Star Trek - Rise of the Federation 2: Turm zu Babel - Christopher L. Bennett - E-Book

Star Trek - Rise of the Federation 2: Turm zu Babel E-Book

Christopher L. Bennett

4,9

Beschreibung

Die Vereinte Föderation der Planeten hat ihre erste große Krise überstanden, aber die Kinderkrankheiten nehmen erst ihren Anfang … Admiral Jonathan Archer hofft die verschiedenen Bewohner des wohlhabenden Rigel-Systems zum Beitritt in die Föderation bewegen zu können. Das soll der jungen Nation als Starthilfe zum Wachstum dienen und einem wichtigen Sektor Stabilität bringen. Zusammen mit den besten Diplomaten der Föderation reist Archer zum Planetoiden Babel, um über Rigels Aufnahme zu verhandeln … aber ein bevorstehendes Rennen um die Präsidentschaft heizt die ideologischen Spannungen innerhalb der jungen Nation an, gefährdet die Gespräche und die zerbrechliche Einheit, für deren Erhalt Archer so viel getan hat.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 445

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,9 (18 Bewertungen)
17
1
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



STAR TREK™

RISEOF THEFEDERATION

Turm zu Babel

Christopher L. Bennett

Based onStar Trekcreated by Gene Roddenberryand Star Trek: Enterprisecreated by Rick Berman & Brannon Braga

Ins Deutsche übertragen vonBernd Perplies

Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – RISE OF THE FEDERATION: TURM ZU BABEL wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern, Übersetzung: Bernd Perplies; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Kerstin Feuersänger und Gisela Schell; Satz: Rowan Rüster/Amigo Grafik; Cover Artwork: Doug Drexler;Print-Ausgabe gedruckt von CPI Moravia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice. Printed in the Czech Republic.

Titel der Originalausgabe: STAR TREK – ENTERPRISE: RISE OF THE FEDERATION: TOWER OF BABEL

German translation copyright © 2017 by Amigo Grafik GbR.

Original English language edition copyright © 2014 by CBS Studios Inc. All rights reserved.

™ & © 2017 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc.All Rights Reserved.

This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.

Print ISBN 978-3-95981-196-5 (Juni 2017) • E-Book ISBN 978-3-95981-197-2 (Juni 2017)

WWW.CROSS-CULT.DE • WWW.STARTREKROMANE.DE • WWW.STARTREK.COM

Für die Shore-Leave-Gang

»Es gibt eine alte menschliche Legende: Die Völker der Erde kamen zusammen, um einen gewaltigen Turm zu bauen, der bis zum Himmel reichte. Aber ihr Gott, der ihre Fähigkeit fürchtete, alles zu erreichen, was immer sie sich vorgenommen hatten, verfluchte sie, sodass keiner mehr die Sprache des anderen verstehen konnte, und er verstreute sie über die ganze Welt …

Heute hat die Menschheit den Himmel erobert. Der Grund dafür liegt darin, dass sie endlich aufgehört hat, ihrem Gott die Schuld an ihrer eigenen Furcht vor dem zu geben, was sie gemeinsam erreichen kann.«

– Anlenthoris ch’Vhendreni,2161 Babel-Konferenz

INHALT

2163

PROLOG

2164

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

EPILOG

DANKSAGUNG

2163

19. Oktober 2163Klingonischer Freibeuter Sud Qav, Kandari-Sektor

»Ein lorillianischer Frachter«, verkündete Vhelis mit einem Raubtiergrinsen. »Den Sensoren zufolge transportiert er veredelte Metalle – vermutlich Duranium!«

Captain Lokog grunzte bestätigend, während sein Blick auf dem Raumschiff mit der Form eines Halbzylinders lag, das auf dem zentralen Sichtschirm gezeigt wurde. »Erzählen Sie mir etwas über die Lorillianer.« Er war im Laufe der Jahre einigen auf raIjul wa’maH und anderen lokalen Handelsaußenposten begegnet, aber sie schienen ihm nie einen zweiten Blick wert gewesen zu sein.

»Eine Rasse von Schwächlingen«, sagte Vhelis an der Sensorstation. »Sie waren jeghpu’wI’ der Vulkanier, mehr oder weniger.«

Lokog nickte. Ihm war klar, dass die Vulkanier eine weniger ehrliche Bezeichnung für ihre eroberten Vasallenvölker hatten – selbst bevor es einem von ihnen, den Menschen, gelungen war, die vulkanische Herrschaft abzuschütteln, deren Reich zu übernehmen und die Andorianer und Tellariten ebenfalls darin aufgehen zu lassen. Natürlich verbargen auch die Menschen ihre Eroberungen hinter schönen Worten wie »Föderation« und »Demokratie«.

»Hat die Föderation die Lorillianer geschluckt?«, fragte er Vhelis.

»Noch nicht«, antwortete sie. »Sie handeln und sie reden, aber das ist alles.«

Das musste der Grund dafür sein, warum der Frachter keine Eskorte hatte. »Bewaffnung?«

»Schwache Partikelkanonen, mehr nicht.«

Kalun, der Bordschütze, lachte. »Ein leichter Fang!«

»Seien Sie sich nicht zu sicher«, warnte Lokog den jüngeren Klingonen. »Das Schicksal kann sich jederzeit gegen Sie wenden. Sie dürfen niemals in Ihrer Wachsamkeit nachlassen.« Als er sah, dass sein Tadel bei Kalun angekommen war, wandte er sich an den Steuermann. »Angriffsvektor.«

»Luq, HoD!«

»Waffen bereit machen«, befahl Lokog Kalun. »Schalten Sie deren Antrieb und die Lebenserhaltung aus.«

»Yajchu’!«, brüllte der Bordschütze.

Lokog ließ den Blick über seine Brückenbesatzung schweifen. Ihre wild entschlossenen, kampfeslustigen Mienen standen in absurdem Kontrast zu ihren glatten, kindlichen Stirnpartien, die ihn an Schwächlingsrassen wie die Vulkanier oder Menschen erinnerten. Er hasste diesen Anblick – beinahe so sehr wie den seines eigenen Gesichts.

Selbst nach neun Jahren schämte er sich noch dafür. Hätte er bloß damals seine Fracht einfach an der Qe’tran-Kolonie abgeladen und wäre dann weitergeflogen. Stattdessen hatte er haltgemacht, um sich mit den örtlichen Lustsklaven zu vergnügen. Das hatte sein Schicksal besiegelt. Er war ein Opfer des Virus geworden, das die klingonischen Bewohner des Planeten ihres Kriegerstolzes beraubt hatte, der Stirnwülste, die Zeichen ihrer Häuser und ihres Erbes waren. Lokog war als halber Klingone, als QuchHa’, zurückgeblieben – und er hatte nicht mehr an Bord seines Schiffs gedurft, um nicht den Rest seiner Besatzung zu infizieren.

Er hatte seine Würde verloren, seine Besitztümer und seinen Stand und das alles ohne eigenes Verschulden. Seine Träume, das Leben als Freibeuter zu beenden, sich vielleicht einen geringen Titel zu erwerben und ein eigenes Haus zu gründen, hatten alle für immer in Trümmern gelegen. Gut, manche der Adligen, die von derselben Plage befallen worden waren, hatten es geschafft, ihre Position zu halten, aber ein Gemeiner wie Lokog hatte keine Aussicht auf einen Aufstieg, nun, da ihm seine Schwäche buchstäblich auf die Stirn geschrieben stand.

In den Jahren, die seitdem vergangen waren, hatte er darum gekämpft, ein neues Schiff und eine neue Besatzung zu bekommen, um seine Raubzüge in fremde Raumterritorien wieder aufnehmen zu können. Mittlerweile hatte er erkannt, dass er vermutlich so besser dran war. Die meisten QuchHa’ in den Verteidigungsstreitmächten waren auf Schiffe versetzt worden, die ausschließlich aus Betroffenen bestanden. Danach hatte man sie auf Grenzpatrouille geschickt, um ihnen, wie es hieß, die Chance zu geben, ihre Schande im Kampf mit den Feinden des Reichs zu überwinden. Weniger freundlich ausgedrückt ließ man sie als Kanonenfutter draufgehen, weil es im Reich sonst keinen Platz für sie gab.

Doch es existierten ein paar unter ihnen, die Pläne zur Rebellion schmiedeten, weil sie überzeugt waren, dass die QuchHa’ nur dann überleben konnten, wenn sie der HemQuch-Mehrheit die Kontrolle über den Hohen Rat entrissen. Und es gab HemQuch-Fraktionen, die die Plage als Beleg für die Schwäche der gegenwärtigen Führung hielten und daher ihre eigenen Übernahmepläne hegten.

In den letzten paar Jahren hatte der Rat Putschversuche aus beiden Richtungen abwehren müssen und das Reich stand an der Schwelle zum Bürgerkrieg. Alles in allem hielt Lokog es für erstrebenswerter, sich im unbeanspruchten Raum aufzuhalten, weitab von den Wirrungen der Rassenpolitik des Reichs.

Nicht, dass er den Kampf gefürchtet hätte, sagte Lokog zu sich selbst. Aber er zog es vor, sich ein Schlachtfeld zu suchen, auf dem er sich auf seine Beute konzentrieren konnte, ohne Gefahr zu laufen, in den Kampf eines anderen verwickelt zu werden.

Und der Kandari-Sektor, wie vulkanische Sternkarten diese Region nannten, war ein guter Ort dafür. Das Gebiet wurde von den raIjulngan kontrolliert, und deren Handelskommission war berüchtigt dafür, nicht so genau nachzuprüfen, wo ihre Handelspartner ihre Güter herhatten oder wie sie ihre Geschäfte führten. Zugegeben, die Region lag unangenehm nah am Territorium dieser neuen Föderation. Aber die andorianische Flotte, die das Rückgrat ihrer militärischen Stärke bildete, war damit beschäftigt, die Grenzen zu patrouillieren, genauso wie die QuchHa’-Besatzungen daheim im Reich. Nur Forscher und Händler waren so weit draußen unterwegs.

Die raIjulngan betrieben aktiven Handel mit der Föderation, und vor einem halben Jahr hatten sie auch deren Hilfe erbeten, um die Stummen-Krise beizulegen. Aber sie besaßen ihr eigenes, großes Handelsimperium und schienen kein Interesse daran zu haben, in ein anderes Staatengebilde aufgenommen zu werden. Entsprechend sah Lokog keinen Anlass zur Sorge, dass die Föderationssternenflotte ihre Riechorgane in seine privaten Angelegenheiten stecken könnte. Und aus diesem Grund würde der Außenposten von raIjul wa’maH der perfekte Ort sein, um die Fracht der Lorillianer zu verkaufen, nachdem Lokog diese etwas aggressivere Transaktion hier erfolgreich hinter sich gebracht hatte. Wenn irgendwelche Lorillianer den Angriff überlebten, ließ sich vielleicht sogar noch ein klein wenig extra Profit herausholen – auf dem Sklavenmarkt der Orioner vor Ort.

»Wir wurden entdeckt«, meldete Vhelis in scharfen, abgehackten Worten. »Ziel sendet Notsignal.«

Lokog grinste. »Lasst sie jammern. Hier draußen wird ihnen niemand zu Hilfe kommen.«

U.S.S. Pioneer NCC-63Im Anflug auf das HD-19632-System, Kandari-Sektor

»Also schön«, sagte Tobin Dax und verteilte die Xiangqi- Steine verdeckt auf dem Tisch der Mannschaftsmesse. »Jetzt mischen Sie sie ein wenig.«

Lieutenant Valeria Williams, die dem zierlichen Chefingenieur mit dem zurückweichenden Haaransatz gegenübersaß, gehorchte und brachte die hölzernen Scheiben durcheinander. Insgesamt gab es vierzehn Stück, je eine Scheibe von jeder der sieben Steinarten in Rot und Schwarz.

»Schauen Sie sich eine an«, fuhr Doktor Dax fort. »Zeigen Sie sie mir nicht, aber merken Sie sie sich.«

Lieutenant Commander Travis Mayweather blickte über die von grauem Stoff verhüllte Schulter des taktischen Offiziers, als sie eine der Scheiben hoch genug hob, um darunter zu schauen. Mayweather hatte Crewman Chens Lieblingsspiel oft genug gespielt, um das Schriftzeichen auf der chinesischen Schachfigur zu erkennen. Es handelte sich um einen roten xiàng oder Minister. »Okay, ich hab’s«, sagte Williams, die das Spiel ebenfalls mittlerweile ganz gut beherrschte. Sie schob sich eine Strähne ihres rotbraunen Haars aus der Stirn.

»Sehr gut.« Dax zeigte seine leeren Hände, dann begann er, die hölzernen Scheiben mit seiner linken zu stapeln. Nachdem er zwei andere Scheiben auf Vals gelegt hatte, nahm er die Hand beiseite und stapelte damit drei weitere Scheiben, während seine rechte Hand auf dem ersten Stapel ruhte, den er dann auf dem zweiten Stapel platzierte. Nachdem er noch zwei Scheiben auf den Stapel gelegt hatte, schob er ihn zu Lieutenant Samuel Kirk, der rechts neben Williams saß und in das Kobaltblau der wissenschaftlichen Abteilung gekleidet war. Gemeinsam mit Mayweather in seinem Kommandogrün repräsentierte die Gruppe alle vier Abteilungen des Schiffs, auch wenn Doktor Dax zivile Kleidung trug statt der rotbraunen Jacke eines Sternenflotteningenieurs.

»Jetzt, äh, heben Sie irgendwo ab. Wo Sie wollen. Und lassen Sie es mich nicht sehen.« Der Trill, der abgesehen von den leopardenartigen Flecken an den Schläfen und seinem Hals wie ein Mensch in den Dreißigern aussah, schaute demonstrativ zur Seite, während der etwas jüngere, blonde Historiker die obersten fünf Stücke abnahm, sie als Stapel auf den Tisch legte und die drei anderen wieder sorgsam obenauf platzierte.

»Jetzt Sie, Commander«, sagte Dax zu Mayweather.

Kirk schob den Stapel behutsam zum Ersten Offizier hinüber, wobei er darauf achtete, ihn nicht umzustoßen.

Mayweather war versucht, in diesem Augenblick selbst einen kleinen Trick anzuwenden. Er war neugierig, denn er hatte noch nie gesehen, dass jemand mit Xiangqi-Steinen zauberte. Auf interessante Weise wurden hier die Bewegungen von Münzmagie mit den Auswahl- und Platzierungstricks von Kartenmagie verbunden. Dax hatte erklärt, dass die Xiangqi-Steine den Spielsteinen ähnelten, mit denen sein Volk Taschenspielertricks praktizierte. Daher war es ihm ein Leichtes gewesen, die Techniken hierfür zu übernehmen.

Doch auch Travis hatte in seiner Jugend ein paar Karten- und Münztricks gelernt. Er war auf dem warpschwachen Frachtraumschiff Horizon aufgewachsen, und ohne Hobbys wären sie in den langen Zeiträumen zwischen zwei Planetenaufenthalten verrückt geworden.

Dax’ Handhaltung hatte Mayweather einen Hinweis darauf gegeben, wie der Trick funktionierte und wo der rote Minister tatsächlich zu suchen war. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, beim Abheben die Illusion zu sabotieren, den Trick preiszugeben und den Darbietenden auflaufen zu lassen.

Aber nein. Es gab einen Ort, eine Zeit und die richtige Art von Ziel für solche Scherze. Tobin Dax, obwohl ein fähiger und zuverlässiger Ingenieur, war beinahe krankhaft schüchtern. Er gehörte nun fast sechs Monate zur Besatzung und erst vor Kurzem hatte er sich endlich so weit eingelebt, dass er für soziale Zusammenkünfte wie diese zu haben war – und selbst jetzt versteckte er sich hinter seinen magischen Tricks, in dem Irrglauben, dass dies das Einzige an ihm sei, was ihn interessant machte. Natürlich konnte May-weather ein Zeichen setzen, indem er die Illusion sabotierte. Denn nicht zuletzt war er der Meinung, dass der Trill sich zu sehr auf die Mechaniken der Tricks konzentrierte. Seine Fähigkeit, das Publikum durch unterhaltsames Geplänkel für sich zu gewinnen – und so abzulenken – litt darunter.

Trotzdem würde ein öffentliches Bloßstellen mehr Schaden anrichten als Nutzen haben und das bisschen an Selbstbewusstsein untergraben, das Dax gewonnen hatte. Abgesehen davon war Mayweather nicht mehr nur ein weiteres Mannschaftsmitglied. Er war der Erste Offizier der Pioneer und damit verantwortlich für die Moral und Leistungsfähigkeit der Besatzung. Also hob er einfach nur wie gewünscht ab und teilte den Stapel direkt in der Mitte.

»Jetzt stellen Sie ihn in die Mitte des Tischs«, sagte Dax.

Mayweather gehorchte und platzierte ihn zwischen den verbliebenen sechs Spielsteinen, die auf der Tischplatte verstreut lagen.

Dax blickte Williams an. »Nun, äh, Val … Können Sie mir sagen, wo sich Ihr Stein befindet?«

»Das ist leicht«, antwortete Williams. Ihr Adlerauge hatte den Stapel die ganze Zeit fest im Blick behalten und sie hatte auch das zweimalige Abheben genau verfolgt. Sie ergriff die beiden oberen Stücke und hob sie an. »Er ist genau hier.«

Doch als sie sie umdrehte, enthüllte sie stattdessen ein schwarzes pào, ein Katapult. »Unmöglich. Ich weiß, dass ich richtig gezählt habe.« Sie drehte den kompletten Stapel um und verteilte die Steine. Der rote Minister war nirgendwo zu sehen. »Das begreife ich nicht. Ich hatte den Stapel die ganze Zeit genau im Blick.«

»Schon, aber Sie vergessen eins«, erklärte Dax, seine Worte selbstsicherer als sein Tonfall. »Der Minister bewegt sich immer zwei Schritte in diagonaler Richtung.« Er deutete auf einen verstreuten Spielstein, der sich in etwa in der richtigen Position befand, ohne diesem mit seiner Hand jedoch zu nahe zu kommen. Als Val ihn umdrehte, handelte es sich um den roten Minister. Er war genau dort, wo Travis ihn erwartet hatte.

Mayweather und Kirk lachten und applaudierten, während Williams ein ungläubiges Gesicht machte und herauszufinden versuchte, was sie übersehen hatte. »Nicht schlecht, Tobin«, sagte Kirk. »Mir gefällt, wie Sie die spezielle Bewegung des Spielsteins in die Auflösung eingebaut haben.«

»Danke«, meinte Dax, die Augen auf seine Hände gerichtet, während er die Steine neu sortierte.

»Aber sagten Sie nicht, dass die Spielsteine der Trill eher wie Spielkarten seien?«

Der Ingenieur nickte.

»Also haben Sie sich diesen letzten Kniff selbst ausgedacht?«

»Ich schätze schon. Es kam mir wie eine gute Idee vor.«

»He, stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel«, sagte Mayweather. »Sie sind kreativer, als Sie glauben.«

»Ich will das noch einmal versuchen«, sagte Williams. »Ich weiß, dass Sie irgendwann die Spielsteine vertauscht haben. Ich muss nur noch herausfinden, wann.«

Kirk strich ihr sanft über den Oberarm, direkt über dem Missionsabzeichen der Pioneer an ihrem rechten Ärmel. »Entspann dich, Val. Wir reden hier nicht von klingonischen Scharfschützen.«

Seine Geste der Zuneigung perlte an ihr ab. »Aber wenn ich nicht gut genug bin, um einen simplen Trick zu durchschauen, wie soll ich dann einen klingonischen Scharfschützen ausmachen, der …«

Das Interkom unterbrach sie. »Commander Mayweather, Lieutenant Williams, melden Sie sich auf der Brücke. Alpha-Schicht, melden Sie sich auf Ihren Stationen.« Die Stimme mit dem schneidigen britischen Akzent gehörte unzweifelhaft Captain Reed. Wie immer war er vor Schichtbeginn auf seinem Posten.

Mayweather erhob sich und ging zu der Interkom-Tafel neben dem Eingang der Mannschaftsmesse. Er aktivierte sie. »Mayweather hier. Was ist los, Captain?«

»Wir haben den Notruf eines lorillianischen Frachters aufgefangen. Sie werden von Klingonen angegriffen.«

»Wir sind auf dem Weg.« Mayweather verließ den Raum. Williams war direkt hinter ihm.

Dax folgte ihnen auf den Korridor. »Wundervoll«, stöhnte er. »Sie mussten das Schicksal ja unbedingt herausfordern, nicht wahr, Lieutenant?«

Der Notruf hatte seinen Ursprung zwei Lichtjahre von der gegenwärtigen Position der Pioneer entfernt, ungefähr in der Gegend der Handelsroute zwischen Beta Rigel und der xarantinischen Handelskolonie auf Zeta Fornacis VI. Selbst mit der maximalen Warpgeschwindigkeit der Intrepid-Klasse von 5,6 dauerte es mehr als eine Stunde, um diese Koordinaten zu erreichen. Ensign Grevs Versuche, den lorillianischen Frachter zu rufen, wurden nur mit Statik beantwortet.

»Das dauert zu lange, Captain«, sagte Valeria Williams leise zu Malcolm Reed, während er nach etwa vierzig Minuten neben ihrer taktischen Station hin und her marschierte. »Ein Frachter wie dieser kann ein klingonisches Schiff unmöglich so lange auf Abstand halten, nicht einmal einen einfachen Freibeuter.«

Reed schnaubte grimmig. »Einen ›Freibeuter‹. Um ein Freibeuter zu sein, müssten Sie einen Kaperbrief besitzen, der es Ihnen gestattet, in Zeiten des Krieges einen erklärten Feind anzugreifen.«

Der kurzhaarige Lieutenant bedachte ihn mit einem schiefen Grinsen. »Sind die Klingonen ihrer eigenen Meinung nach nicht mit so ziemlich jedem im Krieg?«

»Die können das nennen, wie immer sie mögen, Lieutenant. Aber diese Kerle sind Piraten, schlicht und ergreifend.«

Williams schnitt eine Grimasse. »Und da sie Transporter besitzen, wird es kaum eine Stunde dauern, die komplette Fracht herüberzubeamen. Sir, wie stehen die Chancen, dass wir überhaupt etwas erreichen, wenn wir dort ankommen?«

»Ich verstehe Ihre Frustration, Val.« Reed sprach in aufmunterndem Tonfall, etwas, das er erst im Laufe der Zeit als notwendigen Teil seiner Kommandotätigkeit gelernt hatte. Immerhin fiel es ihm bei Williams leichter als beim Rest der Besatzung, denn genau wie sie heute war er früher taktischer Offizier gewesen. »Trotzdem können wir ein Notsignal nicht einfach ignorieren. Wir können nur hoffen, dass noch jemand übrig ist, dem wir zu helfen vermögen.«

Sie hielt seinem Blick stand. »Ja, Sir.«

Doch als sie schließlich an den Koordinaten des Signals den Warp verließen, sah es nicht gut aus. »Das Klingonen-Schiff ist lange fort«, meldete Williams ruhig. »Aber es gibt eine Ionenspur, Sir.«

»Lassen Sie uns nachsehen, ob wir hier benötigt werden, bevor wir verschwinden«, sagte Reed vom Kommandostuhl aus. »Rey, irgendwelche Lebenszeichen?«

»Nein, Sir«, erwiderte Lieutenant Reynaldo Sangupta an der Wissenschaftsstation links von Reed mit ungewohntem Ernst. »Das Schiff ist ein Schrotthaufen – der Antrieb zerschossen, die Frachträume aufgesprengt, die Hälfte der Wohnbereiche zum Vakuum hin offen.«

»Captain, ich empfehle, dass wir die Klingonen verfolgen«, sagte Williams.

»Noch nicht, Sir«, warf Sangupta ein, während er die Anzeigen auf seiner Konsole studierte. »Wir müssen uns ein Bild aus der Nähe verschaffen.«

»Was ist los?«, fragte Travis Mayweather, der neben Reed stand.

»Einige der Abteile sind mit Methylacetylengas geflutet. Für die meisten Humanoiden ist es toxisch. Es erstickt einen, wenn es den Sauerstoff ersetzt. Aber Lorillianer haben eine schräge Biochemie. Es könnte also Überlebende geben, deren Lebenszeichen zu schwach sind, um sie von hier aus zu empfangen.«

Reed nickte. »Also schön. Finden Sie, wenn möglich, eine intakte Andockschleuse. Travis – bereiten Sie einen Entertrupp vor.«

Sanguptas Instinkt erwies sich als richtig. Mayweathers Gruppe fand sieben Leichen, alles Opfer des klingonischen Disruptorfeuers. Außerdem entdeckte Sangupta zwei weitere, die in der Nähe im All trieben. Aber die übrigen fünf Mitglieder der Frachterbesatzung wurden im mit Methylacetylen gefluteten Maschinenraum gefunden, ihre Lebenszeichen zwar kaum registrierbar, doch vorhanden.

Einer von ihnen starb, bevor Doktor Liao imstande war, ihn zu stabilisieren. Der Rest allerdings befand sich nun in der Krankenstation der Pioneer, wo Malcolm Reed und Val Williams mit dem Chefingenieur sprachen, einer Frau mittleren Alters namens Dashec. Die Lorillianerin mit dem sandblonden Haar unterschied sich von Menschen nur durch eine vertikale Spalte zwischen den Augenbrauen und die subtilen Nuancen in Körpersprache und Geruch, zwei Dinge, die ein erfahrener Raumreisender wie Reed gelernt hatte, wahrzunehmen. Dashec war schwach, aber zutiefst erleichtert, dass ein Großteil ihrer Leute aus dem Maschinenraum überlebt hatte – insbesondere, weil unter den dreien auch ihr »Fortpflanzungspartner« war, wie sie ihn nannte, außerdem ihre erwachsene Tochter. Der dritte war eine Art Cousin. Es schien, als ähnelten die Besatzungen lorillianischer Frachter sehr den Gemeinschaften der »Weltraumnomaden«, denen Therese Liao und Travis Mayweather entstammten und die auf langsamen Schiffen lebten, die hauptsächlich von Familien geführt wurden. Daher waren auch etliche der Toten Familienmitglieder gewesen, und Dashec bat Reed eindringlich, die Klingonen zu jagen und ein für alle Mal zur Strecke zu bringen.

»Ich fürchte, das hier ist kein Kriegsschiff«, erklärte er ihr mit so viel Verständnis, wie er aufbringen konnte. »Aber wir werden für Sie tun, was wir können.«

Das genügte ihr offensichtlich nicht. Liao warf ihrem Captain einen vielsagenden Blick zu und empfahl dann, der Ingenieurin etwas Ruhe zu gönnen.

Sie waren kaum draußen auf dem Korridor, als Williams die Hand zur Faust ballte und in die flache Handfläche schlug. »Diese klingonischen Mistkerle. Wir können sie noch immer erwischen, Sir.«

»Um was zu tun? Wir befinden uns außerhalb unseres Hoheitsgebiets. Das hier ist rigelianischer Raum.«

»Kaum, Sir. Sie kennen die Rigelianer. Sie machen ebenso gerne Geschäfte mit Piraten und Sklavenhändlern wie mit deren Opfern.«

»Trotzdem sind sie das, was einer rechtmäßigen Regierung in diesem Sektor am nächsten kommt. Wir werden alle Beweise sammeln, die wir finden können, und ihnen nahelegen, nach dem gestohlenen Duranium Ausschau zu halten. Möglicherweise wird auch die lorillianische Regierung Druck ausüben, um sie zum Handeln zu zwingen. Die Lorillianer gehören zu den größten Handelspartnern der Rigelianer.«

»Bis dahin sind die Klingonen weit weg. Wir können sie selbst aufspüren.«

»Zuerst müssen wir die Lorillianer an einem sicheren Ort abliefern.«

»Dashec klang in meinen Ohren so, als sei sie bereit, das Risiko einzugehen.«

»Für sich, Val. Vielleicht für ihren Partner. Aber für ihre Tochter?«

Williams blieb stehen und ihre Schultern sackten nach unten. Nach einem Moment fuhr sie sich mit der Hand durchs rotbraune Haar. »Warum sind wir denn überhaupt hier draußen, wenn wir doch nichts ausrichten können?«

»Wir sind hier draußen, um zu forschen, nicht um Polizei zu spielen«, rief Reed ihr in Erinnerung. »Es war auch für mich während der ersten paar Jahre auf der Enterprise schwierig, diese Wahrheit zu akzeptieren. Manchmal haben wir Dinge gesehen, die wir nicht hinnehmen wollten, aber unsere Möglichkeiten, etwas dagegen zu tun, waren beschränkt. Wir waren bloß ein Schiff, weit weg von zu Hause, das sich im Territorium anderer Leute herumtrieb.«

Er strich sich über den sauber gestutzten Bart, eine Erinnerung daran, wie sehr er sich seit jenen frühen Jahren verändert hatte – was ihm gleichzeitig vor Augen führte, wie viel doch unverändert geblieben war. »Manchmal konnten wir sie stoppen, aber in vielen Fällen blieb uns nichts weiter übrig, als anderen beizubringen, wie sie sich am besten selbst verteidigten, oder einen stärkeren Verbündeten zu Hilfe zu rufen, etwa die Vulkanier.«

Die haselnussbraunen Augen des Waffenoffiziers blickten ihn unverwandt an. »Und was, wenn die Einzigen, die stark genug sind, um etwas zu tun, sich weigern, Sir?«

Auf diese Frage hatte Reed keine Antwort. Solange die Rigelianer nicht überzeugt werden konnten, ihren eigenen Hinterhof strenger zu patrouillieren, war es unwahrscheinlich, dass der Kandari-Sektor nennenswert sicherer werden würde.

10. November 2163U.S.S. Endeavour NCC-06Im Anflug auf das Iota-Pegasi-System

»Achtung, Erdenschiff! Sie erhalten hiermit den Befehl, Ihre Annäherung umgehend zu stoppen. Jeder Versuch, in den Orbit des Asteroiden einzuschwenken oder seinen Besetzern irgendwelche Hilfe zukommen zu lassen, wird mit Gewalt beantwortet!«

Captain T’Pol blinzelte irritiert, als sie die Nachricht erhielten. Die Schlachtkreuzer, die auf dem Hauptbildschirm der Endeavour gut sichtbar einen Kordon um den großen, annähernd zylindrischen Asteroiden bildeten, gehörten zu einer Baureihe, die von den Arkonianern hergestellt und an verschiedene bekannte Spezies verkauft wurde. Allerdings waren sie in den charakteristischen Farben lackiert und wiesen die typischen Umbauten auf, die die Verteidigungsflotte der Vereinigten Planeten von Tellar bevorzugten – eine der Partnernationen der Vereinigten Erde in der Vereinigten Föderation der Planeten. Dieses System hatte jedoch offensichtlich von all der Vereinigung noch nichts mitbekommen.

Einige andere auf der Brücke wirkten ähnlich überrascht. »›Erdenschiff‹?«, fragte Lieutenant Elizabeth Cutler, die an der Wissenschaftsstation links von T’Pol saß. »Die haben aber mehr als nur ein Memo nicht bekommen.«

T’Pol wandte sich der Station direkt vor der von Cutler zu. »Antwortkanal«, befahl sie, und Lieutenant Commander Hoshi Sato führte ihre Anordnung rasch aus. Eine Sekunde später nickte sie.

»Tellariten-Schiff. Hier spricht Captain T’Pol von der U.S.S. Endeavour. Unser Schiff repräsentiert die gesamte Föderation, zu der auch Sie gehören. Das Sternenflottenoberkommando hat uns geschickt, um diesen Konflikt zu untersuchen und beizulegen.«

Ein dunkelhaariger, kräftiger Tellarit erschien auf dem Bildschirm. Er trug eine avocadogrüne Kommandojacke mit drei Streifen an jedem Ärmel und den Schulterklappen, genau wie T’Pol selbst – wenn auch deutlich weiter –, allerdings prangte auf seiner Brust das hufartige Dienstabzeichen der Raumfahrtadministration auf Tellar statt der stilisierten Pfeilspitze der United Earth Space Probe Agency. Außerdem wurde sein rechter Ärmel von dem in brailleartiger Schrift geschriebenen Namen seines Schiffs geziert statt von einem kreisrunden Missionsabzeichen, wie die UESPA sie verwendete. »Ich bin Captain Brantik und habe das Kommando über diese Flotte. Ob Sie nun die Erde oder die Föderation repräsentieren, tut nichts zur Sache. Dieses System gehört zum tellaritischen Raum und damit unterliegt es tellaritischer Jurisdiktion.«

»Wir sind nicht hier, um Tellars Anspruch auf Iota Pegasi infrage zu stellen«, erwiderte T’Pol. »Aber diese Siedler sind Menschen. Damit wird dies zu einem Problem zweier Welten, womit die Auseinandersetzung unter die Gerichtsbarkeit der Föderation fällt.«

Tellar hatte das Binärsystem – das alt genug war, um bewohnbare Planeten aufzuweisen, aber zu jung, als dass es auf diesen komplexeres einheimisches Leben gegeben hätte – vor annähernd zwei Jahrzehnten in Besitz genommen. Allerdings waren damals nur oberflächliche Bemühungen unternommen worden, um das System zu erschließen. Das hatte sich vor Kurzem geändert, als die Mitgliedschaft in der Föderation einen Rohstoffboom ausgelöst hatte. Doch als die Tellariten erneut das System angeflogen hatten, hatten sie feststellen müssen, dass in der Zwischenzeit die Besatzung des Earth-Cargo-Service-Frachters Voortrekker im Asteroidengürtel des Systems eine Kolonie gegründet hatte. Sie hatte einen der größeren Brocken ausgehöhlt und in Rotation versetzt, um eine einfache künstliche Schwerkraft zu erzeugen. Außerdem hatte sie Solarkollektoren, Radiatoren und andere lebensnotwendige Maschinen in seine Oberfläche eingebaut.

Die Tellariten hatten den illegalen »Besetzern« befohlen, zu verschwinden, aber die Raumnomaden hatten sich geweigert, das Heim aufzugeben, in dessen Bau sie so viel Zeit und Arbeit gesteckt hatten. Jede Seite hatte versucht, die andere durch Verhandlungsgeschick, juristische Winkelzüge und monetäre Anreize zu überzeugen, aber beide hatten auf ihrem anfänglichen Anspruch beharrt. Da sich die Gemüter zusehends erhitzt hatten, war von der tellaritischen Regierung nun ein Hilfeersuchen an die Föderation gerichtet worden, um die Gefahr möglicher Gewalt abzuwenden.

Allerdings schien niemand Captain Brantik darüber informiert zu haben. »Das hätten Sie wohl gerne, was?«, sagte er höhnisch. »Ihnen ist auch jede Entschuldigung recht, um in unser Territorium vorzudringen und den starken Mann zu markieren. Aber das ist unser Gebiet, nach Gesetz und Vertrag, und das gibt uns das Recht, unsere eigenen Grenzen zu verteidigen. Sie haben keinerlei Befugnis, uns davon abzuhalten, diese Eindringlinge rauszuwerfen, und wenn Sie unsere Bemühungen behindern, dann werden wir auf Sie schießen, das verspreche ich Ihnen!«

Seine fleischige Hand hieb auf eine Kontrolle und das Bild wurde durch die gut bewaffnete Flotte ersetzt, die er befehligte. Ganz offensichtlich – so ging es T’Pol durch den Kopf – repräsentierte die einheitliche Sternenflottenuniform gegenwärtig eher ein Ideal als einen tatsächlichen Zustand.

»Captain«, meldete Sato. »Wir erhalten einen weiteren Ruf. Er stammt aus dem Inneren des Asteroiden.«

»Auf den Schirm.«

Eine Menschenfrau mit wettergegerbten Zügen und graublondem Haar erschien. »Hier spricht Freya Stark, die Gouverneurin der Voortrekker-Kolonie. Wir rufen das Föderationsschiff, das näher kommt. Sie drehen besser gleich wieder um, wenn Sie wissen, was gut für Ihre schweinegesichtigen Freunde ist! Wir haben sie gewarnt, keine Verstärkungen zu rufen.«

»Partikelkanonenfeuer von der Oberfläche!«, rief Takashi Kimura an der Taktikstation. »Es hat das Führungsschiff des Kordons um neunhundert Meter verfehlt. Ein Warnschuss.«

»Je näher Sie kommen, desto besser werden wir zielen.« Stark beendete ihre Übertragung.

»Brantik ruft uns wieder«, verkündete Sato. Auf T’Pols Nicken hin öffnete sie den Kanal.

»Jetzt sehen Sie, was Sie angerichtet haben?«, brüllte der tellaritische Captain. »Sie fachen das Feuer nur noch an! Kehren Sie um!«

»Ensign, Maschinen stopp«, befahl T’Pol Pedro Ortega an der Flugsteuerung direkt vor ihr. »Wir halten in dieser Entfernung zum Asteroiden die Position.«

»Aye, Captain«, erwiderte der grün uniformierte Ensign.

Neben T’Pol strich sich Commander Thanien ch’Revash über das blaue Kinn. Neugierig bogen sich seine Antennen nach vorne. »Seltsam«, sagte der erfahrene andorianische Offizier. »Beide glauben, dass wir hier sind, um die jeweils andere Seite zu unterstützen.«

»Antwortkanal an beide«, befahl T’Pol Sato. Dann hob sie die Stimme. »Hier spricht Captain T’Pol von der Endeavour. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass wir nicht hier sind, um einer Partei militärische Hilfe zu leisten. Wir alle sind Mitglieder der Föderation, und die Föderation verfügt über Verfahren, um Dispute zwischen ihren Mitgliedsregierungen beizulegen. Die Anwendung von Gewalt durch ein Föderationsmitglied gegenüber einem anderen ist nicht akzeptabel und wird auch nicht toleriert werden – das gilt für Sie beide.«

Erneut erschien Stark auf dem Bildschirm. »Sie irren sich, Vulkanierin«, antwortete die Menschenfrau. »Wir sind eine unabhängige Kolonie. Wir haben uns niemals bereit erklärt, Ihren Föderationsregeln zu gehorchen. Zum Teufel, wir wollten von diesem ganzen schleichenden Föderalismus weg. Das ist der Grund, warum wir uns hier draußen angesiedelt haben.«

»Ihr Schiff ist auf der Erde registriert, Ma’am.«

»Eine Billigflagge.«

»Selbst wenn, damit geht die Verpflichtung einher, den Gesetzen des Flaggenstaats zu gehorchen.«

»Vielleicht auf einem Schiff, aber eine Kolonie ist kein Schiff. Wir werden gegen jeden Versuch der Föderation, uns ihrem Willen zu unterwerfen, Widerstand leisten, und es ändert gar nichts, ein hübscheres Raumschiff zu schicken, um deren schmutzige Arbeit zu tun. Wir werden auf jeden schießen, der versucht, zu uns herunterzukommen!« Sie beendete die Verbindung.

Brantik tauchte erneut auf dem Schirm auf. »Sie werden auf Ihre Logik nicht hören, Vulkanierin. Wir haben schon viel länger mit denen zu tun als Sie, also überlassen Sie das uns. Wir werden keinerlei Einmischung dulden.« Und auch er schloss seinen Kanal.

»Das ist absurd.« Thanien schüttelte den weißhaarigen Kopf. »Was glauben diese Raumnomaden, erreichen zu können? Sie werden belagert.«

»Ich glaube nicht, dass es um Taktik geht, Commander«, sagte Sato. »Es geht um Stolz. Sie sind es gewöhnt, unabhängig zu leben. Das Leben als Raumnomade lockte vor allem solche Leute, die Autonomie und Eigenverantwortung liebten, die fort von den großen Zivilisationen oder Zentralregierungen wollten. Sie wissen, dass sie die kleinen Leute sind, und sie kämpfen dafür, damit das auch so bleibt.«

Der Erste Offizier vollführte eine wegwerfende Handbewegung. »Sie sind das Relikt einer vergangenen Zeit. Die Grenzregionen werden langsam zur ordentlichen Zivilisation. Sie müssen einfach lernen, damit klarzukommen.«

»Sollten wir also den Tellariten einfach freie Hand lassen, sie zu verjagen?«

»Natürlich nicht. Die Tellariten benehmen sich ebenso wie Rebellen wie diese Raumnomaden. Die Föderation hat das Sagen in dieser Sache. Die Gesetze in dieser Hinsicht sind eindeutig.«

»Die Gesetze sind neu, Commander«, erwiderte die zierliche japanische Frau. »Und die meisten von ihnen wurden noch nicht einem Praxistest unterzogen. Wir können nicht von jedem erwarten, dass er bereits ein Experte darin ist, zu verstehen, wie sie funktionieren – oder dass er unsere Meinung teilt, wie sie funktionieren sollten.«

»Dann sollten wir beiden Seiten die entsprechenden Paragraphen zur Einsicht schicken.«

»Beide Gruppen sind offenbar sehr stolz darauf, die Dinge auf ihre eigene Weise zu lösen.«

»Alle unsere Welten mussten Einschränkungen hinnehmen.« In Thaniens Tonfall lag hörbare Ungeduld. »Es ist unsere Pflicht, sie daran zu erinnern.«

»Mit vorgehaltener Waffe? Sie haben doch gesehen, wie nervös beide sind.«

»Wenn ich etwas dazu sagen darf, Commander«, meldete sich Kimura zu Wort. »Wenn wir sie in dem Zustand, in dem sie sich gegenwärtig befinden, unter Druck setzen, ist eine gewaltsame Antwort unausweichlich. Nichts, womit die Endeavour nicht fertigwürde, aber beide Parteien hätten danach ganz sicher Todesopfer zu beklagen.«

»Schlagen Sie eine Alternative vor, Commander Sato?«, fragte T’Pol.

Die ließ sich einen Moment Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen. »Sie sind in einer Sache einer Meinung: dass wir Außenseiter sind, die hier nichts zu sagen haben. Vielleicht sollten wir uns diesen Umstand zunutze machen. Uns als neutrale Drittpartei anbieten, die zwischen ihnen vermitteln kann.«

Thanien runzelte die Stirn. »Aber das würde sie darin unterstützen, die Gesetze der Föderation zu missachten.«

»Ich ziehe es vor, zu sagen, dass wir … uns dazu entschließen, im Augenblick nicht darauf zu pochen. Das Wichtigste ist doch, sie an einen Tisch zu bringen.« Sie wandte sich T’Pol zu. »Captain, das ist die einzige Gemeinsamkeit, die beide haben. Es ist alles, womit wir arbeiten können.«

T’Pol hielt das für eine ziemlich treffende Einschätzung. Dennoch nickte sie bloß zustimmend, dann wandte sie sich an Thanien. »Commander?«

»Zugegeben, auf kurze Sicht könnte es Gewalt verhindern«, gestand der Andorianer mürrisch ein. »Aber mich besorgt der Präzedenzfall, den wir damit setzen. Es gibt schon jetzt Splittergruppen, die versuchen, gegen die Föderation zu rebellieren oder sie zu zersetzen. Die Separatisten auf Alrond, die Anti-Revisionisten auf Vulkan, die Centauri-First-Bewegung – deren Unterstützung im Volk macht mir schon genug Sorgen, insbesondere im Hinblick auf das kommende Wahljahr. Und diese zwei Gruppen scheinen in genau die gleiche Kerbe zu schlagen. Ich halte es auf lange Sicht für wichtiger, dass wir ein deutliches Exempel statuieren.«

»Bei allem Respekt, Commander«, sagte Sato. »Ein hartes Durchgreifen würde nur noch mehr Widerstand von Gruppen wie diesen provozieren. Wir würden ihrer Rhetorik, dass wir ein autoritärer Staat sind, geradewegs in die Hände spielen.«

T’Pol dachte einen Moment lang über die Argumente nach. »Commander Sato hat recht. Unsere unmittelbare Priorität liegt darin, Blutvergießen zu vermeiden. Wir dürfen nicht zulassen, dass irgendwelche möglichen zukünftigen Folgen uns davon abhalten, dieser Pflicht nachzukommen. Und uns selbst als neutrale Drittpartei zu präsentieren, dürfte in diesem Fall unsere beste Option sein.«

Sie sah, dass Thanien unzufrieden war, aber er beugte sich ihrer Entscheidung. »Es wird eine Herausforderung sein, sie von unserer Neutralität zu überzeugen«, sagte er.

»Diese Besatzung hat schon größere Herausforderungen gemeistert«, antwortete T’Pol. Sie wandte sich an Sato. »Commander – öffnen Sie einen Kanal an beide Seiten. Lassen Sie uns beginnen.«

14. November 2163Sternenflottenhauptquartier, San Francisco

»Beide Parteien haben sich zu Commander Satos vorgeschlagener Lösung bereit erklärt, Admiral«, berichtete T’Pol vom Monitor auf Admiral Jonathan Archers Schreibtisch aus. »Die Vereinigten Planeten von Tellar werden ihren Anspruch auf den Voortrekker-Asteroiden zurückziehen, und besagter Asteroid wird in das benachbarte System Ross 271 versetzt.«

Archer lächelte seinem ehemaligen Ersten Offizier zu. »Das sind gute Neuigkeiten, T’Pol. Ich hätte nicht gedacht, dass die Voortrekkers dazu bereit sind. Es fühlt sich … wie ein Rückzug an.«

»Für Planetenbewohner wie uns wäre das so«, erwiderte T’Pol. »Aber Hoshi erkannte, dass Raumnomaden daran gewöhnt sind, ihre Heimat mit sich zu nehmen. Alles, was sie wollten, war, den Asteroiden zu behalten. Wo der Asteroid sich befindet, spielt keine Rolle. Ross 271 liegt nahe genug an den tellaritisch-denobulanischen Handelsrouten, um ihren Bedürfnissen ebenso gerecht zu werden wie Iota Pegasi.«

Archer schüttelte den Kopf. »Trotzdem – einen Asteroiden dieser Größe durch den interstellaren Raum zu bewegen, wird nicht leicht werden.«

»Lieutenant Cutler hat berechnet, dass der Asteroid bis zu einem Maximum von siebenundzwanzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden kann, bevor der Abrieb durch interstellaren Staub zu einer ernsthaften Gefahr wird. Inklusive Beschleunigungs- und Abbremsphase sollten sie imstande sein, den roten Zwerg innerhalb von zwanzig Jahren zu erreichen.«

Er stieß einen Pfiff aus. »Zwanzig Jahre. Das ist eine lange Fahrt, selbst für Raumnomaden.«

»In der Tat. Es dürfte interessant sein, zu beobachten, wie sich ihre Kultur im Laufe der Zeit entwickelt. Es wäre denkbar, dass sich die Generation, die zum Zeitpunkt ihrer Ankunft das Erwachsenenalter erreicht, so sehr daran gewöhnt hat, im All zu leben, dass sie keinen Grund mehr dafür sieht, im Orbit eines Sterns zu verbleiben.«

»Wer weiß? Sie wären nicht die ersten Raumnomaden, die über die Grenzen des bekannten Raums hinauswandern.« Er lächelte. »Ich habe das Gefühl, dass zukünftige Forscher irgendwann einige unerwartete Abkömmlinge der Menschheit dort draußen vorfinden werden.«

»Vielleicht.«

»Und was war mit den Tellariten?«, fuhr Archer fort. »Sie klangen anfangs sehr unwillig, den Rohstoffreichtum des Asteroiden aufzugeben.«

»Es gibt viele weitere Asteroiden in diesem System, insofern ist der materielle Verlust gering. Ich glaube, dass ihr Widerstand eher ihrem Stolz geschuldet war. Dass sie von ihrem Standpunkt aus ihren Rivalen zum Rückzug veranlasst haben, sollte genügen, damit sie das Gesicht wahren können.«

Der Admiral nickte. »Ich weiß, wie wichtig es den Tellariten ist, stark zu wirken.« Seine Miene verfinsterte sich, als er diesen Gedanken weiterverfolgte. »Dennoch hatte Commander Thanien nicht unrecht. Wir können nicht jedes interne Problem lösen, indem wir uns zurückhalten und allen Fraktionen ihre gewünschte Autonomie gestatten. Es gibt bereits zu viele Gruppierungen, die die Föderation lieber heute als morgen auflösen würden oder sich von ihr lossagen wollen. Ganz zu schweigen von den vielen fremden Mächten, die ihnen gern dabei behilflich wären.«

Er dachte an den jüngsten Versuch des Orion-Syndikats und der Malurianer, die Föderation in einen militärischen Konflikt zu locken. Beide Parteien hatten darauf spekuliert, dass sich die zunehmend pazifistischen Vulkanier in dem Fall aus der nach wie vor fragilen Union zurückgezogen hätten. Die orionischen Agenten, die Föderationsbeamte manipuliert hatten, waren enthüllt worden, allerdings fehlte es nach wie vor an belastbaren Beweisen, dass das Syndikat wirklich dahintergesteckt hatte. Außerdem argwöhnte Archer, dass eine ganze Reihe malurianischer Maulwürfe unbemerkt untergetaucht waren. Schließlich waren sie Meister der Tarnung und Infiltration.

Zugegeben, es war davon auszugehen, dass die separatistischen und isolationistischen Fraktionen auf den Mitgliedswelten der Föderation schlicht die Art von Opposition war, die in jeder freien, pluralistischen Gesellschaft zwangsläufig aufkam. Und dass sie derzeit nicht nur regen Zulauf verzeichneten, sondern auch an Lautstärke gewannen, war bloß eine Reaktion auf die zunehmende Einheit der Föderation. Beides würde wieder nachlassen, wenn sich erst einmal zeigte, dass sich die Vorhersagen als falsch erwiesen und sich die Föderation weder zur Diktatur entwickelte noch die Zukunft zu einem düsteren Jammertal. Doch selbst wenn sie nicht von außen beeinflusst wurden, durfte man den Separatisten nicht zu viel Leine lassen, sonst wurde das noch instabile Fundament der Föderation möglicherweise gefährlich untergraben.

»Früher oder später«, fuhr er fort, »müssen sich die Leute an den Gedanken gewöhnen, dass die Föderationsgesetze auch für sie gelten.«

»Ich nehme die Sorgen des Commanders durchaus ernst«, gab T’Pol zurück. »Aber ich neige dazu, Hoshi zuzustimmen, dass wir die Herzen und Gemüter eher gewinnen, wenn wir Vernunft und Güte demonstrieren, statt uns Einschüchterungsmethoden zu bedienen.«

Archer entging keineswegs, wie unterschiedlich sie die beiden Offiziere nannte. »Ich hoffe, dass Sie recht haben, T’Pol. Aber es ist … logisch …, die Standpunkte anderer ebenfalls in Betracht zu ziehen.« Er lächelte. »Ich bin mit meinem Ersten Offizier nicht immer gut zurechtgekommen. Aber ich habe mit der Zeit gelernt, wie wertvoll es sein kann, jemandem zuzuhören, der anderer Meinung ist als ich.«

T’Pol sah ihn eine ganze Weile unverwandt an. »Ich verstehe. Ich werde an diesen Rat denken, Admiral.«

Nachdem sie das Gespräch beendet hatten, bat Archer seinen Berater, Captain Williams, den tellaritischen Ratsherrn zu kontaktieren, damit er ihm die guten Neuigkeiten überbringen konnte. Dieses Feuer war gelöscht – was bedeutete, dass er nun mehr Zeit erübrigen konnte, um sich all den anderen zu widmen, die in diesem Augenblick noch schwelten.

2164

12. Februar 2164Verex III, orionisch-klingonisches Grenzgebiet

»… also dürften für alle Anwesenden die Vorteile einer solchen Allianz ersichtlich sein«, verkündete der kräftige Orioner am Kopf des Konferenztischs, wobei er abwechselnd auf seine beiden Gäste schaute. »Solange wir allein unsere Geschäfte machten, zwang die Macht der Vulkanier unsere beiden Organisationen immer wieder zum Rückzug. Jetzt sind die Vulkanier Teil einer größeren, noch stärkeren Föderation, deren Sternenflottenpatrouillen immer stärker unsere Bemühungen stören, im Geschäft zu bleiben. Welche bessere Antwort könnten wir darauf haben, als selbst eine Partnerschaft einzugehen, um ihnen Widerstand zu leisten?« Der grünhäutige Mann mit der volltönenden Baritonstimme sah sich fragend um.

»Die Vorteile eines Bündnisses mit Ihren … Vorgesetzten sind offensichtlich, Harrad-Sar«, erwiderte die Abgesandte der Mazariten, Eldi Zankor. Dann aber lächelte sie höhnisch, ein Ausdruck, der die bogenförmigen Hautlappen, die sich von ihren Wangenknochen bis zu den Ohren erstreckten, in die Länge zog. »Aber kann Jofirek hier überhaupt liefern? Die Vulkanier haben sein Syndikat von Agaron gejagt, während ich noch das Laufen lernte, und seitdem ringt er darum, irgendeine Bedeutung zu haben!«

Trotz des weißen Haars an ihren Schläfen und Augenbrauen, einem typischen Merkmal ihrer Spezies, war Zankor in den besten Jahren. Ihr Ehrgeiz und ihre Skrupellosigkeit – sowie die politische Säuberungsaktion, die ihre Vorgänger vor ein paar Jahren erwischt hatte – hatten es ihr ermöglicht, bereits frühzeitig zum Kopf des Verbrechersyndikats von Mazar aufzusteigen.

Das Gleiche konnte man nicht von dem schrumpeligen, silberhaarigen Agaronier sagen, der ihr gegenüber saß und dessen charakteristische vertikale Furche, die die Stirn seiner Leute teilte, beinahe in einem Meer aus Falten verschwand. »Was erlauben Sie sich!«, schnaufte er. »Meine Schmuggel- und Drogenverbindungen reichen zwei Sektoren weit!«

»Höchstens zwei oder drei Systeme in jedem Sektor. Warum wollen Sie überhaupt, dass dieses Fossil Teil unserer Allianz ist, Harrad-Sar? Er wird uns nur ein Klotz am Bein sein.«

»Ich hatte vierzig Jahre Zeit, um meine Organisation neu aufzubauen! Ihre Gruppe versucht doch nach ihrer Säuberung noch, die Reste zusammenzuklauben!«

Harrad-Sar breitete die Hände aus. »Bitte, bitte, meine Freunde«, sagte er. »Die Stärke der Föderation liegt in ihrer Einheit – ihrer Fähigkeit, die Differenzen ihrer Mitglieder hintenanzustellen, um ein Ziel von gemeinsamem Interesse zu verfolgen. Unsere jeweiligen Syndikate werden besser mit ihr klarkommen, wenn wir lernen, ihrem Beispiel zu folgen. Diese gemeinschaftliche Operation kann von Jofireks Erfahrung sowie den Verbindungen und den Absatzgebieten profitieren, die er sich über die Jahrzehnte erarbeiten konnte. Und ebenso profitiert sie von der Leidenschaft und den Ressourcen des Mazariten-Kartells.«

Einen Raum weiter saß Navaar, verfolgte das Geschehen durch eine Scheibe aus einseitig durchsichtigem Glas und lächelte angesichts der Vorstellung ihres Sklaven. »Er macht das gut«, schnurrte die Handelsprinzessin und wickelte abwesend eine Locke ihres üppigen schwarzen Haars um einen schlanken grünen Finger.

»Er war schon immer ein schneller Lerner«, erwiderte ihre Schwester D’Nesh, während sie sich von einem muskulösen Sklaven – größer und jünger als Harrad-Sar, mit weniger und nicht ganz so kunstvollen Metallverzierungen auf dem blanken Schädel – ihr lockiges Haar bürsten ließ. »Ich schätze, du hattest doch recht, ihn nicht zu töten.«

»Ich wusste, dass er seine Fehler wiedergutmachen könnte.« Insgeheim gab Navaar es durchaus zu: Das Versagen, Jonathan Archer vor all den Jahren in die Hände zu bekommen, um sich für seine Einmischung in die Sklavengeschäfte des Orion-Syndikats auf just diesem Planeten hier zu rächen, war ebenso ihre Schuld und die ihrer Schwestern wie die ihres Chefsklaven. Archers Offizieren war es nicht nur irgendwie gelungen, die machtvolle Pheromonkontrolle der Drei Schwestern zu überwinden, die Erde und ihre Verbündeten hatten obendrein die Wahrheit über orionische Frauen erfahren. Denn statt nur Sklaven zu sein, wie sie es vorgaben, waren sie es – oder zumindest ihre mit den stärksten Pheromonen gesegneten Elite-Linien –, die in Wahrheit über die orionische Zivilisation herrschten. Und als wäre das alles noch nicht schlimm genug, hatte die Sternenflottenbesatzung den Warpantrieb von Harrad-Sars Schiff beschädigt und so ihn und die Schwestern dazu gezwungen, mit Unterlichtgeschwindigkeit nach Hause zu kriechen.

Es hatte beinahe ein Jahr gedauert, bis ihre Notsignale ein anderes orionisches Schiff erreichten, und die Schwestern hatten einen Großteil dieses Jahres damit verbracht, Harrad-Sar für sein Versagen büßen zu lassen. D’Nesh hatte ihm alle Piercings rausreißen wollen und sie hatte weiter reißen wollen, bis nichts als ein Haufen aus Knochen und Organen übrig war. Und Maras hätte liebend gerne zugeschaut und sich daran beteiligt. Die jüngste Schwester war eine Frau der einfachen Freuden.

Aber Navaar hatte die Wahrheit erkannt: dass sie Harrad-Sar schlicht zu einem Sündenbock für ihr eigenes Versagen gemacht hatten. Der Grund dafür war die Furcht vor den Konsequenzen, die sie erwartete, wenn sie schließlich in Schande nach Hause zurückkehrten. Sie hatte ihre Geschwister davon überzeugt, dass sie nun enger zusammenhalten mussten denn je, wenn sie überleben wollten, und dass sie lieber auf die Loyalität ihrer gegenwärtigen Sklaven bauen sollten, statt sie wegzuwerfen und von vorne anzufangen.

Im Gegenzug hatte Harrad-Sar – unter ein wenig Mithilfe seiner Besitzer – erkannt, dass seine eigenen besten Chancen auf Überleben darin lagen, den Schwestern zu helfen, diese Krise zu überstehen. Und tatsächlich war es wohl das enge Band gewesen, das sich zwischen den vieren während ihrer langen Heimreise gebildet hatte, das es ihnen ermöglichte, ihre Schande zu ertragen, stärker daraus hervorzugehen und letzten Ende an ihre gegenwärtigen Führungspositionen innerhalb des Syndikats aufzusteigen.

»Ihre Argumente sind alle schön und gut«, sagte Jofirek gerade zu Harrad-Sar, »aber ich bin zu wichtig, um mit Mittelsmännern zu verhandeln. Wann werde ich endlich Ihre Vorgesetzten sehen?«

Zankor grinste spöttisch. »Zügeln Sie Ihre Lust, alter Mann. Allein ihr Anblick würde Ihnen wahrscheinlich einen Herzanfall bescheren.«

Navaar lächelte, sowohl über das Kompliment als auch über die Ironie. Obwohl die Existenz und die Bedeutung der Schwestern in den höheren Rängen der anderen Syndikate bekannt waren, wussten nur wenige, wie sie tatsächlich aussahen. Daher waren sich auch Zankor und Jofirek nicht bewusst, dass Maras sich mit ihnen im Raum aufhielt. Sie spielte die Rolle einer jungen Teilnehmerin, die eine untergeordnete und im Wesentlichen dekorative Funktion bei den Verhandlungen innehatte.

Um Zankors Bedürfnisse kümmerte sich allerdings ein riesiger und beinahe nackter männlicher Sklave. Obwohl Maras, gelinde gesagt, eher in körperlichen Dingen als in geistigen herausragte, war sie schlau genug, Zankor nicht zu nahe zu kommen, denn sie wusste, dass Pheromone, die so stark wie die der Schwestern waren, humanoide Frauen leicht reizbar machten. Zankor war schon streitlustig genug ohne einen solchen hormonellen Schub. Aber Maras saß nahe genug bei Jofirek, um ihn zu erregen und offen für Beeinflussungen zu machen. So war sichergestellt, dass er alles tun würde, was immer Harrad-Sar im Namen der Schwestern von ihm verlangte.

Im Augenblick versicherte Sar dem alten Mann, dass er absolut berechtigt war, für das Syndikat zu sprechen. Doch Navaar wurde durch das unzufriedene Grunzen des Wesens abgelenkt, das zu ihrer Linken stand und ebenfalls durch den Spiegel schaute. »Was gefällt Ihnen nicht, Garos?«, wollte sie wissen.

Dular Garos wandte ihr sein breites, von grauen Schuppen bedecktes Gesicht zu. »Ich teile Zankors Skepsis Jofireks Nützlichkeit betreffend«, verkündete der Malurianer mit seiner tiefen, vollen Stimme. »Im Grunde ist es überhaupt Zeitverschwendung, mit den beiden zu verhandeln. Beider Organisationen liegen in Trümmern. Sie kämpfen um die geringste Bedeutung. Was können sie Ihnen bieten, was Ihnen die Raldul-Gruppierung nicht bieten könnte?«

Hinter ihnen lachte D’Nesh. »Sie sind nur eifersüchtig.«

»Ich bin überrascht über Sie, Garos«, sagte Navaar mit einem milderen Lächeln. »Sie kennen unsere Langzeitziele genauso gut wie jeder andere. Um die Föderation in ihrem eigenen Spiel zu schlagen, müssen wir unsere Allianz vergrößern und jede Ressource anzapfen, die uns möglich ist. Wir müssen imstande sein, von allen Seiten zuzuschlagen.«

»Richtig«, bestätigte D’Nesh. »Und außerdem kann es nicht schaden, ein paar Opfertiere zu haben, die man ihnen in den Weg werfen kann, wenn es nötig werden sollte.«

Garos warf ihr einen misstrauischen Blick zu. »Solange Maluria nicht plötzlich eins dieser Opfer sein soll …«

»Garos, Garos.« Navaar strich ihm über den Arm. »Glauben Sie wirklich, dass wir uns Ihnen so offen enthüllt hätten, wenn wir Sie nicht als unseren engsten Verbündeten betrachten würden?«

»Sie haben sich mir gegenüber nur enthüllt, weil Sie wissen, dass Malurianer dominante Frauen mögen.«

Wie immer zeigte er sich unerfreulich unbeeindruckt von ihren instinktiven Versuchen der Verführung. Seine Reptilienherkunft machte ihn immun gegen die Pheromone der Orionerin, und obendrein waren malurianische Männer unwiderruflich an die großen, polyandrischen Frauen gebunden, die normalerweise auf ihrer Heimatwelt Malur blieben. Garos lebte im Exil, fern von Maluria – dem System, das Malur und seine drei Koloniewelten umfasste –, und jede seiner Handlungen war von der einen Hoffnung angetrieben, dass er eines Tages ruhmvoll nach Hause zurückkehren konnte.

»Aber Sie haben doch gesehen, dass wir uns auch anderen von entsprechender Bedeutung enthüllt haben. Dem Basileus von Sauria zum Beispiel.«

»Nur, weil er mich nicht als Ihren Repräsentanten akzeptiert hat«, erwiderte Garos mürrisch. Er war noch immer verletzt, weil Maltuvis ihn abgewiesen hatte.

Navaar blickte ihn unverwandt an. »Was können wir tun, um Sie davon zu überzeugen, wie ernst es uns mit der Partnerschaft mit Raldul ist?«

»Sie könnten sich einer Angelegenheit von höherer Wichtigkeit zuwenden«, gab er zurück.

D’Nesh präsentierte ihm einen süßen Schmollmund, doch es lag eiserne Härte dahinter. »Beispielsweise?«

»Beispielsweise der Situation in der rigelianischen Handelskommission. Die Lorillianer und die Axanar machen Druck auf Rigel. Sie verlangen stärkere Sicherheits- und Anti-Piraterie-Patrouillen im Kandari-Sektor. Sie wollen sogar, dass Rigel sich der Föderation anschließt, um danach den Schutz der Sternenflotte anfordern zu können! Die Kommission hat die Föderation bereits zu Gesprächen eingeladen. Und wenn Rigel ihr beitritt, werden andere rasch folgen.« Er deutete auf die Unterhändler auf der anderen Seite des Spiegels. »Was wird es uns bringen, diese unwichtigen Spieler in unseren Kreis aufzunehmen, wenn die Föderation in der Zeit, in der unsere Aufmerksamkeit gebunden ist, ihre Größe annähernd verdoppelt?«

»Ach, Garos«, sagte Navaar. »Sie machen sich zu viele Gedanken über kurzfristige Probleme. Wir spielen hier auf lange Sicht.«

»Sie vielleicht. Das Territorium des Syndikats ist groß genug, dass es den Verlust leicht verschmerzen kann, sollte Rigel im Kandari-Sektor Jagd auf Verbrecher und Piraten machen. Aber meine Gruppierung ist weit stärker von diesen Einnahmequellen abhängig.«

Navaar lächelte. »Und hier kommt der Vorteil unserer Partnerschaft zum Tragen! Sie gestattet uns, unsere Aufmerksamkeit mehreren Zielen gleichzeitig zuzuwenden. Sie dürfen sich sehr gerne dem Rigel-Problem widmen, wenn es Sie dermaßen besorgt. Wir vertrauen darauf, dass Raldul die Fähigkeiten und die Ressourcen hat, um solch eine Operation durchzuführen.«

Garos schnitt eine Grimasse. »Während Sie Verführungsspielchen mit Relikten wie diesen spielen.«

»Sie sollten es eigentlich besser wissen, mein Freund«, sagte Navaar zu ihm und wandte sich wieder der Scheibe zu, um zuzuschauen, wie beide Verbrecherfürsten schließlich einwilligten und ihre Daumenabdrücke auf den Bündnisvertrag setzten. »Dies hier ist ein kleines Stück in einem viel größeren Puzzle. Und andere, deutlich wichtigere Entwicklungen wurden bereits angestoßen.«

25. Februar 2164Hafen von Patorco, Narpra, Sauria(Psi Serpentis IV)

Dank Patorco hatte Antonio Ruiz sich in die Dunkelheit verliebt.

Die Hafenstadt war am Rand von Narpras größter Insel in eine riesige und teilweise überflutete Lavaröhre gebaut worden, wobei man die Wohnhäuser und Geschäfte unmittelbar in den Fels der Wände gegraben hatte. Dutzende Ebenen an Unterkünften wölbten sich über Hafenwegen, die von achttausendjähriger Benutzung durch mit Schwimmhäuten versehene Füße blank poliert worden waren. Am Wasser gab es schwere, hölzerne Piers, die hochgezogen und als Flutwände genutzt werden konnten, wenn einer der häufigen, kräftigen Stürme auf Sauria die Kaverne flutete.

Hoch über seinem Kopf konnte Ruiz das Geflecht aus sorgsam gezüchteten, breitblättrigen Pflanzen erkennen, das die Lücken in der Decke überspannte und während des Tages das Sonnenlicht filterte. Dadurch schützte es einerseits die großen Nachtsichtaugen der Saurianer und gleichzeitig speicherten die Gewächse die Sonnenergie in einem kalorienreichen Pflanzenöl, das sowohl als Treibstoff als auch als Grundnahrungsmittel Verwendung fand.

Doch um diese Jahreszeit war Psi Serpentis A an diesem Breitengrad ohnehin nur ein Drittel des Tages zu sehen, und nur das schwache Licht des fernen roten Zwergs, der den Stern begleitete, fiel gegenwärtig durch das Blätterwerk, etwa so hell wie eine Mondsichel auf der Erde.

Dennoch schimmerte das Wasser, und die biolumineszenten Algen darin beschienen den Hafen mit sanftem blauem Licht. Über Ruiz’ Kopf fingen auf Hochglanz polierte Bleche aus Gold, Silber und Bronze sowie modernere Spiegel das Licht vom Hafen ein und verteilten es in der Stadt. Gleichzeitig fügten Straßenlaternen voller biolumineszenter Insekten dem Licht eine Vielzahl sanfter Farbtöne hinzu.

Nach menschlichen Standards war es schwach. Daher trugen Ruiz und die anderen Föderationsberater wie selbstverständlich Nachtsichtbrillen, und er achtete darauf, jeden Tag einige Stunden in einem hellen Raum zu verbringen sowie seine tägliche Dosis an Melatonin-Ergänzungen zu nehmen, um durch Dunkelheit verursachten Depressionen vorzubeugen.

Aber während seiner Monate auf Sauria hatte er gelernt, mit der dämmrigen Beleuchtung auszukommen, die die Saurianer bevorzugten, sodass er die Schönheit der Stadt auf die Art und Weise zu sehen vermochte, wie sie gesehen werden sollte. Alles an diesem Ort war ein Triumph der Ingenieurwissenschaften – sowohl im mechanischen als auch im biologischen Sinne. Ruiz war selbst Ingenieur und er kam nicht umhin, das zu bewundern.

Die Gesellschaft hier war natürlich der andere Hauptanziehungspunkt. Die Narpraner waren ein ausgelassenes, freundliches Volk und sie weckten diese Qualitäten auch in anderen. Jedenfalls fand Ruiz Narpra deutlich angenehmer als M’Tezir, die erste Nation auf Sauria, zu der er und seine Kollegen, allesamt Bergbauingenieure, geschickt worden waren, um den Einheimischen umweltschonende Abbautechniken beizubringen. Die geologischen Kräfte, die den schmalen Kontinent M’Tezir geschaffen hatten – im Grunde handelte es sich bloß um eine weitläufige Bergkette, die aus dem Ozean hervorragte –, hatten auch die Vorkommen an Dilithium, Duranium und seltenen Erden im Planetenmantel näher als überall sonst auf Sauria an die Oberfläche gebracht. Entsprechend stand der Kontinent besonders im Fokus der Bergbauunternehmungen der Föderation.

Aber der neue Reichtum, der durch diesen Handel auf die zuvor verarmte Landmasse gespült worden war, hatte das gemeine Volk, das Ruiz als verstohlen, finster und misstrauisch Fremden gegenüber kennengelernt hatte, noch nicht erreicht. Ihr Herrscher, ein Kriegsfürst alter Schule, der sich Maltuvis nannte, gab sich der Föderation und der saurianischen Globalen Liga gegenüber freundlich, um von den Handelsabkommen zu profitieren. Das änderte jedoch nichts an der Art, wie er mit seinen Untertanen umging – Leuten, die sich an das wenige klammerten, was sie hatten, und in Fremden vor allem unwillkommene Konkurrenz sahen. Dabei unterstützte Maltuvis diese Xenophobie durchaus.

Ruiz war sehr dankbar gewesen, als sie nach Narpra umgezogen waren, ein Mitglied der Globalen Liga, dessen Inseln sich von der nördlichen Spitze M’Tezirs bis zur Westküste des größten Kontinents des Planeten erstreckten. Zum einen war das kühlere Klima deutlich angenehmer für Ruiz – nach Erdenstandards zwar noch immer tropisch, aber kaum anders als in seiner Heimat Kuba. Zum anderen herrschte ein deutlich milderes soziales Klima. Er und seine Kollegen waren von Anfang an in das Sozialleben ihrer narpranischen Schützlinge eingebunden worden.

Ruiz grinste, als Rediks, die Lieblingssauna und Bar der Bergleute, in Sicht kam. Die örtlichen Minenarbeiter brachten die Menschen schon seit Wochen hierher, und Ruiz hatte direkt daran Gefallen gefunden. Zwischen den Sternen waren die Saurianer bereits für ihren Brandy berühmt, dessen potentem Charme auch Ruiz durchaus etwas abgewinnen konnte. Im Rediks