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Charlize Jefferson, genannt Charlie, hat nach dem Medizinstudium eine Stelle in der renommierten Knight-Klink ergattert, in der alle Spieler der Boston Razors ihre Blessu-ren verarzten lassen. Charlie ist ein riesiger Fan des Teams, doch um nicht gegen die Vorschriften zu verstoßen, darf sie sich ihr privates Interesse bei der Behandlung der Eishockeyprofis nicht anmerken lassen. Den Job zu verlieren wäre für die frischgebackene Ärztin das denkbar Schlimmste, denn sie steht tief in der Schuld ihrer Eltern, woran diese sie ständig erinnern. Genau aus diesem Grund übernimmt Charlie eine Wohnungsbesichtigung für ihre Mutter und wird dafür prompt belohnt, denn der Klient ist kein geringerer als Blaine Hopkins, sei-nes Zeichens Defensivspezialist der Boston Razors. Vom ersten Moment an sprühen die Funken zwischen den beiden und die junge Frau kann der Anziehungskraft, die der Profisportler auf sie ausübt, nicht lange wider-stehen. Aber sie weiß, dass sie sich auf dünnem Eis bewegt. Bislang zählt Blaine nicht zum Patientenstamm, aber selbst eine kleine Verletzung könnte jederzeit dafür sorgen, dass er zum Tabu wird. Allerdings ist diese latent lauernde Gefahr nicht Charlies einziges Problem und schon bald ist sie gezwungen, eine Entscheidung zwischen Karriere, Familie oder Liebe zu treffen.
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Veröffentlichungsjahr: 2021
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kim Valentine
Starting Six: Charlize und Blaine
© 2019 Written Dreams Verlag
Herzogweg 21
31275 Lehrte
© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg
(www.art-for-your-book.weebly.com)
ISBN ebook: 978-3-96204-285-1
Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Dieses Buch darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches anderes Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlags weitergegeben werden.
Die ‚Boston Razors‘ sind ein fiktives Team, das in einer fiktiven Liga gegen fiktive Gegner um einen fiktiven Pokal spielt.
Die Luft war stickig und mein Kopf fühlte sich an, wie ein bis zum Rand gefülltes Fass mit Nägeln. Das hielt mein Telefon allerdings nicht davon ab, zu läuten. Die ersten vier Mal hatte ich ignoriert, aber nun klingelte es bereits zum fünften Mal. Es gab nur eine Person, die so oft nacheinander anrief und dieser schuldete ich knapp dreihundertfünfzigtausend Dollar. Das waren also dreihundertfünfzigtausend Gründe, meine Kopfschmerzen sowie mein Bedürfnis nach Schlaf zu vernachlässigen.
Mit geschlossenen Lidern tastete ich nach meinem Handy und linste auf das Display, von dem mir eine perlweiße Zahnreihe entgegengrinste. Der Rest des Anruferfotos verschwamm vor meinen Augen, weil eine bleierne Müdigkeit mich wieder in den Schlaf ziehen wollte. Ehe mir die Lider erneut zufallen konnten, hob ich ab.
„Hey, Mom. Wie schön, dass du nach dem Nachtdienst anrufst“, brummte ich mit einer Mischung aus Unverständnis, todmüde und vor allem angepisst in den Hörer. Schulden hin oder her. Ich hatte einen verantwortungsvollen Job und musste fit für die kommende Nacht sein, was in zirka acht Stunden der Fall war.
„Charlize! Es. Ist. Ein. Notfall!“, keuchte meine Mom aufgebracht.
Ich hasste es, wenn sie mich bei meinem richtigen Namen nannte und wenn sie übertrieb. Im Augenblick traf beides zu, und zu allem Übel hatte ich erst knapp drei Stunden geschlafen, was sich nicht unbedingt positiv auf meine Stimmung auswirkte. Ich rollte mit den Augen, was mir gewiss einen tadelnden Blick eingebracht hätte, wenn sie hier gewesen wäre.
„Du kennst die Nummer des Notrufs. Es geht doch nicht wirklich um Leben oder Tod?“, versuchte ich, sie herunterzubringen.
„Es ist kein medizinischer Notfall, Charlize.“
Als ob ich es nicht gewusst hätte.
„Was für ein Notfall ist es dann?“, hakte ich, begleitet von einem Seufzen, nach.
„Du musst eine Wohnungsbesichtigung für mich übernehmen!“
Okay. Nun war ich hellwach. Meine Mutter liebte ihren Job! Sie würde sich eher den rechten Arm abhacken, als einen Termin zu verpassen.
„Was ist passiert?“, erkundigte ich mich, während ich bereits die Beine über die Bettkante hievte.
„Ähm, ich erzählte dir doch von diesem kleinen Laden, in dem ich neulich eine sündhaft teure, irre gut riechende Gesichtscreme gekauft habe. Meine Haut war weich wie der Hintern eines Babys, Charlize!“
„Aber?“, bohrte ich nach, denn umsonst hätte meine Mutter nicht davon angefangen.
„Offenbar bin ich allergisch auf irgendeinen Inhaltsstoff“, murmelte sie so leise in den Hörer, dass ich sie fast nicht verstand.
„Geht das auch ein bisschen präziser?“
Das Schnauben, das sie auf der anderen Seite der Leitung ausstieß, landete als Knistern in meinem Ohr. „Ist es genau genug, wenn ich dir sage, dass mein Gesicht aussieht wie ein Streuselkuchen?“, seufzte meine Mom herzerweichend.
Oh Gott. Meine Mutter war immer auf der Suche nach der Wundercreme, die sie durch einmaliges Auftragen zehn Jahre jünger aussehen ließ. Dementsprechend experimentierfreudig war sie.
„Hast du Cortison-Creme zuhause?“
„Nein, dein Vater ist aber bereits unterwegs zur Apotheke.“
Mein Dad war unterwegs? Dann musste es wirklich schlimm sein, denn er verließ das MIT nur, um zu schlafen oder zu essen.
„Doch selbst, falls er innerhalb der nächsten Minuten zurück sein sollte, so kann ich unmöglich in einer Stunde diese Besichtigung machen. Sieht dieser Kunde mich so, rennt er schreiend davon, Charlize!“
Meiner Mutter konnte man vielleicht vorwerfen, dass sie zu Übertreibungen neigte. Allerdings wusste ich auch, dass sie ihren Beruf abgöttisch liebte und mich niemals um so einen Gefallen bitten würde, wenn sie eine andere Möglichkeit gesehen hätte.
„Okay. Wo muss ich hin?“, bat ich um die Adresse und schleppte meine müden Glieder in das kleine Badezimmer meiner Zweizimmerwohnung.
Aus dem Spiegel starrte mich eine Vogelscheuche an, die sich mein Gesicht ausgeliehen hatte.
„Ich maile dir alles Notwendige. Robert wartet an der Immobilie, um dir den Schlüssel zu geben“, verfiel meine Mom sofort in den Profi-Maklerinnen-Modus.
Apropos Robert.
„Warum kann dein Assistent diese Besichtigung nicht übernehmen?“, fragte ich, während ich sehnsüchtig zu meinem Bett blickte.
„Charlize, ich bitte dich! Robert mag für gewisse Dinge ein Händchen haben, aber bestimmt nicht, um einem jungen Mann eine Wohnung schmackhaft zu machen“, wandte meine Mutter bestürzt ein.
Man könnte glauben, ich hätte ihr vorgeschlagen, Godzilla ihren Job erledigen zu lassen.
„Schon gut, ich gehe ja!“, seufzte ich und ergab mich endgültig meinem Schicksal. Mit ein bisschen Glück war ich in etwa zwei Stunden wieder zuhause, um zumindest noch einen Teil meines versäumten Schlafs nachzuholen, ehe ich zurück in die Klinik musste.
„Dafür schreibe ich dir fünfhundert Dollar gut, Darling. Du bekommst gleich eine Mail“, trällerte Mom in den Hörer und beendete das Gespräch, ehe ich etwas erwidern konnte.
Fünfhundert Dollar weniger, die ich ihr zurückzahlen musste. Immerhin. Meine Eltern hatten mir mein Medizinstudium finanziert, worüber ich wirklich dankbar war. Viele Kommilitonen hatten dieses Privileg nicht gehabt. Sie waren gezwungen gewesen, sich mit mehreren und oftmals ziemlich erniedrigenden Jobs durchzuschlagen, während ich mich dank der familiären finanziellen Unterstützung ausschließlich auf mein Studium hatte konzentrieren können.
Seufzend legte ich das Handy auf die Ablage unter dem Badezimmerspiegel, der wie durch ein Wunder bei meinem Vogelscheuchen-Anblick nicht zerbrochen war. Dann drehte ich den Wasserhahn auf, bis das Wasser eiskalt war, ließ meine aneinandergelegten Handflächen volllaufen, ehe ich mir das kalte Nass ins Gesicht klatschte, um irgendwie wach zu werden. Trotzdem war ich kurz davor, vor dem Waschbecken einzuschlafen, als mir ein sanftes Pling verriet, dass ich eine E-Mail erhalten hatte. Ich trocknete rasch meine Hände ab und rief die angefügte Datei auf, die mir Mom geschickt hatte. Es war das Exposé einer traumhaften, neu renovierten Luxuswohnung in der besten Gegend Bostons. Der monatliche Mietpreis überstieg mein Gehalt um ein Vielfaches. Daher war es nicht verwunderlich, dass meine Mom so erpicht darauf war, diese Immobilie an den Mann zu bringen. Falls ich es schaffte, den Interessenten davon zu überzeugen, diese Wohnung zu mieten, winkte meiner Mutter eine ordentliche Provision. Ich gab die Adresse in die Navigations-App ein, und erkannte, dass ich nur noch Zeit für eine schnelle Dusche und einen Energydrink hatte, um mich irgendwie in einen Wachzustand zu versetzen.
Vier Minuten vor dem Besichtigungstermin stieg ich aus dem Taxi. Robert, Moms Assistent, wartete schon vor der Eingangstür auf mich. Schweißtropfen perlten von seiner Stirn, als er auf mich zugelaufen kam. Robert war ein netter und intelligenter Kerl, doch seine Vorliebe für atmungsinaktive Polyesterkleidung war ein offenbar unabänderlicher Zustand. Er reckte mir seine schweißfeuchte Hand entgegen, die ich zögerlich und nur so lange wie nötig schüttelte, um nicht unfreundlich oder gar arrogant zu wirken. In der Klinik riet man uns aufgrund der Keimbelastung davon ab, Patienten überhaupt die Hand zu schütteln, was mir dem Anschein nach langsam in Fleisch und Blut überging.
„Donna hat mir schon Bescheid gegeben. Dumme Sache mit der Creme. Oben ist alles bereit. Das ist eine Hammer-Bude, Charlie“, informierte mich Robert.
Er mochte ein wenig seltsam sein, aber er war verlässlich, freundlich und ihm entfiel nicht ständig, dass ich meinen richtigen Namen hasste und lieber mit Charlie angesprochen werden wollte.
„Danke, Robert“, erwiderte ich und betrachtete den Schlüssel, der nun auf meiner Handfläche lag. Auf dem Weg hierher hatte ich versucht, sämtliche Fakten, die ich dem Exposé entnehmen konnte, zu verinnerlichen. Gut vorbereitet war gewiss etwas anderes, doch in der Kürze der Zeit war einfach nicht mehr drin. Zudem war ich Ärztin und keine Maklerin.
„Ich … ich geh dann mal. Mr. Hawkins kommt vermutlich gleich.“
„Danke für alles, Robert“, rief ich ihm hinterher und wackelte mit dem Wohnungsschlüssel.
Nachdem Moms Mitarbeiter um die Ecke verschwunden war, musterte ich die Straße zu beiden Seiten, um nach dem Interessenten für die Wohnung Ausschau zu halten. Wer in der Lage war, sich eine derartige Bleibe zu leisten, kam höchstwahrscheinlich im Anzug und in einem funkelnden Neuwagen an. Hoffentlich war der Kunde kein eingebildeter Schnösel, der an allem herumnörgelte und dem nichts gut genug war.
Als zehn Minuten später immer noch kein Mr. Hawkins zu sehen war, wurde ich langsam nervös. Ich fischte mein Smartphone hervor, um die Mail meiner Mutter erneut zu kontrollieren. Hatte ich etwas falsch verstanden? Aber dann wäre Robert nicht hier gewesen! Nein. Die Daten stimmten.
„Sie müssen Mrs. Jefferson sein“, erklang plötzlich eine tiefe und ein wenig außer Atem klingende Stimme hinter mir.
Mhhh, sexy. Ich ließ das Handy zurück in die Tasche fallen, kleisterte mir ein Lächeln ins Gesicht und drehte mich um. Mein Lächeln verwandelte sich innerhalb eines Sekundenbruchteils zu einer verblüfften Miene.
Oh.
Mein.
Gott.
Das musste ein Scherz sein! War ich im Stehen eingeschlafen und träumte?
„Und Sie … Sie sind nicht Mr. Hawkins“, stammelte ich dümmlich. „Sie sind Mr. Hopkins.“
Mein Herz hämmerte gegen meinen Brustkorb und ich hatte Mühe damit, normal weiter zu atmen. Vor mir stand Blaine Hopkins, Defensivspezialist der Boston Razors, der Mannschaft, die ich seit meinem vierzehnten Lebensjahr vergötterte. Als hätte das nicht ausgereicht, um mich total aus der Fassung zu bringen, sah Hopkins auch noch umwerfend aus. Umwerfender als auf jeder Player-Card, die ich sorgfältig in einem Album sammelte. Das schwarze Haar hing ihm bis knapp unterhalb seiner markanten Wangenknochen ins Gesicht und seine grauen Augen musterten mich interessiert. Als sich ein Grinsen auf seine geschwungenen Lippen legte, entblößte er eine Reihe ebenmäßiger Zähne. Es war nicht völlig auszuschließen, dass das ein oder andere Original im Lauf seiner Eishockey-Karriere hatte ersetzt werden müssen, doch wenn das der Fall war, so hatte Hopkins‘ Zahnarzt wirklich hervorragende Arbeit geleistet.
Blaine Hopkins stellte in seinen dunklen Jeans, dem aufgeknöpften schwarz-rot karierten Hemd und dem weißen T-Shirt, das er darunter trug, das komplette Gegenteil von dem dar, was ich erwartet hatte. Aufgrund der Preislage hatte ich angenommen, dass sich ein gut betuchter Anzugträger für die Immobilie interessierte, allerdings hatte ich damit vollkommen falsch gelegen, denn auch als Spieler der Razors konnte man sich die Wohnung leisten. Wie man hörte, verdienten die Rookies, wie die Liga-Neulinge genannt wurden, bereits im ersten Jahr fast eine Million pro Saison und Hopkins zählte längst zu den erfahrenen Spielern. Jedoch schien er nicht der Typ zu sein, der seinen Kontostand anhand völlig überteuerter Klamotten heraushängen ließ. Das gefiel mir.
„Richtig, Mrs. Jefferson“, bestätigte er gedehnt und das raue Timbre seiner Stimme katapultierte mich an den Rand einer Ohnmacht.
Himmel! Das musste man sich vor Augen halten! Ich hatte Medizin studiert und war bisher mit offenen Brüchen, blutenden Wunden und so ziemlich allen Arten von Körperflüssigkeiten konfrontiert worden. Trotzdem klappte ich beinahe wie ein Teenager zusammen, weil ich einem Spieler meiner Lieblingsmannschaft leibhaftig gegenüberstand.
„Ich bin Charlie Jefferson. Sie hatten den Besichtigungstermin ursprünglich mit meiner Mutter vereinbart, doch ihr kam leider die Gesundheit dazwischen“, informierte ich ihn und überlegte, ob es inzwischen zu spät war, ihm die Hand zu geben.
Besser spät als nie, oder?
„Freut mich, Sie kennenzulernen“, meinte ich und reckte meinem Gegenüber die Hand hin.
„Mich ebenfalls“, antwortete Hopkins mit einem Augenzwinkern und schüttelte mir die Hand.
Ich biss mir auf die Innenseite meiner Wangen, um zu verhindern, dass ich laut nach Luft japste, als er mich berührte. Verdammt! Hoffentlich hatte er nicht bemerkt, wie sehr ich vor Nervosität zitterte. Die Berührung war nur kurz gewesen, was allerdings nichts daran änderte, dass sie mir bis ins Mark reichte.
„Oh, ich hoffe, nichts Schlimmes.“ Hopkins strich sich mit einer lässigen Geste die schwarzen Strähnen aus dem Gesicht, die sofort wieder zurückfielen.
„Nein, nein. Keine Sorge“, versicherte ich und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln, während ich in Gedanken bereits ein Dankschreiben an den Hersteller dieser Gesichtscreme verfasste. Wäre Mom nicht auf irgendeinen Inhaltsstoff allergisch, so stünde ich nun nicht hier. Und mal ehrlich? Wer benötigte schon Schlaf, wenn er einem Razor ein Appartement zeigen durfte? Oh Gott, falls er diese Wohnung wirklich nahm, so kannte ich seine Adresse! Über die ich zwar Stillschweigen bewahren musste, aber immerhin!
„Richten Sie ihr bitte aus, dass ich ihr gute Besserung wünsche“, meinte Hopkins, was meinen Puls beschleunigte.
Er hatte sich für sein Zuspätkommen entschuldigt, mir die Hand geschüttelt und mir währenddessen in die Augen statt in den Ausschnitt gesehen. Und nun gab es on top noch Genesungswünsche an meine Mutter, die er gar nicht kannte! Innerhalb einer Minute hatte Blaine Hopkins sich damit an die Spitze meiner Traummann-Liste katapultiert. Er schleppte einen Berg Sex-Appeal mit sich herum und besaß zudem Manieren.
Meine Freundin und Kollegin Kylie stand auf finstere Typen, deren Egos so groß waren, dass sie kaum in die Sportwagen passten, mit denen sie herumfuhren. Diese Kerle fand man in jeder zweiten Bar zuhauf. Für einen gewissen Zeitvertreib mochte das in Ordnung sein, doch meiner Meinung nach ging nichts über einen Mann, dem die grundlegenden Umgangsformen bekannt waren und der sich nicht scheute, diese anzuwenden. Was das betraf, teilte ich ausnahmsweise die Sichtweise meiner Mom, selbst wenn ich sonst eher die Rolle des schwarzen Schafes zugeteilt bekam. Denn fatalerweise war ich mit dreiundzwanzig nicht schon verlobt gewesen, wie meine jüngere Schwester Jessica, die zu Moms Ärger darauf bestand, Jessie genannt zu werden. Und ich war auch nicht so erfolgreich wie mein Bruder Nicolas, der mit vierundzwanzig Jahren CEO einer Softwarefirma war, die er bereits während seines Studiums am MIT gegründet hatte.
„Danke, sie wird sich bestimmt über Ihre Genesungswünsche freuen“, erwiderte ich etwas steif, was Mr. Hopkins mit einem Lächeln beantwortete.
Es gab nur eine Chance für den ersten Eindruck und meiner von Blaine Hopkins war bisher durchweg positiv. Durch meine Arbeit in der Privatklinik, wo sich der Großteil von Bostons Sportlern behandeln ließ, hatte ich des öfteren Kontakt mit dieser besonderen Spezies Patient. Manche waren – das ließ sich nicht anders ausdrücken – verzogene, überbezahlte Gören, doch dazu konnte ich Blaine Hopkins unmöglich zählen.
„Wollen wir?“, fragte ich und zeigte in Richtung Hauseingang.
„Nach Ihnen“, entschied er und folgte mir.
Nachdem ich aufgesperrt und ihn in den Aufzug geführt hatte, begann ich, die Fakten der Wohnung herunterzurattern. Ich wollte nicht in die Versuchung geraten, ihn sabbernd anzustarren oder ihn um ein Autogramm auf meinen Arm, Dekolleté, Bauch oder gar Hintern zu bitten. Irgendwie musste ich mein inneres Boston-Razors-Fangirl in den Griff bekommen. Auf der Stelle!
„Das Gebäude wurde neunzehnhundertvierundsiebzig erbaut, aber vergangenes Jahr kernsaniert. Es beherbergt insgesamt zwanzig Parteien, die sich über fünf Stockwerke verteilen. Auf ihrer potentiellen Etage gibt es zwei weitere Appartements, die bereits vermietet sind. Um die Reinigung, anfallende Wartungen oder Reparaturen kümmert sich eine Firma, sodass Sie, außer hier zu wohnen und sich wohlzufühlen, nichts tun müssen.“
Hopkins hatte noch immer dieses amüsierte Schmunzeln im Gesicht, wie zu Beginn, als er die Hände in die Hosentaschen geschoben und sich mit überkreuzten Knöcheln an die Wand der Fahrstuhlkabine gelehnt hatte.
„Klingt gut“, meinte er und sorgte mit einem Augenzwinkern fast dafür, dass ich vergaß, ob Englisch oder Suaheli meine Muttersprache war. Ich rechnete mit einer Frage zum Gebäude, doch Hopkins sah mich einfach schweigend an. Sein Blick brannte sich förmlich in meinen Blazer, unter dem ich eine weiße Bluse trug und in der mir plötzlich schrecklich warm wurde.
Als die Türen des Lifts auseinanderglitten, neigte er leicht den Kopf und gab mir mit einer Handbewegung zu verstehen, dass ich vorgehen sollte. Klar, er wusste schließlich nicht, wo die Wohnung lag.
Auf wackeligen Knien ging ich voraus und war froh, dass Blaine Hopkins sich offenbar für das großzügige Oberlicht zu interessieren schien, welches das Treppenhaus mit Licht flutete. Mit zitternden Fingern fummelte ich den Schlüssel in das Schloss. Als die Tür endlich nachgab, schickte ich ein Stoßgebet zum Himmel, dass ich mich nicht schon unwiderruflich zur Idiotin gemacht hatte! Beinahe konnte ich die verkniffene Miene und das fassungslose Kopfschütteln meiner Mutter vor meinem geistigen Auge sehen. So ein Mist! Nicht einmal offene Wunden brachten mich derart aus der Fassung, wie die Tatsache, dass sich ein eins zweiundneunzig großer und zweihundertzehn Pfund schwerer Eishockeyspieler knapp einen Meter hinter mir befand! Hoffentlich platzte mir nicht heraus, dass ich beeindruckt von seiner bisherigen Plus-Minus-Statistik war und es meiner Meinung nach im letzten Spiel auf keinen Fall ein Stockschlag gewesen war, für den ihn der Schiedsrichter auf die Strafbank geschickt hatte. Blaine Hopkins mochte ein Riese sein, doch er war einer der fairsten Spieler der Liga. Aber klar, irgendwer musste ja die unzähligen Strafminuten ausgleichen, die Jason Coltrane, der Captain der Razors, kassierte.
Erleichtert stellte ich fest, dass Robert sämtliche Lichter angeschaltet hatte, was mir die peinliche Sucherei nach den Lichtschaltern ersparte.
„Die Wohnung bietet zweihundertfünfundzwanzig Quadratmeter, verteilt auf vier Zimmer. Das Größte befindet sich gleich hier vorn“, startete ich meine Führung und ging den Flur entlang durch den großen Rundbogen, der den Zugang zum Wohn- und Essbereich darstellte.
„Die durchgehende Fensterfront garantiert bei Nacht eine spektakuläre Aussicht auf Boston. Aber seien Sie unbesorgt, es handelt sich um verspiegeltes Isolierglas, das sowohl Lärm, als auch fremde Blicke draußen hält“, pries ich den Vorzug des Zimmers an und begab mich zur Mitte des Raumes. Ich ratterte Deckenhöhe, Quadratmeteranzahl und mögliche Nutzung herunter. Da Hopkins offenbar keine Fragen hatte, ging ich direkt hinüber in die neu eingebaute Küche.
„Die Küche ist im Mietpreis enthalten“, fuhr ich fort und begann, den nagelneuen Herd, den Dampfgarer und den Kühlschrank zu öffnen, damit er sich von der Erstklassigkeit der Elektrogeräte überzeugen konnte.
Hopkins nahm alles nickend zur Kenntnis und schraubte dadurch ungeahnt meine Nervosität auf ein völlig neues Level. Ich spürte Schweißtropfen um Schweißtropfen meinen Rücken hinabwandern, während ich ihm die weiteren Räumlichkeiten zeigte. Er schwieg eisern und je länger die Besichtigung dauerte, umso sicherer war ich mir, dass ich dabei war, total zu versagen. Aber warum? Die Wohnung war ein Traum und für einen Stammspieler der Razors sollte auch die Miete von mehreren tausend Dollar kein Problem darstellen.
„Das hier könnte ein Ankleidezimmer werden“, schlug ich vor und stieß die Tür zum kleinsten und letzten Zimmer auf, das immerhin stolze zwanzig Quadratmeter maß.
Statt einzutreten und sich umzusehen, lehnte Blaine Hopkins sich mit der Schulter gegen den Türrahmen und sah auf mich herab. Meine Kehle wurde staubtrocken unter seinem intensiven Blick und wie von selbst leckte ich mir über die Lippen. Hopkins folgte der Bewegung meiner Zunge, ehe er mir wieder in die Augen sah. Er beugte sich näher zu mir und raunte: „Sehe ich so aus, als ob ich ein Ankleidezimmer bräuchte?“
Perplex ließ ich den Blick an ihm hinabwandern. Verflucht, nein! Er war vermutlich eher einer der Typen, der das Gepäck für einen zweiwöchigen Urlaub in einen Minirucksack steckte. Doch das konnte ich ihm schlecht so direkt ins Gesicht sagen. Ich schluckte angestrengt, weil ich meinen Fuß bereits gefährlich tief über dem Fettnäpfchen schweben sah, in das ich zu treten drohte.
„Na ja, Sie vielleicht nicht, möglicherweise aber Ihre Freundin oder Lebensgefährtin“, presste ich hervor, während meine Wangen sekündlich wärmer wurden.
Ich bewegte mich gerade auf sehr dünnem Eis, denn ich hatte keinen blassen Schimmer, ob Hopkins in einer Beziehung war oder nicht. Mein Gegenüber stieß ein heiseres Lachen aus und sah kurz zur Seite, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder auf mich lenkte.
„Keine Freundin. Keine Lebensgefährtin. Kein Ankleidezimmer. Einen Fitnessraum könnte ich mir noch vorstellen“, begann er, womit er sogleich die Hoffnungen auf einen Abschluss in mir schürte. „Doch leider sehe ich mich hier nicht wohnen.“
Ernüchterung machte sich in mir breit. Allerdings hätte ich kein abgeschlossenes Medizinstudium, wenn ich immer sofort aufgegeben hätte.
„Im Moment ist alles natürlich ein wenig kahl. Donna Jefferson Real Estate hat jedoch eine Kooperation mit einem hervorragenden Innenausstatter. Ich kann Ihnen die Nummer zukommen lassen“, schlug ich vor.
Erwartungsvoll beobachtete ich, wie Blaine Hopkins seine Lippen aufeinanderpresste.
„Nicht einmal der Innenausstatter wird etwas daran ändern, dass das hier nicht meinem Geschmack entspricht. Die Wohnung ist schön, keine Frage. Doch sie ist nicht meine Wohnung. Der Funke sprang einfach nicht über“, erklärte er und ich bewunderte ihn für seine Aufrichtigkeit, der ich nichts mehr entgegenzusetzen hatte.
In den Semesterferien hatte ich hin und wieder bei meiner Mom gejobbt und ihr währenddessen über die Schulter schauen können. Daher kannte ich einige Tricks und Kniffe, die sie gern nutzte, um einen Interessenten umzustimmen, aber ich wusste instinktiv, dass es sinnlos war, Blaine Hopkins eine Vergünstigung des Mietpreises oder einen Nachlass bei der Kaution anzubieten. Anhand des Baumwollhemdes, der Jeans und der Arbeiter-Boots hätte es mir eigentlich sofort auffallen müssen, dass das die falsche Wohnung für ihn war. In diesem Appartement war alles neu, glattpoliert, kühl und modern, sodass Hopkins hier ebenso gut reinpasste, wie ein Löwe in einen Streichelzoo. Ich nickte.
„Mein Geschmack ist eher etwas rustikaler“, fuhr er fort, woraufhin ich erneut den Blick an ihm hinabwandern ließ.
Teufelnocheins! Blaine Hopkins war wirklich ein optischer Leckerbissen! Ich könnte ihn den ganzen Tag ansehen, ohne mich dabei zu langweilen.
„Verstehe“, erwiderte ich, während ich fieberhaft überlegte, was ich nun tun sollte.
Genau genommen war meine Arbeit erledigt, allerdings sträubte sich irgendwas in mir, die Besichtigung bereits zu beenden. In der Klinik war nie Gelegenheit für private Gespräche und zudem wurde das von der Klinikleitung nicht gern gesehen. Beziehungen zwischen dem medizinischen Personal und Patienten waren sogar vertraglich untersagt.
Doch an sowas dachte ich überhaupt nicht! Ich wollte einfach die Möglichkeit nutzen, Zeit mit einem Razor unter vier Augen zu verbringen. Das kleine Detail, dass wir die gleiche Luft atmeten, brachte mein Fangirl-Herz zum Flattern. Hopkins schien völlig frei von irgendwelchen Allüren zu sein und das sorgte dafür, dass ich mich unglaublich wohl in seiner Gesellschaft fühlte. Dazu war er natürlich auch noch ganz nett anzusehen. Welche Frau mit zwei gesunden Augen im Kopf war da schon in der Lage, zu widerstehen?
Logisch betrachtet hielt uns nichts mehr in der Wohnung, aber weder Hopkins noch ich hatten uns bisher von der Stelle bewegt.
„Heute ist trainingsfrei, deswegen habe ich ausnahmsweise keine anderweitigen Termine mehr. Gibt es vielleicht ein zweites Appartement, das Sie mir zeigen können?“, fragte er, ohne seinen Blick von mir zu lösen.
„Da muss ich mal kurz telefonieren“, antwortete ich heiser, denn Hopkins‘ Nähe stellte seltsame Dinge mit meinem Sprachzentrum an.
Ich war keine Maklerin, ich war Ärztin und sollte mich eigentlich in meinem Bett befinden, damit ich ausreichend ausgeschlafen war, um den anstehenden Nachtdienst zu stemmen. Allerdings wollte ich mir die Chance, ein wenig Extra-Zeit mit einem Spieler meiner Lieblingsmannschaft zu verbringen, nicht entgehen lassen! Möglicherweise taute die Stimmung zwischen uns noch so weit auf, dass wir ein bisschen über die vergangenen Begegnungen sprechen konnten oder ich einen kleinen Eindruck vom privaten Blaine Hopkins bekam.
„Tun Sie das“, entgegnete er wieder mit dieser rauen Stimme, die sich als warmer Knoten in meinem Bauch festsetzte und langsam südwärts wanderte. Heilige!
„Sie können sich in der Zwischenzeit gern umsehen. Vielleicht funkt es noch“, bot ich ihm an und schickte ein Lächeln hinterher, das vermutlich genauso zittrig war, wie sich meine Knie soeben anfühlten.
Um ein vernünftiges Gespräch mit meiner Mutter führen zu können, brauchte ich Abstand von ihm, deswegen ging ich schnell hinüber in die Küche.
Mom hob nach nur einem Läuten ab.
„Und?!“, keuchte sie in den Hörer.
Ich sammelte mich und sagte dann: „Sie gefällt ihm nicht.“
„Was?!“, schlug es mir prompt entgegen. Sie klang, als ob sie mir nicht glauben würde, aber für eine nähere Ausführung der Gründe war keine Zeit. Das musste ich gegebenenfalls später nachholen.
„Hast du eine andere Wohnung, die passen könnte? Er hätte gerne etwas Rustikaleres.“
Ich hörte meine Mutter tief Luft holen und wieder ausatmen. Sie hatte sich auf die Fahne geschrieben, dass sie für jeden die passende Immobilie fand und dass Hopkins diese Traumwohnung ablehnte, weckte ihren Ehrgeiz.
„Möglicherweise habe ich da was. Du erhältst in zwei Minuten eine E-Mail von mir, Darling.“
Mit diesen Worten legte sie auf, während ich meine Lider schloss und versuchte, meine Aufregung in den Griff zu bekommen. Mit ein wenig Glück durfte ich noch etwas mehr Zeit mit Blaine Hopkins verbringen.
Der Duft seines Eau de Toilette breitete sich zwischen uns aus, während sich Blaine Hopkins einen Weg durch die verstopften Straßen von Boston bahnte. Oder besser gesagt, er probierte es. Seit etwa fünf Minuten, die ich im Geiste schon von meiner Schlafzeit abzog, standen wir an ein und derselben Stelle. Um uns herum erklang wütendes Hupen, allerdings schien Hopkins die Verkehrssituation kein bisschen zu stören. Er trommelte mit den Fingern zum Takt des Liedes, das im Radio gespielt wurde, und wippte dabei auch noch fröhlich mit dem Fuß.
Nachdem die Mail mit den Eckdaten der anderen Wohnung eingetroffen war, hatte ich ihm vorgeschlagen, ein Taxi für uns zu bestellen. Jedoch bestand Hopkins hartnäckig darauf, dass wir mit seinem Wagen dorthin fuhren, sodass ich schließlich eingewilligt hatte.
Ich hatte mit den unterschiedlichsten Fahrzeugen gerechnet. Oldtimer, Sportwagen, ein europäisches Importfahrzeug, ein riesiger Jeep, doch niemals mit dem roten Pick-up, der die besten Jahre bereits hinter sich hatte. Seltsamerweise passte dieses Auto tausendmal besser zu Blaine Hopkins, als alle, die ich erwartet hatte. Ebenso wenig hatte ich gedacht, dass er mir galant die Tür aufhalten und mir sogar seine Hand als Hilfe beim Einsteigen anbieten würde. Dieses Angebot hatte ich mir natürlich nicht entgehen lassen, auch wenn die Berührung meinen Puls in besorgniserregende Höhen katapultiert hatte.
Um ihn nicht ständig anzustarren, lernte ich die spärlichen Fakten der Wohnung auswendig. Das Objekt befand sich erst seit gestern in der Kartei meiner Mutter, daher waren bisher nur die wichtigsten Daten, wie Mietpreis, die Zugangscodes und Quadratmeteranzahl eingepflegt worden. Und der Haken, über den ich Blaine Hopkins irgendwie aufklären musste. Nachdenklich sah ich aus dem Fenster.
Neben uns stand ein dunkelblauer Kleinwagen, in dem ein Mann saß, der offenbar jeden Moment aus der Haut fahren würde. Er hupte, gestikulierte und schimpfte wie verrückt, was jedoch auch nicht dafür sorgte, dass wir schneller vorankamen.
„Heilige, falls der Kerl so weitermacht, hat er gleich einen Herzstillstand und ich muss ihn an Ort und Stelle reanimieren“, rutschte es aus mir heraus, woraufhin ich in den Genuss von Blaine Hopkins‘ Lachen kam.
Dieses Geräusch bescherte mir eine wohlige Gänsehaut und weil ich ahnte, dass es mich völlig den Verstand kosten würde, wenn ich nun zu ihm hinübersah, starrte ich stur aus der Seitenscheibe. Der Fahrer des Kleinwagens hatte inzwischen ein Handy hervorgeholt und tippte wild auf dem Display herum. Plötzlich stellten sich meine Nackenhaare auf, als ich bemerkte, wie Hopkins‘ Atem auf die Haut an meinem Hals traf. Durch die Spiegelung in der Scheibe erkannte ich, dass er sich zu mir herübergebeugt hatte. Vermutlich wollte er einen Blick auf unseren Stau-Nachbarn werfen und hatte offenbar keine Ahnung, was er mir damit antat.
„Könnest du das denn? Ihn reanimieren?“, fragte er und versetzte dabei mit seinem dunklen Timbre nicht nur mein Trommelfell in Schwung.
Seine Nähe und die Tatsache, dass er mich eben geduzt hatte, wirkten wie eine Kernschmelze auf mein Gehirn.
„Ähm, klar. Ich bin Ärztin“, brachte ich verzögert hervor, nachdem Hopkins sich wieder ein wenig zurückgezogen hatte.
Ich spürte, dass er mich musterte, fasste all meinen Mut zusammen und sah zu ihm hinüber. Oftmals wurde ich für jünger gehalten als die siebenundzwanzig Jahre, die ich ihn Wirklichkeit war, deswegen überraschte mich sein verwunderter Blick nicht.
„Ärztin, mit Nebenjob Maklerin? Dein Boss muss dich grottenschlecht bezahlen“, witzelte er und schenke mir ein hinreißendes Grinsen, das ich spontan erwiderte.
„Vielleicht sollten Sie das zur Sprache bringen, wenn Sie das nächste Mal auf der Behandlungsliege Platz nehmen“, schlug ich vor, weil ich ihm irgendwie mitteilen wollte, dass ich in der renommierten Knight-Klinik arbeitete.
Blaine Hopkins schluckte den Köder sofort. Seine Brauen bewegten sich aufeinander zu, als er fragte: „Du arbeitest in der Klinik, die die Razors betreut?“
Ich nickte.
„Zusammen mit Doc Robinson?“
Ian Robinson war einer der Sportmediziner. Genauer gesagt war er sogar der Beste, den das Krankenhaus beschäftigte, sodass er das Privileg genoss, der erste Ansprechpartner für alle Profisportler zu sein. Robinson war sozusagen der Superstar unter den Klinikärzten und ich bewunderte ihn für seine enorme Fachkenntnis. Für Robinsons Privatleben galt jedoch das Gegenteil, denn sein exorbitanter Frauenverschleiß gefiel mir überhaupt nicht. Was dies betraf, musste ich mir allerdings keine Sorgen machen. Mit meinen rotblonden Haaren und den Sommersprossen auf Nase und Wangen fiel ich nicht in sein Beuteschema.
„Indirekt. Ich bin auch in der Knight-Klinik angestellt. Doch um Ihre Frage zu beantworten: Es ist eine Ausnahme, dass ich meiner Mutter heute aushelfe.“
Hopkins‘ Grinsen verschwand.
„Wie hoch stehen die Chancen, dass ich auf deinem Behandlungstisch lande, wenn ich mich verletze?“
Mein Herz rutschte einige Stockwerke tiefer, ehe es wieder an seinen Platz katapultiert wurde. Was wollte er damit sagen? Etwa, dass er mich wiedersehen wollte? Mein Verstand weigerte sich, das zu verarbeiten. Träumte ich möglicherweise? Führten wir diese Unterhaltung gar nicht, weil ich stattdessen aufgrund des Schlafmangels mit der Wange an der Seitenscheibe klebte, während ein Speichelfaden aus meinem Mundwinkel lief? Nein. Dazu befand sich Blaine Hopkins viel zu klar und deutlich vor meinen Augen. Das konnte ich mir unmöglich herbeifantasieren.
Ich bemerkte, wie sich ein Kloß in meiner Kehle breitmachte, und schaffte es schließlich, meinen Blick von ihm zu lösen. Was auch immer den Stau verursacht hatte, schien verschwunden zu sein, denn die Wagen vor uns rollten langsam an. Ich räusperte mich, ehe ich sagte: „Ihrem Team und natürlich Ihnen selbst zuliebe wäre es gut, wenn Sie sich nicht verletzen. Aktuell bin ich nämlich in der Notaufnahme eingesetzt. Da wollen Sie nicht landen, glauben Sie mir.“
Die Knight-Klinik war als Privatklinik bekannt. Diese stellte den Großteil der Einrichtung dar, doch dort wurde ebenfalls eine Notaufnahme betrieben, um ein möglichst breites Spektrum an medizinischen Leistungen anzubieten. Hopkins‘ Grinsen kehrte zurück, während wir uns endlich wieder vorwärtsbewegten.
„Bisher sah ich die Klinik nur als Besucher von innen. Ich bin seit drei Jahren verletzungsfrei und hoffe, dass das noch lange so bleibt“, verkündete Hopkins.
Kurzum: Blaine Hopkins war in den zwei Spielzeiten bei den Denver Crashers und seitdem er für die Razors spielte, nie verletzt gewesen. Das wiederum bedeutete, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach kein Patient der Knight-Klinik war. Mein Herz klopfte schneller, als mir diese Tatsache bewusstwurde.
„Das hoffe ich auch. Die Razors haben zwar dieses Jahr im Angriff aufgerüstet, aber das besagt nicht, dass man die Defensive außer Acht lassen darf“, platzte ich nun doch mit meinem Wissen heraus.
„Du kennst dich aus“, stellte er fest.
„Ein wenig“, gab ich zu. Ich musste ihm ja nicht auf die Nase binden, dass ich so gut wie jedes Spiel der Razors gebannt auf dem Bildschirm verfolgte, falls es mein Dienstplan erlaubte.
„Was denkst du über Ridley Wilde?“
„Er ist phänomenal!“, rief ich begeistert, denn der Mittelstürmer, der in der Sommerpause von den Florida Rockets zu den Razors gewechselt war, hatte sich als Torgarant entpuppt. Im Schnitt schoss er zwei Komma vier Tore, was ich mir jedoch verkniff hinzuzufügen.
Hopkins lachte und schüttelte den Kopf.
„Ich richte es ihm aus, wenn ich ihn morgen beim Training treffe.“
„Wirklich? Sie wollen ihm sagen, dass ich ihn für phänomenal halte?“
Mein Chauffeur schürzte die Lippen und setzte eine nachdenkliche Miene auf.
„Du hast Recht. Das werde ich ihm besser verschweigen. Ridleys Ego ist sowieso bereits enorm!“
Ich kicherte. In der Klinik hätte ich so etwas nie gemacht. Aber hier im Innenraum des Pick-ups befanden sich nur Blaine Hopkins und ich.
„Verstehen Sie sich gut? Sie und Ridley Wilde?“, hakte ich nach.
Wenn ich die Möglichkeit hatte, ein paar Insiderinformationen abzugreifen, musste ich das nutzen! Das hatte rein gar nichts mit meinem Job in der Klinik zu tun. Im Moment war ich keine Ärztin, lediglich Donna Jeffersons Tochter. Blaine Hopkins war im Augenblick kein Patient, sondern einfach nur ein Klient, der eine Wohnung suchte. Zudem war gar nicht endgültig geklärt, ob er überhaupt schon einmal zur Behandlung in der Knight-Klinik gewesen war.
Die Knight-Klinik besaß nur das Privileg, die Spieler bei Sportverletzungen zu behandeln. Schnupfen, Kopfschmerzen und alle anderen Wehwehchen übernahmen Ärzte, die sich die Eishockey-Profis selbst aussuchten.
Was ich hier tat, war nur ein Gefallen für meine Mom und somit konnte mir Professor Randall Knight, unser Oberboss, nicht vorwerfen, dass ich mit dieser zwanglosen Plauderei gegen meinen Arbeitsvertrag verstieß.
„Jeder mag Ridley. Er hat so eine Art an sich, die es einem unmöglich macht, ihn nicht zu mögen. Er hat immer einen Spruch auf Lager und ist für sämtlichen Mist zu begeistern. Neulich kam er vor dem Training auf die Idee, den Schläger unseres Goalies mit einem Blümchen-Tape zu versehen!“, erzählte er und lachte in sich hinein.
„Er hat Selenikovs Schläger mit Blümchen-Tape beklebt?“, fragte ich ungläubig.
Selenikov war ein ruhiger, fast stoischer Typ, den ich noch nie eine Gefühlsregung hatte zeigen sehen. Ich bezweifelte, dass ihn Blümchen-Tape aus der Reserve hatte locken können.
„Ja! Ist das zu fassen? Rosa Blümchen-Tape! Ich habe keine Ahnung, wo Ridley das Tape überhaupt bekommen hat! Selenikov hat sich geweigert, auf das Eis zu gehen, ehe der Zeugwart seinen Schläger nicht neu getaped hatte. Der Coach kochte vor Wut, doch die meisten fanden es ziemlich witzig. Sowas ist typisch für Ridley.“
Ich hörte Blaine Hopkins fasziniert zu, als er zu beinahe jedem seiner Teamkameraden eine Anekdote hervorbrachte. Mir fiel auf, dass er über niemanden etwas Negatives ausplauderte, sondern nur die positiven Seiten hervorhob. Sei es die Passgenauigkeit, den besten Musikgeschmack oder einfach das Talent, die leckerste Lasagne zu kochen. War ich am Anfang noch vor Nervosität umgekommen, so entspannte ich mich immer mehr und saugte jede Information wie ein trockener Schwamm auf.
Schließlich parkten wir vor der Wohnung, die in der Nähe des Hafens lag.
„Das Gebäude war früher eine Lagerhalle und wurde kürzlich zu einem Wohnkomplex umfunktioniert. Die Architekten haben hier ein richtiges Juwel geschaffen“, versprach ich Blaine Hopkins, während ich zum Bedienfeld neben der Haustür ging. „Das Haus ist alt, aber es wurde mit der modernsten Technik ausgestattet“, pries ich die Immobilie weiter an und tippte den sechsstelligen Code ein, woraufhin die Tür entriegelt wurde.
„Nett“, kommentierte mein Begleiter, der über mich hinweglangte und mir die Tür aufhielt.
Himmel, der Kerl hatte tatsächlich eine hervorragende Erziehung genossen. Die Frau, die ihn mal abbekam, konnte sich glücklich schätzen. Er war groß, sportlich, attraktiv, humorvoll und ein echter Gentleman. Ich hatte keine Ahnung, wann mir zuletzt von einem Mann die Tür aufgehalten geworden war! Mein letztes Date war mit einem Typen gewesen, der sich am liebsten selbst beweihräuchert hatte. Den ganzen Abend hatte er mich mit Carla angesprochen, obwohl ich ihn mindestens ein dutzend Mal berichtigt hatte. Doch ich machte im Moment allgemein einen Bogen um Dates, damit meine Mutter nicht daran erinnert wurde, dass sie mir eine Verabredung mit Chester Knight, dem Sohn von Professor Randall Knight verschaffen wollte. Bisher war es mir gelungen, mich galant aus der Affäre zu ziehen und die Arbeit vorzuschieben, aber auf Dauer ließ sich Mom damit nicht hinhalten. Zu meinem Leidwesen verkörperte Chester so ziemlich alles, was ich an einem Mann unattraktiv fand. Im Gegensatz zu Blaine Hopkins, der mal wieder viel zu nahe bei mir stand, während ich den Code an der Wohnungstür eingab.
„Die Codes können über den Sicherheitsdienst selbstverständlich geändert werden. Eine Änderung pro Quartal ist jedoch Pflicht“, informierte ich Hopkins über das System, das ich vom Appartement meines Bruders kannte.
„Wie lautet der Code, damit du mich duzt?“, bohrte er nach, ehe ich in die Wohnung schlüpfen konnte.
Sofort begann alles in mir zu prickeln. Ein Spieler meiner Lieblingsmannschaft bot mir das Du an?! Das war wohl ein Traum! Hing ich also doch sabbernd und im Tiefschlaf irgendwo fest?!
„Oh, ähm. Soll ich?“
„Würde ich sonst darum bitten?“
Blaine senkte das Kinn in Richtung Brust und sah mir tief in die Augen. Wie sollte ich da bitteschön nein sagen? Mit dem Ausdruck im Gesicht hätte er mich bitten können, so ein ekliges Fleischkleid anzuziehen, wie Lady Gaga es einmal getan hatte und ich hätte zugestimmt! Das Lächeln, das sich auf meine Züge schlich, wurde immer breiter, bis ich schließlich antwortete: „In Ordnung, dann zeige ich dir nun deine möglicherweise neue Wohnung.“
Es fühlte sich seltsam an, ihn zu duzen und etwas in mir meckerte weiterhin herum, dass ich das besser bleiben lassen sollte. Diese Stimme wurde allerdings schnell von dem Hochgefühl überlagert, dass mir Blaines Angebot und seine Anwesenheit bescherte.
Als ich mit ihm im Schlepptau durch die Tür ging, entwich mir ein „Wow“.
Diese Immobilie war der Wahnsinn! Der Eingangs-, Wohn- und Essbereich sowie die Küche bildeten einen riesigen Raum. Rund um den Wohnbereich spannte sich eine offene Galerie, die zu den oberen Zimmern, einem Schlafzimmer, einem Ankleideraum und einem großen Badezimmer führte, wie ich aus der stichpunktartigen Beschreibung entnommen hatte. Die knapp sieben Meter hohe Decke bestand aus dunklen Eichendielen, die einen Kontrast zum Fußboden aus poliertem Beton darstellte. In den meisten Wohnungen hätte das fehl am Platz gewirkt, aber hier sorgte es für den gewissen Charme. Im Gegensatz zu dem spiegelglatten Boden standen die groben freigelegten Backsteine der Wände und die schwarz gestrichenen, mit allerhand Schnörkeln verzierten, Metallträger, die die Galerie trugen. Die Träger glänzten in neuem Anstrich und es roch schwach nach Farbe. Die bodentiefen Sprossenfenster, die im Abstand von jeweils etwa einem Meter die gesamte Südseite einnahmen, waren sogar noch mit Folie verklebt, weil die Rahmen offenbar ebenfalls kürzlich gestrichen worden waren. Blaine Hopkins sah sich um und stieß einen leisen Pfiff aus, der meine Hoffnung auf einen Vertragsabschluss weckte. Meine Mom würde ausflippen vor Freude, wenn ich diese Wohnung vermittelte!
„Okay“, begann ich, nachdem ich mich wieder halbwegs im Griff hatte. „Die Immobilie erstreckt sich über zwei Etagen und hat einhundertachtzig Quadratmeter. Das ist zwar weniger als bei der Ersten, doch ich denke, Platzangst musst du deswegen nicht bekommen“, streute ich einen Witz ein, um die Stimmung ein bisschen aufzulockern.
„Platzangst? Ich habe eher Angst, mich zu verlaufen“, stellte Blaine schmunzelnd klar, was für meinen Magen allem Anschein nach das Zeichen für einen doppelten Überschlag war.
Ohne Zweifel fand ich ihn anziehend, aber im Augenblick konnte ich schwer sagen, ob das an meiner Verehrung für die Razors lag, oder ob tatsächlich er zu einhundert Prozent die Ursache war.
„Dann führe ich dich besser schnell herum“, bot ich an und lief in die Mitte des Wohnzimmers. „Der untere Teil misst etwa einhundertzehn Quadratmeter. Die Immobilie kam erst ganz frisch herein, daher wurde sie bislang nicht genau vermessen. Ein entsprechendes Exposé schickt dir meine Mutter gewiss gerne zu, solltest du Interesse haben.“
„Das heißt, oben bleiben ungefähr siebzig Quadratmeter für Schlaf-, Ankleide- und Badezimmer?“
Der Schlafmangel machte sich langsam bemerkbar, deshalb brauchte ich einen Moment, um diese simple Rechenaufgabe zu lösen.
„Korrekt“, stieß ich schließlich hervor. „Der einzige abgetrennte Raum im Untergeschoss ist ein kleines Badezimmer, das mit einer Toilette, einem Waschbecken und einer ebenerdigen Dusche ausgestattet ist.“
Blaine hatte die Hände in die Hosentaschen geschoben und schlenderte auf mich zu. Statt die – wirklich beeindruckende – Wohnung anzusehen, war sein Blick ausschließlich auf mich gerichtet. Einen Meter vor mir blieb er stehen. Ich musste den Kopf leicht in den Nacken legen, um ihm nicht geradewegs auf seine breite Brust zu starren, die äußerst ansehnlich war! Am liebsten hätte ich geseufzt. So musste ein Mann gebaut sein, nicht wie Chester, das Professorensöhnchen, an dessen Seite mich meine Mutter unbedingt sehen wollte. Chester war ein blasser, schlaksiger Typ. Er war für die Abrechnungen der Klinik zuständig, weshalb er den ganzen Tag vor dem Computer saß. Dass er sich seine Kurzsichtigkeit nicht eingestand, sorgte dafür, dass er mit der Nase fast am Bildschirm klebte. Das wiederum hatte ihm eine grauenhafte, gebeugte Körperhaltung beschert, die ihn über kurz oder lang zum Dauergast in der Orthopädie und der Physiotherapie machen würde. Genauer gesagt: Chester Knight war das komplette Gegenteil von Blaine Hopkins, der vor Vitalität nur so strotzte.
„Ich habe also zwei Badezimmer?“, hakte Blaine nach, ohne mich dabei auch nur für einen Moment aus den Augen zu lassen.
„Richtig“, bestätigte ich heiser und schluckte gegen den Kloß in meiner Kehle an, der sich sekündlich vergrößerte.
„Purer Luxus“, raunte er mir entgegen, wandte sich ab und ging zu einem der großen Fenster hinüber.
So leise wie möglich atmete ich die Luft aus, die ich angehalten hatte, und sah Blaine hinterher. Er war vor dem Fenster stehengeblieben und hatte die Hände in die Hosentaschen seiner Jeans geschoben, was seinen Po exzellent zur Geltung brachte.
„Wie meinst du das? Ist das gut oder schlecht?“, fragte ich und starrte auf seinen Hinterkopf, ehe ich wegen seiner Kehrseite noch die Fassung verlor und mir ein verträumtes Seufzen über die Lippen kam. Die breiten Schultern zuckten.
„Es ist überflüssig, findest du nicht?“
Ich zog die Brauen in die Höhe. Bisher hatte ich nie davon gehört, dass sich ein Interessent bei meiner Mutter beklagt hatte, weil ein Objekt zu viele Badzimmer gehabt hatte.
„Nun, wenn man alleine wohnt, könnte das durchaus etwas überflüssig sein, doch …“, setzte ich an, aber Blaine fiel mir ins Wort.
„Wohnst du denn alleine?“
Mein Herz klopfte prompt schneller. Ich glaubte, zu erahnen, was Blaine mit dieser Frage bezweckte.
„Ja, ich habe eine kleine Wohnung mit zwei Zimmern in Mission Hill.“
„Das war keine Antwort auf meine Frage.“
Damit bestätigte er meine Vermutung. Er wollte auskundschaften, ob ich in festen Händen war.
„Ich lebe allein dort. Dank meiner unregelmäßigen Arbeitszeiten bleibt ohnehin keine Zeit für einen Freund“, plapperte ich ohne nachzudenken heraus. Blaines Ausdruck veränderte sich, was dafür sorgte, dass mir klar wurde, dass ich ihm soeben indirekt einen Korb gegeben hatte. Mist! „Zumindest für keinen, der einen normalen Nine-to-Five-Job hat“, fügte ich rasch hinzu.
Ein wissendes Lächeln umspielte nun seine Mundwinkel und sein Blick ruhte weiterhin auf mir. Ich hatte keine Ahnung, was ich noch sagen sollte und sein Schweigen brachte meine Nervosität auf ein neues Level.
„Sind da nicht die ganzen Krankenhäuser?“, hakte Blaine nach und steuerte auf die Treppe zum Obergeschoss zu. Ich tat es ihm gleich, doch da ich mich näher am Aufgang zum zweiten Stock befand, erreichte ich sie früher, sodass ich vorweggehen musste.
„Richtig. Weil ich da arbeite, war es für mich die optimale Lösung“, antwortete ich, während ich die Stufen nach oben ging.
Was ich verschwieg, war, dass ich ebenso gut in Back Bay im Haus meiner Eltern hätte wohnen bleiben können. Der Weg zur Knight-Klinik wäre nahezu derselbe gewesen. Allerdings hatte ich nach dem Abschluss des Studiums Abstand gebraucht. Mom und Dad hatten das Backsteinhaus, in dem bereits die Großeltern meines Vaters gelebt hatten, inzwischen für sich. Meiner Meinung nach war es für zwei Personen viel zu groß, aber für Einladungen zum Dinner machte es einen guten Eindruck, wenn man die Gäste zu einer Adresse in einer der teuersten Gegenden Bostons bestellte.
„Das heißt, dass ich, falls ich diese Wohnung nehme, durch ganz Boston fahren muss, um dich zu einem Date abzuholen?“
Abrupt blieb ich stehen, drehte mich herum und sah direkt in Blaines silbergraue Augen. Er stand zwei Stufen unter mir, wodurch sich unsere Gesichter auf einer Höhe befanden.
„Ein Date?“, keuchte ich atemlos, während ich Blaines Miene nach einem Hinweis für einen Scherz absuchte. Nein, da war nichts. Alles, was ich erkannte, war eine leichte Röte auf seinen Wangen.
Verlegen rieb er sich den Nacken. „Du musst nicht gleich antworten. Ich kann dir meine Handynummer geben …“
Ich sah, wie sich Blaines Lippen bewegten, hörte aber nicht, was er sagte. Die einzigen Worte, die mein Verstand registrierte, waren ‚Date‘ und ‚Handynummer‘. Noch nie hatte ich eine private Unterhaltung mit einem Spieler der Razors gehabt und nun lud Blaine Hopkins mich zu einem Date ein und bot mir zudem seine Handynummer an! Ein brennender Schmerz schoß über meine Nervenbahnen, als ich die Nägel meiner linken Hand in die empfindliche Unterseite meines rechten Handgelenks grub. Ich träumte also nicht!
Blaine sah mich aufmerksam an, während er auf eine Reaktion wartete. Niemals hätte ich mit so einer Frage gerechnet, deswegen war ich entsprechend unvorbereitet. Wollte ich ein Date mit ihm?
Heiliger Himmel, ja!
Der Mann übte eine Anziehung auf mich aus, von der ich mir inzwischen sicher war, dass sie nichts mit seinem Status als Eishockeyspieler zu tun hatte.