Star Trek - Rise of the Federation 3: Zweifelhafte Logik - Christopher L. Bennett - E-Book

Star Trek - Rise of the Federation 3: Zweifelhafte Logik E-Book

Christopher L. Bennett

0,0

Beschreibung

Vor Jahren haben Jonathan Archer und T'Pol dabei geholfen, die wahren Lehren des großen vulkanischen Philosophen Surak zu bergen und waren damit Geburtshelfer einer neuen Ära der friedlichen Reformation auf Vulkan geworden. Aber nachdem man ihre Entdeckung als angeblichen Schwindel enttarnt, droht der damit einhergehende Skandal ein Jahrzehnt Fortschritt zunichte zu machen und es besteht die Gefahr, dass die Vulkanier in ihre früheren kriegerischen Handlungsweisen zurückfallen. Admiral Archer, Captain T'Pol und die Besatzung der U.S.S. Endeavour gehen der Sache zusammen mit ihren vulkanischen Verbündeten nach, aber keiner von ihnen ahnt, wer wirklich hinter der Verschwörung, Vulkan zurückzuerobern, steckt – oder welchen Preis sie für die Entdeckung der Wahrheit zahlen müssen. Als in der Zwischenzeit jenseits der Grenzen der Föderation eine längst vergessene technologische Bedrohung erneut zum Vorschein kommt, versucht Captain Malcolm Reed von der U.S.S. Pioneer mit der Hilfe seines alten Freunds "Trip" Tucker ihren Ursprung zu ergründen. Bald schon müssen sie erkennen, dass andere Zivilisationen versuchen, diese gefährliche Macht zu ihrem eigenen Nutzen zu missbrauchen, selbst wenn die Föderation daran zugrunde geht!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 587

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



STAR TREK™

RISEOF THEFEDERATION

Zweifelhafte Logik

Christopher L. Bennett

Based onStar Trekcreated by Gene Roddenberryand Star Trek: Enterprisecreated by Rick Berman & Brannon Braga

Ins Deutsche übertragen vonBernd Perplies

Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – RISE OF THE FEDERATION: ZWEIFELHAFTE LOGIK wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg. Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern, Übersetzung: Bernd Perplies; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Kerstin Feuersänger; Korrektorat: André Piotrowski; Satz: Rowan Rüster/Amigo Grafik; Cover Artwork: Martin Frei; Print-Ausgabe gedruckt von CPI Moravia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice. Printed in the Czech Republic.

Titel der Originalausgabe: STAR TREK – ENTERPRISE: RISE OF THE FEDERATION: UNCERTAIN LOGIC

German translation copyright © 2018 by Amigo Grafik GbR.

Original English language edition copyright © 2015 by CBS Studios Inc. All rights reserved.

™ & © 2018 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc. All Rights Reserved.

This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.

Print ISBN 978-3-95981-533-8 (April 2018) • E-Book ISBN 978-3-95981-534-5 (April 2018)

WWW.CROSS-CULT.DE • WWW.STARTREKROMANE.DE • WWW.STARTREK.COM

Im Gedenken an Mark Lenard

Logik dient dazu, die Wahrheit zu finden,nicht sie zu erschaffen.

– Surak, Kir’Shara

Inhalt

2165

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

EPILOG

DANKSAGUNGEN

2165

6. Januar 2165Zentralkrankenhaus TesKahr,Konföderation von Vulkan

T’Rin schätzte die Stille und die Einsamkeit, die während der Nachtschicht in den Datenarchiven herrschten. Es war eine höchst angenehme Umgebung, um Recherchen für ihre Dissertation zu betreiben, fern aller Ablenkungen wie die administrativen Aufgaben, die sie tagsüber im Krankenhaus zu bewältigen hatte, oder der Enthusiasmus ihrer denobulanischen Zimmergenossin zu Hause. Daher gestattete sich T’Rin auch ein kurzes Aufflackern des Unmuts, als ein bewaffneter Mann voller Panik in den ansonsten verwaisten Studienbereich platzte, ihr seine Phasenpistole unter die Nase hielt und »Keine Bewegung!« schrie.

Im nächsten Moment widersprach sich der dem Aussehen nach vulkanische Mann gleich selbst, indem er ihren Arm packte und sie grob von ihrem Stuhl zerrte, wobei er sie herumwirbelte, um sie von hinten zu umklammern. Er drückte seine Waffe gegen ihre Schläfe, während er sie mit sich zwischen die Regale zerrte. »Sie kommen mit mir!«

Von draußen vernahm sie heraneilende Schritte. Ihr Entführer schien sie bislang nicht bemerkt zu haben, daher ergriff sie das Wort, um das Geräusch zu übertönen. »Wären Sie so freundlich, mir den Grund für diese …«

»Halten Sie den Mund!«

Die Haupttür öffnete sich, was ihren Entführer dazu veranlasste, sie hinter ein Regal zu ziehen. Durch einen Schlitz zwischen den Brettern erhaschte T’Rin einen kurzen Blick auf die Schultern zweier Gestalten, die neben der Tür standen und den Rahmen als Deckung nutzten, während sie ins Innere lugten. Einer war in die Uniform der vulkanischen Sicherheit gekleidet, während der andere – dem Anschein nach ein Mensch – eine schiefergraue Jacke anhatte, die ein mehrfarbiges, kreisrundes Abzeichen oben auf dem Ärmel und mindestens eine Schulterklappe mit zwei goldenen Streifen aufwies. T’Rin war sich ziemlich sicher, dass es sich um eine Sternenflottenuniform handelte.

»Bleiben Sie draußen!«, schrie der Bewaffnete neben ihr. »Ich habe eine Geisel! Wenn Sie näher kommen, werde ich sie umbringen!«

»Beruhigen Sie sich, Temos«, antwortete der Mensch. »Schauen Sie sich um. Von hier gibt es kein Entkommen mehr. Wenn Sie diese Frau verletzen, macht es das für Sie nur noch schwerer.«

»Ich lasse nicht zu, dass Sie mich lebend bekommen! Und jetzt: Bleiben Sie weg!« Es war eigenartig, solche Aufregung auf einem Gesicht zu sehen, das derart vulkanisch wirkte.

»Niemand muss verletzt werden, in Ordnung? Ich möchte nur gern mit der Frau reden, die Sie festhalten, wenn Sie gestatten.«

»Ich kann durchaus für mich selbst sprechen«, informierte T’Rin den Sternenflottenoffizier.

»Das ist gut, Ma’am. Mein Name ist Lieutenant Commander Takashi Kimura. Ich bin von der U.S.S. Endeavour. Und wer sind Sie?«

»T’Rin aus TesKahr«, erwiderte sie. Ihr war klar, was der Commander versuchte. Er wollte erreichen, dass ihr Entführer sie als Person wahrnahm. »Ich arbeite in diesem Krankenhaus.«

»Machen Sie heute Abend Überstunden?«

»Ich widme mich einem privaten Studienprojekt.« Sie funkelte Temos an – falls Temos überhaupt sein richtiger Name war. »Dessen Störung ich nicht gutheiße.«

»Genug davon!«, fauchte der Bewaffnete. »Reden Sie mit mir! Sie reden mit mir!«

»Ich versuche nur dafür zu sorgen, dass sich alle wohlfühlen.«

T’Rin sprach, bevor Temos antworten konnte. »Ihre Sorge ist unnötig, Commander. Sie haben meine Erlaubnis zu tun, was getan werden muss, um diese Situation aufzulösen.«

»Halten Sie den Mund!« Temos feuerte auf die Tür und zwang seine Verfolger damit, sich zu ducken. »Wollen Sie von mir erschossen werden?«

»Nein. Aber wir befinden uns hier in einem Krankenhaus. Meine Überlebenschancen, sollten Sie auf mich schießen, dürften daher hier höher liegen als an praktisch jedem anderen Ort.« Sie musterte ihn. »Da außerdem Ihr Verhalten Ihr vulkanisches Äußeres Lügen straft, muss ich davon ausgehen, dass Sie ein Betrüger sind. Höchstwahrscheinlich ein malurianischer Agent. Aus diesem Grund nehme ich an, dass Ihre Kenntnisse der vulkanischen Anatomie begrenzt sind, was die Wahrscheinlichkeit zusätzlich senkt, dass Sie mir eine umgehend tödliche Verletzung zufügen können.«

»Machen Sie nur so weiter, und wir werden es ausprobieren!« Sein Wutausbruch bestätigte das Ergebnis ihrer Deduktion nur. Kriminelle Elemente der malurianischen Spezies, die für ihre Begabung zur Tarnung und Infiltration berühmt war, beherrschten die Nachrichten, seit sie gemeinsam mit anderen Verbrecherorganisationen unter der Führung des Orion-Syndikats angeblich versucht hatten, die Wahl des Präsidenten der Vereinigten Föderation der Planeten im letzten Jahr zu manipulieren. Sie hatten damit jene Fraktionen unterstützen wollen, die eine Schwächung – und im Extremfall sogar Auflösung – des Föderalstaats zugunsten planetarer Autonomie zum Ziel hatten. Nachdem dies bekannt geworden war, hatten die meisten Planetaristen-Fraktionen freiwillig kooperiert, um die Agitatoren in ihren Reihen auszusieben.

Eine Ausnahme stellte Vulkans eigene Anti-Revisionisten-Bewegung unter Professor T’Nol dar, die mit allem Nachdruck auch nur den Gedanken von sich gewiesen hatte, ihre Gruppe könnte kompromittiert worden sein. T’Rins Ansicht nach hatte sie das für eine weitere Infiltration geradezu prädestiniert – eine Annahme, die durch ihre gegenwärtige Situation eindeutig gestützt wurde.

»Wir haben alle Ausgänge gesichert, Temos!«, rief Kimura. »Sie erreichen auf diese Weise gar nichts.«

Der getarnte Eindringling gab die Suche nach einem Fluchtweg auf. Er schubste T’Rin in einem kurzen Gangendstück zwischen zwei Regalreihen zu Boden und hielt dann nervös am offenen Ende Wache. »Ich werde Sie alle mit mir nehmen, wenn ich es muss! Ich habe keine Angst davor zu sterben!«

Der Mann von der Sternenflotte antwortete in behutsamem, beruhigendem Tonfall. »Ehrlich gesagt, Temos, kommt es mir so vor, als ginge es Ihnen bei dem, was Sie gerade tun, vor allem darum, am Leben zu bleiben. Also, ich möchte Ihnen dabei helfen herauszufinden, wie wir das bewerkstelligen können.«

»Das wäre für alle Beteiligten angenehm«, meinte T’Rin.

Temos warf ihr einen wütenden Blick zu. »Hören Sie eigentlich nie auf zu reden?«

Sie saß mit verschränkten Armen auf dem Boden und musterte ihn bloß.

»Ich brauche nur etwas Zeit, um nachzudenken. Um diese Sache wieder in Ordnung zu bringen.«

Obwohl er mit sich selbst zu reden schien, sprach er in seiner Aufregung laut genug, dass Kimura ihn hörte. »Das ist gut. Lassen Sie uns das durchdenken.«

»Sagen Sie mir nicht, was ich zu tun habe!«

»Ich will Ihnen doch nur helfen, klarer zu sehen, Temos. Es gibt da ein paar Dinge, über die Sie vielleicht nachdenken möchten.«

Er zögerte. »Was zum Beispiel?«

»Lassen Sie mich zuerst etwas fragen: Welchen Grund sollte ein Spion wie Sie haben, das eigene Leben zu opfern? Es geht darum, dass niemand einen Beweis dafür erhalten soll, dass die Malurianer Einfluss nehmen, richtig?«

»Sie haben doch keine Ahnung, wovon Sie reden!«

»Ich habe erlebt, wie weit die Raldul-Gruppierung geht, um dieses Geheimnis zu wahren. Ich sah einst, wie ein malurianischer Anführer Dutzende seiner eigenen Leute umbrachte, um uns davon abzuhalten herauszufinden, wer sie wirklich waren. Es war gnadenlos. Er hat keinen Moment lang an seine Leute gedacht, hat ihnen keine Überlebenschance gegeben.«

»Sie lügen! Garos sorgt sich um seine Männer. Er würde uns niemals opfern, wenn es nicht unbedingt nötig wäre. All jene Männer wussten das.« Er erstarrte, als ihm auffiel, dass er zu viel gesagt hatte.

Aber der Mensch ging auf den Lapsus nicht ein. Sein Ziel war ganz eindeutig, Temos zu beruhigen, und nicht, ihn noch weiter in die Ecke zu drängen. »Ich verstehe, dass Sie bereit sind, sich für Ihre Sache zu opfern. Aber was würde Ihr Tod bringen, Temos? Wir wissen bereits, dass Sie ein Malurianer sind. Wir haben Beweise dafür. Wissen Sie, wir kennen die Materialien, aus denen die malurianischen Masken bestehen. Der Arzt meines Schiffs, Phlox, hat das herausgefunden. Deshalb haben wir die Hersteller und Händler dieser Materialien angewiesen, auf gewisse Arten von Bestellungen zu achten. Und als Sie die Materialien für diese neue Maske orderten, die Sie tragen, diejenige, die Sie angefertigt haben, um das Krankenhauspersonal zu infiltrieren, wurde die vulkanische Sicherheit alarmiert. So sind wir Ihnen auf die Spur gekommen.«

Kimura hielt kurz inne, bevor er fortfuhr. »Außerdem wissen wir, dass Sie Verbindungen zu den Anti-Revisionisten unterhalten, Temos. Wir fanden die Korrespondenz auf dem Computer in Ihrem Appartement. Also gibt es genau genommen keine Geheimnisse mehr, die Sie bewahren können. Und es gibt auch keine Mission.« Als Kimura fortfuhr, klang er beinahe, als wolle er sich entschuldigen. »Nun, da wir wissen, dass Sie vorhatten, falsche Aufzeichnungen einzuschmuggeln, gibt es keinen Grund mehr, das zu verheimlichen. Sie würden sich und eine unschuldige Frau umsonst umbringen. Ist das wirklich, was Ihre Gruppierung will? Wäre das gut für Maluria?«

Temos schüttelte den Kopf und lachte beinahe. »Oh, das ist Irrsinn.« Er sank gegen die Regale rechts neben T’Rin. »Ich sollte nicht einmal hier sein«, sagte er leise zu ihr und fast so, als spreche er mit einer Vertrauten. »Ich sollte schon vor Monaten den Planeten verlassen haben. Garos wollte mich abziehen, aber diese verdammte Professorin ließ ihn nicht.«

»Professor T’Nol?«, fragte T’Rin. »Die Anführerin der Anti-Revisionisten?«

»Oh, sie versicherte Garos, dass sie mich bloß in Reserve halten würde, dass sie mir gestatten würde, in Deckung zu bleiben, bis sich die Situation entspannt hätte. Aber sie konnte einfach nicht warten.« Er atmete geräuschvoll aus, ein Laut, der auf paradoxe Weise belustigt klang. »Sie ließ das alles so logisch klingen, obwohl ich wusste, dass es ein Fehler war, schon so bald eine Entdeckung zu riskieren. Und schauen Sie, wo ich jetzt sitze!«

»Wenn Sie das Ziel der Professorin für so irrational halten, warum bringen Sie sich dann in Gefahr? Warum ergeben Sie sich nicht den Behörden?«

»Ich kann mich nicht ergeben! Ich darf nicht riskieren, über meine Gruppierung befragt zu werden.«

»Temos, sind Sie noch da?«, rief Kimura.

»Still! Ich versuche nachzudenken!«

»Okay, aber ich würde unser Gespräch gern aufrechterhalten, in Ordnung?«

»Commander«, meldete sich T’Rin zu Wort, »ich glaube, dass Mister Temos und ich gerade selbst ein durchaus produktives Gespräch führen. Aber ich würde Sie gern in einem Punkt, der relevant sein mag, um Rat fragen.«

Der Mensch machte eine Pause. »Wie kann ich Ihnen helfen?«

»Was denken Sie als Sicherheitsexperte? Was würden Mister Temos’ Arbeitgeber tun, wenn sie besorgt wären, dass er gefangen genommen werden könnte? Würden sie sich allein darauf verlassen, dass er sich opfert?« Ihr Blick blieb auf Temos gerichtet, während sie die Frage stellte.

»Nein, Ma’am, das glaube ich nicht. Wenn ich an deren Stelle wäre, hätte ich längst alle Geheimnisse, die er ausplaudern könnte, ungültig gemacht. Zugangscodes und Prozeduren geändert, Außenposten verlegt und so weiter.«

»Ich verstehe. Temos würde in diesem Fall also seine Gruppierung nicht beschützen, indem er Selbstmord beginge?«

»Unwahrscheinlich. Tatsächlich … Temos, hören Sie noch zu?«

Der Bewaffnete blickte unverändert T’Rin an, aber er antwortete Kimura: »Ich bin hier.«

»Sie sagten, dass Garos sich um seine Männer sorgt«, fuhr der Mensch fort. »Dass er Sie niemals ohne Grund opfern würde. Wenn das der Wahrheit entspricht, dann würde er nicht wollen, dass Sie das tun. Nun müssen Sie sich aber dies fragen: Können Sie das Gleiche über Professorin T’Nol sagen? Ist sie es wert, dass man sich für sie umbringt?«

Nach langem, gedankenvollem Schweigen verkündete Temos der Sicherheitstruppe, dass er herauskommen würde. Er legte seine Waffe auf den Boden und ließ zu, dass die anderen ihn in Gewahrsam nahmen. Kimura persönlich kümmerte sich um T’Rin und dankte ihr für, wie er es nannte, ihre tapfere Mithilfe. Unerfreulicherweise bestand er auch darauf, sie für eine Befragung und eine medizinische Untersuchung mitzunehmen, statt sie einfach zu ihren Studien zurückkehren zu lassen, wie sie es sich gewünscht hätte. Als Kimura sie aus dem Archiv führte, ging ihr durch den Kopf, dass sie offensichtlich einen besseren Rückzugsort brauchte, um diesen ganzen Ablenkungen zu entkommen.

7. Januar 2165Regierungsturm, Zentrum von ShiKahr, Vulkan

Admiral Jonathan Archer betrachtete die Nachrichtensendung auf dem Bildschirm im Büro des Ersten Ministers Kuvak mit immenser Befriedigung. Auf dem Schirm unternahm Professorin T’Nol, die hagere, streng wirkende Anführerin der Anti-Revisionisten-Fraktion, gerade einen wenig überzeugenden Versuch, die Aussagen des gefangenen malurianischen Spions herunterzuspielen. Die Umfragewerte, die im unteren Bereich des Schirms angezeigt wurden – dankbarerweise sowohl in vulkanischer als auch in terranischer Schreibweise, wenngleich Archer besser darin wurde, erstere zu lesen –, zeigten sehr deutlich, dass die Unterstützung für die Anti-Revisionisten mit jedem Satz kleiner wurde.

»Ich finde es noch immer erstaunlich, dass T’Nol glaubte, mit diesem Plan Erfolg zu haben«, sagte Kuvak, der hinter seinem Schreibtisch saß und die Hände in die weiten Ärmel seiner Robe geschoben hatte. Der Erste Minister der Konföderation von Vulkan war ein Mann fortgeschrittenen Alters, dessen weißgraues Haar rundliche, griesgrämig dreinschauende Züge einrahmte. Die Wiederentdeckung des Kir’Shara – der lange verloren geglaubten, persönlich verfassten Schriften Suraks, des Vaters der vulkanischen Philosophie – hatte vor elf Jahren eine planetenweite Reformation eingeläutet. Seitdem hatte Kuvak an Gelassenheit und Selbstkontrolle gewonnen. Er war nicht mehr der leicht erregbare Minister des Oberkommandos, der er gewesen war, als Archer ihn kennengelernt hatte. Doch jetzt vernahm Archer einen eindeutigen Anflug von Zorn und Verachtung in Kuvaks schroffer, nasaler Stimme. »Selbst wenn Ihr Spion erfolgreich die falschen Daten in meinen Geburtsdokumenten platziert hätte, wäre die Vorstellung, dass ich in Wahrheit ein getarnter menschlicher Agent sei, für das vulkanische Volk niemals glaubhaft gewesen.«

»Für den Großteil des vulkanischen Volks vielleicht«, erwiderte Captain T’Pol von ihrem Platz an Archers Seite aus. »Aber es gibt einige, die eine Gelegenheit, Sie zu beschuldigen und in Misskredit zu bringen, begrüßen würden, Erster Minister – und mit Ihnen gleich die gesamte Syrrannitenbewegung.«

»Auf der Erde nannten wir so etwas ›die Massen anheizen‹«, sagte Archer.

»Das ist nicht logisch.« Kuvak schüttelte den Kopf. »Wenn sich jemand gezwungen sieht, Beweise zu fälschen, um die eigene Sache zu unterstützen, sollte das ein hinreichender Beleg dafür sein, dass die eigene Sache fehlerbehaftet ist und überdacht werden muss.«

»Wir haben ein solches Verhalten auch schon früher unter Vulkaniern erlebt«, rief T’Pol ihm ins Gedächtnis.

Kuvak nickte, als er sich der Ereignisse entsann, die sie drei erstmals zusammengeführt hatten. »T’Nol diente während der Amtszeit von Administrator V’Las als seine Beraterin. Es ist nur vernünftig, anzunehmen, dass sie ähnlich wie er fähig zur … Heuchelei ist.«

Archer erinnerte sich noch gut daran, dass V’Las ohne Reue und ohne zu zögern, gelogen hatte, um seine politischen Gegner auszuschalten und einen unnötigen Krieg gegen Andor anzuzetteln. Im Zusammenhang mit Ersterem waren Archer und T’Pol beinahe ums Leben gekommen, im Zusammenhang mit Letzterem fast die gesamte Besatzung der Enterprise. Es war der letzte Atemzug des alten, militaristischen Vulkan gewesen, bevor die Kir’Shara-Reformen eine neue, aufgeklärtere Regierung an die Macht gebracht hatten.

»Glücklicherweise war sie ungeschickter darin als V’Las«, sagte Archer zu Kuvak ebenso amüsiert wie zufrieden. »Diesmal hat sie ihr Blatt wirklich überreizt, und das wird sie das ganze Spiel kosten.«

»Davon ist auszugehen, wenn ich Ihre Metapher richtig verstanden habe.« Der Erste Minister wandte sich an T’Pol, die in ihrer avocadogrünen Kommandantenjacke mit dem Endeavour-Missionsabzeichen am rechten Ärmel, der goldenen Pfeilspitze der irdischen Raumfahrtagentur auf der Brust sowie den engen schwarzen Hosen schneidig wie immer aussah. »Ich möchte insbesondere Ihren Lieutenant Commander Kimura loben, weil es ihm gelungen ist, den malurianischen Spion davon zu überzeugen, sich friedlich zu ergeben«, sagte Kuvak zu ihr. »Temos’ Aussage sollte die Anti-Revisionisten-Bewegung ein für alle Mal diskreditieren – und ohne T’Nols Führung sind die übrigen Anti-Reform-Parteien zu klein und zerstritten, um nennenswerte Schwierigkeiten zu bereiten.«

»Ich werde Mister Kimura Ihre Dankbarkeit übermitteln«, erwiderte T’Pol. »Ich habe schon mehrfach festgestellt, dass er, obwohl er als Offizier für Kampfoperationen ausgebildet wurde, zu bemerkenswerter Weisheit und Zurückhaltung imstande ist.«

Archer beschloss, den implizierten Zusatz für einen Menschen zu ignorieren. »Wie es aussieht, ist das für jedermann ein Freudentag«, sagte er. Dann nickte er in Richtung des Bildschirms, wo T’Nol gerade ihre Ansprache beendet hatte und vor den Fragen der Reporter floh. »Nun, für sie vielleicht nicht. Temos zufolge haben die Malurianer, die Orioner und ihre Verbündeten alle Agenten innerhalb der Planetaristenbewegung abgezogen. Das heißt, wir können endlich eine anständige Debatte über die Gesetze und Politik der Föderation führen, ohne dass Kräfte von außerhalb versuchen, den Prozess zu sabotieren. Jetzt können wir endlich aufrichtig streiten – und das ist schließlich einer der Grundpfeiler einer Demokratie.«

Wohnbezirk von ShiKahr

Professorin T’Nol unterdrückte einen Anflug von Zorn, während sie über die katastrophale Pressekonferenz nachdachte, die soeben zu Ende gegangen war. Zorn wäre ein Eingeständnis ihrer Verwundbarkeit. Nicht ihre Position war falsch, sondern die Geisteshaltung der Massen – die so geblendet von der Propaganda der Syrranniten und ihrer menschlichen Verbündeten waren, so abgelenkt und verwirrt durch die Unklarheiten der Erfahrungswirklichkeit, dass sie die Wahrheit, die durch pure Logik allein enthüllt wurde, nicht erkennen konnten. Nicht zum ersten Mal ging ihr durch den Kopf, was für ein unglücklicher Umstand es doch war, dass Surak den Text des Kir’Shara so formuliert hatte, dass er von jenen, die zu solch modernen Wahnvorstellungen wie dem Pazifismus oder der Gleichheit nichtvulkanischer Rassen neigten, allzu leicht falsch interpretiert werden konnte. In ihrer Torheit ignorierten diese Leute die Erklärungen, die von den Analekten geboten wurden, den Schriften von Suraks Schülern, die seine Worte verfeinert und ergänzt und so ihre wahre Bedeutung zum Vorschein gebracht hatten.

Nachdem sie sich erfolgreich der Reinheit ihrer eigenen Vernunft versichert hatte, wurde T’Nol ruhiger. Natürlich war nicht sie es, die falschlag, denn ihr Denken wurde von absoluter Logik beherrscht und war unbefleckt von den Verwirrungen des Alltags. Und auch ihre Sache hatte unverändert ihre Berechtigung, ungeachtet des Versuchs der Malurianer, sie für ihre Zwecke zu missbrauchen. Aus diesen Gründen hatte sie Temos auch in den Reihen der Bewegung willkommen geheißen, nachdem sie auf ihn aufmerksam geworden war. Sie hatte erkannt, dass sie seine Fähigkeiten und Ressourcen nutzen konnte, um ihr dabei zu helfen, die Fassade der Realität so umzugestalten, dass ihre tieferen Wahrheiten zum Vorschein kamen. Dass Kuvak kein getarnter biologischer Mensch war, spielte keine Rolle. Die reine Tatsache war, dass er und die Syrranniten die menschliche Agenda beförderten, Vulkans Stärke und Unabhängigkeit zu untergraben.

Zugegeben, das Versagen und die Enthüllung von Temos waren Rückschläge. T’Nol hätte sich nicht auf einen Nichtvulkanier verlassen sollen. Sie hätte es besser wissen müssen. Und Temos’ Vorgesetzter in der Raldul-Gruppierung, Dular Garos, zeigte keinerlei Neigung, T’Nol dabei zu helfen, den Schaden zu begrenzen, den Temos der Bewegung zugefügt hatte.

»Ich habe die Folgen dieses Fehlers vorausgesehen, kaum dass Sie ihn begangen haben, Professorin«, ließ der malurianische Verbrecher sie während des kurzen Gesprächs wissen, das er ihr gestattete. »Ich habe bereits alles in meiner Macht Stehende getan, um Raldul vor möglichen Konsequenzen zu schützen. Aber die Konsequenzen, die Sie und Ihre Partei erleiden, haben Sie sich redlich verdient.« Die braunen Augen in seinem geschuppten grauen Gesicht musterten sie missbilligend. »Von jetzt an sind Sie nutzlos für Maluria, das heißt, ich werde Sie ab sofort – sollte jemand fragen – nicht mehr kennen.« Dann wurde der Bildschirm dunkel.

Versuche, ihre anderen Partner in der Traditionalistenbewegung zu kontaktieren – die Oberkommando-Loyalisten, die Koalition für Mentale Integrität und die übrigen –, erwiesen sich als ebenso fruchtlos. Bloß weil die oberflächlichen Fakten in eine gewisse Richtung wiesen, erlaubten sie es sich, vom Pfad der reinen Logik abzuschweifen, den sie, wie T’Nol bislang gedacht hatte, doch eigentlich alle gemeinsam beschritten. Natürlich gaben sie alle Stellungnahmen ab, die in das Gewand der Logik gekleidet waren. Aber die Logik hatte immer recht, also wie konnte sich eine logisch hergeleitete Haltung jemals ändern? In Wahrheit hatten sie sich schlicht der politischen Lage ergeben, womit sie und ihre Anhänger – zumindest jene, die nicht von der Bewegung abgefallen waren – als einzige wahre Verteidiger der Logik auf Vulkan übrig blieben.

Entsprechend dankbar war T’Nol dafür, als plötzlich ein unerwarteter Anruf in ihrem Hauptquartier einging. Vielleicht hatte sie ja doch noch ein paar Unterstützer. Aber der Anrufer hatte sowohl Bild als auch sämtliche Informationen über sich blockiert. »Sie haben sich schwer verrechnet, T’Nol«, verkündete eine tiefe Stimme. Einen Augenblick lang dachte sie, es sei wieder Garos, aber diese neue Stimme war schärfer und rauer. »Jeder andere wäre verführt aufzugeben. Aber ich kenne Sie – nichts wird Sie dazu bringen, sich anders zu besinnen.«

»Wer ist dort?«, wollte die Professorin wissen.

»Das möchte ich über einen ungesicherten Kanal lieber nicht verraten. Aber sagen Sie mir nicht, dass Sie meine Stimme nicht wiedererkennen, alte Freundin.«

Noch während er sprach, fielen ihr der vertraute Tonfall und Sprachrhythmus auf. Aber der Schluss, den beides nahelegte, war höchst unlogisch. »Das kann nicht sein. Sie – die fragliche Person ist verstorben.«

»Angeblich verstorben. Eine Falschinformation, die ich ganz nützlich fand und daher nicht korrigiert habe. Doch jetzt ist die Zeit gekommen, um mich Ihnen zu enthüllen. Und irgendwann wird auch die Zeit reif sein, dass ich mich ganz Vulkan – und seinen Föderationsherren – zeigen werde.«

»Wenn Sie derjenige sind, der Sie zu sein behaupten, wäre Ihre Unterstützung von großem Nutzen. Aber warum kamen Sie der Bewegung nicht vor unserer Schmach zu Hilfe?«

»Weil Ihre Schmach genau das ist, was uns die Freiheit zum Handeln bietet. Jetzt, da Archer und die Föderation glauben, den letzten Spion ausgeräuchert zu haben, werden sie selbstgefällig werden. Und wenn wir dann aus einer anderen Richtung zuschlagen, werden sie den Angriff nicht als das erkennen, was er ist.«

Alle Zweifel über die Identität ihres Anrufers fielen von ihr ab. Ein Beleg war nicht notwendig. Allein die Logik enthüllte die Wahrheit, und es war logisch, dass er ihr im Augenblick der größten Not zu Hilfe eilte, um ihren unvermeidlichen Sieg sicherzustellen. »Was soll ich für Sie tun?«

»Für den Augenblick verhalten Sie sich ruhig. Lassen Sie zu, dass sich die Bewegung scheinbar zerstreut, dass sie in der Bedeutungslosigkeit versinkt, genauso, wie die es erwarten – aber halten Sie Ihre Leute für den Moment bereit, wenn sie gebraucht werden. Sobald die Zeit reif ist, werde ich Sie und die Ihren zu Hilfe rufen, um meine Strategie auszuführen.«

»Um die Reformen in Verruf zu bringen? Um die menschliche Korruption hinter ihnen ans Licht zu bringen?«

»Das und mehr, T’Nol. Wir werden das Kir’Shara selbst gegen die Syrranniten richten, die es verehren – und auf diese Weise nicht nur deren Regierung, sondern auch Jonathan Archer persönlich und seine verräterische Speichelleckerin T’Pol zu Fall bringen. Und wenn diese alle erst aus dem Weg sind, werden wir Vulkan zu seinem wahren kriegerischen Glanz zurückführen.«

23. Februar 2165U.S.S. Pioneer NCC-63

»Schauen Sie sich nur diese Sterne an.« Lieutenant Commander Travis Mayweather seufzte zufrieden, so unvertraut waren die Sternbilder außerhalb des Sichtfensters der Pioneer-Messe. »Unerforschte Weiten«, fuhr er fort. »Ist eine ganze Weile her.«

»Nun ja, unerforscht stimmt ja nicht ganz«, bemerkte Doktor Therese Liao, die ihm an dem runden Tisch gegenübersaß. »Schließlich können wir all diese Sterne vom Föderationsraum aus sehen. Wir haben Teleskope. Es ist nicht so, als gäbe es einen Horizont, über den wir hinwegsegeln.«

Mayweather warf der kleinen Frau mittleren Alters, die als Chefärztin an Bord diente, einen verdrossenen Blick zu. »Sie wissen schon, was ich meine. Wir mögen wissen, wie die Gegend aussieht, aber wir haben keine Ahnung, wer dort draußen lebt. Wir haben weder die Systeme noch deren Planeten im Detail kartografiert. Ganz zu schweigen von den Dingen, die wir in der Dunkelheit zwischen den Sternen finden mögen.« Sein Tonfall nahm eine theatralische Note an, als er seiner Fantasie freien Lauf ließ. »Vagabundierende Planeten, Raumschiffwracks, Subraumanomalien und was sonst noch alles. Wissen Sie, einmal, auf der Enterprise, wurden wir von diesem riesenhaften Schiff verfolgt, das uns komplett verschluckt hat, wie ein Mantarochen seine Beute verschlingt. Seine Mannschaft erwies sich als …«

»… geisterhafte ›Irrlichter‹, die Ihre Körper stehlen wollten«, unterbrach ihn Liao. »Das haben Sie mir schon mal erzählt.«

Er vernahm den Zweifel in der Stimme der älteren Frau. »Das ist keine von meinen Geistergeschichten, Therese. Es steht in den Logbüchern!«

»Und ich werde sie glauben, sobald Sie mir erklären können, wofür Wesen ohne Körper ein Raumschiff brauchen.«

»Sie konnten im Weltraum nicht leben.«

»Und wie haben sie das Ding gesteuert?«

»Ich hatte keine Gelegenheit, sie zu fragen, okay?« Er grinste. »Aber worum es mir eigentlich ging, ist, dass wir endlich wieder dort sind, wo wir hingehören. Keine weiteren experimentellen Verbesserungen am Schiff, keine diplomatischen Missionen zu bekannten Welten, keine Folgemissionen zu alten Vorkriegserkundungen. Einfach nur das hier.«

Er breitete die Arme aus und schloss das Panorama jenseits des Fensters darin ein. In der Vergangenheit war dieser Sektor der Galaxis für die Menschen und ihre Nachbarn unzugänglich gewesen, da der Raum dazwischen von romulanischen Patrouillenflotten und Überfällen der Vertianer blockiert worden war. Doch jetzt saßen die Romulaner hinter der Neutralen Zone, und die Vertianer hatten sich bereit erklärt, ihre Experimente an intelligenten Wesen zu unterlassen, und so war der Weg endlich frei zu den Territorien, die dahinter lagen. Die Mitglieder der expansionsfreudigen rigelianischen Handelsgemeinschaft rissen sich bereits darum, die kommerziellen Möglichkeiten in diesen neuen Breiten auszuloten, und da Rigel nun ein funkelnagelneues Mitglied der Vereinigten Föderation der Planeten war, lag es an der Sternenflotte, den Händlern als Vorhut zu dienen. Daher hatte Admiral Archer die Pioneer abgestellt, um ihrem Namen alle Ehre zu machen. »Wir stoßen dorthin vor, wo noch nie ein Mensch gewesen ist«, sagte Mayweather andächtig.

Liao warf ihm einen schiefen Blick zu. »Cochrane hat diesen Satz von Davida Rossi gestohlen, wussten Sie das?« Sie legte die Stirn in Falten. »Oder war es D. F. Black? Jedenfalls ein Raumnomade.«

»Rossi und Black gehörten zur Generation vor den Raumnomaden«, rief er ihr in Erinnerung.

»Aber sie haben uns erst möglich gemacht.«

»Genau wie Cochrane.«

»Bis er den ECS hintergangen und seine Warp-fünf-Pläne stattdessen der UESPA gegeben hat.«

Mayweather feixte. Er wusste, dass Liao nicht in der Sternenflotte wäre, wenn sie ernsthaft an dieser alten Rivalität zwischen den »Raumnomaden«, jenen Generationen von Menschen, die auf den Frachtern des Earth Cargo Service geboren und aufgewachsen waren, und der regierungsgeführten United Earth Space Probe Agency festhielte. Dabei hatte diese Rivalität nur an Intensität gewonnen, seit die UESPA die Sternenflotte gegründet hatte und den Weltraum plötzlich stärker zu regulieren begann, den die Raumnomaden bis dahin ungestört beflogen hatten. Doch heutzutage, da die zunehmende Verbreitung von Warp-5- und Warp-7-Antrieben die gemächliche Lebensweise der Raumnomaden hinfällig machte, folgten ohnehin mehr und mehr Frachterbewohner Mayweathers Beispiel und traten der Sternenflotte bei. Liao war nur eine von ihnen. Manchmal bedauerte Mayweather das Ende dieser Ära. Was er jedoch nicht vermissen würde, war die Engstirnigkeit im Denken, die mit dieser Art des Lebens oft einherging.

»Das hier war früher unsere Aufgabe, wissen Sie?«, fuhr Liao fort. »Wir waren diejenigen, die die Grenzen des bekannten Raums immer weiter verschoben und die Erstkontakte machten.«

»Wir sind noch immer da, Therese. Und nicht nur Sie und ich.«

»Aber wir müssen alles mit den Felsenjockeys teilen«, erwiderte sie und verwendete dabei einen alten Raumnomaden-Ausdruck für Planetenbewohner. »Erdlingen und Centaurianern, mittlerweile sogar mit Nichtmenschen. Es ist einfach nicht dasselbe.«

»Es kommt nicht darauf an, wer die Entdeckungen macht«, sagte er, »solange sie gemacht werden.«

Sie warf ihm einen schrägen Blick zu. »Diese Einstellung ist der Grund dafür, warum Sie noch immer nicht im Stuhl des Captains sitzen.«

Bevor er darauf eine Antwort geben konnte, meldete sich das Interkom. »Brücke an Commander Mayweather«, war Captain Reeds forscher englischer Akzent zu hören.

Der Erste Offizier entschuldigte sich bei Liao und begab sich zu der Interkom-Tafel neben der Tür. Mit einem Knopfdruck aktivierte er sie. »Mayweather hier.«

»Ich brauche Sie umgehend auf der Brücke, Travis«, sagte Malcolm Reed. »Wir haben ein Objekt in der Nähe ausgemacht, das eine unerfreuliche vertraute Sensorsignatur aufweist.«

»Inwiefern vertraut, Sir?«

»Wenn es das ist, was ich befürchte … nun ja, kommen Sie besser gleich herauf.«

Es bedurfte nur eines Blicks auf die gräuliche Raumstation auf dem Hauptbildschirm der Brücke, um Malcolm Reeds Verdacht hinsichtlich der Sensorsignatur zu bestätigen. Die zylindrischen Raumdocks aus ausdehnbarem Gitterwerk, die an chinesische Fingerfallen erinnerten, sagten alles. Es war ein Anblick, den er nie wieder hatte sehen wollen, aber er hatte schon lange befürchtet, dass es irgendwann dazu kommen würde.

»Oh, verflucht!«, hauchte Travis Mayweather, als er aus dem Brückenturbolift stieg. Reed sah seinem gut aussehenden, dunkelhäutigen Ersten Offizier an, dass auch er das Objekt sofort erkannte – und in seinen Augen schimmerte ein Hauch von Furcht. »Ich hatte gehofft, dass wir diese Dinger zum letzten Mal gesehen hätten.«

Reed musterte ihn. »Also sind Sie mit mir einer Meinung, dass es sich hier um die gleiche Technologie handelt wie die der automatischen Reparaturstation, der wir an Bord der Enterprise begegneten?«

»Glauben Sie mir, diese Station werde ich wohl nie vergessen«, gab Mayweather zurück.

Reed nickte grimmig. Die Station, der sich die Pioneer nun näherte, war größer als die aus ihrer Erinnerung. Sie wies einen massiveren, mehrstöckigen Zentralteil auf, an den auf jeder Seite zwei übereinanderliegende Dockgitter angebracht waren statt nur eins. Dennoch gab es keinen Zweifel am Ursprung des Designs dieser Station. Das lag nicht nur an den Docks, sondern auch am Kernmodul im Herzen der Station, einer Kugel, die am Äquator durch eine siebenseitige Platte geteilt war. Schlimmer noch, eines der Gitter war leicht ausgedehnt, um ein Schiff von unbekannter, spindelförmiger Bauart aufnehmen zu können. Jemand hatte dort festgemacht.

Lieutenant Reynaldo Sangupta an der Wissenschaftsstation blickte zwischen seinen beiden vorgesetzten Offizieren hin und her. Neugierde lag auf seinen jugendlichen bronzefarbenen Zügen. »Gibt es irgendetwas, das der Rest von uns wissen sollte, Sirs?«

Mayweather wandte sich ihm zu. »Die Enterprise war damals seit ungefähr einem Jahr unterwegs. Wir hatten gerade unsere erste Begegnung mit den Romulanern hinter uns und in einem getarnten Minenfeld schwere Schäden erlitten. Wir befanden uns tief im unbekannten Raum, konnten uns nur noch mit geringer Warpgeschwindigkeit bewegen und waren Jahre von jedem befreundeten Hafen entfernt. Doch ein vorbeikommender Frachter der Tellariten gab uns die Koordinaten einer automatisierten Reparaturstation.«

»Warten Sie, Travis«, hielt ihn Reed zurück. »Im Augenblick denke ich, dass es wichtiger ist, unsere Geschichte den Burschen auf diesem anderen Schiff zu erzählen.«

»Da ist was dran«, erwiderte der Erste Offizier. »Grev, rufen Sie das fremde Schiff.«

»Aye, Sir«, bestätigte der pausbäckige Tellarit an der Kommunikationsstation.

»Die Übersetzung könnte etwas knifflig werden«, warnte Sangupta. »Dieses Schiff weist – wow! – eine Wasserstoff-Fluor-Atmosphäre auf, bei einer Temperatur von minus zwanzig Grad Celsius. Derartigem Leben sind wir noch nie begegnet, also wer weiß, wie deren Gehirn Sprache verarbeitet?«

»Er hat recht«, sagte Grev. »Ich bekomme eine Antwort, aber der Übersetzer hat damit zu kämpfen. Es könnte für unseren und deren Computer ein paar Minuten dauern, bis sie für sich ein Übersetzungsmodell gefunden haben.«

»Das ergibt Sinn«, sagte Mayweather, während Grev tat, was er konnte, um dem Computer zu helfen. »Als wir der Reparaturstation das erste Mal begegneten, herrschte darin … ich glaube, es war eine Heliumatmosphäre. Aber nachdem sie uns gescannt hatte, wurden rasch erdähnliche Bedingungen geschaffen.« Seine Miene verfinsterte sich. »Und all das nur, um die Falle vorzubereiten.«

An der taktischen Station blickte Lieutenant Valeria Williams auf. »Falle, Sir?«, fragte der Waffenoffizier mit dem rotbraunen Haar alarmiert.

»Captain«, unterbrach Grev sie. »Ich glaube, wir haben jetzt eine funktionierende Übersetzung. Ich kann Ihnen den Captain der Fremden geben.«

Reed nickte und erhob sich, um seinen Gegenpart zu begrüßen. »Auf den Schirm!«

Das Gesicht, das vor ihm erschien, war ein schmales, rothäutiges Oval und wurde von großen Facettenaugen beherrscht. Ein kleiner, schnabelartiger Mund lag genau zwischen ihnen, und feine Atemöffnungen flatterten leicht auf beiden Seiten des Halses. Die Schultern und oberen Partien von vier langen, schmalen Armen waren sichtbar, zwei vorn und zwei hinten. »Ich entbiete Grüße«, sagte der Captain mit pfeifender Stimme. »Man möge mich als Rethne kennen und mein Schiff als Velelev.«

»Wir grüßen Sie ebenfalls, Captain Rethne. Ich bin Captain Malcolm Reed von der U.S.S. Pioneer und repräsentiere die Vereinigte Föderation der Planeten.«

Die Fremde legte den Kopf schief. »Einheit der Planeten. Ist dies der Name einer Nation oder bloß ein Ausdruck von Verwandtschaft?«

Reed dachte einen Moment darüber nach. »Es ist das Erste – aber es ist durchaus gewünscht, dass auch die zweite Bedeutung darin mitschwingt.«

»Schlau geantwortet! Eine Begegnung würde uns erfreuen. Allerdings scheint Ihre Atmosphäre unseren Scans zufolge nicht zu den Bedingungen an Bord des Handelspostens zu passen.«

»Handelsposten?« Der Captain runzelte die Stirn. »Es handelt sich nicht nur um eine Reparaturstation?«

»Ah, ich erkenne, dass Sie der Ware schon zuvor begegnet sind.«

»Der Ware?«

»Automatisierten Einrichtungen wie dieser«, erklärte Rethne. »Mein Volk, die Menaik, haben das Verzerren des Raums erst vor weniger als einer Lebensspanne gemeistert, aber wir sind schon auf mehrere dieser Stationen gestoßen, und wir trafen andere, die uns von weiteren erzählten. Sie waren es, die den Namen ›Ware‹ prägten.«

Reed und Mayweather wechselten einen Blick. »Sie haben Ihnen von diesen Stationen erzählt – aber nicht von der Gefahr?«, fragte der Captain.

Captain Rethne beugte sich vor. »Gefahr? Die Ware-Stationen sind ausgesprochen nützlich! Reparaturen, Vorräte, Dienste, ein Hafen für müde Reisende – all diese Dinge bieten sie.«

»Aber zu einem hohen Preis«, warf Mayweather ein.

Die Menaik wandte sich ihm zu. »Ich entbiete Grüße. Sprechen Sie auch für die Pioneer?«

»Dies ist mein Erster Offizier, Commander Travis Mayweather«, erklärte Reed.

»Danke, Captain. Ja, Commander, die Ware-Stationen verhandeln hart für Ihre Dienste, aber sie sind den Preis mehr als wert.«

»Der Preis ist deutlich höher, als Sie denken«, sagte Mayweather mitfühlend und trat näher an den Schirm. »Sagen Sie mir: Haben Sie auf einer dieser Stationen irgendwelche Mitglieder Ihrer Besatzung verloren?«

Rethne senkte den Kopf. »Bei diesem Besuch nicht. Aber vor sechs Wochen, als wir das letzte Mal hier waren, ging eine Passagierin an einen Ort, an dem sie nicht hätte sein dürfen. Bodenbewohner verstehen die Gefahren des Alls nicht, und manchmal unterlaufen ihnen tödliche Fehler. Dennoch trage ich Schuld an dem Vorfall, denn ich habe mich nicht sorgfältiger um mein Mündel gekümmert.«

»Captain …« Mayweathers Stimme war drängend. »Diese Passagierin lebt möglicherweise noch und befindet sich nach wie vor auf der Station.«

Rethne zuckte hoch, alle vier Arme vor Schreck weit ausgebreitet. »Wie ist das möglich? Ihr Körper wurde bereits nach TeMenaik gebracht und dem Kern der Schöpfung übergeben.«

»Ich bedaure sehr, Ihnen das sagen zu müssen, Captain, aber das war nicht ihr Körper.«

»Sie wissen, dass die Ware-Stationen perfekte Nachbildungen von organischen oder anorganischen Objekten herstellen können, oder?«, mischte sich Reed ein.

»So ist es. Aus diesem Grund sind sie derart nützlich.«

Auf Reeds Nicken hin setzte Mayweather seine zuvor abgebrochene Erzählung fort. »Vor mehr als einem Dutzend Jahren dienten Captain Reed und ich auf einem Schiff namens Enterprise. Wir trafen auf eine dieser Stationen, als wir Reparaturen benötigten. Während unseres Aufenthalts … wurde ich entführt. Ich wurde auf die Station gebeamt und durch eine exakte Kopie meines eigenen Körpers ersetzt – exakt, aber tot. Zunächst dachten meine Mannschaftskameraden, dass ich durch eine Energieentladung während der Reparaturen getötet worden sei. Aber der Chefarzt unseres Schiffs hatte mich erst kurz zuvor mit Mikroben geimpft, die dank dieser Energie hervorragend hätten gedeihen müssen. Allerdings waren alle Mikroben, die er in dem duplizierten Körper fand, tot. Er erkannte, dass der Replizierungsmechanismus der Station ein perfektes Double geschaffen hatte, um meine Besatzung glauben zu lassen, ich sei tot.«

»Warum sollte die Station das tun?«

Reed nahm den Erzählfaden auf. »Das fanden wir heraus, als wir ins Kontrollzentrum der Station einbrachen, um Travis zu retten.« Er zögerte. »Captain … wir fanden ihn, zusammen mit einigen anderen Entführten, angeschlossen an den zentralen Datenkern. Die Station hatte sich in die Gehirne eingeklinkt, um ihre eigene Speicher- und Verarbeitungskapazitäten zu erhöhen. Einer oder zwei waren seit Monaten dort gewesen, andere seit einigen Jahren, manche sogar noch länger.«

»Und je länger sie dort gewesen waren«, fügte Mayweather hinzu, »desto größer war der Hirnschaden, den sie erlitten hatten. Am Ende … brannten sie einfach aus. Aus diesem Grund musste die Station immer mal wieder neue Besatzungen anlocken, jemanden aus dem Personal entführen – und es wie einen Unfall aussehen lassen, inklusive eines toten Körpers, damit niemand Verdacht schöpfte, was wirklich geschehen war. Aber ich bin der lebende Beweis für das, was in den Stationen tatsächlich vorgeht.«

Er hatte merklich Mühe, ein Schaudern zu unterdrücken. »Ich kann mich an nichts von dem aus erster Hand erinnern. Die Station hielt mich die ganze Zeit unter Drogen. Aber ich sah meine … meine ›Leiche‹, nachdem sie mich gerettet hatten. Ich weiß, was mit mir geschehen wäre, wenn da nicht ein wirklich aufmerksamer Arzt gewesen wäre. Und ich habe noch immer Albträume davon.«

Rethne wirkte erschüttert. »Aber warum? Warum sollte die Ware so gütig handeln und gleichzeitig unschuldigen Wesen etwas Derartiges antun?«

Unschuldig in der Tat, dachte Reed. In Rethne erkannte er den gleichen naiven Optimismus, den er an Jonathan Archer gesehen hatte – in jenen glorreichen Tagen purer Entdeckung, bevor die Xindi die Erde angegriffen und die Dinge für immer verändert hatten. Er bedauerte, derjenige sein zu müssen, der Rethne ein böses Erwachen bescherte. Aber es war besser, wenn sie es auf diesem Weg erfuhr als durch gewalttätigere Umstände. »Diese Güte ist ein Lockmittel«, erklärte Reed ihr. »Die Station benötigt einen beständigen Nachschub an Gehirnen. Aus diesem Grund sorgt sie dafür, dass sie einladend wirkt.«

»Aber wenn sie diese zusätzliche Computerleistung nur dazu verwenden, um Dinge zu erschaffen, die uns anlocken … wo liegt dann der Zweck in alldem?«

»Wir wissen nicht, was die Leute antreibt, die diese Dinger erschaffen haben«, sagte Mayweather zu Rethne. »Aber wir wissen, dass Ihre Passagierin sich höchstwahrscheinlich jetzt, in diesem Moment auf der Station befindet. Und wenn sie erst vor so kurzer Zeit entführt wurde, wie Sie sagen, dann ist es vielleicht noch nicht zu spät, sie zu retten.«

Reed erkannte, dass Mayweather bereits mit der Fremden sympathisierte, und das ausschließlich aufgrund der Tatsache, weil sie beide zu Opfern der Ware geworden waren. Doch Reed nahm ihm das keineswegs übel. »Captain, wir sind Ihnen gern bei einer Rettungsoperation behilflich. Wir haben uns bereits mit so einer Station angelegt, und wir haben sie geschlagen.«

»Mein Schiff ist lediglich ein Handelsfrachter«, sagte Rethne. »Niemand von uns ist ein Kämpfer. Wenn es auch nur irgendeine Aussicht darauf gibt, mein verlorenes Mündel zurückzuholen, werde ich dankbar einen hohen Preis für ihre Rückkehr zahlen.«

»Wir verlangen keine Bezahlung, Captain Rethne. Wir sind Forscher und neu in diesem Teil des Weltraums. Wenn wir unsere Beziehung mit dem Volk der Menaik dadurch beginnen können, dass wir uns ihre Freundschaft verdienen, dann ist uns das Lohn genug.«

»Ihre Großzügigkeit beschämt uns, Captain Reed. Bitte … tun Sie für sie, was in Ihrer Macht steht.«

»Das werde ich, Captain Rethne. Wir werden Sie kontaktieren, sobald wir bereit dazu sind reinzugehen. Pioneer Ende.«

Die Ansicht des Brückenmonitors wechselte zurück zu einem Bild der Station. Mayweather wandte sich dem Captain zu und lächelte. »Sie werden langsam richtig gut in diesen diplomatischen Dingen, Sir«, sagte er.

»Das mag ja sein«, erwiderte Reed mit schwachem Lächeln. »Aber diese Situation erfordert eine Rückbesinnung auf meine ursprünglichen Stärken, finden Sie nicht auch?«

Mayweather nickte grimmig. »Absolut. Lassen Sie uns alle retten, die wir retten können, und dann diese verdammte Station aus dem All blasen.«

Handelsposten der Ware

Schon seit Langem war Valeria Williams von Captain Reeds Fähigkeit zur Vorausplanung beeindruckt. Der Waffenoffizier der Pioneer war ihrerseits eher der Typ für Improvisation. Sie zog es vor, ihre Pläne vage zu halten, ihrem Bauch zu folgen und sich an die jeweiligen Umstände anzupassen. Doch unter Reed hatte sie gelernt, dass es die Arbeit eines Sicherheitsteams im Feld deutlich leichter machte, wenn man Probleme voraussah und im Vorhinein Maßnahmen dagegen ergriff. Zumindest sorgte es für eine solide Grundlage, auf der ihr improvisiertes Handeln aufbauen konnte. Sie wusste, dass ihr Captain stolz darauf war, wie viel Zeit, Gedanken und harte Arbeit er investiert hatte, um sich und seine Besatzung auf alles vorzubereiten, was ihnen an der Grenze begegnen mochte.

Doch die Vorbereitungen, die Reed unternahm, bevor sie zur Befreiung der Gefangenen auf der automatisierten Ware-Station aufbrachen, übertrafen seine gewöhnlichen Standards noch um Längen. Offensichtlich hatte er bereits seit einem Dutzend Jahren, seit der Begegnung der Enterprise mit dieser Reparaturstation, immer wieder neue Strategien entwickelt, weil er stets davon ausgegangen war, dass es weitere Begegnungen geben würde. »Schließlich war die Station so gebaut, dass sie sich an eine Vielzahl an Umweltbedingungen anpassen konnte«, hatte er während der Einsatzbesprechung an Bord der Pioneer erklärt. »Sie musste das Werk einer weit gereisten, interstellaren Zivilisation sein.«

Tatsächlich wusste der Captain, dass während des IrdischRomulanischen Kriegs zwei andere Sternenflottenschiffe Begegnungen mit Stationen gehabt hatten, die anscheinend gleichen Ursprungs waren. Beide Begegnungen hatten im romulanisch kontrollierten Raum stattgefunden. Captain Shosetsu von der Yorktown, der sich an den Zwischenfall mit der Enterprise erinnert hatte, hatte seiner beschädigten Einsatzgruppe verboten, zu Reparaturzwecken an einer der Stationen anzudocken. Stattdessen hatte er ihre Zerstörung angeordnet, um sicherzustellen, dass der Feind sie nicht nutzen konnte. Die unsichere Lage, in der sie sich befanden, hatte ihn gezwungen, vom Versuch der Befreiung irgendwelcher Gefangenen abzusehen. Im weiteren Verlauf des Krieges hatte die Eberswalde, eines der alten Schiffe der Ganges-Klasse, mit ihren Langstreckensensoren Wrackteile entdeckt, die von einer weiteren automatischen Station zu stammen schienen und Energiesignaturen romulanischer Waffen aufwiesen. Es schien also, dass Shosetsus Befürchtungen überflüssig gewesen wären, doch Williams fragte sich, wie die Romulaner der wahren Natur der Station auf die Schliche gekommen waren. Womöglich hatte die Zahl tödlicher »Unfälle« schlicht und ergreifend ihre angeborene Paranoia auf den Plan gerufen.

Doch getreu der Devise »Gefahr erkannt, Gefahr gebannt« hatte Reed seine Mannschaft schon wenige Stunden nach dem Kontakt mit der Velelev umfassend informiert, und nun waren alle bereit. Der erste Schritt, nachdem Captain Rethne ihre Mannschaft zurückgeholt und abgedockt hatte, bestand darin, die Pioneer näher zu fliegen und den Handelsposten zu rufen. Wie Reed es vorhergesagt hatte, unterzog die Station die Pioneer einer gründlichen Sensorüberprüfung und begann sich dann zu rekonfigurieren. Eines der Raumdocks passte sich an, um den an eine halbe Untertasse erinnernden Primärrumpf und die Warpgondelausleger der Pioneer aufnehmen zu können. Gleichzeitig wurde das eisige Wasserstoff-Fluor-Gemisch im Inneren durch eine erdartige Atmosphäre und Temperatur ersetzt. Die Station übermittelte keine Grüße, aber dass sie willkommen waren, ließ sich kaum übersehen.

Trotzdem akzeptierte die Pioneer die Einladung nicht. Der Plan bestand darin, schnell und hart zuzuschlagen, in der Hoffnung, dass die Station während der allzu kurzen Phase der Umgestaltung am verletzlichsten war. Das Schiff drehte ab und eröffnete mit Photoniktorpedos das Feuer. Deren Ziel waren die schmalen Verbindungsstücke zwischen den Docks und dem Hauptmodul. Die erste Station hatte die Enterprise mit den Roboterarmen und Schneidlasern angegriffen, mit denen sie das Schiff zuvor repariert hatte. Daher versuchte Reed, diese Verteidigungsmechanismen auszuschalten, indem er die Docks vollständig abtrennte.

Gleichzeitig tauchten Williams und ihr taktisches Team mit einer Raumfähre aus der Hangarbucht der Pioneer auf. Sie steuerten auf den Mittelteil der Station zu, wobei sie deren Masse nutzten, um sich vor fliegenden Splittern und der Strahlung der Torpedoeinschläge abzuschirmen. Ensign Karthikeyan kippte die Fähre und fuhr den Enterschlauch auf der Oberseite aus – eine Spezialanfertigung, die spät während des Romulanischen Kriegs entwickelt worden, aber nie erfolgreich gegen ein romulanisches Schiff zum Einsatz gekommen war. Der Schlauch heftete sich an die Oberseite der Platte, die um die zentrale Kugel verlief, dann zündete er gerichtete Sprengsätze, um die Hülle der Station aufzubrechen. Nachdem sie die Bestätigung erhalten hatten, dass die Versiegelung intakt war, führte Williams ihr Team – das gegen mögliche atmosphärische Tricks der Station Sauerstoffmasken trug – in den Enterschlauch. Karthikeyan hatte bereits die Schwerkraft in der Fähre abgeschaltet, sodass sie keine Schwierigkeiten mit der 180-Grad-Drehung hatten, die sie vollziehen mussten.

Kaum dass Williams das gezackte Loch passiert hatte, erfasste sie die Schwerkraft der Station. Sie ließ sich auf das Deck fallen und rollte sich ab, um gleich darauf wieder auf die Beine zu kommen. Direkt hinter ihr folgte Clifton Detzel, der sich trotz seiner kräftigen Statur so flink wie immer bewegte. Danach kam die geschmeidige, ebenholzschwarze Katrina Ndiaye. Mit der Eleganz einer Tänzerin rollte sich der Ensign auf die Füße und streckt die Arme aus, um Crewman Second Class Julia Guzman bei ihrem Abstieg zu helfen. Zuletzt ließ Crewman Ediz Kemal seine lange, aber robuste Gestalt auf das Deck sinken.

Das Team hielt seine Phasengewehre im Anschlag, als es sich auf den Weg machte – Williams vorneweg, Detzel und Ndiaye in Flankenposition neben ihrem Feldsanitäter Guzman und Kemal als Rückendeckung. Aber bis jetzt bestand die einzige Reaktion der Station auf ihr gewaltsames Eindringen in einer automatischen Ansage: »Alle Beschädigungen an dieser Einrichtung werden Ihrem Schiff in Rechnung gestellt. Alle Beschädigungen an dieser Einrichtung …«

Williams ließ ihren Kommunikator aufschnappen. »Williams an Pioneer. Eindringen erfolgreich. Bis jetzt kein Widerstand.«

»Verstanden«, erwiderte Reed. »Transporterinterferenzfeld ist aktiviert.«

»Alles klar. Wir dringen weiter vor.« Der Einsatz von Transportern zur Beförderung von Lebewesen war streng auf Notfälle beschränkt worden, seit man herausgefunden hatte, dass die Transporte zu kumulativen Gen- und Zellschäden führten. Doch Captain Reed hatte eine neue Form des »Notfalleinsatzes« für sich entdeckt: Die Transporter der Pioneer hüllten die Station in einen hoch verstärkten, unfokussierten Scannerstrahl, in der Hoffnung, dadurch die stationseigenen Transporter zu stören, sodass diese die Eindringlinge nicht fortbeamen konnten. Bei der Begegnung der Enterprise hatte die Reparaturstation die Störenfriede nur an Bord ihres Schiffs zurückgeschickt. Aber auf ein aggressiveres Eindringen mochte die Programmierung der Ware radikaler reagieren und die Angreifer ins All – oder an einen schlimmeren Ort – beamen. Das wollte Reed nicht riskieren.

Doch abgesehen von den höflichen Einschüchterungen der honigsüßen Stimme des Ware-Computers konnten sie sich ungestört durch die sauberen, weißen Korridore der Station bewegen. Ihr Pfad, der sich an den Informationen von Captain Rethne über den Aufbau des Handelspostens orientierte, führte sie durch eine sterile, weiße Kammer, in der runde Metalltische und Stühle mit niedriger Lehne standen – ein Ort, den Williams nie für einen Aufenthaltsbereich gehalten hätte, wenn es ihr nicht vorher so erzählt worden wäre. Die weißen, kreisrunden Plattformen, die in die Tische eingelassen waren, stellten offenbar Materiereplizierungseinheiten dar, die imstande waren, auf Wunsch jeden nichtlebendigen Gegenstand zu erschaffen. »Möchte jemand einen raschen Snack ordern?«, scherzte Detzel, als sie den Raum durchquerten, um zur gegenüberliegenden Tür zu gelangen.

Eine der Replikatoreinheiten gab ein klingendes Geräusch von sich und verkündete so das Erscheinen eines halbkugelförmigen Metallobjekts. Ohne Vorwarnung feuerte es einen Hochenergiestrahl auf Detzel ab und verwandelte ihn in eine Wolke aus Plasma.

Die Hitze und Erschütterung seiner explosionsartigen Auflösung warf das gesamte Team nach hinten, vom Schock ganz zu schweigen. Williams blieb die Luft weg, doch für Trauer hatten sie jetzt keine Zeit. Sie ließ sich von ihrem Zorn zum Handeln leiten und sprang gerade noch rechtzeitig vor, um einem zweiten Strahl zu entgehen. Da es hinter den leichten Tischen und Stühlen keinerlei Deckung gab, richtete sie ihr Partikelgewehr auf den Strahlengenerator und zerschoss ihn gnadenlos. Doch auf einem anderen Tisch begann sich bereits eine zweite Halbkugel zu materialisieren. Offensichtlich hatte die Transporterstörung keine Wirkung auf die Replikatoreinheiten. Funktionierten sie auf einer anderen Frequenz oder lag es an der kurzen Reichweite? Nun, das waren Fragen, um die sich Rey Sangupta später kümmern konnte. Ihr Job war es, die Dinger abzuschießen.

Sie erreichte die gegenüberliegende Tür, aber die öffnete sich nicht, und der Emitter der Halbkugel drehte sich in ihre Richtung. Todesverachtend blieb sie vor der Tür stehen und sprang just in dem Moment beiseite, als der Emitter schoss. Als Ndiaye und Kemals Deckungsfeuer die zweite Halbkugel zerstörte, war die Tür bereits größtenteils vaporisiert worden, und Williams duckte sich hindurch. Sie und Kemal gaben Deckung von den beiden Eingängen des Raums, während Ndiaye Guzman hindurcheskortierte. Dabei feuerte sie mit ihrem eigenen Gewehr. Irgendwann waren alle Tische zu einem rauchenden Haufen aus Altmetall reduziert worden, und Kemal konnte unversehrt den Raum durchqueren.

Nun, zumindest körperlich unversehrt. »Verdammt noch mal!«, fluchte er, gefolgt von einem »Siktir!« und einigen anderen türkischen Worten, die sich das Übersetzungsgerät diskret zu übertragen weigerte. Detzel und er waren eine Weile ein Paar gewesen und auch danach enge Freunde geblieben. »Was sind das für elende Dinger? Warum tun die Leuten das an?«

»Reißen Sie sich zusammen, Crewman!«, befahl Williams. »Wir retten die Gefangene, dann sprengen wir diese gottverdammte Station aus dem All.«

Genau das hatte Kemal hören müssen. Er biss die Zähne zusammen und nickte Williams zu. Mit neuer Entschlossenheit und Wachsamkeit rückten die verbliebenen Teammitglieder weiter vor.

Kurz darauf erreichten sie den Gang, der neben dem Datenkern im Herz der Zentralsphäre verlief. Reed zufolge konnten die Wände um den verbotenen Kern mit einem simplen Phasenpistolenschuss zerstört werden, entsprechend sollten die Partikelgewehre kurzen Prozess mit ihnen machen. Und so war es auch. Williams führte das Team durch die Bresche, das Gewehr im Anschlag, um möglichen Bedrohungen zu begegnen. Doch genauso, wie Reed es damals auf der Enterprise erlebt hatte, bestand auch diesmal die einzige Antwort in einer sich wiederholenden Warnung: »Eindringen in den primären Datenkern festgestellt. Verlassen Sie diese Sektion, oder Ihr Schiff wird Schaden nehmen.«

Welches Schiff?, fragte sich Williams. Die Pioneer hielt deutlichen Abstand zur Station, und es gab auch keine Roboterarme mehr, um die Fähre anzugreifen. Es klang nach einer leeren Drohung.

Die öffentlich zugänglichen Bereiche präsentierten eine Fassade penibel sauberer Perfektion. Der Datenkern wirkte dagegen um Jahrhunderte älter, dunkel und schäbig und mit Rohrleitungen, die an den Wänden verliefen. Aber Williams beachtete die Technologie kaum. Ihr Blick wurde unweigerlich von den Körpern angezogen. Annähernd zwei Dutzend Personen, die meisten, aber nicht alle, humanoid, lagen reglos auf mehrstöckig angeordneten Platten, die an einem Gitter aus mattgoldenem Metall an der Decke aufgehängt waren. Die Köpfe und Füße waren zu sehen. Sie ragten über die Kanten der Platten hinaus, sodass es beinahe wirkte, als würden sie schweben. Es machte den makabren Anblick nur noch schlimmer.

Metallische Geräte mit roten und grünen Statuslämpchen waren an den Köpfen befestigt und verbanden, den Analysen der Enterprise-Besatzung zufolge, die Gehirne mit dem Datenkern. Bündel intravenös eingesetzter Schläuche verbanden ihre Glieder sowohl mit der in den umliegenden Wänden untergebrachten Lebenserhaltungsmaschinerie als auch dem Zentralprozessor, einer schlanken, schwarz eingefassten Säule, die sich bis zur Decke erhob und aus deren Innerem weißes Licht hervorstrahlte. Allein für sich genommen hätte die Säule harmlos gewirkt, wenn auch ein wenig unheilvoll, wie ein antiquiertes Elektrogerät, um Insekten zu töten. Doch diese Schläuche, die sie mit den um sie herum aufgebahrten Körpern verbanden, verliehen ihr eine geradezu vampirische Note und erfüllten Williams mit Ekel.

Mit professioneller Konzentration bewegte sich Julia Guzman durch die Kammer und scannte die Körper, wobei sie die wiederholten Warnungen der Ware-Stimme geflissentlich ignorierte. »Sie befinden sich alle in einem unterschiedlichen Zustand des neurologischen Verfalls. Die meisten von ihnen sind so gut wie tot. Sie werden nur durch diese Schläuche und Neurostimulatoren am Leben erhalten.«

»Warum lässt man sie dann hier?«, fragte Ndiaye grimmig. »Warum lässt man sie nicht wenigstens in Frieden ruhen?«

»Diese Maschine kümmert sich um solche Dinge nicht«, sagte Williams. »Sie verwendet die Leute bloß als externe Speicherlaufwerke.«

»Ich weiß. Aber warum wartet sie so lange, bevor sie … bevor sie sie austauscht?«

»Überlassen wir diese Fragen Rey und dem Captain. Julia, wo ist die Menaik-Gefangene? Und gibt es sonst noch jemanden, der gesund genug ist, um gerettet zu werden?«

»Hier drüben«, beantwortete Guzman die erste Frage. Die Menaik war nicht schwer auszumachen. Aufgrund ihrer fluorbasierten Biochemie war sie in eine Art durchsichtigen Polymersack eingehüllt. Guzmans Scanner zufolge herrschte eine Atmosphäre darin, die für Menaik atembar war, und gleichzeitig war der Sack auf minus zwölf Grad Celsius heruntergekühlt worden. Das war warm für einen Menaik, aber zu überleben.

»Können Sie diesen Sack vom Rest der Ausrüstung trennen, ohne dass dabei das Fluorgas entweicht?« Wenn das Fluor mit der Feuchtigkeit in der Luft reagierte, würde daraus ein ätzendes Gas entstehen, das trotz der Atemmasken gefährlich für sie war.

»Ich glaube schon, aber ich brauche dafür einen Moment.«

»Machen Sie, so schnell Sie können, Julia!«, befahl Williams. »Im Augenblick scheinen wir sicher zu sein, aber wir sollten nichts riskieren.« Sie unterdrückte einen verrückten Gedanken, der in ihr aufzusteigen drohte: den von beinahe toten Körpern, die sich von ihren Pritschen erhoben, um ihr Team anzugreifen, grausige Marionetten, von Befehlen zum Leben erweckt, die sie durch ihre Datenverbindungen erhielten. Sie rief sich in Erinnerung, dass die Muskeln und Nervensysteme der meisten dieser Opfer zu sehr verkümmert waren, als dass sie sich überhaupt hätten bewegen können – selbst wenn der Computerkern der Ware irgendeine Möglichkeit hatte, sie zu kontrollieren. Ich werde es Rey nie verzeihen, dass er mich diese Zombie-Filme hat schauen lassen.

»Lieutenant!«, rief Kemal. Er deutete auf einen anderen Gefangenen, der der Menaik gegenüberlag. Es handelte sich um einen kleinwüchsigen Zweibeiner mit vage hundeähnlichen Zügen, die von langem, violettem Fell eingerahmt waren. »Der hier scheint ziemliche Hirnschäden erlitten zu haben, außerdem sind die Muskeln atrophiert. Aber er könnte zu retten sein.«

Kemal besaß eine Grundausbildung als Feldsanitäter, deshalb sollte er wissen, worüber er sprach. Allerdings war diese Spezies ihnen vollkommen unbekannt. »Sind Sie sicher?«, fragte Williams. »Wir haben keine Ahnung …«

»Wir müssen es versuchen, Sir. Damit all das hier irgendeine Bedeutung hat.«

All das … Detzel. Williams nickte. »Tun Sie es!«

Sie fanden keine weiteren Fremden, die Anzeichen verbliebener, höherer Gehirnfunktionen zeigten. Reed hatte damit gerechnet, weswegen er kein größeres Team geschickt hatte. Trotzdem schienen zwei Leben kaum genug, um Clifton Detzels Opfer zu rechtfertigen.

Williams tadelte sich für diesen Gedanken. Jedes einzelne Leben war unschätzbar wertvoll. Aus diesem Grund schmerzte es auch so sehr, Detzel verloren zu haben.

Kurz darauf hatte Kemal den hundeartigen Außerirdischen befreit und im Rettungstragegriff über die Schultern geworfen. Wenig später war es Guzman gelungen, die Überlebenshülle der Menaik vollständig abzutrennen, und gemeinsam mit Ndiaye hob sie sie an. »Ich habe keine Ahnung, wie lange das halten wird«, warnte die Sanitäterin.

»Kommen Sie.« Der Lieutenant führte das Team durch die aufgebrochene Luke in den Korridor. Als sie draußen waren, fiel ihr auf, dass sich die Ansage über Lautsprecher geändert hatte.

»Der Diebstahl primärer Datenkernkomponenten ist nicht gestattet. Geben Sie diese Komponenten zurück, oder Ihre Lebenserhaltung ist gefährdet. Der Diebstahl primärer Datenkernkomponenten ist nicht gestattet …«

Val öffnete ihren Kommunikator. »Williams an Raumfähre eins. Extraktion läuft. Halten Sie sich bereit abzulegen, sobald wir an Bord sind.«

»Es gibt ein kleines Problem, Lieutenant«, erwiderte Karthikeyan. »Ich orte eine Plasmaladung, die sich in einer Leitung neben unserem Durchbruchpunkt aufbaut. Es könnte jeden Moment zu einer Explosion kommen.«

»Verstanden. Bewegung, Team! Im Laufschritt!«

Als das Team komplett im Freien war, führte Williams den nächsten Schritt in Reeds sorgfältig vorbereitetem Plan durch: Sie zielte auf die Zentralsäule und schoss sie in Stücke. Ihre Kehle schnürte sich zu, als sie daran dachte, dass ihre Tat das Leben der verbliebenen Gefangenen im Inneren beenden würde. Es war nicht leicht, so zu handeln, auch wenn sie wusste, dass diese Leute im Grunde schon tot waren. Aber vielleicht rettete es ihrem Team das Leben, wenn sie die Station der Gehirne beraubte, die ihre Verarbeitungsleistung steigerten.

Doch die Verlautbarung fuhr unverändert fort. »Geben Sie diese Komponenten zurück, oder Ihre Lebenserhaltung ist gefährdet. Der Diebstahl primärer Datenkernkomponenten ist nicht gestattet …« Val fluchte. Entweder besaß der Computer Back-ups, oder der Prozess, der auch immer diese Ansage ausgelöst hatte, lief auf Automatik. Selbst lobotomisiert konnte diese Station sie noch immer umbringen.

Sie passierten gerade den zerstörten Aufenthaltsbereich, als diese Bedrohung sehr reale Züge annahm. Das Licht wurde blendend hell, und glühend heißes Gas begann den Korridor zu fluten. Das Team trug nach wie vor seine Sauerstoffmasken, aber die Hitze verbrannte Williams’ bloße Haut, und ihre Ohren knackten schmerzhaft unter dem rasch zunehmenden Druck.

»Kohlendioxid«, rief Kemal. »Spuren von Schwefeldioxid! Der Druck liegt bei drei Atmosphären und steigt schnell, die Temperatur ebenso! In vier Minuten herrschen hier Zustände wie auf der Venus!«

»Das soll wohl ein Witz sein!«, entfuhr es Guzman. »Erzählen Sie mir nicht, dass es Außerirdische gibt, die unter Umweltbedingungen wie auf der Venus leben können!«

»Wir können es jedenfalls nicht«, rief Williams. »Also Klappe halten und Bewegung!«

Gleich darauf erreichten sie den Extraktionspunkt. Doch es erwies sich als schrecklich langwierige Angelegenheit, die geretteten Fremden und sich selbst einen nach dem anderen in die Fähre zu verfrachten, obwohl Karthikeyan beide Schleusenluken geöffnet hielt und den Druck in der Raumfähre immer weiter erhöhte, um die tödlichen Gase draußen zu halten. In der Zwischenzeit wurde die Plasmaleitung laut Karthikeyan immer kritischer.

Das hier wäre so viel leichter, wenn wir die Transporter verwenden könnten, klagte Williams insgeheim. Sie wäre das Risiko, das mit dem Beamen einherging, liebend gern eingegangen, aber es hätte zu lange gedauert, die Transporter der Pioneer, die noch immer im Störmodus liefen, wieder zu rekonfigurieren.

Kaum war das Team an Bord und die innere Luke verschlossen, befahl Williams: »Sprengen Sie den Enterschlauch ab und raus hier!«

Karthikeyan reagierte blitzschnell, aber er hatte die Fähre kaum mehr als dreißig Meter von der Station weggesteuert, als die Leitung explodierte. Superheißes Plasma und scharfe Splitter trafen die polarisierte Hüllenpanzerung und brachten die Fähre ins Schleudern. Trotz der künstlichen Schwerkraft an Bord warf die plötzliche Bewegung Williams zu Boden, und die Hülle ächzte unheilvoll.

Doch schon Augenblicke später hatte sich die Fähre stabilisiert, sowohl Hülle als auch Insassen waren nach wie vor unbeschädigt, und der Ensign beschleunigte von der Station weg. Williams ließ sich auf dem Platz an Steuerbord hinter ihm nieder und öffnete einen Kanal. »Williams an Pioneer. Wir sind entkommen und haben sowohl die Menaik-Gefangene als auch eine zweite Person gerettet … Aber wir haben Detzel verloren. Sir, wir alle wüssten es wirklich zu schätzen, wenn Sie dieses Stück Weltraumschrott jetzt in seine Atome zerblasen würden.«

Nach einem kurzen, respektvollen Schweigen war Reeds Stimme zu hören. Er klang grimmig. »Verstanden, Val. Es gibt nichts, was ich lieber täte.«

»Ziel erfasst«, erklang die Stimme von Crewman Yuan, die in Williams’ Abwesenheit die taktische Station auf der Brücke bemannte.

»Feuer nach Belieben, Sandra. Setzen wir dieser Plage ein Ende!«

Er bereitete Valeria Williams ausgesprochene Befriedigung, durch das Seitenfenster der Raumfähre zuzusehen, wie die Torpedos und Phasenkanonenstrahlen der Pioneer in die beschädigte Ware-Station einschlugen und sie so lange auseinanderrissen, bis nichts als Bruchstücke und Dunstschwaden übrig waren.

Doch der Sieg fühlte sich schal an, denn er änderte nichts daran, dass einer ihrer Leute tot war.

24. Februar 2165U.S.S. Pioneer

Travis Mayweather achtete darauf, vor Ort zu sein, als Nimthu, die befreite Menaik-Frau, in der Dekontaminationskammer erwachte, deren Atmosphäre und Temperatur extra für die Menaik angepasst worden waren. Er wusste, dass sie ihre Umgebung fremdartig und irritierend finden würde. Dazu kam die Verwirrung, die aus dem erlittenen neurologischen Schaden resultierte. Daher wollte er für sie da sein – so gut das eben von außerhalb der Kammer möglich war.

»Es ist alles in Ordnung«, sagte er zu ihr, nachdem er sich vorgestellt und ihr die grundlegende Situation erklärt hatte. »Die Velelev besitzt nicht die nötigen medizinischen Einrichtungen, um Sie zu behandeln, daher hat Captain Rethne zugestimmt, dass wir uns um Sie kümmern dürfen. Wir haben bereits Erfahrungen mit der … Art von Verletzungen gesammelt, die Sie erlitten haben.«