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Südafrika im März 2018: Menschen und Tiere schildern ihre persönliche Sichtweise der Lage der Regenbogennation. Dabei sind Robby, Restaurantbesitzer in Soweto, Thulani, Initiator des Kliptown Youth Projektes, Weenwele, Friseur, Chillo der Löwe, Nikki die Giraffe, Willy der Pinguin, und viele andere.
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Seitenzahl: 94
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Vorwort
Ples will es wissen
Bartolomeu fand es
Jan nahm es
Hastings starb viel zu früh
Norbert findet keine Ruhe
Iqhave erinnert sich
Noor hat es (üb)erlebt
Miriam war auch engagiert
Nelson ist omni-präsent
Robby startet durch
Weenwele ist auch dabei
Thulani zeigt es allen
Smiley kennt sich aus
Chillo ist gerne Boss
Nikki liebt den Überblick
Ali schwitzt Blut
Mdune vergisst nie
Benno mäht gern Rasen
Willy liebt es laut
Jesse hat es drauf
Bodo kann sich wehren
Ingwe liebt die leisen Töne
Kushesha ist nicht zu zähmen
Ingwenja kann warten
Dank
Im März 2018 konnte ich in vielfältiger Hinsicht meinen Horizont erweitern: Eine Südafrika-Tour mit den Schwerpunkten Johannesburg, Prätoria, Krügerpark, kleine Karoo, Gartenroute, Kapstadt, Kap der Guten Hoffnung und Simbabwe mit den Victoriafällen stand auf dem Programm.
Ich hatte mir vorgenommen, einige meiner Erlebnisse in Form eines Reiseberichtes festzuhalten. Eine chronologische Beschreibung der einzelnen Tagesetappen erschien mir zu banal. Lange fehlte es an einer zündenden Idee, einem roten Faden. Ich suchte eine Alternative, fand aber keine.
Eines Abends kam mir die Idee, wie wohl die afrikanischen Gastgeber uns wahrgenommen hatten. Nach ein, zwei Glas Rotwein erweiterte ich den Kreis und versuchte mich in einige der von mir bestaunten Tiere hinein zu versetzen. Die Idee amüsierte mich und ich ließ einfach mal den König der Tiere reden. Chillo war der Start für „Stimmen aus Afrika“. Je länger ich an den einzelnen Kapiteln arbeitete, umso mehr Freude entstand beim Schreiben und Recherchieren.
Danke allen Beteiligten, auch für die zur Verfügung gestellten Bilder. Viel Spaß beim Lesen.
Im Namen aller heiße ich, also Ples, euch in Südafrika willkommen. Viele Wissenschaftler gehen davon aus, dass ich die älteste Südafrikanerin bin. Also schaut genau hin.
Mein Schädel ist geschätzte zweieinhalb Millionen Jahre alt. Du hast richtig gelesen. Zweieinhalb Millionen. Er wurde 1936 in den Höhlen von Sterkfontein, unweit von Johannesburg gefunden. Dieser Fund von Dr. Robert Bloom gilt heute als das berühmte fehlende Glied in der Evolutionskette Affe-Mensch. Mein Name ist abgeleitet von der Gattung ‚Plesianthropus’, was Fast-Mensch heißt. Mal ganz unter uns: Ich finde, dass man das ‚Fast’ streichen könnte. Warum? Na, wenn ich mir meine täglichen Besucher mal ohne Dauerwelle, Fönfrisur, Kappe oder Sonnenhut vorstelle, unterscheiden die sich wirklich von mir? Wohl kaum, oder?
Dr. Broom hatte nach eingehenden Analysen meines Schädels abgeleitet, dass er von einem weiblichen Individuum stammen muss. Allerdings sind daran mittlerweile Zweifel aufgekommen. Bei Röntgenuntersuchungen wurde nämlich festgestellt, dass mein Schädel auch von einem Adoleszenten stammen könnte und spekuliert, er stamme von einem männlichen Wesen So, so. Wie dem auch sei, Miss oder Mister, bezüglich meiner finalen Herkunft gilt wie für so Vieles auf diesem Planeten: ‚Nix Genaues weiß mer net’.
Ich finde die Frage nach meinem Geschlecht übrigens total gut, denn so haben all die Touris Gelegenheit, die mich im Nationalmuseum in Pretoria besuchen, ihr (Pseudo-) Wissen und ihre individuellen Theorien über die Entstehung des Menschen kund zu tun. Was ich da so täglich zu hören bekomme. Wahnsinn. Wäre ein gefundenes Thema für die Glosse eines Zeitgenossen von der ‚ebsch Seit’, Holger Hieronymus: ‚Weine könnt’ ich, weine.’ Aber okay. Solange weiter über meine Herkunft spekuliert wird, solange werden auch Besucher aus aller Welt zu mir strömen. Das ist gut, da die Einnahmen aus dem Tourismusgeschäft fester Bestandteil unseres Budgets sind. Also: Bitte auch in Zukunft weiter diskutieren, spekulieren, streiten und besserwissern, ob ich nun eine Frau oder ein Mann bin. Darüber hinaus: Wer will nicht Klarheit darüber haben, wer er ist und wo er herkommt. Auch der neue Philosophiestar David Precht hat an dieser Frage noch zu knabbern. Freut mich.
Im Gegensatz zu meinem Geschlecht ist dagegen ziemlich sicher, dass in den südwestlichen Gebieten Afrikas bereits vor mehr als zehntausend Jahren Buschmänner (San) als Jäger und Sammler lebten. Felsbilder und Ritzzeichnungen belegen dies an verschiedenen Orten. Sie waren Nomaden, die vor etwa zwei Jahrtausenden mit den friedlichen Hirtenstämmen der Khoikhoi in Berührung kamen. Man schätzt, dass die ersten Einwanderungswellen vor eintausendfünfhundert Jahren einsetzten und bis in den West-Transvaal und den Oranje-Freistaat vordrangen.
Wie es dann weiter ging, wird euch der portugiesische Seefahrer Bartolomeu Dias berichten. Ich, Mrs./Mr. Ples, appelliere an die Menschheit, weiterhin neugierig zu sein und drängenden Fragen nicht auszuweichen. Ihr versteht?
Auf der Suche nach einem Seeweg von Europa nach Asien hatten portugiesische Expeditionen bereits Anfang des 15. Jahrhunderts die Westküste Afrikas erkundet. 1486 erteilte mir, also Bartolomeu Dias, König Johann II. von Portugal den geheimen Auftrag, die Südspitze des Kontinents zu finden, sie zu umsegeln und bis Indien vorzustoßen. Ich stach mit drei Schiffen in See. Wir segelten an der afrikanischen Westküste entlang bis zum südlichsten damals bekannten Punkt an der Küste des heutigen Namibia. Von dort ging es weiter Richtung Süden, vorbei an der heutigen ‚Spencer Bai’, bis wir schließlich in der Lüderitzbucht landeten. Ich errichtete dort meinen ersten steinernen Wappenpfeiler als Zeichen für die Inbesitznahme. Der erste Schritt war getan.
Auf der Weiterfahrt wurden wir von Stürmen über das Kap der Guten Hoffnung hinaus nach Süden getrieben. Als nach einigen Tagen auf Ostkurs immer noch kein Land in Sicht war und es immer kälter wurde, drehten wir nach Norden ab. Ich stieß auf eine bewohnte Bucht mit weidenden Rinderherden. Das musste die Bay an der Küste des heutigen Südafrika sein.
Hier steht noch heute der berühmte Postbaum, der von uns Seefahrern zum Versenden von Nachrichten genutzt wurde. Jeder, der dort Briefe fand, nahm sie mit, so weit er konnte, bis sie dann irgendwann ihren Empfänger erreichten. Und kaum zu glauben, es hat funktioniert. Zumindest in einigen Fällen. Ich habe jedenfalls daraus gelernt, dass man die Hoffnung nie aufgeben soll.
Die Inbesitznahme des Landes durch die Weißen und die Unterdrückung der farbigen Südafrikaner begann so richtig ab 1652, als ich, Jan van Riebeeck, am Kap der Guten Hoffnung, im Namen der Niederländischen Ostindien-Kompanie eine Versorgungsstation gründete.
Wir betrieben zunächst Landwirtschaft und Handel mit den Einheimischen. Später, so ab dem 18. Jahrhundert, wurden wir bekannt als ‚Buren’, bekennende Calvinisten. In der neo-calvinistischen Nederduitse Gereformeerde Kerk (NGK), der auch heute noch die Mehrzahl aller weißen Afrikaner angehören, war es lange selbstverständlich, dass Weiße und Nichtweiße gemeinsam beteten und kommunizierten. Das sollte sich später dann ändern.
1857 beschlossen wir Buren, dass Nichtweiße „ihre christlichen Privilegien in einem separaten Gebäude oder Institut genießen“ sollten. Zur religiösen Legitimation der Apartheid zogen wir Stellen aus dem Alten Testament, so aus dem 5. Buch Moses, heran. Es war nicht schwierig eine theoretische Fundierung für unsere Absichten und Ziele abzuleiten. Wie ihr seht, waren wir nicht nur in der Besiedlung und Nutzung von Neuland kreativ, nein, auch in der Rechtfertigung unseres Tuns. Über ‚richtig’ oder ‚falsch’ soll die Nachwelt richten. Ich jedenfalls bin mit mir im Reinen. Und wer kann das schon von sich sagen.
„Hello“ hätte ich, Hastings Ndlovu, gesagt, wenn ich am 16. Juni 1976 nicht bei einer Schülerdemo von der Polizei erschossen worden wäre. Mein Leben währte nur kurz. Daher lasse ich andere zu Wort kommen, die erläutern wie es überhaupt zu den Demos kommen konnte und was tatsächlich passierte. Danke für euer Verständnis.
Das Hector-Pieterson-Mahnmal steht seit 1992 in Orlando, Soweto. Auch Hector war ein Schüler, der am gleichen Tag wie Hastings erschossen wurde.
Markus Bosch schreibt dazu am 16. Juni 2016, 20:13 Uhr in ZEIT ONLINE:
„Vor 40 Jahren, am 16. Juni 1976, verübte die Polizei des Apartheidstaates hier eines der brutalsten Massaker in der Geschichte des Landes. In ihren Schuluniformen waren weit mehr als 10.000 schwarze Schüler auf die Straße gegangen, um gegen die geplante Einführung von Afrikaans, der Sprache ihrer weißen Unterdrücker, als Unterrichtssprache zu demonstrieren. Das Regime antwortete mit Waffengewalt. Mehr als 600 Schüler wurden erschossen, so steht es auf der Tafel am Erinnerungsstein auf dem Hector Pieterson Square. Das Bild des sterbenden Hector, der von einem Mitschüler getragen wird, ging um die Welt. Er war 13 Jahre alt. Während des Aufstands wurden tausende Schüler verletzt, weitere in der Folgezeit verhaftet, gefoltert, zu Tode geprügelt oder von Hochhäusern geworfen. "Auf Seife ausgerutscht" oder "aus dem Fenster gesprungen" ist in den Berichten der Polizei festgehalten, die nach dem Massaker lediglich 23 Todesopfer gezählt hatte.“
So weit Markus Bosch. Was war passiert? Wie konnte es dazu kommen? Die Antwort hat eine komplexe Vorgeschichte, die Norbert, Iqhave und Noor aus ihrer Sicht darstellen werden.
Verdammter Mist, denke ich, Norbert Grave, wenn mein Grab auf dem alten mystischen Friedhof mal wieder von Touristen umlagert ist. Warum? Ich erzähle euch kurz meine Geschichte.
1873 wurde am Pilgrim's Greek Gold gefunden. Es waren die ergiebigsten Goldvorkommen im südlichen Afrika, die bis zu dieser Zeit entdeckt wurden. Schnell ging die Nachricht von den Funden um die Welt. Die Digger kamen aus Australien, Nordamerika, Europa und Russland nach Pilgrim's Rest. Ich war natürlich auch dabei. Es waren verdammt harte Zeiten und jeder musste schauen wo er bleibt. Um mich herum ruhen Goldgräber, Händler und spätere Bergwerksangestellte. Unser Friedhof liegt auf einem südlichen Hügel und ist äußerst interessant, da man von hier oben einen imposanten Blick über das Tal hat. Alle Gräber liegen in Ost-West Richtung. Nur meines ist Nord-Süd angelegt. Auf dem Grabstein steht Robber’s Grave. Okay, ich gebe zu, ich habe ab und an etwas mitgehen lassen. Warum die mich aber auf frischer Tat gleich erschießen und senkrecht zu den anderen Gräbern bestatten mußten, verstehe ich wirklich nicht. Ich finde das total ungerecht.
Auf vielen Grabsteinen findet man deutsche Familiennamen. Dies spricht für deren großen Einfluss in der Goldgräberstadt. Viele suchten nicht nach dem Gold in der Erde, sondern betrieben lieber Handel, kauften das Gold auf, oder sie verliehen Kredite an die letztendlich armen Goldgräber. In meinen Augen waren das die wirklichen Räuber. Aber wie so oft im Leben: Die Kleinen hängt man und die Großen lässt man weiter ungehindert ihr Unwesen treiben.
So, jetzt kennt ihr meine Geschichte. Lasst mich bitte in Zukunft in Ruhe. Sonst kann ich wirklich nicht meine letzte Ruhe hier finden. Es reicht doch schon, dass mir der tolle Blick ins Tal verwehrt bleibt.
‚Ngileyo’, also ‚ei gudde’, meinerseits. Mein Name ‚Iqhave’ bedeutet bei uns Xhosa ‚Krieger’. Wir haben uns einhundert Jahre lang gegen die Briten gewehrt, die schon früh nach Kontrolle über die Kapprovinz strebten. Zwischen 1779 und 1879 bekriegten die sich bei ihrem Vordringen Richtung Osten so lange mit uns Xhosa, bis unser tapferes Volk sich ergeben musste. Unter der britischen Herrschaft bildeten sich dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts die ersten umfassend geplanten Apartheidsstrukturen in Südafrika heraus.
1910 wurde die Südafrikanische Union durch den Zusammenschluss der Provinzen Natal, Kapkolo