Star Wars The Old Republic, Band 3: Revan - Drew Karpyshyn - E-Book

Star Wars The Old Republic, Band 3: Revan E-Book

Drew Karpyshyn

5,0

Beschreibung

EIN STURM ZIEHT AUF - UND NIEMAND KANN IHM ENTRINNEN Revan: Held, Verräter, Eroberer, Schurke, Heilsbringer. Ein Jedi, der den Planeten Coruscant verließ, um die Mandalorianer zu unterwerfen - und daraufhin als Scherge der Dunklen Seite zurückkehrte, beseelt von dem Ziel, die Republik zu vernichten. Der Rat der Jedi gab Revan sein Leben zurück, aber der Preis seiner Erlösung war hoch. Seine Erinnerungen wurden ausgelöscht und alles was ihm blieb, waren Alpträume und nackte Angst. Was genau geschah im Outer Rim? Revan kann sich so gut wie nicht mehr daran erinnern. Er weiß nur, dass er einem schrecklichen Geheimnis auf die Spur gekommen ist, das die Republik in ihrer Existenz bedroht. Ohne die geringste Vorstellung, worum es sich bei dieser Gefahr handelt, ist Revans Suche danach zum Scheitern verurteilt - und sie könnte ihn sein Leben kosten, denn im Verborgenen lauert ein Feind, der so teuflisch ist, wie keiner zuvor. Doch nur der Tod vermag Revan von seiner Mission abzuhalten.

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Buch wurde auf chlorfreiem, umweltfreundlich hergestelltem Papier gedruckt.

In neuer Rechtschreibung.

Deutsche Ausgabe 2012 by Panini Verlags GmbH, Rotebühlstraße 87,

70178 Stuttgart. Alle Rechte vorbehalten.

Copyright © 2012 Lucasfilm Ltd. & TM. All Rights Reserved. Used under authorization.

Titel der amerikanischen Originalausgabe: „Star Wars: The Old Republic – Revan“ by Drew Karpyshyn, A Del Rey ® Book, published by The Random House Publishing Group.

No similarity between any of the names, characters, persons and/or institutions in this publication and those of any pre-existing person or institution is intended and any similarity which may exist is purely coincidental. No portion of this publication may be reproduced, by any means, without the express written permission of the copyright holder(s).

Übersetzung: Jan Dinter

Lektorat: Florian Kohl, John Schmitt-Weigand

Redaktion: Mathias Ulinski, Holger Wiest

Chefredaktion: Jo Löffler

Umschlaggestaltung: tab indivisuell, Stuttgart

US Buchdesign und Titelillustration von ATTIK

Satz und eBook: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-8332-2496-6

Gedruckte Ausgabe:

ISBN 978-3-8332-2373-0

www.starwars.com

www.starwarstheoldrepublic.com

www.paninicomics.de

Für meine Frau Jennifer.

DANKSAGUNG

Revans Geschichte geht zurück auf das ursprüngliche PC-Game Star Wars:Knights of the Old Republic und ich möchte allen Beteiligten bei BioWare danken, die zu diesem fantastischen Spiel beigetragen haben. Ebenso schulde ich allen bei Obsidian, die an KOTOR 2 gearbeitet haben, Dank und allen bei BioWare Austin, die dabei halfen, das MMOStar Wars: The Old Republic zu erschaffen. Am allermeisten danke ich jedoch all den Star Wars- und Revan-Fans, die so viele Jahre auf einen Abschluss seiner Geschichte gewartet haben: Ohne eure unbeirrbare Unterstützung wäre dieser Roman niemals zustande gekommen.

DRAMATIS PERSONAE

Bastila Shan Jedi-Ritterin (Mensch)

Canderous Ordo Mandalorianischer Söldner (Mensch)

Darth Nyriss Dunkle Rätin (Sith)

Darth Xedrix Dunkler Rat (Mensch)

Meetra Surik Jedi-Ritterin (Mensch)

Murtog Sicherheitschef (Mensch)

Revan Jedi-Meister (Mensch)

Lord ScourgeSith-Lord (Sith)

Sechel Berater (Sith)

T3-M4 Astromech (Droide)

Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis …

PROLOG

HIERHERRSCHTEWIGEDUNKELHEIT. Es gibt keine Sonne, keine Dämmerung, nur die fortwährende Finsternis der Nacht. Das einzige Licht stammt von den gezackten Bögen der Blitze, deren Gabelungen hämische Schneisen in die aufgewühlten Wolken schlagen. In ihrem wilden Gefolge zerreißt Donner den Himmel und bringt eine Flut heftigen, kalten Regens.

Der Sturm kommt und es gibt kein Entrinnen.

Revan riss die Augen auf. In der dritten Nacht in Folge schreckte ihn die urwüchsige Wucht seines Albtraums aus dem Schlaf. Still und reglos lag er da und hielt innere Einkehr, um das Pochen seines Herzens zu beruhigen, während er die erste Zeile des Jedi-Mantras rezitierte.

Es gibt keine Gefühle, es gibt Frieden.

Ein Gefühl der Ruhe überkam ihn und wusch den irrationalen Schrecken seines Traumes fort. Er hütete sich jedoch davor, ihn einfach nur auszublenden. Der Sturm, der ihn jedes Mal verfolgte, wenn er die Augen schloss, war mehr als nur ein Albtraum. Heraufbeschworen aus den tiefsten Winkeln seines Geistes, besaß der Sturm eine Bedeutung. Doch so sehr er sich auch bemühte, Revan kam nicht dahinter, was sein Unterbewusstsein ihm zu sagen versuchte.

War es eine Warnung? Eine längst vergessene Erinnerung? Eine Vision der Zukunft? Von jedem etwas?

Behutsam, um seine Frau nicht zu wecken, rollte er sich aus dem Bett, ging ins Bad und spritzte sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht. Als sein Blick das Spiegelbild streifte, hielt er inne, um es genau zu betrachten. Selbst jetzt, zwei Standardjahre nach der Wiederentdeckung seiner wahren Identität, fiel es ihm immer noch schwer, das Gesicht im Spiegel mit dem Mann in Einklang zu bringen, der er gewesen war, bevor der Jedi-Rat ihn zurück ins Licht geholt hatte.

Revan: Jedi, Held, Verräter, Eroberer, Schurke, Retter. All das war er und noch mehr. Er war eine lebende Legende, die Verkörperung von Mythos und Folklore, eine Gestalt, die über die Geschichte hinausreichte. Und doch erwiderte weiter nichts seinen Blick als ein gewöhnlicher Mann, der seit drei Nächten nicht geschlafen hatte. Die Übermüdung forderte ihren Tribut. Seine kantigen Züge sahen dünn und ausgezehrt aus. Seine blasse Haut hob die dunklen Ringe unter den Augen hervor, die aus tiefen Höhlen auf ihn zurückstarrten.

Revan stützte sich mit einer Hand auf das Becken, ließ den Kopf hängen und stieß einen lang gezogenen, tiefen Seufzer aus, während sein schwarzes, schulterlanges Haar nach vorn fiel und wie ein dunkler Vorhang das Gesicht verhüllte. Nach ein paar Sekunden richtete er sich auf und strich mit den Fingern beider Hände das Haar wieder zurück. Mit leisen Bewegungen schlich er aus dem Bad und durch das kleine Wohnzimmer seines Apartments hinaus auf den Balkon. Dort blieb er stehen und starrte hinaus auf die endlose Stadtlandschaft Coruscants.

Der Verkehr in der galaktischen Hauptstadt stand niemals still und das ständige Summen und Flirren vorbeifliegender Pendler wirkte beruhigend auf ihn. Er beugte sich so weit es ging über das Balkongeländer, ohne dass seine Augen die Dunkelheit durchdringen und die Planetenoberfläche hunderte Stockwerke weiter unten in der Tiefe ausmachen konnten.

„Spring nicht! Ich habe keine Lust, nachher die Sauerei wegräumen zu müssen.“

Beim Klang von Bastilas Stimme hinter sich drehte er den Kopf.

Sie stand auf der Schwelle zum Balkon, das Bettlaken zum Schutz vor der kalten Nachtluft um die Schultern geschlungen. Ihr langes, braunes Haar – normalerweise zu einem Knoten nach oben gebunden, mit einem kurzen Pferdeschwanz darunter – hing lose und schlafzerzaust herab. Ihr Gesicht wurde nur zum Teil von der strahlenden Stadt in der Tiefe beleuchtet, aber trotzdem konnte er sehen, wie sich ihre Lippen zu einem ironischen Lächeln zusammenpressten. Ihren flapsigen Worten zum Trotz konnte er echte Besorgnis sehen, die sich in ihre Züge gegraben hatte.

„Tut mir leid“, sagte er, trat vom Geländer zurück und wandte sich ihr zu. „Ich wollte dich nicht aufwecken. Ich musste nur meinen Kopf klar kriegen.“

„Vielleicht solltest du mit dem Jedi-Rat reden“, schlug sie vor. „Sie könnten dir möglicherweise helfen.“

„Du willst, dass ich den Rat um Hilfe bitte?“, wiederholte er. „Du hattest wohl zu viel von diesem corellianischen Wein zum Abendessen.“

„Sie sind es dir schuldig“, beharrte Bastila. „Wärst du nicht gewesen, hätte Darth Malak die Republik vernichtet, den Rat beseitigt und die Jedi so gut wie ausgelöscht. Sie schulden dir alles!“

Revan antwortete nicht gleich. Es stimmte, was sie sagte – er hatte Darth Malak aufgehalten und die Sternenschmiede zerstört. Aber ganz so einfach war es nicht. Malak war Revans Schüler gewesen. Entgegen den Entscheidungen des Rates hatten die beiden eine Armee von Jedi und republikanischen Soldaten gegen mandalorianische Angreifer, die Kolonien im Äußeren Rand bedrohten, ins Feld geführt … und waren letztlich nicht als Helden zurückgekehrt, sondern als Eroberer.

Revan und Malak hatten beide die Vernichtung der Republik angestrebt. Doch Malak hatte seinen Meister betrogen und Revan wurde vom Rat der Jedi gefangen genommen, mehr tot als lebendig, mit Körper und Geist am Ende seiner Kräfte. Der Rat hatte ihm das Leben gerettet, aber sie hatten ihm auch seine Erinnerungen genommen und ihn als Waffe wiederhergestellt, die auf Darth Malak und seine Anhänger losgelassen werden konnte.

„Der Rat schuldet mir gar nichts“, flüsterte Revan. „All das Gute, das ich getan habe, kann das Böse, das dem vorausging, nicht aufwiegen.“

Bastila hob die Hand und legte sie sanft, aber bestimmt auf Revans Lippen. „Sag so etwas nicht. Sie können dir nicht vorwerfen, was geschehen ist. Nicht mehr. Du bist nicht länger derselbe, der du warst. Der Revan, den ich kenne, ist ein Held, ein Verfechter des Lichts. Du hast mich errettet, nachdem Malak mich auf die Dunkle Seite gezogen hatte.“

Revan griff hinauf, legte seine Finger um die zarte Hand, die auf seinen Lippen ruhte, und zog sie langsam hinunter. „So wie du und der Rat mich errettet habt.“

Bastila wandte sich ab und sofort bedauerte Revan seine Worte. Er wusste, dass sie sich für ihre Beteiligung an seiner Gefangennahme und ihre Rolle bei der Löschung seines Gedächtnisses schämte.

„Was wir getan haben, war falsch. Damals glaubte ich, wir hätten keine andere Wahl, aber wenn ich es noch einmal tun müsste …“

„Nein“, schnitt Revan ihr das Wort ab. „Ich würde nicht wollen, dass du irgendetwas anders machst. Wenn nichts von alledem geschehen wäre, hätte ich dich vielleicht niemals gefunden.“

Sie drehte sich wieder zu ihm um und er konnte den Schmerz und die Verbitterung sehen, die in ihren Augen lagen. „Was der Rat dir angetan hat, war nicht rechtens. Sie haben dir deine Erinnerungen genommen! Sie haben dir deine Identität geraubt!“

„Sie kehrte zurück“, versicherte ihr Revan, zog sie an sich und legte die Arme um sie. „Du musst von deinem Zorn ablassen.“

Sie wehrte sich nicht gegen seine Umarmung, auch wenn sie zunächst nur steif dastand. Dann legte sie den Kopf an seine Schulter und er spürte, wie die Anspannung aus ihrem Körper wich.

„Es gibt keine Gefühle, es gibt Frieden.“, flüsterte sie und gab damit die gleichen Worte wieder, in denen Revan nur ein paar Minuten zuvor Trost gesucht hatte.

Schweigend standen sie da und hielten einander fest, bis Revan spürte, wie sie zitterte. „Es ist kalt hier draußen“, sagte er. „Wir sollten wieder reingehen.“

Zwanzig Minuten später war Bastila tief eingeschlafen, doch Revan lag mit geöffneten Augen auf dem Bett und starrte an die Decke. Er dachte darüber nach, was Bastila über den Rat und den Raub seiner Identität gesagt hatte. Viele Erinnerungen waren mit der Genesung seines Verstands wieder zurückgekehrt, zusammen mit einem Selbstgefühl. Doch er wusste, dass immer noch Teile fehlten und vielleicht für immer verloren waren.

Als Jedi wusste er, wie wichtig es war, von Verbitterung und Wut abzulassen, aber das bedeutete nicht, dass er sich nicht mehr fragen durfte, was er verloren hatte. Irgendetwas war dort draußen im Äußeren Rand mit ihm und Malak passiert. Sie waren losgezogen, um die Mandalorianer zurückzuschlagen, aber sie waren als Anhänger der Dunklen Seite zurückgekehrt. Offiziell hieß es, die uralte Kraft der Sternenschmiede hätte sie korrumpiert, doch Revan ging davon aus, dass noch mehr dahintersteckte – und er wusste, dass es irgendetwas mit seinen Albträumen zu tun hatte.

Eine schreckliche Welt aus Blitz und Donner, eingehüllt in immerwährende Nacht.

Er und Malak waren auf etwas gestoßen. Er konnte sich nicht mehr erinnern, was es war oder wo es sich befand, aber er fürchtete sich davor auf tief greifende, urmenschliche Weise. Irgendwie wusste er, dass was immer auch hinter dem schrecklichen Geheimnis stecken mochte eine noch viel größere Gefahr barg als die Mandalorianer oder die Sternenschmiede. Und Revan war überzeugt, dass es sich noch immer dort draußen befand.

Der Sturm kommt und es gibt kein Entrinnen.

TEIL EINS

KAPITEL 1

LORDSCOURGEZOG die Kapuze seines Umhangs hoch, als er aus der Fähre trat, um sich gegen den Wind und den prasselnden Regen zu schützen. Hier auf Dromund Kaas waren Gewitter ganz alltäglich; immerzu verhüllten Wolken die Sonne und nahmen Begriffen wie Tag und Nacht vollkommen ihre Bedeutung. Die einzige natürliche Lichtquelle bestand aus den ständigen Blitzen, deren Entladungen immer wieder den Himmel durchzogen, aber das Leuchten des nahe gelegenen Raumhafens von Kaas City bot ihm genügend Licht, um zu sehen, wohin er ging.

Die heftigen Gewitterstürme waren eine physikalische Manifestation der Kraft der Dunklen Seite, die über dem gesamten Planeten lag – eine Kraft, die die Sith ein Jahrtausend zuvor, als ihr nacktes Überleben auf dem Spiel stand, hierher zurückgebracht hatte.

Nach der vernichtenden Niederlage im Großen Hyperraumkrieg, war der Imperator aus den zermürbten Reihen der Sith-Lords aufgestiegen, um seine Anhänger in einem verzweifelten Exodus zu den entlegensten Winkeln der Galaxis zu führen. Auf der Flucht vor den Armeen der Republik und der unnachgiebigen Ahndung der Jedi, ließen sie sich schließlich wieder weit außerhalb der Grenzen des republikanisch verzeichneten Raums auf ihrem längst verloren geglaubten, angestammten Heimatplaneten nieder.

Dort, sicher vor ihren Feinden verborgen, begannen die Sith mit dem Wiederaufbau ihres Imperiums. Unter der Führung des Imperators – dem unsterblichen und allmächtigen Erlöser, der selbst nach tausend Jahren noch über sie herrschte – ließen sie die hedonistische Lebensweise ihrer barbarischen Vorfahren hinter sich.

Stattdessen erschufen sie eine nahezu perfekte Gesellschaft, in der das imperiale Militär praktisch jeden Aspekt des Alltagslebens lenkte und kontrollierte. Bauern, Mechaniker, Lehrer, Köche, Hausmeister – alle waren Teil der großen Kriegsmaschinerie, jedes Individuum ein Zahnrädchen, das darauf geschult war, seinen oder ihren Dienst mit maximaler Disziplin und Effizienz zu versehen. In der Folge waren die Sith in der Lage gewesen, in den unerforschten Regionen einen Planeten nach dem anderen zu erobern und zu versklaven, bis ihre Macht und ihr Einfluss wieder jenem ihrer ruhmreichen Vergangenheit gleichkamen.

Ein weiterer Blitzstrahl zerriss den Himmel und erleuchtete vorübergehend die gewaltige Zitadelle, die über Kaas City aufragte. Erbaut von Sklaven und ergebenen Anhängern, diente die Zitadelle sowohl als Palast wie auch als Festung, eine uneinnehmbare Begegnungsstätte für den Imperator und die zwölf handverlesenen Sith-Lords, die seinen Dunklen Rat stellten.

Als Scourge ein Jahrzehnt zuvor als junger Schüler zum ersten Mal auf Dromund Kaas eintraf, hatte er geschworen, eines Tages einmal seinen Fuß in die erlauchten Hallen der Zitadelle zu setzen. Dennoch war ihm dieses Privileg in all den Jahren der Ausbildung an der Sith-Akademie am Rande von Kaas City niemals zuteilgeworden. Er hatte zu den Spitzenschülern gehört und war den Oberen durch seine Stärke in der Macht und die fanatische Ergebenheit gegenüber den Lehren der Sith aufgefallen. Akolythen war der Zugang zur Zitadelle jedoch verboten und ihre Geheimnisse blieben nur jenen im direkten Dienst des Imperators und des Dunklen Rates vorbehalten.

Die Kraft der Dunklen Seite, die vom Inneren des Gebäudes ausging, war nicht zu bestreiten. In seinen Jahren als Akolyth hatte er die rohe, knisternde Energie jeden Tag gespürt. Er hatte von ihr gezehrt, hatte Verstand und Geist darauf konzentriert, ihre Kraft durch seinen Körper zu leiten, um die brutalen Trainingseinheiten auszuhalten.

Jetzt befand er sich nach fast zwei Jahren Abwesenheit wieder auf Dromund Kaas. Während er auf der Landeplattform stand, konnte er erneut die Dunkle Seite bis tief ins Mark spüren und ihre sengende Hitze wog die geringfügige Unannehmlichkeit von Wind und Regen mehr als auf. Er war jedoch nicht länger ein bloßer Schüler. Scourge war als vollwertiger Sith-Lord zum Sitz der imperialen Macht zurückgekehrt.

Er hatte gewusst, dass dieser Tag letztendlich einmal kommen würde. Nach Abschluss seines Studiums an der Sith-Akademie hatte er auf einen Posten auf Dromund Kaas gehofft. Stattdessen aber hatte man ihn in die Randgebiete des Imperiums geschickt, um bei der Niederschlagung minderschwerer Aufstände auf kürzlich eroberten Planeten zu helfen. Scourge nahm an, diese Versetzung wäre eine Art Strafe. Einer seiner Ausbilder hatte wahrscheinlich aus Eifersucht über das Potenzial des Spitzenschülers empfohlen, ihn so weit wie möglich vom Zentrum der imperialen Macht entfernt zu stationieren, um seinen Aufstieg in die oberen Ränge der Sith-Gesellschaft zu bremsen.

Leider besaß Scourge keinen Beweis, der seine Theorie gestützt hätte. Dennoch hatte er es selbst im Exil in den unzivilisierten Sektoren an den entlegensten Grenzen des Imperiums geschafft, seinen Ruf weiter zu festigen. Sein Geschick im Kampf und die skrupellose Verfolgung der Rebellenköpfe weckte die Aufmerksamkeit mehrerer bedeutender Militärführer. Nun, zwei Jahre nach seinem Abgang von der Akademie, war er als frisch gesalbter Lord der Sith nach Dromund Kaas zurückgekehrt – und was noch mehr zählte: Er war auf den Wunsch von Darth Nyriss hier, die zu den hochrangigsten Mitgliedern im Dunklen Rat des Imperators gehörte.

„Lord Scourge“, rief ihm eine Gestalt über den Wind zu und rannte ihm entgegen, um ihn zu begrüßen. „Ich bin Sechel. Willkommen auf Dromund Kaas.“

„Willkommen zurück“, korrigierte ihn Scourge, während der Mann sich hinkniete und in Ehrerbietung den Kopf senkte. „Ich bin nicht zum ersten Mal auf diesem Planeten.“

Sechel hatte seine Kapuze zum Schutz vor dem Regen hochgezogen, aber während seines Kommens hatte Scourge die rote Haut und die baumelnden Wangententakel gesehen, die ihn, ebenso wie Scourge auch, als reinblütigen Sith auswiesen. Während Scourge jedoch eine imposante Statur besaß, groß und breitschultrig, war dieser Mann klein und schmächtig. Vorfühlend nahm Scourge nur einen schwachen Anflug der Macht in dem anderen wahr und seine Züge verzerrten sich zu einem angewiderten Hohnlächeln.

Anders als die Menschen, die den Bevölkerungsgroßteil des Imperiums stellten, waren die Sith als Spezies in jeweils unterschiedlichem Maße mit der Kraft der Macht gesegnet. Das zeichnete sie als Elite aus und erhob sie über die niederen Ränge der Sith-Gesellschaft. Es war ein Vermächtnis, das voller Inbrunst geschützt wurde.

Ein Reinblütiger, der ohne jede Verbindung zur Macht geboren wurde, war eine Ausgeburt und der Brauch duldete das Leben einer solchen Kreatur nicht. In seiner Zeit an der Akademie war Lord Scourge einer Handvoll Sith begegnet, deren Machtstärke erkennbar schwach war. Eingeschränkt von ihrem Makel, verließen sie sich auf den Einfluss ihrer hochrangigen Familien, die ihnen Posten als untergeordnete Hilfskräfte oder Verwaltungsangestellte zuschanzten, in denen ihre Behinderung am wenigsten auffiel. Die Zugehörigkeit zu den niederen Kasten blieb ihnen nur durch ihr reinblütiges Erbe erspart und in Scourges Augen waren sie kaum besser als Sklaven, obwohl er zugeben musste, dass die Kompetenteren unter ihnen durchaus ihren Nutzen haben konnten.

Niemals zuvor jedoch war er jemandem seiner eigenen Art begegnet, der eine so klägliche Verbindung zur Macht besaß wie der Mann, der jetzt zu seinen Füßen kauerte. Die Tatsache, dass Darth Nyriss einen so widerlichen Unwürdigen schickte, um ihn zu begrüßen, war beunruhigend. Er hatte eine aufwendigere und stattlichere Begrüßung erwartet.

„Steht auf!“, knurrte er, ohne sich die Mühe zu machen, seine Abscheu zu verbergen.

Sechel rappelte sich hastig auf. „Darth Nyriss lässt sich dafür entschuldigen, Euch nicht persönlich willkommen zu heißen“, sagte er rasch. „In jüngster Zeit wurden einige Mordanschläge auf sie verübt und sie verlässt ihren Palast nur in den seltensten Fällen.“

„Ihre Situation ist mir sehr wohl bewusst“, entgegnete Scourge.

„J-ja, mein Lord“, stammelte Sechel. „Selbstverständlich. Deshalb seid Ihr hier. Entschuldigt meine Dummheit.“

Ein krachender Donnerschlag kündigte an, dass die Heftigkeit des Sturms zunahm und übertönte beinahe Sechels Entschuldigung. Der peitschende Regen fing an, in stechenden Strömen herabzuprasseln.

„Hat Eure Herrin Euch angewiesen, mich hier draußen im Platzregen stehen zu lassen, bis ich ertrunken bin?“, fragte Scourge.

„V-vergebt mir, mein Lord. Bitte, folgt mir. Es wartet bereits ein Gleiter, der Euch zum Domizil bringt.“

Ein kurzes Stück vom Raumhafen entfernt befand sich eine kleine Landeplattform. In einem beständigen Strom landeten Schwebetaxis und hoben wieder ab – das bevorzugte Transportmittel für jene aus den niederen Ständen, die sich keinen eigenen Gleiter leisten konnten, um die Stadt zu durchqueren. Wie bei einem belebten Raumhafen nicht anders zu erwarten, sammelte sich eine dichte Menge am Fuß der Landeplattform. Wer gerade erst eintraf, fügte sich rasch in die Schlangen derer, die darauf warteten, einen Fahrer anzuheuern und sich mit jener disziplinierten Präzision bewegten, welche die imperiale Gesellschaft kennzeichnete.

Lord Scourge hatte es natürlich nicht nötig, sich anzustellen. Während manche in der Menge Sechel mit strengen Blicken bedachten, als er versuchte, sich hindurchzudrängeln, wich die Masse rasch auseinander, sobald sie die aufragende Gestalt erblickten, die ihm folgte. Auch mit übergezogener Kapuze wiesen Scourges schwarzer Umhang, seine dornenbewehrte Rüstung, sein dunkelroter Teint und das Lichtschwert, das er auffällig an der Hüfte trug, ihn eindeutig als Sith-Lord aus.

Die Personen in der Menge zeigten eine breite Vielfalt an Reaktionen auf seine Anwesenheit. Viele waren Sklaven oder Schuldknechte, die Besorgungen für ihre Herren erledigten. Sie hielten ihre Augen klugerweise starr auf den Boden gerichtet, sorgsam darauf bedacht, jeden Blickkontakt zu vermeiden. Die Eingeschriebenen – die Reihen gewöhnlicher, zum vorgeschriebenen Militärdienst herangezogener Personen – nahmen blitzschnell stramme Haltung an, so als würden sie erwarten, dass Scourge sie im Vorübergehen musterte.

Die Unterworfenen – die Kaste der planetenfremden Händler, Kaufmänner, Würdenträger und Besucher von Planeten, denen noch nicht der volle Status im Imperium zuerkannt wurde – starrten mit einer Mischung aus Staunen und Furcht, während sie rasch beiseitetraten. Viele von ihnen verneigten sich als Zeichen des Respekts. Auf ihren Heimatplaneten mochten sie reich und mächtig sein, aber hier auf Dromund Kaas waren sie sich sehr wohl bewusst, dass sie nur ein kleines Stück über der Kaste der Diener und Sklaven standen.

Die einzige Ausnahme der Regel bildete ein Menschenpaar, ein Mann und eine Frau. Scourge bemerkte sie am Fuß der Treppen, die hinauf zur Plattform führten, wo sie hartnäckig ihren Platz für sich behaupteten.

Sie trugen teure Kleidung – zueinander passende, rote Hosen und mit weißen Verzierungen besetzte Oberteile – und beide trugen eindeutig leichte Rüstung unter ihrer Aufmachung. Von der Schulter des Mannes baumelte ein großes Sturmgewehr und die Frau trug zwei Blasterpistolen um die Hüften geschnallt. Die beiden Menschen gehörten jedoch offensichtlich nicht zum Militär, da keiner von ihnen offizielle imperiale Abzeichen oder andere Hinweise auf einen Rang an der Kleidung aufwies.

Es war nicht ungewöhnlich, dass Unterworfenensöldner von anderen Planeten Dromund Kaas besuchten. Manche kamen auf der Suche nach Profit und boten ihre Dienste dem Höchstbietenden an, andere kamen, um ihren Wert für das Imperium unter Beweis zu stellen, in der Hoffnung, eines Tages das seltene Privileg der vollen imperialen Bürgerschaft gewährt zu bekommen. Normalerweise reagierten Söldner jedoch mit Demut und Hochachtung, wenn sie jemandem von Scourges Rang gegenüberstanden. Nach dem Gesetz hätte Scourge sie schon für das geringste Vergehen einsperren oder hinrichten lassen können. Ihrem konfrontativen Verhalten nach zu urteilen, befanden sie sich in seliger Unwissenheit um diese Tatsache.

Während der Rest der Menge zur Seite wich, blieben die Söldner stehen und starrten Scourge trotzig an, als er näher kam. Angesichts dieses ungebrochenen Mangels an Respekt stieg Zorn in Scourge auf. Sechel musste es auch gespürt haben, denn er eilte rasch voraus, um das Paar zur Rede zu stellen.

Scourge verlangsamte den Schritt nicht, aber er machte auch keine Anstalten, seinen vorauseilenden Diener einzuholen. Auf diese Entfernung konnte er über den Wind und den Regen hinweg nicht hören, was gesprochen wurde, aber Sechel redete hektisch und gestikulierte wild mit den Armen, während die Menschen ihn nur mit kalter Verachtung ansahen. Schließlich nickte die Frau und das Paar trat langsam aus dem Weg. Zufrieden drehte Sechel sich um und wartete auf Scourge.

„Ich bitte tausendfach um Entschuldigung, mein Lord“, sagte er, als sie die Treppe hinaufstiegen. „Ein paar Unterworfenen fehlt das ordentliche Verständnis unserer Sitten.“

„Vielleicht muss ich ihnen verdeutlichen, wo ihr Platz ist“, knurrte Scourge.

„Falls das Euer Wunsch ist, mein Lord“, entgegnete Sechel. „Ich darf Euch jedoch daran erinnern, dass Darth Nyriss Euch erwartet.“

Scourge beschloss, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen. Sie stiegen in den wartenden Gleiter, Sechel an der Steuerung. Scourge lehnte sich in dem luxuriösen Sitz zurück und nahm zufrieden zur Kenntnis, dass das Gefährt ein Dach besaß – in vielen Schwebetaxis saß man den Elementen schutzlos ausgeliefert. Die Triebwerke sprangen an und sie stiegen zehn Meter in die Höhe, bevor der Gleiter beschleunigte und den Raumhafen hinter sich ließ.

Schweigend flogen sie dahin, immer näher an die riesige Zitadelle heran, die im Herzen von Kaas City stand. Scourge wusste jedoch, dass sie heute nicht ihr Flugziel war. Wie jedes Mitglied des Dunklen Rates hatte Darth Nyriss Zutritt zur Zitadelle des Imperators, doch nach zwei kürzlich erfolgten Mordanschlägen sah Scourge es als selbstverständlich an, dass sie in ihrer persönlichen Festung am Stadtrand von Kaas City blieb, umgeben von ihren verlässlichsten Mitarbeitern und Dienern. Das stieß Scourge in keinster Weise als feige auf, Nyriss handelte schlichtweg pragmatisch. Wie jeder hochrangige Sith hatte sie viele Feinde. Bevor sie nicht festgestellt hatte, wer hinter den Anschlägen steckte, wäre es ein törichtes und ungerechtfertigtes Risiko, unnötigerweise ihr Heim zu verlassen.

Ihr Pragmatismus musste jedoch gegen die Einsicht abgewogen werden, dass ihr Rang ausschließlich auf Stärke beruhte. Falls Nyriss schwach oder unentschlossen auftrat – falls sie nicht fähig war, streng und entschieden gegen diejenigen vorzugehen, die ihr nach dem Leben trachteten – würden andere das spüren. Rivalen sowohl innerhalb wie auch außerhalb des Rates würden aus ihrer Situation Kapital schlagen und ihre verwundbare Positionierung zum eigenen Vorteil ausnutzen. Darth Nyriss wäre nicht die Erste aus dem inneren Kreis des Imperators, die ihr Leben verlor. Aus diesem Grund war Scourge hier. Um die geheimen Drahtzieher der Anschläge aufzuspüren und zu vernichten.

Angesichts der Wichtigkeit seiner Mission konnte er nicht verstehen, weshalb Nyriss keine vollständige Ehrengarde geschickt hatte, um ihn durch die Stadt zu eskortieren. Sie sollte doch wollen, dass jeder von seiner Ankunft erfuhr. Er war der Beweis dafür, dass Schritte unternommen wurden, um ihr Problem zu lösen – eine Warnung an alle anderen Rivalen, denen die jüngsten Mordanschläge auf Nyriss vielleicht Mut gemacht hatten. Seine Ankunft beinahe geheim zu halten, diente keinem Zweck … zumindest keinem ihm ersichtlichen.

Sie flogen an der Zitadelle des Imperators vorbei und schlugen den Weg zum westlichen Stadtrand ein. Ein paar Minuten später spürte Scourge wie der Gleiter langsamer wurde, während Sechel zur Landung ansetzte.

„Wir sind da, mein Lord“, sagte Sechel, als der Gleiter aufsetzte.

Sie befanden sich auf einem großen Vorhof. Im Norden und im Süden erhoben sich hohe Steinmauern. Nach Osten hin öffnete sich der Platz zur Straße, nach Westen grenzte ihn ein Gebäude ein, das für Scourge nur Darth Nyriss’ Festung sein konnte. Es ähnelte in vielerlei Hinsicht der Zitadelle des Imperators, war jedoch erheblich kleiner. Hinter den architektonischen Gemeinsamkeiten steckte mehr als nur eine Huldigung an den Imperator. Ebenso wie dessen Zitadelle würde sie Nyriss sowohl als Wohnstätte dienen wie als Festung, in die sie sich in Krisenzeiten zurückziehen konnte, und sie war darauf ausgelegt, zugleich kunstvoll verziert, beeindruckend und leicht zu verteidigen zu sein.

Der Vorhof selbst wurde von einem Dutzend großer Statuen bevölkert, die am Sockel mehrere Meter breit und in der Höhe gut doppelt so groß wie Scourge waren. Die beiden größten von ihnen stellten zwei Humanoide in Sith-Roben dar – einen Mann und eine Frau. Sie standen mit leicht nach vorn erhobenen Armen und den Handflächen nach oben da. Das Gesicht des Mannes wurde von einer Kapuze verdeckt – eine gängige Darstellung des Imperators. Die Frau hatte ihre Kapuze zurückgezogen und gab den Blick auf grimmige Sith-Gesichtszüge frei, und wenn die Arbeit des Bildhauers gelungen war, erhielt Scourge hier offenbar einen ersten Blick auf Darth Nyriss’ tatsächliches Aussehen.

Die anderen Statuen waren abstrakte Arbeiten, obgleich jede von ihnen Nyriss’ Hauswappen trug: ein vierzackiger Stern in einem großen Kreis. Den Boden bedeckte feiner, weißer Kies. Die Steinflächen waren in dekorativen Mustern mit einer seltenen Flechtenart bepflanzt, die in der Düsternis von Dromund Kaas gedieh und deren schwaches, violettes Glühen für eine gespenstische Beleuchtung sorgte. Ein ebener Weg aus gehauenen Steinplatten führte von der riesigen Flügeltür des Eingangs zur Festung mitten über den Hof und weiter zu der kleinen Landeplattform, auf der ihr Gleiter aufgesetzt hatte.

Sechel kletterte aus dem Fahrzeug und rannte darum herum, um die Ausstiegsluke auf der anderen Seite für seinen Fahrgast zu öffnen. Scourge trat aus dem Gleiter hinaus in den Regen, der während ihres Fluges nur geringfügig nachgelassen hatte.

„Hier entlang, mein Lord“, bat Sechel und ging den Weg hinunter.

Scourge folgte ihm in der Annahme, die Türen würden sich bei ihrem Näherkommen weit auftun. Zu seiner Überraschung blieb der Eingang verschlossen. Sechel wirkte jedoch nicht überrascht, sondern wandte sich dem kleinen Holoschirm an der Seite zu und drückte die Ruftaste.

Ein flackerndes Bild materialisierte sich auf dem Schirm – ein Mensch um die vierzig. Er schien die Standarduniform eines imperialen Sicherheitsoffiziers zu tragen und Scourge nahm an, dass es sich bei ihm um den Chef von Nyriss’ persönlicher Garde handelte.

„Unser Gast ist eingetroffen, Murtog“, erklärte Sechel mit einem Nicken in Scourges Richtung.

„Habt Ihr seine Identität überprüft?“, fragte Murtog.

„W-wovon redet Ihr?“, stammelte Sechel.

„Woher sollen wir wissen, ob er der echte Lord Scourge ist? Woher sollen wir wissen, ob er nicht ein weiterer Attentäter ist?“

Die Frage schien Sechel völlig zu überrumpeln.

„Ich weiß ni … Ich meine, er scheint … äh, das heißt …“

„Ich lasse ihn nicht herein, bevor ich einen Beweis habe“, erklärte Murtog.

Sechel warf mit einer Mischung aus Beschämung und Furcht in den Augen einen Blick über die Schulter zu Lord Scourge. Dann beugte er sich dicht an das Holokom und sagte mit gesenkter Stimme: „Das ist völlig unangemessen. Ihr überschreitet Eure Befugnisse!“

„Ich bin der Sicherheitschef“, erinnerte ihn Murtog. „Das liegt absolut innerhalb meiner Befugnisse. Gebt mir nur fünf Minuten, um zu bestätigen, dass alles im grünen Bereich ist.“

Scourge trat vor, packte Sechel bei der Schulter und riss ihn beiseite.

„Ihr wagt es, mich zu beleidigen, indem Ihr mich hier draußen wie einen dahergelaufenen Bettler im Regen stehen lasst?“, fauchte er den Schirm an. „Ich bin ein Gast! Darth Nyriss höchstpersönlich hat mich eingeladen!“

Murtog stieß ein spitzes Lachen aus. „Diesen Sachverhalt solltet Ihr vielleicht noch einmal überprüfen.“

Der Holoschirm schaltete abrupt ab. Scourge drehte sich um und sah Sechel an der Wand kauern.

„Es tut mir leid, mein Lord“, sagte dieser. „Murtog ist irgendwie paranoid geworden seit …“

Scourge schnitt ihm das Wort ab. „Was meinte er damit, ich solle diesen Sachverhalt noch einmal überprüfen? Wurde ich von Darth Nyriss eingeladen oder nicht?“

„Das wurdet Ihr. Selbstverständlich wurdet Ihr das … irgendwie …“

Scourge streckte seine Hand nach Sechel aus und schöpfte aus der Macht. Sein Diener fing an zu keuchen und umklammerte seine Kehle, während sein Körper von unsichtbarer Hand langsam in die Höhe gezogen wurde.

„Ihr werdet mir sagen, was hier vor sich geht“, forderte Scourge mit einer Stimme bar jeder Emotion. „Ihr werdet mir alles erzählen oder Ihr werdet sterben. Habt Ihr verstanden?“

Sechel versuchte zu sprechen, brachte aber nur ein Husten und Stottern hervor. Stattdessen nickte er heftig. Zufrieden löste Scourge den Griff. Schlagartig fiel Sechel einen ganzen Meter tief zu Boden, wo er als Häufchen landete und vor Schmerzen stöhnte, bevor er sich auf die Knie aufrappelte.

„Es war nicht Darth Nyriss’ Idee, Euch zu engagieren“, erklärte er mit hustengereizter, rauer Stimme. „Nach dem zweiten Mordanschlag wies der Imperator darauf hin, dass ihre eigenen Leute daran beteiligt sein könnten. Er schlug vor, dass sie jemanden von außerhalb heranzieht.“

Plötzlich ergab alles einen Sinn. Der Wille des Imperators war absolut; ein „Vorschlag“ von ihm war de facto ein Befehl. Darth Nyriss hatte ihn hierher eingeladen, weil sie keine andere Wahl gehabt hatte. Scourge hatte angenommen, er sei ein Ehrengast, aber in Wahrheit war er nichts weiter als ein Eindringling. Seine Anwesenheit war eine Beleidigung für ihre treuen Anhänger und eine Erinnerung daran, dass der Imperator an ihrer Befähigung zweifelte, selbst mit den Attentätern fertig zu werden. Deshalb hatte man ihm einen so ärmlichen Empfang bereitet und deshalb war ihm Nyriss’ Sicherheitschef mit solcher Feinseligkeit begegnet.

Scourge wurde klar, dass er in einer heiklen Lage steckte. Seine Anstrengungen, die Anschläge zu untersuchen, würden auf Widerstand und Argwohn treffen. Jeder Fehler – auch solche, an denen er gar nicht schuld war – würde ihm zur Last gelegt werden. Ein einziger Fehltritt konnte das Ende seiner Karriere oder sogar seines Lebens bedeuten.

Er grübelte immer noch über dieser neuen Information, als er einen Gleiter durch den Sturm herannahen hörte. Ein völlig harmloses Geräusch, aber es versetzte seine Sinne sofort in Alarmbereitschaft. Sein Herz schlug wild und sein Atem ging schneller. Ein Adrenalinschub ließ die Wangententakel zucken und die Muskeln spannten sich an.

Er zog sein Lichtschwert und blickte hinauf in den Himmel. Zu seinen Füßen schrie Sechel auf und legte das Gesicht in die Hände, weil er glaubte, das Lichtschwert gelte ihm. Scourge ignorierte ihn. In der Dunkelheit des Sturms konnte er nur die Silhouette des Gleiters erkennen, die direkt auf ihn zukam. Er vertiefte sich in die Macht und erforschte das Fahrzeug und seine Insassen. Ein Zornesblitz durchfuhr ihn, als sich sein Verdacht bestätigte: Wer auch immer in diesem Gleiter saß, kam, um ihn zu töten.

All dies, von Scourges erster Wahrnehmung des Gleiters bis zu der Bestätigung seiner feindseligen Absichten, dauerte keine zwei Sekunden. Zeit genug für den Gleiter, um näher zu kommen und direkt auf ihn zuzuhalten.

Scourge sprang zur Seite, als die Blaster des Fahrzeugs ein Trommelfeuer auf ihn abgaben. Er landete mit einer Rolle, aus der er gerade rechtzeitig wieder hochschnellte, um einer weiteren Salve auszuweichen. Mit dem blitzschnellen Tempo der Macht rannte er quer über den Hof, wobei jeder seiner Schritte von Schüssen begleitet wurde, die vom Boden abprallten. Er hechtete hinter der Statue des Imperators in Deckung, während sein Verstand die Lage abschätzte.

Der Gleiter musste mit einer Blasterkanone mit Zielautomatik ausgestattet sein, anders wäre es nicht möglich gewesen, dass die Schüsse ihm bei seinem Sprint in die Deckung so dicht auf den Fersen geblieben waren. So einer Feuerkraft konnte selbst ein Sith-Lord nicht ewig ausweichen. Er musste das Fahrzeug ausschalten.

Der Gleiter flog von ihm weg und zog eine Schleife, um zu einem weiteren Angriff anzusetzen. Bevor er seine Wende vollendet hatte, trat Scourge hinter der Statue hervor und warf sein Lichtschwert quer über den Hof. Die blutrote Klinge wirbelte durch die Nacht und vollzog einen weiten, geschlungenen Bogen. In einem Regen aus Funken und Flammen stutzte sie das Heck des Gleiters und setzte ihre Flugbahn fort, um in Scourges ausgestreckte Hand zurückzukehren.

Das Summen des Antriebs steigerte sich zu einem kreischenden Heulen, während der Gleiter seine Schleife vollendete. Kaum erkennbar vor dem dunklen Himmel quoll schwarzer Rauch aus dem Hecktriebwerk. Das Fahrzeug fing an zu schlingern und zu trudeln und verlor rasch an Höhe, während es erneut das Feuer eröffnete.

Scourge duckte sich wieder hinter die Statue des Imperators und drückte sich mit dem Rücken fest dagegen, während ein Gewitter aus Schüssen auf ihn niederprasselte. Eine Sekunde später flog der Gleiter über ihn hinweg und kam dabei in einen so steilen Angriffswinkel, dass er sogar die Statue köpfte, hinter der sich Scourge versteckte. Der schwere Steinkopf stürzte auf ihn hinunter und Scourge musste seine Deckung aufgeben, um nicht zerquetscht zu werden. Im gleichen Augenblick sah er den Gleiter in den Boden krachen. Notfall-Repulsorfelder dämpften den Aufschlag und bewahrten das Fahrzeug davor, in Stücke gerissen zu werden, aber trotzdem schlug er noch hart genug auf, um ein Stück des beschädigten Antriebs in die Luft zu schleudern.

Sein Lichtschwert mit beiden Händen hoch über den Kopf gehoben, stürmte Scourge auf den abgeschossenen Gleiter los. Schwer gebeutelt, aber unverletzt kletterten zwei Insassen aus dem Wrack. Scourges Überraschung hielt sich in Grenzen, als er die beiden rot gekleideten Söldner wiedererkannte, denen er an der Gleiterplattform nahe dem Raumhafen begegnet war.

Der Mann stand auf der ihm abgewandten Seite des Gleiters und mühte sich damit ab, sein Blastergewehr aus dem Wrack zu ziehen. Die Frau stand auf der ihm zugewandten Seite und hatte bereits ihre Blasterpistolen gezogen. Scourge war keine fünf Meter mehr von ihr entfernt, als sie das Feuer eröffnete. Er hielt sich nicht damit auf, die Schüsse zu parieren. Stattdessen warf er sich in die Luft und ließ sich von seinem Schwung in einem hohen Salto sowohl über die Frau als auch über den kaputten Gleiter tragen. Das plötzliche Manöver überraschte sie und obwohl sie mehrere hastige Schüsse abgab, traf ihn kein einziger. Mit einer 180-Grad-Drehung während seines Sprungs landete er auf der anderen Seite des Gleiters, direkt neben dem Söldner, der gerade mit seiner Waffe anlegte. Bevor dieser jedoch feuern konnte, schlitzte Scourge mit dem Lichtschwert quer durch den Oberkörper seines Gegners.

Während die Leiche des Mannes zusammenbrach, richtete Scourge seine Aufmerksamkeit wieder auf die Söldnerin. Inzwischen hatte sie sich zu ihm umgedreht und als ihr Partner zu Boden ging, gab sie eine weitere Reihe Schüsse ab, die Scourge dazu zwangen, hinter dem Gleiter in Deckung zu gehen. Dieses Mal fanden mehrere Schüsse ihr Ziel. Scourges Rüstung schluckte den schlimmsten Teil des Angriffs, aber er spürte einen stechenden Schmerz in der Schulter, als ein kleiner Energieteil des Partikelstrahls seinen Weg durch ein Gelenk der Rüstung fand und sein Fleisch versengte.

Er konzentrierte sich auf den Schmerz und verwandelte ihn in Wut, um die Macht für einen brutalen Gegenangriff zu schüren. Gleichzeitig schöpfte er instinktiv aus der Furcht seiner Gegnerin, führte sie seinem Zorn zu und verstärkte damit die Kraft, die er sammelte. Er kanalisierte die Wut, um eine konzentrierte Energiewelle zu entfesseln, die die Frau direkt in die Brust traf. Der Stoß riss sie von den Füßen und schleuderte sie rücklings durch die Luft. Ihr Flug brach ab, als sie gegen den Sockel einer der abstrakten Statuen knallte. Der plötzliche Stillstand schlug ihr die Pistolen aus den Händen und machte sie vorübergehend wehrlos.

Scourge legte eine Hand auf die Haube des Gleiters und sprang hastig darüber hinweg, um sich auf seine hingestreckte Gegnerin zu stürzen, bevor sie wieder festen Stand fand. Doch die Söldnerin war zu schnell: Sie rappelte sich auf und zog einen kurzen Elektrostab hervor, an dessen Spitze eine Ladung knisterte, die stark genug war, um einen Kontrahenten schon mit einer Streifberührung bewusstlos zu schlagen.

Scourge blieb abrupt stehen. Die Söldnerin nahm geduckte Kampfhaltung ein und die beiden Kämpfer umkreisten einander vorsichtig. Hätte er es gewollt, hätte Scourge den Kampf auf der Stelle beenden können. Elektrostab hin oder her, ohne ihre Pistolen hatte die Söldnerin keine Chance gegen einen Sith-Lord mit einem Lichtschwert. Aber sie zu töten würde ihm nicht das geben, was er wirklich wollte.

„Sag mir, wer dich angeheuert hat, und ich lasse dich leben!“, sagte er.

„Sehe ich so dumm aus?“, gab sie zurück, täuschte an und stieß mit einem flinken Ausfallschritt vor, dem Scourge mit Leichtigkeit auswich.

„Offenbar bist du geschickt“, stellte er fest. „Jemanden wie dich kann ich brauchen. Sag mir, wer dich angeheuert hat, und ich lasse dich für mich arbeiten. Das, oder dein Leben ist verwirkt.“

Sie zögerte und für einen Augenblick dachte Scourge, sie würde vielleicht ihre Waffe fallen lassen. Dann wurde die Nacht vom Krachen mehrerer Blasterkarabiner zerrissen. Die Schüsse schlugen in den Rücken der Söldnerin und sie stolperte auf Scourge zu. Er sah den Ausdruck völliger Fassungslosigkeit in ihrem Gesicht, als sie auf die Knie sank. Ihr Mund bewegte sich, brachte aber kein Wort hervor. Dann fiel sie mit dem Gesicht in den Kies, tot.

Als er sich umdrehte, sah Scourge ein halbes Dutzend Wachen, die nahe der Tür, die in die Festung führte, auf dem Hof standen. Unter ihnen war auch ein Mensch in der Uniform eines Commanders. Er war klein, mit breiten Schultern und breiter Brust sowie kurz geschorenen, blonden Haaren und einem säuberlich gestutzten Bart, der in scharfem Kontrast zu seiner dunkelbraunen Haut stand. Scourge erkannte ihn von dem Holo wieder: Murtog, Darth Nyriss’ Sicherheitschef.

Bevor Scourge etwas sagen konnte, rief Sechel: „Wurde auch Zeit, dass ihr kommt!“ Er kauerte noch immer an der Wand, genau an derselben Stelle, an der Scourge ihn nach dem kurzen Verhör zurückgelassen hatte, das dem Angriff vorausgegangen war.

„Aufstehen!“, befahl Murtog ihm und der Sith-Lakai tat wie ihm geheißen. „Räumt diese Sauerei hier weg“, fuhr er zudem seine Wachen an, die sich darum drängelten zu gehorchen.

Zufrieden schlang der Sicherheitschef seine Waffe über die Schulter und nickte Scourge zu. „Darth Nyriss wird Euch jetzt empfangen.“

KAPITEL 2

MURTOGWIESDENWEGDURCH die Korridore der Festung und Scourge tat sein Bestes, um den Schmerz zu ignorieren, der von seiner verwundeten Schulter ausging. Stattdessen konzentrierte er sich auf die Umgebung, in der Hoffnung, etwas mehr über Darth Nyriss in Erfahrung zu bringen, bevor sie sich gegenübertraten.

Die Innenarchitektur trug die typische Handschrift des Sith-Adels: eine Reihe langer, breiter Korridore mit dicken Steinwänden, gewölbte Decken und zahllose beeindruckende Stahltüren, allesamt verschlossen, um die Räume dahinter zu verbergen. Verschwenderisch zierten plakative Farben die Korridore: Rot, Schwarz und Violett. Kostbare, gewebte Teppiche bedeckten die Böden und die Wände wurden von einer Sammlung aus Bildern, Skulpturen und Holoprojektionen gesäumt, die jedem Museum Ehre gemacht hätten.

Murtog legte einen forschen Schritt vor, sodass Scourge kaum Zeit blieb, die Arbeiten zu begutachten. Sechel jedoch – der ein paar Schritte dahinter folgte – gab einen laufenden Kommentar zu bedeutenden Stücken ab, während sie an ihnen vorübergingen.

„Dies ist eine Büste des berüchtigten Kriegsherren Ugroth. Ein Dutzend Jahre zuvor schwor er Darth Nyriss Lehenstreue, als sie imperiale Truppen in seinen Sektor führte, um einen potenziellen Aufstand zu unterdrücken … Diese Holoprojektion hier war ein Geschenk von Königin Ressa von Drezzi als Dank für die gnädige Behandlung der königlichen Familie, als das Imperium ihren Planeten eroberte. Ihr Gatte wurde hingerichtet, aber die Königin und ihre Kinder wurden verschont … Dieses Porträt steht im Gedenken an Darth Nyriss’ Sieg während …“

Als ihm klar wurde, dass ihm Sechels Ausführungen keine sonderlich tiefen Einblicke verschafften, blendete Scourge ihn aus. Dennoch verstand und schätzte er diese geheime Zurschaustellung von Reichtum. Nyriss war ein Mitglied des Dunklen Rats; sie gehörte zu den zwölf wichtigsten und einflussreichsten Individuen des Imperiums. Die materiellen Schätze waren Ausdruck ihres eigenen Wertes: für jeden Besucher eine Ermahnung, dass sie ein Wesen von Rang und Macht war.

Zahlreiche Sicherheitsposten standen überall in den Korridoren Wache. Sie nickten anerkennend, wenn Murtog an ihnen vorbeischritt. Eine derart hohe Anzahl an Wachen innerhalb der Festung erschien etwas untypisch, doch in Anbetracht der jüngsten Anschläge überraschte es auch nicht. Scourge fragte sich, ob Murtog ihre Zahl angesichts des neuesten Vorfalls noch erhöhen würde … obwohl Scourge nicht überzeugt war, dass es sich tatsächlich um einen Mordanschlag gehandelt hatte.

Die Dunkle Seite nährte sich von Zorn und rohen Emotionen, aber es war wichtig, sie mit ruhiger Analytik und Vernunft zu zügeln. Während er noch der Begegnung mit seiner neuen Lehnsherrin entgegenschritt, versuchte Scourges Verstand, die Teile des Puzzles zusammenzusetzen, die einfach nicht zu passen schienen. Die mutmaßlichen Attentäter hatten im Vorhof zugeschlagen und ihre Anwesenheit preisgegeben, noch während sie sich draußen vor den sicheren Mauern und Toren der Festung befanden. Selbst wenn Scourge sie nicht aufgehalten hätte, wäre es ihnen unmöglich gewesen, ins Innere des Gebäudes vorzudringen, um einen Anschlag auf Nyriss zu verüben – was wahrscheinlich bedeutete, dass sie nicht ihr wahres Ziel gewesen war, sondern er.

Doch wer hatte ihm eine Falle gestellt und warum? Murtog schien ein passender Kandidat zu sein. Obwohl nur ein Mensch, war er in Nyriss’ Diensten zu bedeutendem Rang aufgestiegen – in eine Position, beinahe gleichgestellt mit Scourges eigenem frisch erworbenen Status. Die erste Lektion, die Scourge in seiner Zeit an der Akademie gelernt hatte, bestand darin, dass Gleichgestellte, ganz egal ob Machtnutzer oder nicht, oftmals die gefährlichsten Rivalen sein konnten.

Und Murtog hatte allen Grund, sich bedroht zu fühlen. Er hatte bei der Suche nach den Drahtziehern der Mordanschläge auf seine Lehnsherrin versagt. Scourges Eintreffen bedeutete eine direkte Herausforderung seiner Kompetenz als Sicherheitschef. Gab es einen besseren Weg, einen potenziellen Rivalen zu eliminieren, als seine Inkompetenz zu entlarven, indem man ihn in einem inszenierten Anschlag umbrachte? Das hätte auch erklärt, weshalb Murtog sich geweigert hatte, Scourge bei seiner Ankunft einzulassen, und weshalb Murtogs Soldaten die Söldnerin gerade dann erschossen hatten, als sie kurz davor stand, sich zu ergeben.

Murtog war jedoch nicht Scourges einziger Verdächtiger. Sechel verfügte über ähnliche Selbsterhaltungsmotive. Sollte Scourge bei seiner Mission erfolgreich sein, würde er wahrscheinlich mit einem dauerhaften Posten belohnt werden, der mit Sicherheit einen höheren Rang in Darth Nyriss’ Hierarchie einnahm als der des kriecherischen Sith-Beraters. Es war durchaus vernünftig anzunehmen, er würde alles in seiner Macht Stehende tun, um eine Person zu beseitigen, die er als Bedrohung für seine eigene Machtstellung ansah.

Scourge hatte erlebt, wie Sechel zuvor am Raumhafen mit den Söldnern gesprochen hatte. Zu dem Zeitpunkt hatte es ausgesehen, als wolle er sie aus Respekt vor dem hochrangigen Sith-Lord, der gerade auf dem Planeten eingetroffen war, fortscheuchen. Jetzt fragte sich Scourge jedoch, ob er ihnen nicht vielleicht in letzter Minute noch Anweisungen gegeben hatte. Die Tatsache, dass Sechel den Kampf im Hof überlebt hatte, wirkte ebenfalls verdächtig. Natürlich war es möglich, dass er einfach nur Glück hatte oder das stark ausgeprägte Überlebenstalent eines wahren Feiglings besaß, aber es war genauso gut möglich, dass die Söldner sorgsam darauf geachtet hatte, nicht in seine Richtung zu schießen.

Murtog bog um eine weitere Ecke. Der Schmerz in Scourges Schulter wurde heftiger, während seine Rüstung an der verwundeten Stelle scheuerte. Trotzdem hielt er mit dem untersetzten Menschen Schritt und verweigerte jeden Ausdruck von Schwäche.

Der Korridor endete vor einer weiteren eindrucksvollen Tür. Diese, die wie alle anderen geschlossen war, wurde von Sith-Schülern flankiert. Er bezweifelte, dass Nyriss es den Sith zugemutet hätte, vor einem Menschen Rechenschaft ablegen zu müssen, daher unterstanden sie wahrscheinlich nicht Murtogs direktem Kommando. Aber aufgrund der Tatsache, dass sie keinerlei Anstalten machten, den Sicherheitschef anzugehen, als er sich näherte, war für Scourge klar, dass sich Murtog einer privilegierten Position in Nyriss’ Hausstand erfreute.

Murtog trat vor und klopfte sanft mit den Fingerknöcheln an die Tür, dann trat er einen Schritt zurück und nahm stramme Haltung an.

Während sie eine Antwort auf das Klopfen abwarteten, wurde Scourge bewusst, dass es noch eine dritte Möglichkeit gab: Murtog und Sechel hätten auch gemeinsam den Angriff auf dem Hof planen können. Auf der Akademie hatten sich geringere Studenten manchmal gemeinsam verschworen, um ein talentierteres Individuum zu Fall zu bringen. Es fiel nicht schwer, sich vorzustellen, dass sich so etwas auch außerhalb der Mauern der Einrichtung zutrug.

Im Augenblick konnte man unmöglich wissen, welche seiner Theorien – falls überhaupt eine – zutraf. Scourge wusste jedoch, dass er auf der Hut sein musste.

Die Tür öffnete sich und brachte eine junge Twi’lek zum Vorschein. Sie trug eine schwarze Robe, die auf Brust und Rücken mit Nyriss’ vierzackigem, in Violett gehaltenem und von einem roten Kreis umfasstem Stern geschmückt war. Ein Elektrohalsband saß fest um ihren Hals, aber auch ohne dieses wäre ihr Status schon einfach aufgrund ihrer Spezies sofort offensichtlich gewesen.

In den letzten Tagen des Großen Hyperraumkrieges hatten die Sith bei ihrem Rückzug auf ganzer Linie auch viele Gefangene verschleppt, die sie während ihrer frühen Siege über die Planeten der Republik festgenommen hatten. Diese Gefangenen – größtenteils Menschen und Twi’leks – hatte man zu einem Leben in Sklaverei verdammt. Auf Befehl des Imperatorskonnte keinem Sklaven jemals die Freiheit gewährt werden und der Status der Eltern wurde Generation für Generation an die Kinder weitergegeben. Wegen dieser Anordnung gab es niemals auch nur den Hauch eines Zweifels an der Rolle irgendeines Twi’leks im Imperium – sie waren Sklaven und würden es immer bleiben, Abkömmlinge von Vorfahren, die zu schwach gewesen waren, sich gegen die Sith-Invasoren zu wehren.

Die Sklavin kniete nieder und hielt ihren Blick auf den Boden gerichtet, als Murtog, Scourge und Sechel eintraten. Dann schloss sie die Tür hinter ihnen und zog sich in eine Ecke zurück.

Der lichterfüllte Raum schien ein Studierzimmer oder eine private Bibliothek zu sein. Die Wände wurden von Regalen gesäumt, deren uralte Holzrahmen sich unter der Last der Schätze, die sie trugen, krümmten.

Scourge konnte nicht umhin, voll Staunen auf die Sammlung zu starren. In seiner Zeit an der Akademie hatte er nur einmal eine greifbare Handschrift gesehen – ein uralter Foliant, der über zehntausend Jahre auf die Ankunft der ersten Dunklen Jedi auf Dromund Kaas zurückging. Das Buch wurde als unbezahlbares Artefakt angesehen, einer der größten Schätze der Akademie. Hier jedoch füllten Dutzende – wenn nicht Hunderte – Bände die Regale an der linken Wand. Es waren zumeist große und dicke Bücher, deren gebundene Seiten von Einbänden aus Leder oder ähnlich gegerbten Hüllen geschützt wurden … wobei Scourge vermutete, dass nicht alle davon aus den gegerbten Häuten geistloser Tiere gefertigt waren. Ihr Aussehen hatte etwas Überlebtes an sich, obwohl die meisten recht gut erhalten zu sein schienen, wenn auch etwas abgegriffen vom Gebrauch. Offenbar hatte Nyriss sie viele Male durchgeblättert.

Die Regale auf der rechten Seite enthielten Nachschlagewerke, die noch älter und empfindlicher aussahen. Lose Seiten vergilbten Pergaments, zusammengehalten von filigranen Drahtklammern; Schriftrollen, eingeschlossen in durchsichtige Schutzröhren. Ein Glaskasten mit Klappdeckel behütete mehrere Bücher, die aussahen, als würden sie zu Staub zerfallen, sollte ein etwas stärkerer Luftzug durch den Raum gehen.

Es befanden sich jedoch nicht nur archaische Relikte im Raum. An der hinteren Wand stand eine breite Reihe aus Holodisks und Datenkarten und in der Mitte des Raums befand sich ein Computerarbeitsplatz, an dem eine Gestalt, hinter der Scourge nur Darth Nyriss vermuten konnte, gebeugt dasaß und auf den Anzeigeschirm starrte. Die Kapuze ihrer locker sitzenden Kutte – rot, mit Violett und Schwarz akzentuiert – hatte sie über den Kopf gezogen und die langen, weiten Ärmel verdeckten sogar ihre Hände und Finger, während sie am Terminal arbeitete.

Weder Murtog noch Sechel gaben einen Ton von sich, um ihre Anwesenheit mitzuteilen, also nahm Scourge sie sich zum Vorbild und blieb schweigend stehen, während sich Nyriss angestrengt auf die Computeranzeige konzentrierte. Ihre verhüllte Gestalt versperrte die Sicht auf den Bildschirm, daher konnte er unmöglich sehen, was sie studierte. Er glaubte jedoch eine Vermutung anstellen zu können: Darth Nyriss war wohl bekannt für ihre Beschlagenheit in den uralten Künsten der Sith-Hexerei.

In seiner Zeit an der Akademie hatte Scourge festgestellt, dass es vielerlei Wege gab, aus der Kraft der Macht zu schöpfen. Seine angeborenen Talente hatten ihn auf den Pfad des Kriegers geführt: Er lernte seine Emotionen in Stärke und rohe Ausbrüche tödlicher Energie zu kanalisieren. Andere Studenten hatten jedoch mit den Inquisitoren trainiert und folgten einem deutlich anderen Lehrplan.

Jahrtausende zuvor hatten jene, die der Dunklen Seite gefolgt waren, gelernt, die Macht durch vielschichtige Rituale zu formen und nutzbar zu machen, sodass sich der Verstand eines Feindes kontrollieren oder manchmal sogar die Realität selbst verzerren ließ. Von diesem arkanen Wissen war viel verloren gegangen, aber diejenigen, denen es gelang, auch nur ein paar wenige dieser Geheimnisse der Vergangenheit zu lüften, wurden oftmals mit einer subtileren – aber nichtsdestotrotz ebenso wirksamen – Form der Stärke belohnt. Man munkelte, die immerwährenden Stürme auf Dromund Kaas wären eine Folge davon, dass der Imperator eines dieser Rituale ausführte. Scourge wusste nicht, ob das stimmte, aber er wusste, dass Nyriss ihren Sitz im Dunklen Rat durch ihr Wissen und Verständnis um Dinge erworben hatte, die er niemals vollends begreifen würde.

Nach einer Weile schob sich Nyriss vom Pult zurück, erhob sich aus dem Sessel und wandte sich ihnen zu, wobei sie die Kapuze ihres Umhangs zurückzog.

Ihre Erscheinung überraschte Scourge, aber er tat sein Bestes, seine Reaktion zu verbergen. Wir er war auch sie eine reinblütige Sith. Jedoch durchzogen tiefe Falten ihr Gesicht und die Tentakel, die von Wangen und Kinn hinunterhingen, waren ausgezehrt. Ihre Haut war blass, mehr rosa als rot, und mit dunkelbraunen Altersflecken übersät. Er hatte keine Ahnung, wie alt Darth Nyriss war, wusste jedoch, dass sie seit fast zwei Jahrzehnten im Dunklen Rat diente. Nur zwei andere Mitglieder konnten längere Amtszeiten vorweisen. Dessen ungeachtet hatte er eine Person mit mehr Ähnlichkeit zu der ungemein schönen Frau erwartet, die von der Statue im Vorhof dargestellt wurde. Stattdessen stand er einer verschrumpelten Vettel gegenüber.

Die Worte eines seiner Ausbilder an der Akademie sprangen unaufgefordert in den Vordergrund seiner Gedanken. Die Macht lässt sich nach deinem Willen formen, aber das verlangt oft seinen Preis. Die stärksten Rituale der Dunklen Seite fordern einen Tribut, den nur die wenigsten bereit sind zu zahlen.

Vielleicht war Nyriss tatsächlich so alt, wie sie aussah. Ein Leben, das der Erforschung uralter Geheimnisse der Sith-Hexerei gewidmet war, hatte ihr eine der höchsten Positionen im Imperium beschert. Vielleicht hatte es auch ihre Jugend und Vitalität aufgezehrt.

„Nicht, was Ihr erwartet habt?“, fragte Nyriss mit einem durchtriebenen Lächeln auf ihren gesprungenen und abblätternden Lippen, als hätte sie seine Gedanken gelesen. Im Gegensatz zu den verknöcherten Zügen, klang ihre Stimme voll und kräftig und sie stand aufrecht und gerade da. Ein scharfes Funkeln in den Augen strafte ihre Ehrwürdigkeit ebenfalls Lügen, was Scourge zu der Vermutung führte, dass hinter ihrer Erscheinung Absicht steckte.

Es gab eine ganze Reihe von Möglichkeiten, jung und schön zu bleiben. Nyriss hätte es sich mit Leichtigkeit leisten können, wenn sie gewollt hätte. Stattdessen hatte sie sich dafür entschieden, vorzeitig zu altern. Entweder war ihr die Oberflächlichkeit körperlicher Attraktivität egal oder sie hatte beschlossen, die überwältigenden Auswirkungen der Dunklen Seite als Symbol für all das, was sie gelernt und vollbracht hatte, zur Schau zu tragen.

„Vergebt mir, mein Lord“, sagte er unter Verwendung der geschlechtsneutralen Höflichkeitsform, mit der hier sowohl männliche als auch weibliche Sith angesprochen wurden, und verbeugte sich leicht. „Bei meiner Ankunft ereignete sich ein Vorfall, der mich ein wenig aus dem Gleichgewicht gebracht hat.“

„Ich bin mir sehr wohl bewusst, was sich im Hof zugetragen hat“, sagte Nyriss und neigte den Kopf in Richtung Monitor. Ein Standbild von Scourge, eingefangen von einer der Sicherheitskameras der Festung während der ersten paar Sekunden nach dem Kampf, ruhte starr auf dem Bildschirm. „Ihr seid mit den Attentätern recht wirkungsvoll umgesprungen.“

Scourge zögerte einen Sekundenbruchteil, bevor er antwortete. Er wollte mit Nyriss über seine Verdächtigungen sprechen, aber sowohl Murtog als auch Sechel befanden sich noch im Raum. Selbst wenn sie es nicht getan hätten, war es zu gefährlich, ohne einen Beweis haltlose Anschuldigungen vorzubringen, die zwei ihrer höchstrangigen Anhänger betrafen. Sie hätten ihre derzeitigen Positionen nicht innegehabt, wenn Nyriss nicht ein gewisses Maß an Vertrauen in sie gesetzt hätte. „Ich gehe davon aus, dass dies nicht der letzte solche Vorfall bleiben wird“, sagte er, wobei er seine Worte mit Bedacht wählte.

„Ihr scheint verwundet zu sein“, bemerkte Nyriss mit einem Blick auf die Brandspuren am Schulterpanzer seiner Rüstung. „Benötigt Ihr ärztliche Hilfe?“

„Das kann warten. Die Verletzung ist nicht gravierend und der Schmerz ist irrelevant. Ich würde lieber unsere hiesigen Angelegenheiten klären.“

Nyriss nickte zustimmend. „Ich würde gerne Eure Einschätzung des Kampfes hören“, fuhr sie fort. „Vielleicht finden wir etwas darüber heraus, wer dahintersteckt.“

„Das wäre leichter gewesen, wenn Murtogs Soldaten nicht die zweite Attentäterin getötet hätten, kurz bevor sie so weit war, sich zu ergeben“, entgegnete er. Aus den Augenwinkeln sah er Murtogs gereizte Reaktion, aber der Sicherheitschef blieb stumm.

„Glaubt Ihr, Murtog hat einen Fehler begangen?“, drängte ihn Nyriss.

„Er war etwas übereifrig in seinen Bemühungen, eine unmittelbare Bedrohung zu eliminieren“, antwortete Scourge diplomatisch.

Sechel verbiss sich ein schrilles Kichern und Nyriss warf ihm einen strengen Blick zu. „Wir wollen diese Unterhaltung unter vier Augen fortsetzen“, sagte sie und entließ Murtog und Sechel mit einer Handbewegung.

Die beiden verneigten sich rasch und drehten sich zur Tür um, die ihnen die Twi’lek-Sklavin bereits geöffnet hatte und die sie auch wieder hinter ihnen schloss, bevor sie sich in ihre Ecke zurückzog.

„Es gibt etwas, das Ihr mir sagen möchtet“, stellte Nyriss fest, als sie gegangen waren. „Diskretion und Raffinesse haben ihren Platz, aber wenn Ihr nun mit mir sprecht, erwarte ich absolute Offenheit.“

Scourge nickte.

„Lasst mich raten“, fuhr sie fort. „Ihr vermutet, dass meine eigenen Leute hinter den jüngsten Anschlägen auf mich stecken.“

„Niemand ist über jeden Verdacht erhaben“, gab Scourge zu. „Doch ich gehe davon aus, dass Ihr jede Person Eures Stabs sehr sorgfältig überprüft habt. Wenn sie schuldig wären, hättet Ihr inzwischen etwas bemerkt.“

„Es freut mich festzustellen, dass Ihr mich nicht für völlig inkompetent haltet.“

„Ich glaube nicht, dass der Angriff im Hof ein weiterer Anschlag auf Euer Leben war“, fuhr Scourge fort. „Ich denke, die Söldner wurden angeheuert, um mich auszuschalten.“

„Und da Murtog Euch als Rivalen und potenzielle Bedrohung ansieht, nehmt Ihr natürlich an, dass er dahintersteckt.“

„Möglicherweise. Es könnte auch Sechel gewesen sein. Oder beide zusammen.“

„Und worauf stützt sich Eure Vermutung?“

„Größtenteils Indizienbeweise. Doch meine Instinkte sagen mir, es reicht aus, um zu handeln.“

„Ihr erwartet von mir, mich aufgrund einer bloßen Ahnung von Euch gegen zwei meiner verlässlichsten Diener zu wenden?“

„Meine Instinkte liegen selten falsch“, meinte Scourge. „Mein Ruf ist wohlverdient.“

„Also, was schlagt Ihr vor, soll ich tun? Entlassung? Hinrichtung?“

Auf einmal kam ihm die Unterhaltung wie eine Prüfung vor, als würde Nyriss versuchen, ihn anhand seiner Antworten einzuschätzen. Falls das der Fall sein sollte, war er für die Herausforderung bereit.

„Es wäre töricht, ohne konkreten Beweis jemanden wegzuwerfen, der so wertvoll ist wie Murtog oder Sechel“, erwiderte Scourge. „Aber ich hätte gerne Gelegenheit, sie beide zu verhören.“

„Ein guter Befrager kann eine Person dazu bringen, alles zuzugeben“, konterte Nyriss. „Selbst Dinge, die nicht wahr sind.“

„Ein falsches Geständnis aus ihnen herauszufoltern, würde keinen Zweck erfüllen“, versicherte ihr Scourge. „Ich brauche die Wahrheit und ich würde sorgfältig darauf achten, keinen bleibenden körperlichen oder geistigen Schaden zu verursachen. Ich bin sicher, Ihr möchtet sie ebenso leistungsfähig auf ihren Posten zurückhaben, wie sie es vor meiner Befragung waren, sollte sich einer von ihnen oder beide als unschuldig erweisen.“

Ein kurzes Aufflackern von Zustimmung in Nyriss’ Gesicht überzeugte Scourge davon, eine zufriedenstellende Antwort gegeben zu haben. Die Prüfung war jedoch noch nicht beendet.

„Sollte ich Euch gestatten, sie zu befragen, mit wem würdet Ihr zuerst sprechen?“

„Mit Eurem Sicherheitschef, Murtog.“

„Warum Murtog?“

„Falls er schuldig ist, wird er leichter zu brechen sein.“

Nyriss zog überrascht eine Braue hoch. „Ihr glaubt, Sechel könnte ein Verhör länger durchstehen als Murtog?“

Scourge wusste wie unwahrscheinlich es klang: Ein ausgebildeter Soldat sollte eigentlich mit Leichtigkeit länger aushalten als ein feiger Speichellecker. „Murtog ist körperlich stärker“, erklärte er, „aber Erduldung von Schmerz nutzt nur bei den einfachsten und am wenigsten wirksamen Verhörmethoden. Es gibt deutlich subtilere und wirksamere Wege, an Antworten zu kommen. Murtog wird wie die meisten Soldaten ein Training in Folterresistenz hinter sich haben. Ich kenne diese Techniken und ich weiß, wie man ihnen entgegenwirkt. Sechel hingegen ist weit weniger vorhersehbar. Oberflächlich gesehen wirkt er schwach und hilflos. Doch er ist in eine Position von Rang aufgestiegen, indem er Gerissenheit, Kreativität und Geistesgegenwart eingesetzt hat. Ich werde Zeit brauchen, um gänzlich zu verstehen, wie sein Verstand arbeitet. Ich muss alle seine Tricks kennenlernen, bevor ich ihm meine Falle stellen kann. Sein Verhör würde ein sehr viel heiklerer und komplizierterer Vorgang werden als bei Murtog.“

„Höchst beeindruckend“, bemerkte Nyriss. „Die Verhöre werden jedoch nicht vonnöten sein.“

Scourge schüttelte verwirrt den Kopf.

„Ihr lagt richtig, was die Söldner anbelangt, aber ich weiß bereits, wer sie angeheuert hat, um zu versuchen, Euch zu töten.“

„Wer?“

„Ich.“

„Ihr?“, rief Scourge aus. Das Eingeständnis traf ihn völlig unvorbereitet.

„Nach dem zweiten Attentatsversuch haben Murtog und Sechel eine Spur gefunden. Ich habe diese Söldner angeheuert, um ihr nachzugehen. Doch bevor sie das konnten, beschloss der Imperator einzugreifen und zwang mich dazu, Euch hinzuzuziehen. Euer Eintreffen bescherte mir einen Überfluss an auswärtigen Agenten, daher wies ich Sechel an, Söldner mit dem Versuch zu beauftragen, Euch aus dem Rennen zu schlagen. Seht es als Test.“

„Selbstverständlich“, murmelte Scourge und verfluchte sich dafür, so kurzsichtig gewesen zu sein.