat riss die Arme hoch und zitterte ein letztes Mal. Dann fiel er wie ein frisch gefällter Baum nach vorn und schlug mit einem lauten Knall auf den Felsen. Er blieb reglos liegen und M’k’n’zy war sich sicher, dass er in diesem Leben nicht mehr versuchen würde, jemanden umzubringen.

Er stellte sich über seinen gefallenen Gegner. Es war bedauerlich, dass er keine Werkzeuge besaß, mit denen er die Panzerung hätte öffnen können. Er erkannte erst, dass er seinen Gegner treten würde, als er mit dem Fuß ausholte und genau das tat. Die Gestalt rutschte ein Stück zur Seite, mehr geschah nicht.

M’k’n’zy erlaubte es sich nur selten, seinem Ärger so weit nachzugeben, dass er Energie damit verschwendete, jemanden zu attackieren, der keine Bedrohung darstellte.

Dass er dabei eine zweite, lautere Explosion im Inneren der Panzerung hörte, überraschte ihn. Er sprang zurück, um sich von der Gefahr, die diese Explosion möglicherweise darstellte, zu entfernen, aber das wäre nicht nötig gewesen. Die Panzerung fing sie ab. Sie dehnte sich leicht aus und überall bildeten sich Beulen. Abgesehen von diesem Anblick und dem dumpfen Geräusch gab es keinen Hinweis darauf, dass sich gerade etwas Ungewöhnliches abgespielt hatte. Selbst M’k’n’zy, der sich in nächster Nähe befand und das Ganze verwirrt beobachtete, war sich nicht sicher, was da geschehen war. War diese zweite Explosion eine Folge der ersten – vielleicht ausgelöst vom Druck austretender Gase – oder handelte es sich bei ihr um einen absichtlichen Mechanismus, mit dem die Panzerung, nachdem sie festgestellt hatte, dass der Krieger in ihrem Inneren handlungsunfähig geworden war, seine Gefangennahme verhindern sollte? Jedenfalls war dies die letzte Bewegung, die der gefallene Soldat machte.

Jeder andere hätte sich nach diesem Kampf erst einmal ein paar Minuten lang beruhigen müssen, aber M’k’n’zy erlaubte sich nur einen kurzen Moment der Erleichterung. Solche Nahtoderfahrungen waren für Leute, die den gleichen Pfad wie M’k’n’zy beschritten, nichts Ungewöhnliches, trotzdem ließ es sich nicht leugnen, dass er deutlich öfter in Lebensgefahr geriet als die meisten anderen.

Er dachte kurz darüber nach, seinen gefallenen Gegner mitzunehmen. Vielleicht würde jemand wissen, wie sich die Panzerung öffnen ließ. Er verwarf die Idee aber schnell. Zum einen war die Panzerung noch viel zu heiß und er konnte es sich nicht leisten, zu warten, bis sie sich abkühlte – sollte sie das überhaupt tun. Zum anderen war die gepanzerte Gestalt verdammt schwer. Wenn er einen Antigrav-Schlitten oder ein Dutzend Helfer dabeigehabt hätte, wäre es vielleicht möglich gewesen, sie mitzunehmen. Aber ihm stand beides nicht zur Verfügung, daher verwarf er die Idee.

Er ließ also die Leiche zurück und setzte seinen Weg zum Ausweichtreffpunkt fort. Dabei handelte es sich um ein Höhlenlabyrinth am Fuß des Turmgebirges, das M’k’n’zy schon oft als Zuflucht gedient hatte, wenn er sich vor Verfolgern verstecken musste.

Während er dorthin lief und dabei soweit es ging in Deckung blieb, entwickelte er im Geist bereits neue Strategien, die sich gegen den Feind einsetzen ließen, plante Überfälle und dachte über einen effektiveren Einsatz seiner Streitkräfte nach. Dass der Feind sein Volk besiegen und ihn selbst töten könnte, zog M’k’n’zy grundsätzlich nicht in Betracht. Er zweifelte nicht daran, dass er schließlich über den Feind triumphieren würde.

Auf seinem Weg zum Turmgebirge stieß er auf keine weiteren Gegner. Er fragte sich, ob das Zufall war oder auf etwas Bedeutenderes hinwies. Hatten sich die Feinde vielleicht ganz von Xenex zurückgezogen? Aber wieso war er dann einem von ihnen begegnet? War das vielleicht der letzte Soldat auf dem ganzen Planeten gewesen, ein Gestrandeter, getrennt von seiner Einheit, und dann hatten sich ihre Wege unglücklicherweise gekreuzt? Unglücklich für ihn, dachte er grimmig.

M’k’n’zy kam es so vor, als hätte die Sonne auf ihrem Weg über den Himmel innegehalten, als wäre die Zeit stehen geblieben.

Er erreichte den Fuß des Turmgebirges, das seinen Namen den ungewöhnlich hohen Felsnadeln verdankte, die die Gegend übersäten. Das war eines seiner Lieblingsverstecke, da Luftangriffe wegen der hohen Gipfel problematisch waren. Die Felsnadeln boten ebenso wie das Netzwerk von Höhlen, das das Gebirge durchzog, Schutz vor Angriffen. Selbst ein flächendeckendes Bombardement konnte man hier überleben.

Er erreichte den Höhleneingang, den er seinen Leuten als Treffpunkt genannt hatte, und der Geruch des Todes hing in der Luft.

»Nein«, flüsterte er, als er erstarrte und ausnahmsweise einmal nicht wusste, was er als Nächstes tun sollte. Er wollte seinen Sinnen nicht trauen. Oder zumindest darauf hoffen, dass der Gestank von einem toten Tier verursacht wurde und nicht von dem, was er befürchtete.

Doch sein Geruchssinn bestätigte ihm schon wenige Momente später, dass seine erste Ahnung korrekt gewesen war. In der Höhle befand sich genau das, was er befürchtet hatte.

Seine Beine wurden mit jedem Schritt schwerer, aber er näherte sich trotzdem der Höhle. Er wusste, dass ihm dort möglicherweise Gefahr drohte, verließ sich aber darauf, dass sein Instinkt ihn rechtzeitig warnen würde. Hinzu kam, dass es einem Teil von ihm einfach egal war. Wenn etwas in der Höhle lauerte, sollte es ruhig versuchen, ihn anzugreifen. Er würde es entweder töten oder selbst getötet werden und in diesem Moment war er sich nicht sicher, welches Resultat er bevorzugte.

Er ging langsam durch die Dunkelheit. Wie immer passten sich seine Augen sofort an die veränderten Lichtverhältnisse an. Das spielte allerdings keine große Rolle. Seine Nase hätte ihm den Weg gewiesen, auch wenn er blind herumgestolpert wäre.

Verdammte Bastarde, dachte er immer wieder, was das Feuer in seiner Brust anfachte, das ihn antrieb, obwohl er am liebsten aufgegeben hätte.

M’k’n’zy blieb kurz vor der ersten Leiche stehen. Er wäre beinahe mit dem Fuß gegen sie gestoßen. Als er sich bückte, sah er, dass es sich um einen seiner weiblichen Kämpfer handelte, eine junge Frau mit stählernem Blick, die Unbesiegbarkeit ausgestrahlt hatte. In dieser Beziehung hatte sie M’k’n’zy an ihn selbst erinnert. Die Realität war jedoch mit ihrem Selbstbild kollidiert, wie ihre Leiche bewies. Ihre rechte Gesichtshälfte und fast die gesamte rechte Körperseite waren verbrannt. Das war entweder von der heißen Panzerung der Feinde oder einem Energiestrahl verursacht worden. M’k’n’zy hielt die Antwort auf diese Frage für unwichtig. Tot war tot.

Auch den anderen war es nicht besser ergangen.

Die Höhle war voller Leichen. Auf dem Boden und an den Wänden, überall war Blut. Dazwischen sah M’k’n’zy Rußspuren, was darauf schließen ließ, dass große Energie freigesetzt worden war. Was sich hier abgespielt hatte, war auf schmerzhafte Weise offensichtlich. Die Feinde waren seinen Leuten irgendwie hierher gefolgt, hatten sie gefunden und angegriffen. M’k’n’zys Leute hatten sich tapfer gewehrt, das verrieten ihm die Brandspuren auf dem Boden. Er konnte erkennen, wie viele Leute sich an dem Kampf beteiligt hatten und wie er verlaufen war. Dazu hätte er nicht einmal die Leichen benötigt.

Überwältigt von dem Anblick sackte er auf die Knie. Wie lange hatten sie auf ihn gewartet? Hatten sie ihn für tot und ihre Lage für hoffnungslos gehalten? Oder hatten sie bis zum letzten Atemzug auf Rettung gehofft?

»Es tut mir leid, dass ich euch im Stich gelassen habe«, flüsterte er.

Dann zählte er die Leichen.

Nach nur sechzig Sekunden war ihm klar, dass einige Leute fehlten. Das bedeutete entweder, dass sie entkommen waren oder dass man sie gefangen genommen hatte. Letzteres war unwahrscheinlich. Dieser Feind hielt nicht viel von Gefangenen.

Das bedeutete, dass M’k’n’zy noch einige Leben retten konnte.

Am Höhleneingang hatte er keine Spuren am Boden bemerkt, aber er hatte auch nicht darauf geachtet. Doch nun sah er sich den Boden sehr genau an und suchte nach Spuren, die ihm das Ziel der Überlebenden verraten und – was noch wichtiger war – ihn in die Lage versetzen würden, ihnen zu folgen.

Die Augen eines jeden andern wären mit dieser Aufgabe überfordert gewesen, aber M’k’n’zy entdeckte schon bald kleine Dreckklumpen, zerbrochene Steine und Spuren, die ihm sehr eindeutig verrieten, wo er seine Leute finden würde und in welcher Verfassung sie waren.

Er folgte ihnen.

Während er das tat, dachte er unwillkürlich an eine Zeit, die einige Jahrzehnte zurücklag. Er war ein jugendlicher Kriegsherr gewesen mit zerlumpter Kleidung und langen, ungepflegten Haaren, die ihm über die Schultern hingen. Damals führte er seine xenexianischen Kameraden gegen einen Feind an, der sie vernichten wollte. Während dieses Kampfes machte er sich einen Namen, der es ihm ermöglichte, die Xenexianer zu einen und zu einem Furcht erregenden Volk zu machen, das sich nie wieder erobern lassen würde. Dieser Name hatte außerdem die Aufmerksamkeit eines gewissen Jean-Luc Picard erregt, einem Offizier der Sternenflotte. Der hatte ihm damals eine Karriere bei der Sternenflotte ans Herz gelegt und M’k’n’zy hatte seinen Rat nach langer Überlegung angenommen. Dadurch war er schließlich zu Mackenzie Calhoun geworden.

Nun waren seine beiden Welten aufeinandergeprallt. Calhoun kombinierte das Wissen, die List und die Gerissenheit seiner Jugend mit den Taktiken und der Weisheit, die er sich als Captain der Sternenflotte angeeignet hatte. All das benötigte er, um sein Volk im Kampf gegen einen furchtbaren Feind zu unterstützen, auf den er als Captain der Excalibur gestoßen war.

Die Brüder – das gefürchtete, gepanzerte Volk, das so viele auf der Trident, dem Schwesterschiff der Excalibur, ermordet hatte, das Volk, gegen das Dr. Selar bis zum Tod gekämpft hatte – verfolgten ihn und seine Leute über ganz Xenex.

Und es war nicht abzusehen, wann oder ob ihnen jemand helfen würde.

HAUPTQUARTIER DER STERNENFLOTTE

SAN FRANCISCO

Zuvor

Admiral Alynna Nechayev erinnerte sich fast wortwörtlich an die Unterhaltung, die sie einige Wochen zuvor mit Mackenzie Calhoun geführt hatte. Sie war mit Konsequenzen verbunden gewesen, von denen Calhoun nichts ahnte.

Calhoun hatte ihr pflichtschuldig von den Ereignissen auf dem abgelegenen Planeten AF1963 berichtet, die zum Tod von Selar und der Entdeckung von Körpern geführt hatte, die in einer unterirdischen Anlage »gezüchtet« worden waren und kein Bewusstsein besaßen. Die meisten dieser Körper waren laut Calhoun, dessen Abbild auf dem Kommunikationsbildschirm flackerte, bei der gewaltigen, von Selar ausgelösten Explosion vernichtet worden. Die gleiche Explosion hatte Soleta und dem Säugling Cwansi die Flucht ermöglicht. Dafür hatte Selar mit dem Leben bezahlt.

»Wissen Sie, welche Absichten die D’myurj mit ihnen verfolgt haben?«, hatte sie Calhoun gefragt. Dabei hatte sie sich um einen gelassenen und ruhigen Tonfall bemüht, der die Sorgen, die ihr durch den Kopf schossen, verbergen sollte.

»Darüber habe ich mir auch Gedanken gemacht«, hatte Calhoun gesagt, »und mich mit meinen Leuten beraten. Wir haben eine Theorie …«

»Ich bin ganz Ohr.«

»Also«, hatte Calhoun gesagt und sich leicht vorgebeugt, »die erste Frage lautet natürlich: Warum haben sie diese Körper mit einem praktisch leeren Verstand wachsen lassen? Aber wenn Sie in eine Lagerhalle kämen und dort unbenutzte Uniformen hingen, würden Sie sich nicht fragen, welchem Zweck sie wohl dienen, korrekt? Sie würden sich nicht fragen, wozu man sie genäht hat.«

»Nicht konkret. Ich würde davon ausgehen, dass sie genäht wurden, weil …« Sie hatte innegehalten. »Wirklich? Sie glauben, dass diese Körper erschaffen wurden, um …«

»Getragen zu werden. Ja. Die genetische Zusammensetzung von Mischlingen erlaubt es entweder den D’myurj oder ihren Verbündeten, den Brüdern, sich selbst in die Körper zu versetzen, sobald sie ausgewachsen sind.«

»Großer Gott, warum?«

»Es könnte viele Gründe geben. Infiltrierung. Manipulation. Sich als Föderationsmitglied auszugeben. Sie könnten Kriege anzetteln, um uns zu ›testen‹, um herauszufinden, wie weit wir sind. Alle, die bisher mit ihnen Kontakt hatten, sagen, dass sie ständig behaupten, sie wollten uns weiterbringen. Soleta hat mir etwas berichtet, das sich vor einigen Monaten, während des Paradox-Zwischenfalls abgespielt hat«, hatte er gesagt und sich dabei auf die Zeit bezogen, als das Schiff eine Weile lang verschwunden gewesen war. »Sie traf auf ein außerirdisches Schiff, das die Paradox aufzurüsten schien. Sie mit verbesserter Technik ausstattete.«

»Glauben Sie, dass das die D’myurj waren?«

»Es passt zu ihrem Verhalten. Ein Volk, das sich der Weiterentwicklung von Spezies verschrieben hat, die es als unterlegen empfindet. Um jeden Preis. Individuen, die sich selbst als Helfer sehen, aber in Wirklichkeit Zerstörer sind. Wer weiß, wie weit das zurückgeht. Ich habe mir einen Zwischenfall mit einer Sonde angesehen – ich glaube, sie hieß Nomad –, die von einem hoch entwickelten Wesen aufgerüstet und verbessert wurde.«

»Der Zwischenfall ist mir bekannt. Wir dachten, das wären vielleicht die Borg gewesen.«

»Aber warum sollten die Borg etwas anderes verbessern? Sie nehmen nur und geben nicht. Die D’myurj könnten etwas damit zu tun gehabt haben. Das würde bedeuten, dass sie sich seit mindestens hundert Jahren in die Angelegenheiten der Föderation einmischen.«

»Meiner Meinung nach begeben Sie sich auf sehr dünnes Eis, Captain. Sie ziehen an den unterschiedlichsten Fäden und versuchen, daraus etwas zu weben, was noch nicht ganz zusammenpasst.« Sie hatte nachdenklich mit den Fingern auf der Tischplatte getrommelt. »Aber wir sollten dem weiter nachgehen. Und fürs Erste Stillschweigen bewahren.«

»Das sehe ich auch so, Admiral.«

»Gut. Und Mac … mein Beileid zum Tod von Doktor Selar. Das Ganze war eine Tragödie.«

»Danke, Admiral. Calhoun Ende.«

Der Bildschirm war dunkel geworden und sie hatte sich in ihrem Stuhl zurückgelehnt. Ihre Gedanken hatten sich überschlagen. Calhoun weiß Bescheid. Wir müssen etwas unternehmen …

Sie hatte ausgiebig über dieses Problem nachgedacht und sich auf voraussichtlich unangenehme Diskussionen vorbereitet, die es dann auch tatsächlich gegeben hatte. Calhoun wusste einiges und vermutete anderes, was Nechayev zu einem entschlossenen Vorgehen zwang. Dabei – und das war ihr klar – würde sie einen ihrer zuverlässigsten und nützlichsten Verbündeten verlieren.

Doch daran ließ sich nichts ändern. Wenn Calhoun wegmusste, musste er weg. Und ihre Aufgabe bestand darin, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um das zu erreichen. Zu viel hing davon ab.

Er war jedoch nicht dumm und obwohl er Nechayev hundertprozentig vertraute, würde er ihr nicht bedingungslos gehorchen und sehenden Auges in eine Falle laufen. Seine Überlebensinstinkte ließen Kakerlaken wie Lemminge aussehen.

Also musste sie ihn in die Falle locken und das ging nur, indem sie das Vertrauen nutzte, das er ihr bereits entgegenbrachte. Mackenzie Calhoun vertraute anderen nicht einfach so. Um genau zu sein, war er der misstrauischste Bastard in der ganzen Galaxie. Doch wenn er sich erst einmal entschieden hatte, jemandem zu vertrauen, dann war ihm das heilig. Seinen Feinden gegenüber war er gnadenlos, aber für seine Freunde tat er alles. In gewisser Weise war das arrogant. Wenn er jemandem erst einmal vertraute, dann wurde dieses Vertrauen zu einem Selbstläufer. Es wurde nicht mehr hinterfragt. Er kam nicht einmal auf die Idee, dass jemand, dem er vertraute, ihn verraten könnte, weil er diesem Jemand dann nicht vertraut hätte. Ein Zirkelschluss. Q.E.D. Das war die einzige Schwachstelle in Calhouns Intellekt und die würde Nechayev ausnutzen.

Den ersten Schritt hatte sie bereits unternommen.

Sie saß völlig reglos in ihrem Büro. Ein heimlicher Beobachter hätte sie entweder für eine Leiche oder für eine Statue gehalten. Ihr Blick war in die Luft gerichtet, als hätte sie sich zufällig für einen bestimmten Punkt entschieden, dem sie nun ihre ganze Aufmerksamkeit widmete. Sie konnte sehr lange in diesem meditativen Zustand verharren. Selbst ein Erdbeben hätte sie nicht herausgerissen. Sie hatte ihrem Bewusstsein jedoch eingeschärft, die Meditation bei einem bestimmten Ereignis zu unterbrechen.

Das Büro-Interkom piepte und ihr Assistent sagte knapp: »Admiral. Captain Calhoun ist hier.«

Admiral Nechayev blinzelte zweimal und kehrte in die Realität zurück. »Admiral?«, hakte die Stimme ihres Assistenten nach, aber sie räusperte sich bereits und sagte: »Schicken Sie ihn rein.«

Die Tür öffnete sich zischend und Mackenzie Calhoun trat ein. Trotz allem, was geschehen war und was er durchgemacht hatte, drückte er wie immer den Rücken durch und in seinen Augen lag eine gefährliche Entschlossenheit, die seinen rastlosen Charakter unterstrich. Er war ein Korken in einem Ozean. Wellen und Stürme konnten ihn zwar hinunterdrücken, aber er hüpfte immer wieder an die Oberfläche. Er ließ sich nicht unterkriegen.

Das musste Nechayev ändern.

Wir sind Freunde. Er vertraut mir. Das reicht, um das zu tun, was getan werden muss.

Als sie aufstand, merkte man weder ihrem Gesicht noch ihrer Körpersprache auch nur den Hauch eines Zweifels oder einer Unsicherheit an. »Mac«, sagte sie und streckte die Hand aus. »Schön, Sie zu sehen.«

Er ergriff sie mit festem Händedruck. »Ich freue mich immer, wenn Sie mich hierherbeordern, Admiral.«

»Bitte betrachten Sie das nicht als Befehl«, sagte sie und bedeutete ihm, Platz zu nehmen, »sondern nur als Gelegenheit zum Austausch mit einem alten und geschätzten Verbündeten.«

»Danke sehr.« Calhoun setzte sich und glättete seine Uniformhose, ohne den Blick von Nechayev zu nehmen. Obwohl sich seine violetten Augen auf sie richteten, wusste sie, dass er sich seiner gesamten Umgebung sehr bewusst war. Wäre jemand durch die Tür gestürmt, in der Hoffnung, ihn überraschend angreifen zu können, hätte er nach höchstens zwei Schritten Calhouns Phaser zu spüren bekommen.

Nechayev setzte sich ebenfalls. »Sie können sich sicher denken, worum es geht.«

»Sie haben die Excalibur bestimmt nicht den Umweg über die Erde machen lassen, weil Sie mich fragen möchten, wie es mir geht. Ich gehe davon aus, dass Sie über die Brüder und die D’myurj sprechen möchten.«

»Unter anderem.«

»Unter anderem?« Er hob eine Augenbraue. »Nicht ausschließlich?«

»Ich bin Admiral, Mac. Meine Aufgabe besteht darin, mich gleichzeitig mit mehreren Dingen zu beschäftigen. Ich will Sie nicht anlügen: Was Sie auf AF1963 entdeckt haben, verstört mich sehr.« Sie achtete sorgfältig darauf, einen Gesichtsausdruck aufzusetzen, der Calhoun vermittelte, dass sie das wirklich sehr verstörte. »Dass es Personen in der Sternenflotte gibt, die nicht sind, was sie zu sein vorgeben … dass Fremde bis in die höchsten Ränge vorgedrungen sein könnten …«

»Aber vor einer solchen Bedrohung stehen Sie ja nicht zum ersten Mal.«

Nun hob sie eine Augenbraue. »Ich weiß nicht genau, was Sie meinen, Captain.«

Calhoun bemerkte zweifellos den formelleren Ton, den sie nun anschlug, aber wie immer ließ er nicht zu, dass das sein Verhalten beeinflusste. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie das wissen, Admiral. Vor einigen Jahren gab es doch eine Verschwörung, bei der parasitäre Wesen – soweit ich weiß eine Nebengattung des Trill-Symbionten – das Bewusstsein von Sternenflottenoffizieren übernahmen. Ich nehme an, dass Ihr Büro sich mit der Angelegenheit beschäftigt hat, aber soweit ich weiß, konnte man sie sich erst mehr als ein Jahrzehnt später erklären, als die Parasiten erneut auftauchten, dieses Mal im bajoranischen Sektor.«

Nechayev lehnte sich zurück und starrte ihn mit offenem Mund an. »Wie zum Teufel haben Sie davon erfahren? Diese Informationen sind streng geheim und werden in den Tiefen des …« Sie unterbrach sich, als ihr auf einmal die Antwort auf ihre Frage klar wurde. »Morgan.«

Er neigte zustimmend den Kopf.

»Sind Sie verrückt?«, fragte sie.

»Admiral …«

»Sind Sie verrückt?«

»Vor Sorge«, sagte Calhoun, den ihre Verärgerung nicht im Geringsten erschütterte. Er nahm natürlich an, dass sie sich über die Geheimhaltung innerhalb der Sternenflotte Sorgen machte. Ihre Sorge ging jedoch viel weiter als das. Sie betraf das mächtige Computerwesen, das die Excalibur steuerte, und die Frage, ob es vielleicht irgendwie herausfinden konnte, welche Rolle sie bei der ganzen Angelegenheit spielte.

»Wir sind auf eine möglicherweise gewaltige Bedrohung gestoßen, die die Grundfesten der Sternenflotte erschüttern könnte«, fuhr Calhoun, der von Nechayevs Gedanken nichts ahnte, fort. »Eine Bedrohung, die so weitreichend ist, dass man nicht weiß, wem man noch trauen kann.«

»Glauben Sie, dass ich das nicht selbst weiß, Captain? Ich muss hier mit allergrößter Vorsicht agieren, weil ich von Leuten umgeben bin, die feindliche Absichten hegen könnten. Dieses Volk, diese D’myurj … was soll ich von ihnen halten? Sie handeln aus Gründen, die nicht nachvollziehbar und teilweise sogar widersprüchlich sind.«

»Ich weiß«, sagte Calhoun grimmig. »Die einen behaupten, dass sie die Menschheit weiterbringen wollen, aber es interessiert sie nicht, wem sie bei diesem Unterfangen schaden. Die anderen glauben, dass sie die Herrschaft über uns an sich reißen sollten, weil sie evolutionär betrachtet am besten dafür geeignet sind.«

»Glauben Sie nicht, dass ich unter diesen Umständen genug Probleme habe? Muss ich mir wirklich auch noch Sorgen darüber machen, dass Ihr Schiffscomputer in geheimen Akten aus der Datenbank der Sternenflotte herumstöbert? Ich könnte Sie vor ein Militärgericht bringen, Calhoun. Ich könnte Sie in Einzelhaft verrotten lassen. Das ist Ihnen doch klar, oder?« Sie rieb sich müde den Nasenrücken. »Warum tun Sie mir das an? Warum bringen Sie mich ständig in solche Situationen?«

»Um ehrlich zu sein, Admiral …«

»Ja. Bitte seien Sie ehrlich.«

»… ich habe Morgan das nicht befohlen. Sie hat auf eigene Faust gehandelt, weil sie wusste, dass ich mir Sorgen über eine mögliche Infiltrierung der Sternenflotte mache. Deshalb suchte sie nach ähnlichen Fällen, die aber unter Verschluss gehalten werden.«

Nechayev ließ die Hand sinken. »Dann schieben Sie ihr die Schuld zu?«

»Nein. Es war meine Entscheidung, mir anzuhören, was sie gefunden hatte«, sagte Calhoun gelassen. »Ich hätte ihr befehlen können, das zu vergessen … nicht nur bildlich gesprochen. Stattdessen wies ich sie zurecht, als ich erfuhr, wie sie diese Informationen erlangt hatte, und dann befahl ich ihr, mir alles zu sagen. Das ist mein Schiff, Admiral, und ich trage die Verantwortung für alles, was darauf passiert. Ich schiebe niemandem die Schuld zu.«

»Brillant, Mac. Ihre Gewissenhaftigkeit begeistert mich.«

»Sie klingen nicht begeistert.«

»Ach nein?« Sie hob die Schultern. »Also gut. Daran lässt sich jetzt nichts mehr ändern. Ich würde Sie zwar sehr gerne in Ketten legen lassen, aber das wäre unter diesen Umständen wohl nicht sehr sinnvoll.«

»Ich wusste nicht, dass die Sternenflotte noch Ketten einsetzt.«

»Nur zu besonderen Gelegenheiten. Das wäre definitiv eine. Aber vergessen wir das«, fuhr sie nüchtern fort. »Ich muss einfach darauf vertrauen, dass Sie diese Informationen für sich behalten werden.«

»Habe ich Ihr Vertrauen je enttäuscht?«

»Nein«, sagte sie sanft. »Nein, das haben Sie nicht. Und ich glaube auch nicht, dass Sie das jetzt tun werden.«

»Das weiß ich sehr zu schätzen.« Calhoun verlagerte sein Gewicht auf dem Stuhl. »Sind Sie sicher, dass die D’myurj nichts mit den Parasiten zu tun haben?«

»Soweit sich das abschätzen lässt, ja. Das verringert meine Paranoia jedoch nicht. Es fällt mir sehr schwer, zu beurteilen, mit wem ich über diese Angelegenheit reden kann, deshalb muss ich vorsichtig sein.«

»Ich weiß zu schätzen, dass Sie mit mir darüber reden.«

»Sie haben mich darauf aufmerksam gemacht, deshalb …« Sie ließ den Satz unvollendet. »Und es ehrt mich, dass Sie mir vertrauen.«

»Wir haben zu viel durchgemacht, um einander noch zu misstrauen«, sagte Calhoun locker. »Außerdem kann ich mich auf meine Instinkte verlassen. Sie warnen mich nicht vor Ihnen, also spielen Sie auch kein doppeltes Spiel.«

Gut. Gut. Sein Ego und seine Überheblichkeit werden ihn doch noch ins Grab bringen. Diese Gedanken ließen sich nicht auf ihrem Gesicht ablesen. »Daran zweifle ich nicht. Allerdings, Mac … und wir haben eine Weile gebraucht, um zu diesem Thema zu kommen, wofür ich mich entschuldige … habe ich Sie nicht wegen dem hergerufen, was Sie auf AF1963 entdeckt haben.«

Calhoun schlug die Beine übereinander und legte den Kopf auf die für ihn typische Weise schräg, die ihm das Aussehen eines wissbegierigen Hundes verlieh. »Sondern?«

»Sie haben es im Verlauf dieses Gesprächs bereits erwähnt. Es geht um Morgan.«

»Ah.« Mehr sagte er darauf erst einmal nicht.

»Ich bin besorgt, Mac.« Nechayev faltete die Hände und beugte sich über ihren Schreibtisch. »Morgan war einmal ein lebendes, atmendes Wesen mit einer Seele und einem Gewissen. Aber das Wesen – die Kreatur, wenn Sie so wollen –, das sich im Kern der Excalibur eingenistet hat … das ist nicht Morgan.«

»Das können wir nicht mit Gewissheit sagen«, erwiderte Calhoun vorsichtig. »Sie ist nicht mehr die Frau, die sie einmal war, da stimme ich Ihnen zu. Und ich will auch nicht leugnen, dass sich ihre Persönlichkeit verändert hat. Aber sie ist kein Mensch mehr. Wir wissen nicht, ob sie Morgan Primus ist, deren Verhalten sich aufgrund ihrer Umstände verändert hat, die weder Sie noch ich auch nur ansatzweise begreifen können … oder ob es sich bei ihr um eine unglaublich hoch entwickelte Computersimulation handelt, die sich für Morgan Primus hält, aber in Wirklichkeit …«

»Ein Geist in der Maschine ist?«

Er nickte. »Ein Begriff aus einem philosophischen Werk, in dem argumentiert wird, dass die Menschheit sich unaufhaltsam der Selbstzerstörung nähert.«

»Genau.«

»Das wurde vor Jahrhunderten geschrieben.« Calhouns Geste schloss den ganzen Raum ein. »Aber die Menschheit ist immer noch hier.«

»Das ist richtig. Aber wenn Morgan Primus eines Tages beschließen sollte, dass sie uns loswerden möchte, dann könnte ihr das gelingen, oder?« Sie zählte ihre Bedenken an den Fingern ab. »Sie ist unvorstellbar mächtig. Sie kann auf alle möglichen Informationen zugreifen, wie Sie selbst in diesem Gespräch demonstriert haben. Und soweit ich weiß, hat sie kein Gewissen. Was wäre, wenn …?« Sie zögerte, als würde ihr gerade etwas klar. In Wirklichkeit hatte sie das alles längst durchdacht. »Was wäre, wenn sie auf die Idee käme, jedem Schiffscomputer einen Selbstzerstörungsbefehl zu schicken? Sie kennt doch bestimmt die Zugangscodes. Selbst manuell würde man das nicht aufhalten können, weil sie die Befehle einfach außer Kraft setzen würde. Was wäre, wenn sie auf die Idee käme, die gesamte Sternenflotte auf einen Schlag auszulöschen?«

»Warum sollte sie das tun?«

»Würde sie einen Grund benötigen?«

»Allgemein betrachtet, ja, das würde sie.«

»Weil sie sich bedroht fühlt. Weil sie uns warnen möchte. Weil Sie sie bei einer Schachpartie geschlagen haben. Es gibt Dutzende mögliche Gründe. Ich akzeptiere Ihren Einwand, dass sie überhaupt einen Grund braucht, zwar nicht, aber selbst wenn es so wäre, müsste das kein guter Grund sein. Richtig?«

»Richtig«, gab Calhoun zu. »Es müsste nur einer sein, der für sie Sinn ergibt, selbst wenn sie das als Einzige so sehen würde.«

Sie machte eine Pause, ließ ihn aber nicht aus den Augen. Sie versuchte, zu erkennen, was er dachte, doch das gelang ihr nicht. Sie hatte noch nie Poker gegen ihn gespielt, aber es hätte sie gewundert, wenn die Miene, die er dabei aufsetzte, noch unleserlicher gewesen wäre als die, die er nun zur Schau trug. Er war praktisch die personifizierte Unergründlichkeit. »Mac«, sagte sie schließlich. »Sie sind einer der besten Strategen, die ich kenne. Sie haben all diese Dinge doch schon längst selbst in Erwägung gezogen, oder?«

»Ja«, erwiderte er, ohne zu zögern.

»Also wissen Sie das, was ich Ihnen sage, bereits.«

»Mehr oder weniger.«

»Also tun Sie … was? Spielen Sie Spielchen mit mir? Verteidigen Sie automatisch jeden, den Sie als Besatzungsmitglied betrachten?«

»Ich habe Sie des Teufels Advokat spielen lassen, um die Schlussfolgerungen, zu denen ich schon selbst gekommen war, zu untermauern.«

Nechayev hüllte ihre nächsten Worte subtil in frustrierte Hilflosigkeit ein. »Dann sagen Sie mir, wohin das führen soll, Captain. Wenn Morgan Ihnen ebenso große Sorgen bereitet wie mir – und ich vermute, dass Ihre Sorgen sogar noch größer als meine sind –, dann hoffe ich, dass Sie ein Ass im Ärmel haben. Dass Sie die Lage analysiert haben und bereits wissen, was zu tun ist.«

»Das habe ich und so ist es.«

Nechayev hob neugierig den Kopf. »Wirklich?«

»Wirklich.« Er nickte. »Ich habe mich mit der Situation beschäftigt und lange darüber nachgedacht und ich habe entschieden, was man tun kann und sollte. Ich glaube, dass Morgan eine Gefahr für mein Schiff und die Föderation darstellt. Eins davon könnte ich tolerieren, aber nicht beides.«

Sie sah ihn verwirrt an. »Will ich wissen, welches von beiden Sie nicht tolerieren können?«

»Wahrscheinlich nicht.«

»Gut«, sagte sie liebenswürdig. »Dann werde ich nicht fragen. Aber ich möchte wissen, wie Sie das Problem zu lösen gedenken. Ich nehme an, dass Sie sie irgendwie abschalten oder aus dem Computerkern der Excalibur löschen wollen. Welche Methoden ziehen Sie dafür in Betracht?«

Seine Antwort überraschte sie, obwohl sie rückblickend nicht gerade verwunderlich war. »Das möchte ich Ihnen zu diesem Zeitpunkt noch nicht verraten, Admiral.«

Sie versuchte, sich ihre Überraschung nicht anmerken zu lassen. Calhoun hatte noch nie etwas vor ihr verheimlicht. »Das möchten Sie nicht?«

»Richtig.«

»Also gut«, sagte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. »Dann befehle ich Ihnen, es mir zu verraten.«

»Dann befinden wir uns jetzt leider in einer Sackgasse, Admiral.« Das schien Calhoun nicht sonderlich zu stören. Das war keine Überraschung. Er war in seinem Leben schon oft bedroht worden, meistens mit Waffen, die auf wichtige Teile seiner Anatomie gerichtet waren, sich einem Offizier der Sternenflotte – ranghöher oder nicht – zu widersetzen warf ihn da nicht gerade aus der Bahn.

Trotzdem musste Nechayev zumindest die Form wahren. »Sie widersetzen sich einem direkten Befehl?«

»Ich handele auf eine Weise, die meiner Meinung nach am besten für die Sternenflotte ist.«

»Das ist nicht Ihre Entscheidung, Captain.«

»Ich glaube, dass sie es in diesem Fall ist.«

Sie knurrte genervt. »Warum tun Sie solche Dinge nur, hm? Ich sage es noch einmal, Mac: Warum bringen Sie mich ständig in solche Situationen?«

»Ich versuche nicht, Ihnen etwas anzutun. Ich versuche, etwas für Sie zu tun. Die Pläne, die ich für Morgan habe, sollten so geheim wie möglich bleiben. Je weniger Leute sie kennen, desto besser.«

»Wollen Sie damit sagen, dass Sie mir trotz all dem, worüber wir gesprochen haben, doch nicht trauen?«

»Ich will damit sagen, dass ich der Welt nicht traue, in der wir momentan leben. Können Sie mir hundertprozentig garantieren, dass Morgan nicht über die Unterhaltung, die wir hier führen, informiert ist? Sind Sie sich absolut sicher, dass sie uns nicht über einen der Monitore oder ein anderes Gerät in diesem Raum belauscht? Dass sie nicht jedes Wort mithört?«

Nechayev wollte das unwillkürlich bejahen, doch dann zögerte sie, sah sich besorgt um und erkannte, dass Calhoun recht hatte. Natürlich hielt sie ihr Büro für abhörsicher, aber machte sie sich nicht gerade deshalb so große Sorgen wegen Morgan, weil sie befürchtete, dass man nichts vor ihrem neugierigen »Blick« verbergen konnte?

»Nein, das kann ich nicht.« Es störte sie, das zugeben zu müssen. »Aber wenn es so ist und sie uns in diesem Moment beobachtet, dann weiß sie jetzt, dass Sie etwas vorhaben.«

»Darauf ist sie schon von allein gekommen«, sagte Calhoun. »Sie ist ein lebender Computer. Sie weiß, welche Bedrohung sie darstellt, und ihr muss klar sein, dass ich das auch weiß. Und wenn sie das weiß, dann wird sie davon ausgehen, dass ich mich auf den Zeitpunkt vorbereite, an dem ich ihre Anwesenheit nicht länger tolerieren kann. Aber …«

»Aber sie weiß nicht, was Sie vorhaben.«